Bei der zweiten Schwangerschaft, jetzt zwei Jahre her, hat sie erst gar nicht versucht, eine Hebamme zu finden. Die Berichte ihrer Freundinnen, die auch schwanger waren und ebenfalls keine Hebamme gefunden hatten, brachten sie zu dem Entschluss, dass sie gar nicht erst versuchen wollte, selbst eine Hebamme zu finden.
Frauen stehen also mutterseelenallein da, unbegleitet von einer Hebamme, aber mit gefühlt 1.000 Fragen, Sorgen und Unsicherheiten. Das ist keine gute und zufriedenstellende Situation.
Wenn das Land Hessen die Geburtenrate mit Modellprojekten wie „Familienstadt mit Zukunft“ steigern will, sollten doch die Rahmenbedingungen nicht gleich zu Beginn des Lebens eines Neugeborenen miserabel, sondern möglichst gut sein. Wir fordern deswegen belastbares Zahlenmaterial. Andere Bundesländer machen das bereits. Hebammenverbände und Eltern wünschen sich das, damit eruiert werden kann, wo Hebammen wie arbeiten und wie eine flächendeckende Versorgung gewährleistet werden kann.
Meine Damen und Herren, abgesehen davon haben gesetzlich versicherte Frauen einen Anspruch auf eine Wochenbettbetreuung durch eine Hebamme. Aber wie, wenn sie keine finden können? Deswegen dürfen wir nicht stillschweigen, nicht zusehen, sondern müssen handeln und mit einem Register und einem entsprechenden Konzept dafür Sorge tragen, dass Frauen, die zukünftig hier in Hessen Kinder kriegen wollen, auf genügend Hebammen treffen und von ihnen gut versorgt und begleitet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, das ist in unser aller Interesse. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und hoffe, dass Sie unserem Antrag zustimmen werden. Denn dann sagen Sie schließlich Ja zum Leben und Ja zu einem guten Start in das Leben. – Herzlichen Dank.
Bevor ich Frau Kollegin Ravensburg das Wort erteile, möchte ich noch kurz einige geschäftsleitende Dinge mit Ihnen besprechen. Das muss jetzt sein, weil wir die Punkte nachher noch beraten wollen.
Noch eingegangen und an Ihre Plätze verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend ausreisepflichtige Asylbewerber aus Afghanistan, Drucks. 19/4459. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird das Punkt 59 und kann, wenn nicht widersprochen wird, mit den Punkten 18 und 25 aufgerufen werden. – Das ist auch der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Es ist eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Beschluss der Agrarministerkonferenz zur Schweinehaltung umsetzen, Drucks. 19/4460. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird das Punkt 60 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Punkt 54 aufgerufen werden. – Auch dies findet Ihre Zustimmung.
Dann haben wir noch ein bisschen zu tun. – Frau Kollegin Ravensburg, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Geburtenrate in Hessen steigt wieder. 2014 wurden 54.631 Kinder geboren. 2015 waren es 56.889, eine Geburtenrate von 1,5 %. Ich finde, das ist außerordentlich erfreulich und zeigt, dass sich Familien in Hessen wohlfühlen.
Mit einer steigenden Geburtenzahl steigt auch die Nachfrage nach Hebammen. Schließlich sind die Hebammen und die Geburtshelfer eine unersetzliche Hilfe – die Kollegin hat es eben dargestellt – vor, während und nach der Geburt. Hebammen begleiten. Sie geben wichtige Ratschläge. Sie haben viele Fragen zu beantworten. Sie stehen den Gebärenden zur Seite, und sie unterstützen und beraten nach der Geburt bei der Nachsorge von Mutter und Kind.
Neben den fest angestellten Hebammen und Geburtshelfern hat die freiberufliche Tätigkeit besonders in der Vorund Nachsorge eine lange Tradition. Auch wenn 98 % der Kinder in Geburtskliniken zur Welt kommen, wünschen sich die Eltern auch künftig die Möglichkeit der Hausgeburt oder der Geburt in einem Geburtshaus.
Doch gerade diese freiberufliche Tätigkeit wird wegen der extrem gestiegenen Haftpflichtprämien zunehmend unattraktiv. Bereits im Jahr 2014 hat der Hessische Landtag über die geänderten Rahmenbedingungen diskutiert. Seitdem sind wichtige Schritte, wie der Sicherstellungszuschlag bei den Hebammen mit geringen Geburtenzahlen, unternommen worden. Jedoch müssen weitere folgen.
