Protocol of the Session on July 14, 2016

Wir haben aktuell in Hessen nur noch ca. 3.200 Milchviehbetriebe. Allein zwischen 1991 und 2010 gab es einen Rückgang der Milchviehbetriebe um 89 %. Das ist wirklich dramatisch, denn hier geht es um Existenzen.

Die Milchviehbetriebe, die bleiben, werden immer größer. Die kleinen Milchviehbetriebe fallen weg. Es ist nicht so, dass wir finden, dass es keine größeren Betriebe geben darf. Aber auch diese größeren Betriebe bekommen ein Problem. Sie müssen immer effektiver arbeiten, sie müssen sich vergrößern. Sie müssen Kredite aufnehmen und kommen aus diesem Dilemma kaum heraus, gerade bei den in Moment existierenden Preisen.

Wir müssen die Milchviehbetriebe, die noch da sind, halten und unterstützen. Denn hier geht es um unsere heimische Landwirtschaft. Hier geht es um den ländlichen Raum und natürlich auch um unsere Kulturlandschaft, die ohne die Beweidung durch diese Nutztiere teuer und aufwendig gepflegt werden muss, und um die biologische Vielfalt.

Alles in allem kostet es uns enorm viel, wenn wir so weitermachen wie bisher und die Milchkrise nicht bekämpfen. Da wird die billige Milch für alle im Endeffekt teurer, fast unbezahlbar. Geiz ist nicht geil, Nachhaltigkeit ist geil; denn nur das schafft gute Zukunftsperspektiven.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Milchbauern stehen mit dem Rücken zur Wand, und ich bin Ministerin Hinz sehr dankbar, dass sie im Rahmen dessen, was wir als Land Hessen tun können, hilft, indem 5 Millionen € als Soforthilfe im Rahmen der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete bereitgestellt werden und mit diesen 5 Millionen € zusätzlich insgesamt 20 Millionen € ausgeschüttet werden können.

An Herrn Lenders gerichtet, möchte ich sagen: Klar, diese 5 Millionen € zusätzlich oder 20 Millionen € können das Problem nicht lösen. Aber sie helfen. Ich möchte Sie bitten, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass der Bauernpräsident, Herr Schmal, der bei dieser Pressekonferenz zugegen gewesen ist, als verkündet worden ist, dass es diese 5 Millionen € zusätzlich gibt, gesagt hat: Es ist ein wichtiges Signal auch für den Bauernverband, dass die Hessische Landesregierung zusammen mit dem Ministerpräsidenten Bouffier und mit Ministerin Hinz verkündet hat, dass diese 5 Millionen € Soforthilfe schnell und zügig bereitgestellt werden sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist natürlich gut und wichtig, dass die Landesregierung die Milchbauern unterstützt. Aber wir müssen natürlich auch an die Ursachen des Problems gehen. Die Ursachen des Problems – wir haben hier schon mehrfach darüber diskutiert – sind die große Milchmenge, die Überproduktion, die im Markt ist, und die geringe Nachfrage. Da unterstützen wir die Landesregierung bei ihren Aktivitäten im Bundesrat zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes, um freiwillige Mengenabsprachen zwischen Molkereien und Landwirten kartellrechtlich zu erleichtern – das ist schon auf den Weg gebracht worden –, aber auch bei ihrem Einsatz gegenüber der Bundesregierung, die sich auf EU-Ebene für eine zeitlich befristete Reduzierung der Milchmenge einsetzen soll.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, an die Ursachen des Problems zu gehen und nicht immer nur an den Symptomen herumzudoktern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deswegen halten wir für grundfalsch, was die FDP in ihrem Antrag fordert, z. B. neue Exportmärkte für die hessischen Milchbauern zu erschließen. Welche Exportmärkte sollen das denn sein? Was wollen Sie machen? Wollen Sie noch mehr Milchpulver nach Afrika schicken und zusehen, wie dort unsere billige Milch die heimische Landwirtschaft kaputt macht? Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass wir das wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LIN- KE))

