Protocol of the Session on May 17, 2016

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Ge

setzentwurf der SPD zum Hessischen Schulgesetz, in dem § 62 verändert werden soll. In diesem Paragrafen ist die Altersgrenze hinsichtlich der Berufsschulberechtigung geregelt. Sie wollen das Alter auf 27 Jahre hochsetzen.

Herr Kollege Merz, wir haben in der Anhörung sehr genau zugehört, aber auch nach der Anhörung. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird es Sie nicht überraschen, dass wir dem Gesetzentwurf auch jetzt nicht zustimmen können.

Tatsache ist, das haben Sie auch zugegeben, ohne Flüchtlingskrise wäre dieser Gesetzentwurf nie zustande gekommen. Ich möchte eingangs noch einmal einiges über die historische Kraftanstrengung sagen, die wir als Koalition gemeinsam mit den GRÜNEN zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auf den Weg gebracht haben. Wir haben 800 zusätzliche Stellen für das Jahr 2016 geschaffen. Wenn das nicht reicht, dann steuern wir nach. Wir haben das mit so vielen Lehrerinnen und Lehrern wie nie zuvor bewerkstelligen können. Wir reagieren flexibel. Der Kultusminister hat mit seinem Erlass vom 4. September 2015 zur Umsetzung des schulischen Sprachförderprogramms InteA die Altersgrenze bereits bewegt. Im Klartext heißt das: Wir können an den beruflichen Schulen bis zum Alter von 23 Jahren unterrichten.

An dieser Stelle will ich auch nicht unerwähnt lassen, bevor ich gleich ins Detail gehe, dass die Hessische Landesregierung – dafür bin ich sehr dankbar – am 17. November 2015 den „Hessischen Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ vorgestellt hat.

(Beifall bei der Abg. Judith Lannert (CDU))

Da darf man auch mal klatschen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein konzertiertes und planvolles Programm. So etwas gibt es nur in Hessen. Darauf können wir stolz sein. Wir können in anderen Bundesländern suchen, ob wir etwas Vergleichbares finden. Dort gibt es nur mehr leere Ausstellungsräume. Deswegen darf man an dieser Stelle durchaus wertschätzen, was wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

Wir reden auch nicht nur über die Fragestellung, wie wir im jungen Erwachsenenalter fördern. Die Landesregierung hat im Rahmen eines Gesamtsprachförderprogramms die bildungspolitische Herausforderung der Beschulung von Ausländern mit geringem oder fast keinem Deutschhintergrund bereits frühzeitig und mit großer Entschlossenheit in Angriff genommen.

Ich will auch betonen, und man darf einmal zurückblicken: Die CDU-Fraktion hat als Erste bereits vor vielen Jahren erkannt, dass die deutsche Sprache die elementare Voraussetzung für eine gelingende Integration ist.

(Beifall bei der CDU)

Nur wer neben grundsätzlicher Leistungsbereitschaft die Bereitschaft zum Erwerb der deutschen Sprache, aber auch zur Akzeptanz der vorherrschenden Werte, Ordnung und Leitkultur hat, hat später Chancen, eine Bildungskarriere hinzulegen, und hinterher Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Intensivklassen, Intensivkurse, Alphabetisierungskurse forcieren die sprachliche Erstintegration. Personell erfahren

die Programme, die wir als Land Hessen verantworten, überdies die stetige Anpassung. Ich habe es eben schon gesagt: Sollten die 800 Stellen nicht reichen, dann steuern wir nach.

Jetzt schauen wir einmal auf Zahlen, die gelegentlich auch beeindrucken. Im Zuge der Flüchtlingskrise ist die Zahl der Intensivklassen bis zum April dieses Jahres auf 807 angewachsen. Mittlerweile sind es noch mehr. Herr Kultusminister, Sie haben das gestern in Ihrer Antwort auf meine Anfrage deutlich gemacht. Die Zahl der InteA-Klassen ist auf 301 erhöht worden. Das bedeutet, es sind über 1.100 zusätzliche Klassen entstanden.