Eines ist aber auch klar: Wir sprechen hier über kein spezifisch hessisches Problem, sondern über ein bundesweites. Mit Sorge erfüllen uns die Nachrichten, dass die Eltern in einigen Regionen Hessens über Wartezeiten berichten und über Schwierigkeiten, eine Hebamme für die Nachsorge zu finden. Wir halten es deshalb für umso wichtiger, dass möglichst bald eine tragfähige dauerhafte bundesweite Lösung mit allen Beteiligten erreicht wird.
Während die große Zahl der Hebammen in der Geburtshilfe angestellt ist, arbeiten die Hebammen in der Vorbereitung und in der Nachsorge freiberuflich. Es gibt aber auch Freiberufliche als Beleghebammen oder bei den Hausgeburten. Sie bieten ihre Tätigkeit wohnortnah und bei der Wochenbettbetreuung im häuslichen Umfeld an.
Frau Dr. Sommer, die Forderung des SPD-Antrags, die Hebammenversorgung und die Geburtshäuser in die Krankenhausplanung und die Krankenhausförderung aufzunehmen, ist deshalb nicht zielführend. Denn die freiberufliche Tätigkeit der Hebammen kann nicht einer staatlichen Reglementierung oder Planung unterliegen.
Auch dem von Ihnen geforderten Register stehen wir skeptisch gegenüber. Denn das würde mehr Bürokratie ohne praktischen Nutzen bedeuten. Ein Register hätte wenig Aussagekraft über die tatsächliche Verfügbarkeit der Hebammen. Freiberufliche Hebammen sollen ihre Arbeitszeit auch künftig flexibel und vor allen Dingen selbst bestimmen können.
Ich will auf die Schließung der Entbindungsstationen an hessischen Kliniken eingehen. Ja, gestiegene Fixkosten erfordern mindestens 400 Geburten zur Kostendeckung. Auch darüber hat der Hessische Landtag schon beraten. Das hat eben dazu geführt, dass kleinere Geburtskliniken aus wirtschaftlichen Gründen schließen mussten.
Doch es gibt auch eine andere Sicht. Untersuchungen zeigen uns eindeutig, dass die Gefahr der Komplikationen bei
der Geburt abnimmt, je mehr Geburten an einer Klinik durchgeführt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wissen auch die Eltern und entscheiden sich längst nicht immer für die nächstgelegene Klinik. Vielmehr schauen sie genau, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen.
Dass aber kleine Kliniken mit einer stabilen Geburtenzahl auch eine gute Perspektive haben können, zeigt uns das Beispiel des Hospitals zum Heiligen Geist in Fritzlar. Dort drohte die Schließung, weil keine neuen Belegärzte gefunden werden konnten. Durch die Umwandlung der Geburtshilfe in eine Hauptstation konnte den Ärzten ein festes Anstellungsverhältnis angeboten werden. Es wurden Ärzte gefunden. Die Entbindungsstation ist mit 450 Geburten und darüber hinaus jetzt gesichert.
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Wir halten deshalb unseren Dringlichen Entschließungsantrag für zielführend. Wir werden ihm zustimmen und werden den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ravensburg, Ihr Dringlicher Entschließungsantrag ist entbehrlich. Ich verstehe, dass Sie ihm zustimmen werden. Aber er ist wirklich entbehrlich.
Sie haben sich hierhin gestellt und gesagt, mit dem Register komme man nicht weiter. Sie sollten einmal mit den Hebammen reden. Sie wollen das Register haben.
(Beifall der Abg. Janine Wissler, Hermann Schaus (DIE LINKE), Dr. Daniela Sommer und Corrado Di Benedetto (SPD))
Sie haben ein Interesse daran, dass endlich einmal festgestellt wird, wo die Situation wie ist. Sie versuchen das schon selbst mit ihrer „Landkarte der Unterversorgung“, die Sie vielleicht kennen. Ich will einmal ein paar Zahlen daraus nennen. Im Raum Wiesbaden haben 271 und im Raum Frankfurt 777 Frauen keine Wochenbettbetreuung gefunden. In Karben waren es acht. In Dieburg sind es vier Frauen, die keinen Platz für eine Beleggeburt finden. In Darmstadt blieben neun Frauen ohne Schwangerenvorsorge. In Griesheim sind es drei, die keinen Platz im Hebammenkurs finden. Das sind nur die Frauen, die sich voller Verzweiflung auf diese Karte der Hebammen haben eintragen lassen.
