Protocol of the Session on May 17, 2016

Sie liegen mittlerweile unter 1,4 Milliarden €. Das muss doch jeden nervös machen. Das macht doch deutlich, wie stark die Kommunen mittlerweile von der Substanz leben. Die Doppik zeigt Ihnen doch: Es wird in den Kommunen mehr verbraucht und abgeschrieben, als investiert wird. Das ist eine Situation, die es in der DDR vielleicht noch schlimmer, die es aber in der DDR gegeben hat, nämlich die, dass man von der Substanz gelebt hat. Meine Damen und Herren, das ist doch eine Situation, mit der Sie sich auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dass die Entwicklung so ist, wie sie ist, hat etwas mit der Regierungsübernahme durch die CDU zu tun. Ich will das noch einmal darstellen. Hinsichtlich der Finanzierungssalden waren Hessens Kommunen von 1991 bis 2000 auf dem drittbesten Platz. In Hessen gab es nur ein ganz leichtes Defizit von 21 € pro Kopf. Nur zwei Länder waren besser. Das waren Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Bayern war z. B. schlechter. So war es von 1991 bis 2000. Das waren die rot-grünen Jahre.

Wissen Sie, wie die Situation von 2001 bis 2011 ausgesehen hat? – Hessens Kommunen sind auf den drittschlechtesten Platz zurückgefallen. Sie haben mit die höchsten Defizite mit über 100 € pro Einwohner.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist so, weil wir das Dreifache in den Länderfinanzausgleich bezahlt haben!)

Das ist doch Ihre Bilanz. Ihre Bilanz ist, dass Hessen vom drittbesten Platz auf den drittschlechtesten Platz zurückge

fallen ist. Das haben Sie zu verantworten, übrigens auch als Fraktionsvorsitzender der CDU.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Deswegen sage ich Ihnen: Es helfen keine Schutzschirmprogramme. Es hilft auch kein Konjunkturprogramm. Es hilft auch nicht das Kommunalinvestitionsprogramm, KIP. All das hat die Lage der hessischen Kommunen strukturell nicht verändert.

Es hilft keine Selbstbeweihräucherung, wie wir sie heute wieder erlebt haben. Das Einzige, was hilft, wäre eine Landespolitik, die endlich die Interessen der Kommunen anerkennt und sie endlich wieder angemessen finanziert. Darum werden wir weiter streiten. Da helfen auch die geschönten Bilanzen des Finanzministers nicht. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege Schmitt, vielen Dank. – Das Wort erhält Frau Abg. Goldbach für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade eines gelernt: Was unter Fakten zu verstehen ist, wird hier unterschiedlich definiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich wollte mit den Fakten beginnen – oder dem, was ich darunter verstehe, oder was man im Allgemeinen darunter versteht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Als Grundlage habe ich mir einfach einmal die Ergebnisse der Konsolidierungsbemühungen und -ziele der 100 hessischen Schutzschirmkommunen vorgenommen.

Finanzminister Schäfer hat es schon gesagt: Das sind beeindruckende Zahlen. Über 90 % dieser Kommunen haben die vereinbarten Ziele erreicht oder sogar darüber hinaus konsolidiert. Diese 100 Kommunen haben schon 2015 insgesamt einen Überschuss von rund 20 Millionen € erwirtschaftet. Sie haben damit – und das ist das Erstaunliche – 300 Millionen € mehr an Defizit abgebaut, als ursprünglich in den Schutzschirmverträgen vereinbart war. Daraus folgt wiederum, dass acht dieser Kommunen den Schutzschirm viel früher verlassen konnten, als sie es ursprünglich geplant hatten. Denn sie haben in drei aufeinanderfolgenden Jahren – 2013, 2014 und 2015 – einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt.

Damit erreicht der Schutzschirm seine eigentliche Funktion. Er macht sich selbst überflüssig, indem er den Kommunen hilft, ihre Haushalte auszugleichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Vizepräsident Wolfgang Greilich über- nimmt den Vorsitz.)

Wir wissen alle, dass diese Ergebnisse nicht einfach zu erzielen waren.

(Unruhe)

Es ist da hinten ziemlich laut.

Wir wollen auch das nicht vergessen: Diese Erfolge sind das Verdienst der disziplinierten Haushaltspolitik in den Kommunen. Es sind die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und -politiker, die hauptamtlichen Dezernenten, aber auch die Verwaltungen, die daran mitgearbeitet haben.

2012 war ich noch in einer solchen Verwaltung tätig und sehe das deshalb ganz klar auch aus dieser Perspektive. Ich war in einer Schutzschirmkommune. Es war für uns klar: Wir haben jetzt mit dem Land Hessen einen Vertrag geschlossen. Das Land Hessen nimmt uns einen Großteil der Altschulden ab. Dafür haben wir versprochen, bis 2020 ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Das hat dazu geführt, dass wir alle Investitionstätigkeiten und Haushaltsplanungen noch einmal neu überdacht haben. Das hieß für uns nämlich auch: Wir können es uns überhaupt nicht mehr erlauben, Kostenplanungen zu machen, die am Ende nicht stimmen; denn es war – man muss es leider sagen – oft gang und gäbe, dass gerade bei Planungen von Neubauten und größeren Investitionen die geplanten Kosten weit unter den tatsächlichen Ausgaben lagen.

