Protocol of the Session on May 19, 2016

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist – Herr Klose hat es gesagt – angesichts der Tatsache, dass der § 175 StGB von Anfang an verfassungswidrig war, weil er gegen den Kernbestand der Menschenwürde verstoßen hat, umso beschämender. Ich bin auch sehr froh darüber und dankbar dafür, dass wir uns bereits in den Jahren 2012 und 2013 hier in diesem Haus über alle Parteigrenzen hinweg bei den Betroffenen entschuldigt haben.

Auch der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2000 sein Bedauern über die geschehenen Taten und das Unrecht zum Ausdruck gebracht, und der Bundesrat hat im Jahr 2015 noch einmal ausdrücklich für die Aufhebung der entsprechenden Strafurteile plädiert. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Bundesjustizminister Maas nun einen Gesetzentwurf zur kollektiven Entschädigung von aufgrund des früheren § 175 Verurteilten angekündigt hat und sein Haus diesen Gesetzentwurf vorbereitet hat.

Gerade die Juristinnen und Juristen hier im Haus wissen, dass die Frage der Verfassungskonformität solch eines Vorhabens nicht ganz unstrittig ist und dass dies genauestens zu prüfen ist. Wir wollen, dass die Betroffenen, wenn solch ein Gesetz kommt, auch wirklich etwas davon haben, und wir wollen nicht, dass das Gesetz vor dem Verfassungsgericht dann nicht trägt; wir wollen, dass es trägt und seriös bearbeitet ist.

Ein Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von Prof. Burgi hat nun deutlich gemacht, dass der Staat eine Schutzpflicht und aufgrund des Rechtsstaatsund Sozialstaatsprinzips sogar einen verfassungsgemäßen Auftrag hat, diese Opfer zu rehabilitieren. Er spricht von einem sogenannten „Strafmakel“, der aufzuheben ist. Wir begrüßen dieses Rechtsgutachten ausdrücklich und freuen uns, dass das Bundesjustizministerium durch diese Initiative und dieses weitere Arbeiten jetzt ein Gutachten zur Hand hat, aufgrund dessen das Gesetz erarbeitet werden kann.

Meine Damen und Herren, ich finde, es ist auch ausdrücklich zu begrüßen, dass sich das Gutachten für eine kollektive Entschädigung in Form eines Fonds ausspricht. Dieser Vorschlag hat den Charme, dass es den einzelnen Opfern durch diese kollektive Entschädigung erspart bleibt, dass erneut eine Einzelfallprüfung vorgenommen wird und die Betroffenen erneut in ihrem Menschrecht, ihrer Intimität und in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Lena Arnoldt (CDU))

Frau Kollegin Hofmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Dieser Vorschlag ist sehr gelungen; und eine entsprechende Entschädigung könnte durch die Magnus-HirschfeldStiftung entsprechend verwaltet werden. Letzter Satz, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns dieses Vorhaben des Bundesjustizministers Heiko Maas über alle Parteigrenzen hinweg unterstützen, denn es ist längst überfällig und an

der Zeit, dass die Betroffenen rehabilitiert werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hofmann. – Das Wort hat Frau Abg. Arnoldt, CDU-Fraktion. Lena, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem Jahr 2005, also seit bereits elf Jahren, wird am 17. Mai der Internationale Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie begangen. Er hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt zu einem Aktionstag gegen Ausgrenzung und Benachteiligung in allen Lebensbereichen. Seit 2005 wird daran erinnert und dazu aufgerufen, sich stark zu machen, nicht wegzuschauen und vor allem jeglicher Diskriminierung entschieden entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das machen wir nicht erst seit heute, und das werden wir auch nicht nur an einem Tag wie dem 17. Mai tun.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Bürgerinnen und Bürger, die hierdurch in ihrer Menschenwürde, ihren Entfaltungsmöglichkeiten und in ihrer Lebensqualität empfindlich beeinträchtigt wurden, darf nicht in Vergessenheit geraten. Bereits in den Jahren 2012 und 2013 haben wir daher eine kraftvolle Erklärung der Entschuldigung des Hessischen Landtags für die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Bürger durch den § 175 Strafgesetzbuch hinausgesandt und die Landesregierung gebeten, eine Aufarbeitung der Schicksale zu initiieren. Genau diese Bitte wird umgesetzt. Im laufenden Haushalt sind bereits 100.000 € für eine Studie zur historischen Aufarbeitung der Schicksale der Opfer bereitgestellt worden, und die Landesregierung hat den Auftrag bereits ausgeschrieben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein solch deutliches Signal ist beispielhaft und in meinen Augen die unmittelbarste Form eines Gesetzgebers, sich bei allen Opfern eines Gesetzes zu entschuldigen. Wir sind davon überzeugt, dass die Ehre der homosexuellen Opfer wiederhergestellt werden muss, und halten an der Aufforderung gegenüber der Bundesregierung fest, die verfassungsrechtliche Möglichkeit für die Rehabilitierung der nach dem ehemaligen § 175 Verurteilten zu prüfen und umzusetzen. Diese Aufforderung wurde noch einmal durch einen Beschluss der Justizministerkonferenz unterstrichen und verstärkt. Es ist erfreulich, dass Bundesjustizminister Maas endlich reagiert und in der letzten Woche angekündigt hat, die Opfer des § 175 zu rehabilitieren.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich sage aber auch sehr deutlich: Dieser endlich erfolgten Ankündigung des Bundesjustizministers müssen nun aber auch Taten folgen.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Genau!)

Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, aus rassistischen Gründen, wegen des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist nicht hinnehmbar, und dem muss auf allen gesellschaftlichen Ebenen begegnet werden. Unter diesen Voraussetzungen haben wir auch in dieser Legislaturperiode viel dafür getan, um uns gegen Diskriminierung jeglicher Art stark zu machen. Ich garantiere Ihnen, wir werden dafür auch noch viel tun. Ich erinnere an den Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung im vorletzten Jahr. Auch möchte ich hier an die stattfindende Erarbeitung eines Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt gemeinsam mit den Selbstvertretungsorganisationen und den Netzwerken in Hessen hinweisen. Genannt sei ebenso die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle in Hessen. Ich bin stolz darauf, was wir bereits auf diesem Weg erreicht haben. Ich werde mich auch weiterhin mit unserer Fraktion, Staatsminister Grüttner und Jo Dreiseitel als Staatssekretär und Bevollmächtigtem für Antidiskriminierung dafür einsetzen, dass wir jegliche Diskriminierung in diesem Land nicht dulden und dass Hessen für eine tolerante und offene Gesellschaft steht, die niemanden ausgrenzt. Denn „die Würde des Menschen ist unantastbar“. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollegin Lena Arnoldt. – Das Wort hat Abg. Lenders.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute über Homophobie in Deutschland diskutieren. An dieser Stelle muss man allerdings auch sagen: Wenn ich mich daran erinnere, wie das noch zu meinen Flegeljahren war, dann sind wir schon einen großen Schritt weitergekommen. Hie und da muss man jungen Homosexuellen schon sagen, wenn man sieht, in welcher Geschwindigkeit sich die Gesellschaft weiterentwickelt hat, dass ein weiter Weg begangen wurde, den man kaum für möglich gehalten hat. Dazu gehört aber auch, wenn hier schon alle ihre Erfolge loben, dass es eine FDP-Bundestagsfraktion geschafft hat, zum ersten Mal eine Stiftung ins Leben zu rufen, und zwar die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die sich als Bundestiftung nun intensiv mit der Aufarbeitung beschäftigt und Lösungen für die Zukunft anbietet.

Wir haben viel geschafft, aber all das ist keine Selbstverständlichkeit. Auch das muss man jungen homosexuellen Menschen immer wieder sagen: „Glaubt nicht, dass diese Rechte, die erkämpft worden sind, auf Dauer unangefochten bleiben.“ Deswegen ist es richtig, dass wir uns als Landtag damit beschäftigen. Es ist richtig, dass wir uns bei dem § 175 nicht nur gemeinsam für die Wiedergutmachung, sondern auch für eine materielle Entschädigung ausgesprochen haben. Das ist schon längst überfällig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch heute gibt es immer wieder Fälle von Diskriminierung. Das sind nicht nur Unterschiede zwischen einer

Land- und Stadtbevölkerung. Es ist zwar traditionell so, dass sie es in einer Metropole als homosexueller Mensch etwas leichter haben; dennoch finden sich noch immer Tatbestände von Diskriminierung, die einem gar nicht so schnell bewusst werden, z. B. der Ausschluss von homosexuellen Männern von der Blutspende. Auch da sind wir mittlerweile schon ein Stück weitergekommen. Wenn wir uns aber mit der Frage beschäftigen, ob das Institut der Ehe für alle geöffnet werden soll, dann ist es nichts anderes als eine Diskriminierung, dass man homosexuellen Menschen noch immer das Institut der Ehe verschließt. Das gehört auch zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist auch eine Gelegenheit, wo man fragen muss: Wir haben uns viel über homosexuelle Menschen unterhalten. Aber was ist z. B. mit Menschen, die in einem falschen Körper geboren wurden?

Ich finde es gut, dass Transsexuelle mittlerweile auch selbstbewusst öffentlich auftreten können und damit zeigen, dass es auch ein Stück weit Normalität ist und sie genauso zu unserem Lebensumfeld und zu unserer Gesellschaft gehören wie derjenige, der von vorneherein wusste, welcher Sexualität er angehört.

