Protocol of the Session on July 13, 2016

den. Alles in allem ist das ein rundum gelungenes Instrument, das Leben retten hilft.

Abschließend möchte ich sagen: Das Lob und der Dank gelten nicht den Mitgliedern der Koalition oder der Landesregierung. Vielmehr gelten sie in erster Linie den Rettungsdiensten, den Rettungskräften, den Notfallsanitätern, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst und allen Akteuren im Gesundheitswesen. Denn sie helfen den Menschen in Not.

Der vorliegende Antrag besteht aus Eigenlob. Sie begrüßen, und Sie stellen fest. Aber es gibt noch zu viele nicht geklärte Fragen, wie z. B. die, was das Land tut, um die Einhaltung der Hilfsfrist zu unterstützen. Ich stelle auch hier noch einmal die Frage: Wollen Sie das Versäumnis der Zusammenlegung mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung überdenken und das initiieren? Wollen Sie den Fachkräftemangel tatsächlich angehen? Wie wollen Sie die Qualifizierung zu Notfallsanitätern sicherstellen?

Alles in allem bleiben noch zu viele Fragen offen. Es gibt noch zu viel Handlungsbedarf. Es wurden zu viele Selbstverständlichkeiten genannt, um Ihrem Antrag zuzujubeln. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Dr. Sommer, herzlichen Dank. – Bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüße ich auf der Besuchertribüne unsere langjährige Kollegin Inge Velte. Liebe Inge, herzlich willkommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort erhält jetzt Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über die Kreativität hinsichtlich der Themen für Setzpunkte möchte ich mich nicht streiten. Schließlich geht es heute um ein wichtiges Thema. Ein gut oder weniger gut funktionierendes Rettungswesen kann über Leben und Tod entscheiden. Das ist Grund genug, sich damit zu beschäftigen.

„Wie können wir dafür sorgen, dass unser Rettungswesen besser wird?“, das wäre ein guter Titel für einen Antrag gewesen. Aber nein, die Landesregierung ist sich selbst genug. Der Opposition bedarf es überhaupt nicht. Den Landtag braucht sie dafür eigentlich auch nicht.

Allerdings ist es noch keine zwei Jahre her, dass die hessischen Medien eine durchaus problematische Versorgung hinsichtlich der Rettungseinsätze vermeldeten. Wenn wir uns die aktuellen Zahlen ansehen, merken wird, dass es weiterhin Luft nach oben gibt. Insbesondere in den großflächigen ländlichen Kreisen liegt das Erreichen der Hilfsfrist von bis zu zehn Minuten noch lange nicht bei 90 %. Im Vogelsbergkreis sind es 73,4 %. 74,6 % sind es im Landkreis Waldeck-Frankenberg. 80,1 % sind es im Landkreis Limburg-Weilburg, etc.

In den Städten ist das allerdings besser. Da liegt die Hilfsfrist in 90 % der Fälle unter zehn Minuten.

Allerdings sollten wir nicht nur auf die Hilfsfrist schauen. Es ist auch erforderlich, dass andere Hilfskräfte, wie z. B. die Polizei, entsprechend gut geschult sind, damit sie einen Herzinfarkt von einem Schwächeanfall unterscheiden können, und wissen, wann sie welchen Wagen anzurufen haben. Wenn das gewährleistet gewesen wäre, wäre das Überleben eines grünen Kommunalpolitikers nicht davon abhängig gewesen, dass vor Ort zufällig ein Arzt war. Vielmehr wäre der Rettungswagen rechtzeitig da gewesen.

Die Anzahl der Einsätze des Rettungsdienstes steigt kontinuierlich. 2014 entfiel ein Einsatz des Rettungsdienstes pro Jahr auf jede sechste Einwohnerin bzw. jeden sechsten Einwohner. Auffällig ist dabei aber die völlig unterschiedliche Nutzung des Rettungsdienstes in den verschiedenen Kreisen. Während im Wetteraukreis auf 133 Einwohner ein Einsatz entfällt, wird in Kassel nur für jeden 229. Einwohner der Rettungswagen gerufen.

