Protocol of the Session on June 23, 2016

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das doch einmal in Ruhe bei 30 Grad prüfen. Dann sehen wir, was herauskommt. – Der Kollege Florian Rentsch hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es scheint doch Auswirkungen der Großen Koalition in Berlin zu geben. Das Verhältnis zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten ist gar nicht mehr so eng, wie ich es gedacht habe. Aber ich glaube, wir sind uns an einem Punkt einig: Das Thema, das DIE LINKE heute hier im Hessischen Landtag gesetzt hat, ist für die Region, Frau Kollegin Schott, mit Sicherheit ein wichtiges Thema. Aber ich wundere mich schon, dass die LINKEN hier die Situation eines Krankenhauses thematisieren, ohne überhaupt nur einmal ein Gespräch über die Gesamtstruktur der hessischen Krankenhauslandschaft zu führen. Das ist eigentlich die Grundsatzfrage, die den Hessischen Landtag beschäftigen sollte.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Kollegin Wissler, ein bisschen mehr zu tun, als den Protest vor Ort in den Hessischen Landtag zu tragen, wäre gewesen, einmal ein Gesamtkonzept seitens der LINKEN einzubringen und zu zeigen, wie man mit der Krankenhauslandschaft in Hessen umgeht. Leider haben Sie das heute nicht getan.

(Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Haben Sie sich jemals um ein Krankenhaus im ländlichen Raum gekümmert, Herr Rentsch? – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich muss wirklich sagen, dass ich in den letzten Jahren viel Unqualifiziertes seitens der LINKEN gehört habe. Heute ist das eine neue Steigerungsform. Das muss ich wirklich

feststellen. Leider habe ich die LINKEN in den Debatten in den letzten Jahren zum Thema Krankenhäuser, wenn wir auf Podien mit der Krankenhausgesellschaft, mit der hessischen Kassenärztlichen Vereinigung, mit anderen Institutionen wie dem Marburger Bund gestritten haben, immer vermisst.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe Sie vermisst, wenn es darum ging, ein gutes Konzept zu finden, wie man mit einer Situation umgeht, wo auf der einen Seite das Bedürfnis der Menschen in einer Region steht, was die gesundheitliche Versorgung angeht, und auf der anderen Seite auch der Anspruch der Gesellschaft, wirtschaftliche Strukturen zu fordern – ich weiß, das ist bei den LINKEN kein Thema. Es geht darum, wie man diese beiden Pole zusammenbringt.

Deshalb ist es richtig gewesen, was die Hessische Landesregierung bei dieser Frage gemacht hat. Sie hat mit einem Krankenhausgesetz versucht, beide Elemente unter einen Hut zu bringen. Das ist nicht ganz einfach. Auf der einen Seite steht ein Strukturwandel, den wir haben. Wir haben auch in den ländlichen Bereichen eine demografische Entwicklung, die, wenn man sich die Zahlen der Auslastung der Krankenhäuser anschaut, Herr Kollege Schaus, eben dazu führt, dass wir z. B. in Lampertheim nur noch 78 % haben, in Bensheim nur 58 % und in Lindenfels nur 39 %. Über diese Frage wird man wohl doch noch debattieren dürfen. Ich weiß, solche Zahlen verhindern gelegentlich die muntere Debatte, aber sie sind für eine solche Debatte schon wesentlich. Man muss sich anschauen, wie die Situation vor Ort wirklich ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Der demografische Wandel hat natürlich Auswirkungen. Die Nachfrage nach Krankenhäusern in den ländlichen Gebieten wird weniger, wenn auch die Menschen, die dort wohnen, natürlich den Anspruch haben, eine stationäre medizinische Versorgung zu bekommen. Deshalb glaube ich, dass man sich diesen Einzelfall hier sehr genau anschauen muss, ohne das Große und Ganze aus dem Blick zu verlieren.

Ich will einmal vorne anfangen. Das, was Bundesgesundheitsminister Gröhe in dieser Frage macht, halte ich für richtig. Er führt eine Qualitätsdebatte und schaut, wie die Strukturen von stationären Einrichtungen sind und ob die Qualität wirklich gegeben ist, wenn nur eine geringe Fallzahlquote erreicht wird. Ich glaube, dass es auch ein wichtiger Punkt ist, mit den Patienten zu reden. Die Patienten wollen in Krankenhäusern behandelt werden, wo sie mit Sicherheit davon ausgehen können, dass sie eine gute und eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bekommen. Das ist der richtige Weg. Dass man über die Details streiten kann und wird, ist völlig in Ordnung. Ich glaube, das sieht Kollege Grüttner auch so. Aber diesen Weg werden wir gehen müssen.