Das Konsolidierungsziel wurde in einer ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung, den Fach- und Planungsleuten, den Dezernaten und den ehrenamtlichen Politikern erreicht – übrigens auch in einer hervorragenden Zusammenarbeit mit der dortigen SPD. Auch das war eine der positiven Auswirkungen der Schutzschirmvereinbarungen mit den Kommunen. Nur weil die Zusammenarbeit zwischen der ehren- und der hauptamtlichen Politik sowie den Verwaltungen ausgezeichnet funktioniert hat, konnten die Konsolidierungsziele erreicht werden.

Wir haben gehört, dass noch Restmittel übrig sind. Diese Restmittel jetzt zu verwenden, um Gemeindefusionen zu unterstützen, ist eine gute Idee. Auf jeden Fall fließt das Geld wiederum in die Kommunen und hilft ihnen.

Im Odenwald haben wir jetzt zum ersten Mal eine Gemeindefusion gehabt. In anderen Gebieten befinden sich die Kommunen auf einem ähnlichen Weg, aber Schritt für Schritt und langsam. Auch darin unterstützt das Land Hessen die Kommunen: in der interkommunalen Zusammenarbeit.

Im Vogelsbergkreis haben wir kürzlich den ersten echten Gemeindeverwaltungsverband gegründet. Dafür hat das Land Hessen übrigens 600.000 € an Fördermitteln gewährt. Das ist eine interessante Sache. Ich war dort und habe mit der Bürgermeisterin, den Bürgermeistern und den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern gesprochen. Für die ist völlig klar: Die verstärkte Zusammenarbeit und die damit verbundene effizientere Arbeit der Verwaltung behindert die Gemeinden überhaupt nicht in ihrer Identität oder darin, selbstständig zu bleiben. Es ist völlig klar: Das sind und bleiben vier Gemeinden, die ihre Identität bewahren. Aber dort, wo zusammengearbeitet werden kann und wo keine Doppel- oder Vierfachstrukturen nötig sind, haben die Gemeinden alles zusammengelegt und in einer sehr einfachen Vereinbarung die Kosten geteilt – nämlich einfach durch vier. Das ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich unsere Kommunen weiterentwickeln und mit klugen, innovativen und zukunftsgerichteten Lösungen daran arbeiten, weiterhin ihre Aufgaben erfüllen und trotzdem die Kosten zu senken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn man dagegen die Verlautbarungen der Opposition zu der Schutzschirmbilanz hört, dann ist das geradezu eine Kakofonie von Kritik am unzweifelhaft erfolgreichen Schutzschirm. Die beliebteste – auch heute hier schon vernommene – und hartnäckig vorgetragene Kritik ist jene, das Land zwinge die Kommunen zu Steuererhöhungen.

Deshalb möchte ich einmal sagen, worum es hier eigentlich geht. Es geht um einen Grundsatz der Haushaltsführung, und zwar einen wesentlichen. Der ist in § 92 Abs. 4 HGO normiert. Dort steht:

Der Haushalt soll in jedem Haushaltsjahr unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen aus Vorjahren ausgeglichen sein.

Das steht in der HGO, das hat nicht Finanzminister Schäfer erfunden. Als das Land Hessen 2012 den Schutzschirm aufgelegt hat, sah die Situation folgendermaßen aus: Die Summe der Defizite aller Haushalte in den Kommunen betrug 1,3 Milliarden €. Das war schon viel besser als 2010, denn damals waren die Defizite mit 2,35 Milliarden € fast doppelt so hoch. Aber auch dieses Defizit war deutlich zu hoch, wenn man die Anforderung betrachtet, dass die Haushalte ausgeglichen sein sollen.

Dazu kam, dass sich die hessischen Kommunen ungewöhnlich hoch verschuldet hatten, nämlich mit 7,5 Milliarden € an Kassenkrediten und 11,3 Milliarden € an langfristigen Krediten. Das waren in der Summe knapp 19 Milliarden € an Krediten, Schulden und Verbindlichkeiten. Die daraus wiederum resultierenden Zinszahlungen haben die kommunalen Haushalte natürlich im Ergebnis sehr belastet. Das wiederum hat den Haushaltsausgleich weiter erschwert. Daher befanden sich die Kommunen in einer ausweglosen Situation. Sie mussten ausgeglichene Haushalte erreichen und gleichzeitig ihre Schulden abbauen. Sie durften also nicht mehr Geld ausgeben als einnehmen, und sie mussten von dem belastenden Schuldenberg herunterkommen.

In dieser Situation hat das Land Hessen den Schutzschirm aufgelegt. Das Land Hessen bot den Kommunen an, einen Teil ihrer Altschulden zu übernehmen und im Gegenzug zu vereinbaren, dass die Kommunen bis zu einem gewissen Zeitpunkt – bis 2020, manche auch früher – ausgeglichene Haushalte vorlegen mussten.