Eine vergleichende Erhebung zur gesundheitlichen Infrastruktur in Verbindung mit den Rettungsdiensteinsätzen wäre eine sinnvolle Konsequenz daraus. Damit könnte man einmal schauen, wie die Dinge zusammenhängen. Damit könnte sich ein Antrag der Regierungsfraktionen auseinandersetzen, der keine Beschäftigungstherapie für gelangweilte Abgeordnete wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen, dass in den Landkreisen die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes genauso wie die Inanspruchnahme der Notfallambulanzen der Kliniken gestiegen ist, seitdem die Kassenärztliche Vereinigung ihre Bereitschaftsdienstzentralen ausgedünnt hat. Es ist nachvollziehbar, dass jemand, der sich in einer gesundheitlichen Krisensituation befindet, lieber einen Rettungswagen anruft, als sich mit dem Bereitschaftsdienst in einer Telefonzentrale auseinanderzusetzen. Es ist naheliegend, dass jemand ins nächste Krankenhaus geht, bevor er kilometerweit zur Bereitschaftsdienstzentrale fährt, die er ohnehin nur mit dem eigenen Pkw erreichen kann. Wenn er nicht mehr fahren kann, geht das eben gar nicht.

Das führt dazu, dass die Kosten für die Rettungsdienste steigen. Das führt zu höheren Defiziten der Kliniken, die nur einen Bruchteil der Kosten von den Krankenkassen erstattet bekommen.

Ein Grund für die Landesregierung, sich zu loben, wäre gewesen, wenn sie heute berichten könnte: Wir haben die Kassenärztliche Vereinigung dazu gebracht, weitere Kooperationen der Rettungsdienstleitstellen mit dem ärztlichem Notdienst einzugehen. – Dann könnten Sie sich hier heute beklatschen, und wir würden mit klatschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es dazu käme, dass die Zentralen schrittweise zusammengeführt werden würden, wäre das noch nicht der große Sprung. Im Antrag gibt es dazu aber nichts, nicht einmal den Verweis, dass Sie Gespräche geführt haben. Immerhin könnten Sie Ihr Versprechen von 2012 damit endlich einmal einlösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zutreffender Satz im Antrag beschäftigt sich mit der Bedeutung, die die Übergabe an das Krankenhaus bei einer Notfallversorgung hat. Das ist richtig. Es reicht nicht, gut arbeitende Rettungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zu haben, bei denen wir uns für ihr Engagement bedanken

das tun wir hier. Leider sind sie völlig unterbezahlt und müssen ständig Überstunden schieben. Eine bessere Bezahlung und mehr Personal wäre eine angemessenere Art, sich zu bedanken, als hier Beifall zu klatschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Rettungsdienstsystem funktioniert so lange, wie es Krankenhäuser vor Ort gibt. Wenn diese Landesregierung aber weiterhin daran arbeitet, gerade im ländlichen Raum den kleinen und defizitären Kliniken der Grundversorgung den Garaus zu machen, wird das nicht mehr lange funktionieren. Bereits jetzt melden viele Kliniken an vielen Tagen „rot“ in dem hoch gelobten Versorgungsnachweis IVENA. Dann wird mit Notfallzuweisungen gearbeitet. Was nützt mir denn das beste System, wenn es feststellt, dass die Krankenhäuser voll sind, und die Rettungsdienste dann doch die vollen Krankenhäuser anfahren müssen?

In der letzten Plenarsitzung hatten wir uns mit der verweigerten Bürgschaft für Lindenfels beschäftigt. Wir konnten deutlich aufzeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der ambulanten und stationären Versorgung gibt. Wenn das Klinikum nicht mehr existiert, werden mehr Notfalleinsätze über wesentlich weitere Strecken gefahren werden. Dann wird vielleicht der Rettungseinsatz rechtzeitig vor Ort sein, aber die Zeit bis zur stationären Versorgung wird viel länger werden. Lindenfels ist nur ein Beispiel. Es gibt mehr Kliniken, die Unterstützung im Veränderungsprozess benötigen, die das Land verwehrt. Kollege Kummer hat vor Kurzem nach der Kreisklinik Groß-Gerau gefragt. Auch hier wird die Unterstützung für ein zukunftsfähiges Konzept verweigert, und das einzig und allein mit dem Ziel, die Anzahl der Krankenhäuser und Betten zu reduzieren.