Wenn wir ein Register hätten, wüssten wir sehr viel genauer, woran wir sind. Da kann sich die Regierung nicht wegmogeln und sagen, sie habe keine Handhabe. Denn die
Hebammen haben ihnen selbst gesagt, welches das Instrument ist, mit dem man wenigstens einmal Klarheit über die Sachlage bekommen könnte.
Eine Lokalzeitung zitierte vor fünf Tagen die Sprecherin der örtlichen Gliederung des Deutschen Hebammenverbandes. Sie empfiehlt den Eltern, sich bereits sofort zu Beginn der Schwangerschaft um eine Hebamme zu bemühen. In der 20. Woche hätten die Eltern zumindest in diesem Landkreis kaum noch eine Chance, jemanden zu finden. Ich hoffe, das wissen alle werdenden Eltern.
Bei der Landesregierung und auch bei der Bundesregierung kommt diese Kritik nicht an. Der hessische Sozialminister ist der Meinung, dass Hebamme ein freier Beruf sei – da hat er recht – und dass die Landesregierung nichts damit zu tun habe. Da hat er eben nicht mehr recht.
Ob Eltern eine Hebamme für ihre Schwangerschaftsvorsorge, Geburtshilfe oder Nachsorge finden, ist eben etwas, womit wir uns hier beschäftigen müssen.
Bei Beschwerden werden Eltern auf die Geburtshilfe eines Krankenhauses in ihrer Umgebung verwiesen, das das Kind schon irgendwie auf die Welt bringen wird. Natürlich ist in Hessen noch jedes Kind auf die Welt gekommen. Das reicht aber doch nicht als Qualitätskriterium. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat aktuell für die Gynäkologie Qualitätskriterien verabschiedet. Diese beziehen sich aber nicht auf das Zahlenverhältnis zwischen Hebamme und Geburten. Es ist doch ein Unterschied, ob eine Hebamme in einer Entbindungsklinik eine Frau oder mehrere Frauen gleichzeitig betreut.
In den letzten sechs Jahren wurden in Hessen zwölf geburtshilfliche Stationen geschlossen. Damit sind längere Wartezeiten verbunden. Die Landesregierung sieht Fahrzeiten bis zu 45 Minuten als zumutbar an. In 45 Minuten kann eine Geburt bereits vorüber sein. Welcher Geburtsort ist das denn dann? Ist es die A 44, oder was?
Selbst die heute noch bestehenden Geburtskliniken haben Probleme, Hebammen oder Entbindungspfleger zu finden. Der Beruf, der für viele Berufung war, ist aufgrund der schwierigen Arbeitsbedingungen sehr unattraktiv geworden. Die mageren Einkommen und die hohen Haftpflichtprämien machen es schwer, ein Auskommen zu haben. Deswegen werden junge Menschen nicht mehr Hebamme oder Geburtspfleger. Damit steuern wir auf eine Situation zu, die wir uns nicht mehr stillschweigend anschauen können.
Die freiberuflichen Hebammen rechnen vor, dass sie einen Stundenlohn zwischen 7,50 € und 8,50 € erzielen. Das liegt unter dem Mindestlohn. Dafür müssen sie rund um die Uhr erreichbar sein. Sie müssen sonntags wie werktags arbeiten. Das führt dazu, dass immer mehr ihre freiberufliche Tätigkeit aufgeben oder ganz aus dem Beruf herausgehen. Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, das können Sie doch nicht wollen.
Wir sind der Meinung, die Versorgung mit Hebammenleistungen gehört zur Grundversorgung der Bevölkerung. Sie
muss wohnortnah erfolgen, z. B. über Versorgungszentren, Hebammenstützpunkte oder Kooperationen. Wir wollen den Hebammenberuf nicht nur erhalten, sondern aufwerten. Hebammen sollen, wie in den Niederlanden, die ersten und wichtigsten Ansprechpartnerinnen für Schwangere sein.
Die Bedingungen sollen eine 1:1-Betreuung in der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett gewährleisten. Die Vergütung der Hebammen muss sich selbstverständlich daran orientieren. Sie muss so sein, dass die Kolleginnen und wenigen Kollegen davon mit ihren Familien leben können.