Zweiter Punkt. Herr Kollege Schaus, Sie haben sich gerade zu dem Thema so massiv eingebracht. Ich habe völliges Verständnis für die Menschen vor Ort. Sie wünschen sich, dass ihr Krankenhaus bestehen bleibt. Aber ich glaube, der zweite Punkt, der jedenfalls in der Recherche, die wir vorgenommen haben, versucht worden ist darzustellen, ist die wirtschaftliche Situation, die in den letzten Jahren alles andere als gut war. Man hat versucht, sie zu stabilisieren –

mit Kooperationen und mit einem anderen Nutzungskonzept. Das hat leider nicht funktioniert.

Jetzt frage ich Sie einmal zum Schluss: Was ist denn die Antwort des Hessischen Landtags auf eine solche Situation? Ist die Antwort die, dass wir sagen müssen, weil sich so viele Menschen vor Ort dafür einsetzen – ja, das muss man ernst nehmen, da bin ich bei Ihnen –, sind die Fragen der wirtschaftlichen Tragfähigkeit eines solchen Hauses nicht relevant? Ist das dann die Antwort, dass wir die Krankenhäuser, die sich bemühen, wirtschaftlich ordentliche Zahlen zu realisieren, quasi nicht berücksichtigen und sagen, weil sich in Lindenfels Herr Schaus so für das Krankenhaus einsetzt und weil der das natürlich auch ein Stück weit im Hessischen Landtag vermarkten kann, müssen wir uns für dieses Krankenhaus andere Finanzierungsgrundlagen überlegen, als wir das in jedem anderen Fall tun würden?

Wenn der Bürgschaftsausschuss des Landes in einer solchen Situation sagt, dass das Ausfallrisiko bei über 50 % liegt, ist dann die Antwort des Landes Hessen, dass wir für diesen Einzelfall die Grundlage, die in jedem anderen Einzelfall gelten muss, hier abändern? – Nein, meine Damen und Herren, auch wenn die Antwort für die Region dort nicht bequem sein mag, kann man diese Antwort nicht geben. Wir müssen schon verlässlich bleiben bei der Frage, welche Regeln wir uns selbst und den Institutionen, die dem Land unterstehen, gegeben haben. Es kann nicht sein, dass wir das hier anders organisieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb will ich zum Abschluss sagen: Ich würde mich freuen, wenn wir von dem Einzelfall wieder zur großen Gesamtsystematik kommen würden. Der Einzelfall verdient es mit Sicherheit, diskutiert zu werden. Aber es ist nicht in Ordnung, dass Sie versuchen, Herr Kollege Schaus, ohne dass Sie eine Antwort gegeben haben, wie Sie das wirklich machen wollen, hier den Eindruck zu erwecken, Sie wären in der Region die großen Heilsbringer. Ich kann den Menschen dort sagen: Herr Schaus und seine Fraktion sind es mit Sicherheit nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Bevor wir weitermachen, möchte ich sagen: Meine Damen und Herren, wir haben das hier einmal kurz besprochen. Quark ist eigentlich ein sehr nahrhaftes und vernünftiges Lebensmittel. Dummer Quark ist nicht erste Sahne. Darüber sind wir uns auch einig. Ich habe das gar nicht gehört, muss ich sagen. Ich bin dankbar, dass die jungen Leute neben mir sitzen. Wir sind aber der Meinung, dass das bei so einem Wetter nicht gerügt wird. Wir lassen das so, wie es ist. Aber es ist jetzt einmal angesprochen worden. Ich glaube, da sind Sie alle zufrieden. Oder? – Kein Widerspruch. Dann ist das einmütig so festgehalten.

Dann hat jetzt Kollege Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

(Zuruf von der SPD: So viel zum Thema Quark!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, ich muss Ihnen tatsächlich in vielen Punkten recht geben.

(Zurufe von der FDP: Oh! – Zurufe der Abg. Marja- na Schott und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

In der Tat. – Frau Kollegin Schott, es bedarf in der Gesundheitspolitik ein bisschen mehr kühlen Kopfes. Ich möchte zunächst etwas sehr Menschliches sagen, bevor ich zu dem politischen Teil komme. Ich finde, immer wenn Einrichtungen geschlossen werden müssen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder auch Ärzte ihren Job verlieren, ist das etwas Tragisches, etwas sehr Unangenehmes. Ich glaube, in diesem Hause ist niemand, der das nicht als tragisch und zutiefst unangenehm empfindet. Unsere Gedanken gelten natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich jetzt Sorgen um ihre Zukunft machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei und von der SPD, Sie wissen alle, wie die Krankenhausplanung, die Bedarfsplanung und die Versorgungsplanung funktionieren. Ich hoffe zutiefst, dass Sie das wissen.