Zum erneuten untauglichen Versuch der FDP, das Bild zu stellen, als würde mit dem Ökoaktionsplan irgendeine Benachteiligung der konventionellen Landwirte einhergehen

oder sogar die Milchkrise verschärft werden, kann ich nur sagen: Das Bild, das Sie stellen wollen, ist so etwas von an den Haaren herbeigezogen, das ist so etwas von absurd. Ich habe das Gefühl, Sie leben in der Vergangenheit, als es die Gräben zwischen ökologischer Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft in Hessen noch gab. Das möchte ich nicht bestreiten, aber ich glaube, Sie hätten diese Gräben gerne wieder. Wir mit unserer Landesregierung, mit Schwarz-Grün in Hessen haben sie aber zugeschüttet. Ich glaube, das ist eine gute Leistung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Bei dem Satz im Antrag der FDP: „Der Landtag unterstützt daher die Kritik des Hessischen Bauernverbandes am Ökoaktionsplan der Landesregierung“, frage ich mich: Wo haben Sie diese Kritik gehört oder gelesen? Ich habe lange recherchiert, ich habe dazu keine Kritik gefunden, ganz im Gegenteil.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, die Ökobauern sind doch auch Mitglieder des Bauernverbands. Darin sind nicht nur konventionelle Mitglieder vertreten, sondern auch Ökobauern. Der Zukunftspakt Landwirtschaft ist doch von Ökobauern und den Konventionellen zusammen beschlossen worden. Alles, was darin steht, nämlich die ökologische Landwirtschaft zu fördern, ist von den Ökobauern und von den Konventionellen zusammen unterschrieben worden. Wo sehen Sie den Gegensatz?

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der CDU)

Das beste Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Biobauern und den Konventionellen sieht man in der Ökomodellregion in der Wetterau. Soviel ich weiß, ist ein Kollege der FDP zuständig für die Landwirtschaft. In dieser Ökomodellregion in der Wetterau haben sich die konventionellen und die Ökolandwirte zusammengetan, weil sie gesagt haben: Ökomodellregion ist eine gute Sache, da machen wir mit. Wir Ökobauern in der Wetterau haben den Markt im Rhein-Main-Gebiet mit der großen Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln vor der Tür. Da machen wir mit, das unterstützen wir gemeinsam. – Von wegen ideologische Gräben zwischen Konventionellen und Ökos. Diese Gräben existieren hier schon lange nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das Einzige, wo ich Ihnen, Herr Lenders, recht geben mag, ist der Punkt in Ihrem Antrag, in dem Sie sich kritisch zu der geplanten Fusion von Tengelmann und Edeka und zu dieser Ministererlaubnis äußern. Auch das ist schwierig. Auch das wird die Konzentration im Markt verstärken. Das ist sicherlich ein Nachteil für die Landwirtinnen und Landwirte, aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Bei diesem Thema sind wir ausnahmsweise einmal einer Meinung.

Meine Damen und Herren, Ministerin Hinz tut alles, was von Hessen aus getan werden kann und möglich ist, um den Milchviehbetrieben zu helfen. Die Landesregierung handelt mit der Bereitstellung der zusätzlichen Mittel von 5 Millionen €, also insgesamt 20 Millionen €, im Rahmen der Ausgleichszulage verantwortlich. Sie hatten es schon angesprochen, Herr Lenders: Das sind 70 % der Milchviehbetriebe, die wir in Hessen haben. Es sind nicht alle

Milchviehbetriebe, die wir haben, aber es sind die Milchviehbetriebe, die sich in besonders schwierigen Lagen in Hessen befinden, nämlich in Hanglagen oder in gebirgigen Regionen, also in all den Regionen, die nicht über besonders fruchtbaren Boden verfügen, wo man keinen Ackerbau betreiben kann, wo man keinen Gemüseanbau betreiben kann. Diese Menschen sind besonders gebeutelt, und deswegen verstehe ich nicht, dass Sie gerade das kritisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Milchviehwirtschaft ist in diesen Regionen die einzige Möglichkeit, überhaupt Landwirtschaft zu betreiben. Wenn wir uns um diese Betriebe nicht mehr kümmern, werden wir irgendwann nur noch eine Konzentration auf einige wenige große Betriebe haben, oder die Landwirtschaft wird komplett ins Ausland verlagert. All diese Dinge wollen wir nicht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE in Hessen kämpfen um jeden Milchbauern. Aus diesem Grunde haben wir diesen Setzpunkt eingebracht. Wir müssen alles befördern, was wir auf europäischer Ebene tun können. Wir müssen aber natürlich auch das tun, was wir hier tun können. Das macht Frau Ministerin Hinz. Morgen wird es eine Sonderagrarministerkonferenz in Brüssel geben. Da treffen die Agrarminister mit dem Agrarkommissar Phil Hogan zusammen. Aber auch hier gilt für uns: Bitte an die Ursachen des Problems gehen – das wird unsere Ministerin auch machen –, nämlich an die übergroße Menge. Wir müssen eine Mengenregulierung angehen.