Meine Damen und Herren, Diskriminierung findet heute vor allen Dingen auch im Ausland statt. Es wäre richtig, wenn die Bundesregierung diese Diskriminierung in Russland, in Uganda auch zum Bestandteil ihrer Außenpolitik machen würde und es nicht einfach nur bei Schönwetterpolitikreden belässt.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Diskriminierung findet nach wie vor in Schulen statt. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man mit Begriffen wie „schwule Sau“ durch das Leben gehen muss. Auch dagegen muss man sich wehren. Es ist richtig, wenn vor allem schon Kinder anfangen, zu verstehen, dass Sexualität eine sehr individuelle Sache ist und sie sehr vielfältig sein kann. Es ist richtig, dass Kinder mit der Aufklärung groß werden. Es ist der beste Schutz vor Diskriminierung, wenn man möglichst früh versteht, dass es sehr viele Lebensentwürfe gibt und dass das Leben eher wie ein Regenbogen und sehr bunt ist.

Dann haben wir eine neue politische Kraft, die AfD, die wieder versucht, so etwas zu instrumentalisieren. Deswegen ist es richtig, dass wir uns heute mit dem Thema Homophobie beschäftigen. Das sind Kräfte, die diese Vorurteile wieder bedienen wollen. Nur wenn Sie von vornherein als junger Mensch schon gelernt haben, sich gegen solche Argumente zu wehren, sind Sie auch sattelfest, was Diskriminierung anbelangt.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Homophobie wird wahrscheinlich nie enden. Das, was erreicht ist, ist nicht genug. Es ist alles keine Selbstverständlichkeit. Darüber müssen wir uns jeden Tag im Klaren sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Das Wort hat der Abg. Dr. Wilken, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns bei diesem Thema im Hessischen Landtag selten einig. Deswegen ist es als Redner, der als Fünfter spricht, schwierig, etwas zu sagen, was nicht schon gesagt worden ist.

Ich will einmal versuchen, Ihnen den Eindruck zu vermitteln, wie peinlich das alles für jemanden ist, der entweder selbst aus einem queeren Umfeld kommt, oder dem dieses Umfeld sehr gut vertraut ist, und wie langsam das alles geht. Es hat lange gedauert, bis die WHO gerafft hat, dass es keine Krankheit ist. Es hat in der Bundesrepublik lange gedauert, einen verfassungswidrigen Paragrafen abzuschaffen. Es hat lange gedauert, bis wir jetzt zu einer Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer dieses Paragrafen kommen. – All das ist aus der Sicht eines queeren Umfeldes der Moderne doch wirklich nur unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe letzte Woche, als wir die Presseerklärung zum Tag der Homophobie herausgegeben haben, gesagt: Der § 175 war ein berüchtigter Strafrechtsparagraf. – Kolleginnen und Genossen haben mich gefragt: Wieso berüchtigt? – Daraufhin habe ich noch einmal erzählt, in welcher Atmosphäre der Begriff „175“ auf einmal genutzt wurde. Ich hab damals eine DKW 175 gefahren. Damit war ich ein Schwuler. „175“ stand für Schwulenausgrenzung.

Vieles von dem, was wir als aufgeschlossene Menschen gar nicht mehr wahrnehmen, ist heute leider noch Realität. Der Schulhof ist erwähnt worden; er ist aber nicht der einzige Ort, wo nach wie vor Diskriminierung gegen Homosexuelle, vor allem gegen Schwule, tagtäglich Realität ist. Deswegen ist das Erreichte – das ist die andere Seite der Medaille – hochgradig fragil. Das haben wir nicht nur letzte Woche in Berlin bei der Kundgebung anlässlich des Tages gegen Homophobie erlebt, wo auf einmal wieder in aller Offenheit Hass, Abgrenzung und Pöbelei gegen homosexuelle Menschen einfach auf deutschen Straßen Realität waren. Dagegen müssen wir uns weiterhin zur Wehr setzen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will es auch nicht verschweigen, dieser Hass wird unter anderem durch ein extrem reaktionäres Familienbild, das unter anderem die Partei AfD versucht, wieder hoffähig zu machen, geschürt.

Wir im Hessischen Landtag bleiben dabei: Wie Menschen lieben und wen sie lieben, ist Privatheit und grundgesetzlich geschützt. Wir stellen uns gegen die, die das gefährden. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Dreiseitel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Menschenrechte und die Menschenwürde sind allgemeingültig und gelten universell. Deshalb versichere ich Ihnen, die Landesregierung wird entschieden gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Diskriminierung eintreten. Homophobie ist mit unseren freiheitlichen Grundrechten nicht vereinbar.