Protocol of the Session on November 23, 2016

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Beratung zum Einzelplan 03 abgeschlossen.

Kolleginnen und Kollegen, nach einer erneuten Überprüfung zieht die Fraktion der FDP ihren Dringlichen Antrag Drucks. 19/4113 zurück.

Verteilt wurde ein Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Flughafen Frankfurt und Ryanair, Drucks. 19/4117. Wird auch hier die Dringlichkeit bejaht? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann wird dieser Dringliche Antrag zu Tagesordnungspunkt 44 und zusammen mit Tagesordnungspunkt 37 aufgerufen, wenn das auf Ihr Einverständnis trifft. – Das ist der Fall.

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun

Einzelplan 04 – Hessisches Kultusministerium –

auf. Als Erster erhält Herr Kollege Degen von der SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich könnte es mir jetzt ganz einfach machen und an die hervorragende Rede des Kollegen Rudolph von heute Vormittag anknüpfen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von den GRÜNEN: Das kannst du besser!)

Man braucht einfach nur „Polizeibeamte“ durch „Lehrkräfte“ zu ersetzen und „Dienststellen“ durch „Schulen“, dann ist im Grunde schon das Wesentliche gesagt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Nun ist nicht alles ganz gleich, und vielleicht war auch der eine oder andere heute Morgen nicht im Saal, aber das Prinzip ist das gleiche. Die Landesregierung verliert sich in ihren statistischen Mittelwerten und ist Meister im Verkaufen und Präsentieren. Doch vor Ort fragen sich die Schulen, fragen sich Lehrkräfte und Schulgemeinden wirklich, wie man die Realität so ignorieren kann, und schütteln den Kopf.

(Beifall bei der SPD)

Ähnlich wie beim Einzelplan 03 kann ich mir sehr gut vorstellen, was wir nachher wieder hören werden: mehr Stellen, mehr Geld. Dazu hat der Kollege Schäfer-Gümbel schon gestern das Wesentliche gesagt. Natürlich steigen Etats in der Regel immer; das hat auch etwas mit Inflation zu tun. Ich will aber schon ganz deutlich machen: Wenn man genau hinschaut, wie sich die Schülerzahlen und die Lehrerzahlen in der Grundunterrichtsversorgung entwickeln,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

dann kann man schon jetzt feststellen, Herr Kollege Irmer, dass das Verhältnis von Lehrerstellen zu Schülern in der Grundunterrichtsversorgung so aussieht, dass weniger Lehrer für mehr Schüler vorhanden sind. Die durchschnittliche Klassengröße steigt, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Unsere Schulen leisten sehr viel – die Lehrkräfte sowieso. Angesichts all der vielen Aufgaben, die sie haben und die wir hier immer beschließen und in Erlasse oder Gesetze schreiben, wird sehr viel getan.

(Beifall bei der SPD)

Dann stellen Sie sich hin und bejubeln das zwar, sagen den Lehrkräften aber ebenso wie den Polizeibeamten: letztes Jahr eine Nullrunde, dieses Jahr 1 %. An dem Lohndiktat wird festgehalten. Es fehlt die Übertragung der Tarifergebnisse. All das ist kein wirkliches Signal, um die Lehrkräfte vor Ort zu motivieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bundesweit die höchste Stundenverpflichtung, und auch daran wird sich nicht viel ändern.

Bevor es nachher heißt, wir würden alles schwarzmalen,

(Armin Schwarz (CDU): Schwarz ist eine schöne Farbe! Schwarz ist immer gut!)

und hier sei das Maß verloren gegangen, will ich jetzt ausdrücklich drei Punkte hervorheben, die ich begrüße. Einer davon ist der Pakt für Weiterbildung, den wir gemeinsam vereinbart haben. Er macht ganz klar, dass hier mehr getan wird. Das ist in dem Entwurf dieses Haushaltsplans etwas Gutes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Daniel May (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Zweitens. Auch das will ich hervorheben. Ich finde es nach wie vor sehr gut, dass wir uns im vergangenen Jahr bei zwei Punkten einigen konnten. Einer davon ist das Thema Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit den damals 800 Stellen mehr. Ja, es ist richtig: Hier muss mehr getan werden. Die 1.100 Stellen, die jetzt kommen werden, sind auch richtig. Da muss natürlich mehr getan werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sage aber auch: Ich habe Zweifel, ob das ausreichen wird. Ich habe auch Zweifel, ob Sie dafür ausreichend Lehrkräfte finden werden. Das muss man sehen. Die Stellen müssen geschaffen werden.