Von daher wünsche ich Ministerin Hinz morgen alles Gute. Ich danke auch für die Unterstützung. In diesem Sinne hoffe ich, mit unserem Setzpunkt deutlich gemacht zu haben: Die Milchviehhalter in Hessen können auf uns zählen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Feldmayer. – Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Lenders für die Freien Demokraten gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident! Frau Kollegin, das eine will ich Ihnen sagen. Sie haben gerade skizziert, dass die 5 Millionen € nur 70 % der hessischen Milcherzeuger erreichen. Das zeigt genau das Problem, dass die Decke oben und unten einfach zu kurz ist.

(Beifall bei der FDP)

Sie hätten sonst mehr Geld zur Verfügung gestellt oder es nicht nur auf diese zusätzlich betroffenen Milchproduzenten konzentriert. Deswegen finde ich es nicht in Ordnung, dass Sie in einer solchen Debatte überhaupt nicht auf unsere Lösungsvorschläge – mit Ausnahme des Themas Export – eingegangen sind, was Landesbürgschaften und Liquiditätshilfen des Landes anbelangt. Dazu sagen Sie kein Wort. – Lassen wir das einmal im Raum stehen.

Eines lasse ich Ihnen nicht durchgehen. Sie erzählen uns permanent die Geschichte, wir hätten etwas gegen die Ökobauern und gegen ökologisch produzierte Produkte. Ich will Ihnen sagen: Nicht wenige davon sind FDP-Mitglieder. – Ich kann Ihnen immer nur sagen: Sie machen den Fehler, den Bauern, den Ökolandwirten, nicht die Chance zu lassen, in einer Marktnische einen fairen Preis zu erzielen.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben nämlich im Moment noch einigermaßen faire Preise. Sie versuchen permanent, das Angebot am Markt zu vergrößern. Der Markt wird darauf reagieren. Das hat Frau Goldbach in einer Stellungnahme schon dargestellt. Die Nachfrage wächst stärker als das Angebot.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eben!)

Das Angebot wird wachsen. Der Handel wird auf diese Frage eine Antwort finden. Aber diese Antwort wird Ihnen nicht schmecken.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Lenders, vielen Dank. – Zur Erwiderung spricht Frau Feldmayer. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will Herrn Kollegen Lenders kurz antworten. – Herr Lenders, es freut mich natürlich, dass Sie viele Biobauern in Ihrer Partei haben. Vielleicht können Sie mir einmal sagen, wer das ist?

(Heiterkeit der Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Kurt Wiegel (CDU))

Vielleicht können wir sie überzeugen, zu den GRÜNEN zu kommen. – Spaß beiseite. Das war nur ein Scherz.

Ich möchte noch einmal inhaltlich auf das eingehen, was Sie zu Angebot und Nachfrage gesagt haben. Was meinen Sie denn, warum wir den Ökoaktionsplan in Hessen gestartet haben? – Es gibt in Hessen eine riesige Nachfrage nach Ökoprodukten, die wir nicht befriedigen können. Genau aus diesem Grund ist der Ökoaktionsplan doch auf den Weg gebracht worden.

Wir wollen, dass die Landwirte aus dieser Nische herauskommen. Herr Lenders, das ist ein Wachstumsmarkt. Sie reden doch als Liberale immer davon. Angebot und Nachfrage ist doch Ihr Mantra. Warum sind Sie denn bei dem Ökolandbau so stur? Ich verstehe es nicht. Warum denn nicht? Das entspricht doch dem Gesetz der Marktwirtschaft. Es gibt eine große Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten. Wir haben zu wenige ökologisch erzeugte Produkte in Hessen.

Genau da handelt die Landesregierung. Das ist nachhaltig. Das ist im Sinne der Ökonomie richtig. Es ist ökologisch sinnvoll. Es ist sozial. Es schafft Arbeitsplätze.

Genau das wollen wir. Das machen wir in Hessen. Das ist unsere Politik. Ich danke Ihnen, dass Sie mir noch einmal die Gelegenheit gegeben haben, unseren Ökoaktionsplan kurz vorzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Kollegin Feldmayer, vielen Dank. – Als Nächster hat sich für die Fraktion der Sozialdemokraten Herr Kollege Lotz zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.