Es ist ja nicht so, dass das gerade einmal nichts wäre. Nebenbei können wir noch über ein Plus von zwölf Sprachförderkursen an Schulen für Erwachsene reden. Ich habe jetzt nicht die Zeit, über die Maßnahmen zur Gewinnung der qualifizierten Lehrkräfte, über die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und über die Kapazitätserhöhung bei den Aufnahme- und Beratungszentren zu sprechen.

Kommen wir zur Anhörung. Herr Kollege Merz, Sie haben darauf hingewiesen – ich habe sehr genau zugehört –, es hat sich keine einheitliche Linie bei den Anzuhörenden ergeben. Aber dann nehmen wir einmal den DGB. Ich unterstelle, dass Sie sich relativ verbunden mit dem DGB fühlen.

(Gerhard Merz (SPD): Das stimmt!)

Der sieht den Gesetzentwurf kritisch. Das sollten Sie noch einmal nachlesen. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern hat Bedenken, dass – ich zitiere –

… die erweiterte Möglichkeit des Berufsschulbesuches in der aus unserer Sicht falschen Richtung … [genutzt wird], vollschulische Angebote als Alternative zu einer Ausbildung im dualen System anzunehmen.

Auch die beruflichen Schulen dürfen nicht überfordert werden – ein Zitat; Sie können gerne nachschauen. Die IHK sieht das ähnlich. Der Hessische Philologenverband stellt fest, die Altersgrenze, wie wir es machen, von 21 Jahren ist gut. Die Zahl der Betroffenen einer Erhöhung auf 27 Jahre wäre in den Konsequenzen nicht absehbar. Denn das Gesetz gilt für alle. Wir machen das Gesetz nicht nur für Flüchtlinge alleine, sondern wir machen es für alle Menschen, die hier leben. Insofern – auch das ist ein Zitat – „ist es unabdingbar, die Ressourcenfrage vorab zu klären“. So der Philologenverband. Es ist völlig richtig, was der Philologenverband an der Stelle sagt.

Die SPD will hier ein Gesetz machen und hinterher schauen, woher das Geld kommt. Zur Finanzierung ist im Gesetz null Komma null Aussage getroffen. Sie machen hier ein riesiges Fass auf, einen ungedeckten Scheck. Zur Frage der Räumlichkeiten, für die bekanntermaßen die Schulträger verantwortlich sind, ist auch nirgendwo diskutiert worden, wie das mit den Kapazitäten bewerkstelligt werden kann. Genau die Finanzierung stellt auch der Hessische Landkreistag in seiner Stellungnahme in den Blick und hat Sorgen.

Mit unserem Programm „Integration und Abschluss“, dem InteA-Programm, hat die Landesregierung ein zukunftsfähiges und wegweisendes Programm aufgelegt und die Angebotslücke bei der Beschulung von Ausländern geschlossen, nämlich zwischen 16 und mittlerweile 23 Jahren ist

das möglich. Der rasante Anstieg der Zahl der InteA-Klassen auf 301 – das habe ich eben schon gesagt – zeigt aber auch, dass es funktioniert mit der Personalausstattung. Das, was wir machen, passt zusammen. Wir machen keine ungedeckten Schecks. Wir gehen im Übrigen mit unseren Maßnahmen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, deutlich über das Maß hinaus, das andere Bundesländer an Programmen auflegen. Darauf können wir stolz sein.

Die von der SPD-Fraktion geforderte Ausweitung des InteA-Programms – darüber kann man auch reden; wir reden über Schule und Bildung – ist demgegenüber weder unter pädagogischen Gesichtspunkten noch im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielrichtungen der Beschulung junger Erwachsener hilfreich. 16-jährige Pubertierende neben 27-jährigen Erwachsenen – ich will einmal das Bild stellen. Ich habe selbst viele Jahre in der Schule unterrichtet. Ich weiß, dass das nicht richtig gut funktionieren wird.

(Gerhard Merz (SPD): 27-Jährige?)

So ist für viele Menschen im Erwachsenenalter aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation weniger das Parken im schulischen Übergangssystem interessant. Vielmehr sind die Anerkennung von beruflichen Abschlüssen und das schnelle Überführen in das duale System und den Arbeitsmarkt bedeutsam und aus unserer Sicht der richtige und vernünftige Weg. Genau das ist die Grundlage unseres Handelns. Genau das ist die Zielsetzung unserer Politik. Genau so werden wir dort planvoll weitermachen.