Damals waren die GRÜNEN im Landtag in der Opposition, und wir Kommunalpolitikerinnen und -politiker waren angemessen kritisch gegenüber dem, was die Landesregierung uns da anbot.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Damals, damals!)

Aber da die Teilnahme an dem Schutzschirmprogramm freiwillig war, lag es in unserer Hand – in der Hand der Ehrenamtlichen –, zu entscheiden, ob wir dieses Angebot annehmen und ob wir uns mit dem Schuldenberg vor der eigenen Haustür auseinandersetzen und gemeinsam einen Konsolidierungspfad vereinbaren.

Im Nachhinein muss ich feststellen, dass uns eines sehr geholfen hat: Das war die Informationspolitik des Finanzministers. Wir erhielten die genauen Bedingungen, nicht nur in schriftlicher Form, sondern wir nahmen auch das Angebot an, mit uns persönlich zu sprechen. So kam dann Finanzminister Schäfer zu einer Veranstaltung, an der viele

GRÜNE, angemessen kritisch, teilnahmen. Dann haben sie sich erklären lassen, wie der Schutzschirm funktioniert, welche Folgen er für die Kommunen hat und wie die Leistungen der Kommunen im Gegenzug aussehen sollten. Der Finanzminister hat sich auch die Kritik angehört, die die GRÜNEN damals geäußert haben. Das hat uns schon ein Stück weit geholfen, weil klar war, dass die Landesregierung hier offen, transparent und im Dialog mit den Kommunen, aber auch mit allen Fraktionen und allen Kommunalpolitikerinnen und -politikern, arbeitet.

Entscheidend war auch noch: Die Kommunen konnten nicht nur darüber entscheiden, ob sie am Schutzschirmprogramm teilnehmen, sondern auch darüber, wie der Haushaltsausgleich zu erreichen ist. Denn der Abbaupfad wurde mit jeder Kommune individuell vereinbart und nicht vorgegeben.

Zusammenfassend kann ich heute über die Anfangsphase, in der in den Kommunalparlamenten diese Entscheidungen getroffen werden mussten, sagen: Entscheidend waren nicht nur die 3,2 Milliarden €, die das Land zur Verfügung gestellt hat. Ausschlaggebend war vor allem die freiwillige Teilnahme, dass die Entscheidungen über die Teilnahme und die Maßnahmen in den Kommunen getroffen wurden und dass dazu parteiübergreifende Beschlüsse notwendig waren; Finanzminister Schäfer hat das schon erwähnt. Dadurch wurden die Beschlüsse von einer breiten Mehrheit getragen und in Folge auch die dazugehörigen konkreten Maßnahmen. Entscheidend dafür waren ebenfalls die umfassenden Informationen und der Dialog zwischen den Kommunen, den kommunalen Vertretern, dem Land Hessen und dem Finanzministerium.

Noch ein kurzer Exkurs. Für die Kreise war es und ist es besonders schwierig, den Haushaltsausgleich zu erreichen; denn sie haben keine kommunalen Steuern – bis auf die Jagdsteuer, aber die kann man gar nicht so weit erhöhen –, um höhere Einnahmen zu generieren. Sie finanzieren sich vor allem über die Kreisumlage. Das wissen wir. Die liegt aber oft schon an der oberen Grenze.

Den Kreisen wiederum hilft jetzt aber der neue KFA. Denn bis auf die Kreise mit Sonderstatusstädten erhalten die alle höhere Zuweisungen durch das Land Hessen

(Günter Rudolph (SPD): Falsch! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Richtig ist das! – Günter Rudolph (SPD): Nein, falsch!)

und profitieren ganz klar von dem reformierten KFA.

Die Städte und Gemeinden sind in einer anderen Situation. Das waren sie auch. Aber für sie war es nicht weniger schwierig, den Haushaltsausgleich zu erreichen; denn wenn bei ihnen die Ausgabenkürzungen nicht gereicht haben, konnten sie Einnahmeerhöhungen vornehmen – aber die sind nicht ganz leicht durchzusetzen. Das haben wir schon festgestellt, und es ist auch völlig unstrittig. Konkret heißt das: Hebesätze für Gewerbe- und Grundsteuer. Das ist so. In manchen Gemeinden wurden auch die Kindergartengebühren erhöht. Im Übrigen hatten wir auch noch Gemeinden, die überhaupt keine Kindergartengebühren erheben.

Interessant war auch: In den Bereichen Ver- und Entsorgung – also Wasser, Abwasser, Müll – waren Defizite entstanden. Auch dort wurden die Gebühren erhöht. Aber das ist auch nur richtig; denn in Gebührenhaushalten müssen

die erhobenen Gebühren kostendeckend sein, um die Ausgaben finanzieren zu können.

Trotzdem waren diese Maßnahmen nicht einfach. Sie waren manchmal sogar schmerzhaft. Dafür gebührt den Verantwortlichen in den Kommunen allerhöchster Respekt und Anerkennung.