Große Kliniken hingegen haben es da deutlich leichter: Da werden schnell einmal ein paar Intensivbetten in Wiesbaden aufgestellt. Nicht, dass ich das ablehnen würde – aber es geht nicht, wenn man andere Kliniken vorher zugemacht hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Euphorie bezüglich der Ausbildung der Notfallsanitäterinnen und -sanitäter können wir leider nicht teilen. Ich erinnere mich an einen nur teilweise beantworteten Berichtsantrag der SPD zu dem Thema im sozialpolitischen Ausschuss. Da wusste das Land nicht einmal, wie viele Rettungsdienstassistentinnen und -assistenten wie lange im Beruf sind. Danach aber richtet sich die Stundenzahl, die sie für den Aufbaulehrgang erbringen müssen. Viele Rettungsdienstassistenten haben kein Interesse daran, die Prüfung überhaupt noch abzulegen. Es sind bereits viele Prüfungskurse wegen mangelnder Nachfrage ausgefallen, obwohl wir noch 2.000 Personen prüfen müssten.

Diejenigen, die noch keine fünf Jahre im Beruf sind, müssen 480 oder 960 Stunden nachgeschult werden. Das heißt, sie müssen für drei bis sechs Monate aus dem Dienst herausgenommen und bei voller Lohnfortzahlung in die Schule geschickt werden. Auch wenn die Ausbildungskosten durch die Krankenkassen refinanziert werden sollten – das haben wir hier eben schon einmal gehört –, gibt es in der Realität ständig Ärger.

Es gibt aber auch die Alternative, dass die Rettungsassistentinnen und -assistenten einfach die Vollprüfung ohne Vorbereitung oder nach einem Crashkurs von einigen Wochen ablegen. Letztlich ist das auch für die Arbeitgeber at

traktiver, weil sie selbst bei gutem Willen gar nicht genug Personal haben, um den Ausfall abzudecken. Fast überall wird der Dienstbetrieb nur noch mit massiven Überstunden aufrechterhalten. Es ist im Rettungsdienst nicht anders als überall sonst im Gesundheitswesen. Das beklagen wir hier immer wieder. Wir werden das auch in Zukunft tun, bis die Situation wirklich besser wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich gibt es nicht wenige, die die NotfallsanitäterAusbildung mit dem Ziel absolvieren, anschließend Medizin zu studieren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Sie überbrücken die Wartezeit auf den Studienplatz und nutzen den Beruf als Studierendenjob. Sie bleiben aber nicht auf Dauer dort; denn es gibt genügend Stellen in den Krankenhäusern, die sie dann antreten können. Das heißt, wir verlieren an der Stelle wieder viele Ausgebildete. Das muss man dann kompensieren.

All das verführt nicht zu Euphorie, sondern zu verschärftem Nachdenken darüber, wie das Projekt bis 2022 erfolgreich zu Ende gebracht werden kann, wenn die Notfallsanitäterinnen und -sanitäter als Verantwortliche auf dem Rettungswagen eingesetzt werden sollen.

Auch dies wäre ein Thema, mit dem man sich beschäftigen könnte, um gemeinsam Lösungen zu finden. Es sieht aber nicht so aus, als dass die Landesregierung Interesse daran hätte, sich die Expertise – nein, nicht der Opposition, so vermessen sind wir nicht – der Fachleute der Einrichtung des Rettungsdienstwesens anzueignen. Die sagen laut und deutlich, was sie brauchen. Sie müssen nur hinhören und schauen, was man davon wie umsetzt. Wenn Sie sich die Expertise aneigneten, könnte man sich nämlich überlegen, wie der Weg erfolgreich gegangen werden könnte. Wenn Sie weitermachen wie bisher, sehe ich schwarz. Wir können der Landesregierung nur empfehlen: mehr Diskurs und weniger Lobeshymnen. Dann könnten wir in Hessen tatsächlich weiterkommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Abg. René Rock, FDP-Fraktion, Seligenstadt.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt hatte ich mich extra ein bisschen früher gemeldet, um die Chance zu bekommen, etwas Neues zu sagen und nicht allen hinterherreden zu müssen. Leider ist mir das nicht gelungen. Die Kolleginnen waren schneller gewesen und haben das Privileg gehabt, sich aktueller an dem Thema abarbeiten zu dürfen.