Ich will genauso an das Thema „Ganztag“ anknüpfen. Wir haben im letzten Jahr ein Sonderprogramm mit 6 Millionen € zur Weiterentwicklung zu echten Ganztagsschulen beschlossen, also zu Profil 2 und dann vor allem auch weiter zu Profil 3. Auch dieses Programm ist richtig. Es ist gut und richtig, dass es weitergeführt werden wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Mathias Wag- ner (Taunus) und Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es hat sich gezeigt, dass dieses Programm richtig ist. Denn die 6 Millionen € wurden abgerufen. Es heißt immer einmal wieder, es hätte nicht mehr Anträge gegeben. Es gab in der Tat deutlich mehr Anträge. Die Schulträger sortieren immer vorher. Sie sieben vorher aus. Hier kommt dann immer das an, was vor Ort wirklich machbar ist.

Ich will Ihnen dazu ein Beispiel aus dem Main-KinzigKreis nennen. In der nächsten Kreistagssitzung wird die neue Liste beraten werden. Wir werden alleine vier Grundschulen haben, die in das Profil 1 wollen. Sie wollen sich auf den Weg machen. Wir werden aber auch drei Schulen haben – eine integrierte Gesamtschule, eine Haupt- und Realschule und eine Grundschule –, die sagen, sie wollen jetzt in das Profil 2. Denn sie haben gemerkt, dass endlich Entwicklung da ist. Jahrelang wurden die Schulen immer wieder zurückgehalten. Es wurde immer wieder gesagt: Es gibt kein Geld, ihr könnt euch nicht weiterentwickeln. – Sie merken jetzt: Da ist Aufbruch. – Es wird jetzt mehr Anträge geben.

Es gibt bei uns im Landkreis eine Grundschule, die in das Profil 3 will. Denn wir haben jetzt gezeigt, dass diese Entwicklung möglich ist. Deswegen muss dieses Programm weitergeführt werden, und zwar nicht nur im nächsten Jahr und nach Möglichkeit mit mehr Mitteln.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch klar sagen, dass das in Abgrenzung zum Pakt für den Nachmittag geschehen soll. Wir haben mit unseren Änderungsanträgen klargemacht: Wir wollen schon, dass bei dem Ganztagsschulprogramm mit Maß noch draufgesattelt wird. Aber wir hielten es für deutlich sinnvoller, wenn die Mittel, die für den Pakt vorgesehen sind, für echte Ganztagsschulen eingesetzt würden. Das hat etwas damit zu tun, dass die Schule und der Unterricht kostenfrei sein müssen. Auch der Besuch der Schulen am Nachmittag muss kostenfrei sein.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Willi van Ooyen und Gabriele Faulhaber (DIE LINKE))

Die Einführung eines Schulgeldes durch die Hintertür lehnen wir ganz klar ab.

Genauso ist das auch hinsichtlich der Möglichkeiten, die echte Ganztagsschulen bieten. Ich will auch an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Wir wollen das Ganztagsschulprogramm so attraktiv machen und den Schulen so anbieten, dass sie es wählen. Ich glaube, der Bedarf ist da. Die Schulgemeinden werden sich dafür entscheiden. Hier ist eine zwangsweise Einführung nicht notwendig und auch gar nicht gewünscht. Wir wollen das den Schulen anbieten. Die Schulen werden das machen.