(René Rock (FDP): Das glaube ich nicht! – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wenn Sie sich den Raum des Odenwalds und der Bergstraße anschauen und Sie um die Krankenhausstruktur wissen sowie darum, wie dort geschaut wird, ob die Notfallversorgung gewährleistet ist, ob die Versorgung mit Ärzten gewährleistet ist und mit Angeboten, die man vorhalten muss und die notwendig sind, und wenn Sie die Ergebnisse kennen,

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

dann wissen Sie erstens, dass Lindenfels in mehrfachen Betrachtungen in der Tat kein zwingend notwendiger Standort ist. Wenn Sie das zweitens mit dem addieren, was Kollege Rentsch genannt hat, nämlich mit einer Auslastungsquote von 39 %, und drittens damit, dass es über Jahre durch mehrere Trägerschaften ein hoch defizitäres Krankenhaus war, wenn Sie also all diese drei Punkte sehen – Versorgungsnotwendigkeit, die defizitäre Lage und die schlechte Auslastung – und dann immer noch sagen, wie es der Titel Ihres Antrags suggeriert, Herr Grüttner sei schuld, und Herr Grüttner gefährde die Gesundheitsversorgung vor Ort, dann ist das bar jeden Sinns und wirklich zutiefst unseriös, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben kein staatliches Gesundheitssystem, das einmal eben aus der Hüfte geschossen sagt: Wir wollen dieses oder jenes Krankenhaus mit mehreren Millionen Euro vom Land subventionieren und erhalten den Betrieb aufrecht. Egal, wie stark es genutzt wird und egal, wie stark es benötigt wird, wir pumpen da ein paar Millionen hinein, und dann tut es uns allen vor Ort gut.

Frau Hofmann, Sie haben gesagt, Sie wollen das mit Biegen und Brechen erhalten. Aber wenn Sie all die Daten und Fakten zur Kenntnis nehmen, ist dieses Krankenhaus – so bitter es ist – nicht zukunftsfähig. Da muss ich Ihnen noch

etwas sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, dann greift etwas, was wirklich gefährlich ist. Wenn wir gegenüber den Menschen mit solchen populistischen Anträgen die Schuld suchend auf das Land deuten – –

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was denn für ein Antrag?)

Doch, Kollegin Wissler. Ich finde das gefährlich. Ich erkläre Ihnen auch warum. – Wenn irgendetwas vor Ort schiefläuft, es nicht betriebswirtschaftlich geführt werden konnte und dann pleitegeht und man dann immer sagt, der andere ist schuld, der andere soll es retten, und man den Eindruck suggerieren will, dass es eine böse politische Absicht war,

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

dann muss ich sagen, dass ich das zutiefst gefährlich finde, weil es das Politikvertrauen insgesamt komplett untergräbt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Unfug. So ist es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Okay, dann kritisieren wir die Landesregierung besser nicht mehr!)

Das macht mich auch sauer. Man kann sich nicht immer nur auf jede noch so populistisch dahergekommene Protestbewegung draufsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe ist es – –

(Unruhe bei der SPD und der LINKEN – Glocken- zeichen des Präsidenten)

Frau Wissler, kann ich jetzt einmal einen Satz zu Ende bringen?

Marcus, mach einmal einen Moment langsam, bis wieder Ruhe ist. – Meine Damen und Herren, Kollege Bocklet hat das Wort. Ich bitte darum, dass wir uns wieder beruhigen –

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

alle miteinander, von links nach rechts, insgesamt. – Jetzt geht es weiter. Marcus Bocklet, bitte.

Herr Kollege Schmitt, jede Protestaktion hat ihre Legitimation. Jeder hat das Recht, eine Protestaktion zu veranstalten – selbstverständlich. Die Bürgerinnen und Bürger des Odenwaldkreises und des Kreises Bergstraße können sich dafür selbstverständlich engagieren. Das hat mein volles Verständnis. Ich habe es projiziert auf die Linkspartei: Es geht nicht immer darum, sich obendrauf zu setzen und zu sagen, es ist so, wie vor Ort behauptet wird. – Es gibt diese Notwendigkeit nicht mehr. Das war auch zu Recht so.

(Unruhe bei der SPD und der LINKEN – Glocken- zeichen des Präsidenten)

Dieses Krankenhaus ist defizitär. Dann zu sagen, die Schuld liegt beim Land, es hat sich nicht engagiert, finde ich zutiefst unseriös. So kann man keine Gesundheitspolitik machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))