Diese Formulierung von mir ist aber falsch: An diesem Thema arbeitet man sich nicht ab. Vielmehr ist es ein durchweg positives Thema. Es zeigt auch, wie hervorragend die verschiedenen Ebenen im Staat, aber vor allem auch die Anbieter im Rettungswesen zusammenarbeiten. Das kann man an der Stelle einfach nur feststellen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Dank ist hier schon ergangen; er darf auch nicht fehlen. Dafür muss auf jeden Fall die Zeit sein. Der Dank an

die Notärzte, Rettungshelfer, -sanitäter und -assistenten muss hier für das, was dort geleistet wird, ausgesprochen werden. Frau Schott hat das hier ein bisschen kritisiert.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Ich? Das ist nicht wahr!)

Ich will es einmal positiv sagen: Was dort geleistet wird, ist vorbildlich – im Schnitt werden dort von jedem über 48 Stunden pro Woche geleistet. Das ist eine hohe Belastung. Ich glaube, man muss den Blick auch einmal darauf richten. Das ist eine ganz besondere Art und Weise, wie Arbeit dort gelebt wird. Das ist mehr als ein Job. Die Menschen, die dort arbeiten, empfinden das oft als Berufung. Deshalb ganz herzlichen Dank an die Personen, die im Rettungswesen – egal, ob als Arzt oder Helfer – ihre Arbeit tun. An dieser Stelle vielen Dank an all diese Personen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aus besonderem Anlass kann ich das auch aus persönlicher Sicht bestätigen: Vor wenigen Tagen ist in meiner Nachbarschaft ein Kind aus dem Fenster gestürzt. Innerhalb kürzester Zeit waren ein Rettungs-, ein Notarztwagen und ein Hubschrauber vor Ort. Es wurde eine Erstversorgung vorgenommen. Alles, über das wir hier theoretisch sprechen, habe ich erleben dürfen. Es ist einfach unglaublich, wie professionell dort gearbeitet wird und wie dem Patienten die volle Bandbreite des Gesundheitswesens zur Verfügung gestellt wird – da ist es in unserem Land völlig egal, was jemand verdient und welchen sozialen Status er hat. Das ist in Deutschland vorbildlich, und darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle ist nicht nur Deutschland, sondern auch Hessen vorbildlich. Man muss – unabhängig von einer möglichen Kritik an der Landesregierung oder einem ihrer Mitglieder – feststellen: In Hessen liegt auf dem Rettungswesen ein besonderes Augenmerk. Es wird hier besonders gut gearbeitet; vielleicht liegt das auch an den Aktiven, die mit der Landesregierung gut harmonieren. Hier werden besondere Initiativen vorangetrieben. Sie haben das spezielle Thema schon mehrfach angesprochen: die Arbeit der Notfallsanitäter, aber vor allem deren Fortbildung, und die Frage, wie die Anbieter von Rettungsdienstleistungen damit umgehen, damit ihnen das Fachpersonal nicht ausgeht.

An dieser Stelle möchte ich noch auf die dreijährige Ausbildung zu sprechen kommen. Auch hier war Hessen in besonderer Weise vorbildlich. Hessen hat das vorgelebt und eigentlich den Anstoß gegeben. Ich möchte daran erinnern, dass bereits am 15. November 2004 durch einen Erlass des zuständigen Ministeriums in diesen Spannungsbogen eingegriffen wurde. Alle, die mit der Gesundheitspolitik befasst sind, kennen diesen Spannungsbogen zwischen den Hilfskräften und den Ärzten: Wer darf wann was? – Da wird ganz genau geschaut. Seit 2004 ist man diesen Weg gegangen, erweiterte Versorgungsmaßnahmen durch qualifizierte Rettungsassistenten zuzulassen. Vielleicht wird der Minister das noch ein bisschen ausführen: Das ist ein Stück weit die Blaupause für das, was wir jetzt umsetzen.