Im Übrigen gibt es jenseits der 23 Jahre in den Wirtschaftsressorts, in den Sozialressorts, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei freien Trägern eine Vielzahl von Angeboten. Warum sollen wir zu denen in Konkurrenz treten? Das haben Sie mir bisher nicht plausibel erklären können.

Ich ziehe daher einen Strich darunter: Über 800 zusätzliche Lehrerstellen für die Beschulung von Flüchtlingen lassen die SPD-Forderung allenfalls als Pflichtübung der Opposition erscheinen. Das will ich schon einmal feststellen. Vielfältige Anforderungsprofile der Flüchtlinge bedürfen vielfältiger Sprachförderungsmaßnahmen.

Deswegen bleibt es dabei: Wir sind gemeinsam mit unserem Koalitionspartner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf dem richtigen Kurs. Wir haben einen klaren Plan, wir haben ein klares Ziel. Wir wollen Integration fördern, und das wird auch vernünftig gelingen.

Wir lehnen den Gesetzentwurf der SPD auch in zweiter Lesung ab. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich darauf, dass unsere Programme weiter erfolgreich sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Schwarz. – Es gibt eine Kurzintervention. Kollege Merz, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Kollege Schwarz, das ist genau der Ton, der diese Debatten immer so nervtötend macht.

(Beifall bei der SPD)

Es ist genau das bestätigt, was ich gesagt habe. Es ist das Problem, dass der Name SPD über diesem Gesetzentwurf steht, und nicht das Problem, was in diesem Gesetzentwurf steht.

Punkt zwei. Sie haben sehr viel Zeit Ihrer Rede auf Dinge verwandt, die mit diesem Gesetzentwurf gar nichts zu tun haben, die im Übrigen auch unstreitig sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß gar nicht, in welcher Kirche Sie hier gepredigt haben, als Sie uns zum 137. Mal die Erfolge der Intensivklassen und die Ausstattung vorgetragen haben. Das haben wir alles in dem Maßnahmenpaket Asyl mit Ihnen gemeinsam beschlossen. Das haben wir in vielen Debatten in diesem Landtag mit begrüßt. Ich weiß nicht, warum Sie das ausgerechnet gegen diesen Gesetzentwurf, bei dem es um etwas ganz anderes geht, ins Feld führen müssen, außer deswegen, dass Sie keine anderen Argumente hatten.

Drittens. Sie haben natürlich aus der Anhörung genau die Leute zitiert oder die Passagen von Stellungnahmen oder Ausführungen zitiert, die irgendwie kritisch gemeint werden könnten. Auf die bin ich aber zum guten Teil schon eingegangen.

Dass der DGB in seiner schriftlichen Stellungnahme, um das als Beispiel zu nehmen, uneingeschränkt und eindeutig unseren Gesetzentwurf unterstützt hat und dass die Kollegin, die den DGB vertretungsweise in der Anhörung vertreten hat, ausdrücklich ihre Privatmeinung geäußert hat, haben Sie vorsichtshalber nicht dazugesagt. Umgekehrt haben die Industrie- und Handelskammern diesen Entwurf grundsätzlich begrüßt und dann genau die Bedenken vorgetragen, die ich für unzutreffend und in die falsche Richtung gehend halte; das habe ich eben erwähnt. Dito die Handwerkskammer, auch das haben Sie vorsichtshalber nicht erwähnt. Es ist aber so.

Zum Philologenverband könnte ich sagen: Philologen unterrichten an Gymnasien, sie verstehen nicht wirklich viel von der Berufsschulwelt.

Herr Kollege Merz, Sie denken – –

(Gerhard Merz (SPD): Ich bin am Ende!)

Was heißt: „Ich bin am Ende“? Ich wollte nur sagen, Sie denken bitte daran. Wir sind alle mal am Ende.

Ich wollte sagen: Ich bin schon am Ende meiner Rede, Herr Präsident.

(Heiterkeit)

Ich komme zu derselben Schlussfolgerung, zu der ich schon in meinem ersten Beitrag gekommen bin: Es darf halt nicht sein, weil es von der SPD ist.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Merz. – Es antwortet Armin Schwarz.