Ich will auch sagen, dass die Ganztagsschulen für das soziale Lernen und für die Entwicklung der sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler wesentlich sind. Man kann das für richtig oder falsch halten. Vieles findet im Elternhaus nicht statt. Die Schulen haben heute einfach mehr Erziehungsaufgaben zu leisten. Dazu sind echte Ganztagsschulen wichtig.

Das ist der wesentliche Schwerpunkt unserer Haushaltsänderungsanträge in diesem Jahr. Wir brauchen auch Schulsozialarbeit. Wir brauchen echte Sozialarbeit an den Schulen und keine Krücke, die sich USF nennt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Gabriele Faul- haber (DIE LINKE))

Wir sind der Meinung, dass die Schulsozialarbeit an jeder Schule im Land eigenständig stattfinden muss. Sie muss schon deswegen eigenständig sein, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Schülern und den entsprechenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ein ganz anderes ist, wenn Letztere nicht dem Lehrerkollegium und der Schulleitung unterstellt sind. Sie müssen eigenständig sein. Das geht nur, wenn das von den Kommunen vor Ort organisiert wird.

Ich weiß genau, dass es wieder heißen wird, das sei alles ganz schwierig, der Rechnungshof etc. Schauen wir einmal nach Baden-Württemberg und nach Bayern. Sie machen es genau so, wie die SPD-Fraktion es hier fordert. Sie zahlen eine Förderpauschale an die Träger vor Ort und organisieren so die wichtige Schulsozialarbeit. Sie organisieren damit auch, wie es sich gehört, dass sie ausgebaut wird. Genau das wollen wir auch, und zwar mit 6,2 Millionen €.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch noch einmal eines ausdrücklich sagen: Auch die Schulsozialarbeit ist ein schönes Beispiel dafür, was Sie machen. Sie sagen den Schulen immer: Ja, ihr könnt das machen, ihr könnt auch irgendetwas Ähnliches wie Schulsozialarbeit machen, aber ihr müsst es aus dem Zuschlag zu der Grundunterrichtsversorgung oder aus den Mitteln des Sozialindex finanzieren. – Mit diesen Mitteln

soll so viel gemacht werden, dass die Schulen das nicht leisten können. Gerade auch der Anspruch der Eltern steigt immer wieder. Die Schulen werden da überlastet. Wir brauchen für die Ziele, die wir haben, eigene Programme.

Ein „schönes“ Beispiel – eigentlich ist es gar kein schönes, sondern ein sehr trauriges Beispiel – kommt gerade von den Grundschulen. Von dort erreichen uns Jahr für Jahr viele Überlastungsanzeigen. Ich habe gerade einen Brief bekommen, der sich an Herrn Staatsminister Prof. Dr. Lorz richtet. Er stammt von einer Grundschule aus dem Schulamtsbezirk Darmstadt-Dieburg und der Stadt Darmstadt. 56 weitere Schulleiterinnen und Schulleiter unterstützen das. Dort wird in fünf Punkten noch einmal ganz klar aufgeführt, dass die Inklusion richtig ist und gewollt wird. Aber unter den Bedingungen, die Sie anbieten, ist sie nicht machbar. Lehrkräfte sind frustriert. Die Motivation nimmt ab.

Genauso gilt das bei der Beschulung der Flüchtlinge. Man hat große Anerkennung für die Arbeit, die da gemacht wird. Aber das ist alles sehr schwierig. In den Schulen hat man immer mehr das Gefühl, an die Grenzen der Belastbarkeit zu kommen.

Wir müssen endlich klarmachen, dass wir gerade die Grundschulen unterstützen wollen. Deswegen schlagen wir ein Programm vor, um gerade die Heterogenität, die wir dort haben, zu unterstützen, um altersgemischte Gruppen zu unterstützen und um jahrgangsübergreifende Gruppen gerade auch im ländlichen Raum zu unterstützen, also die Schulen zu unterstützen, die von der Schließung bedroht sind. Daran müssen wir gehen. Wir müssen da helfen. Dementsprechend soll es ein Sonderprogramm zur Stärkung der Heterogenität an Grundschulen geben.

(Beifall bei der SPD)