Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung des Landtags und begrüße Sie sehr herzlich.
Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. Zur Tagesordnung darf ich Ihnen kurz mitteilen: Noch offen sind die Tagesordnungspunkte 6, 7, 18 bis 20, 23 bis 26, 38 bis 43, 46, 47, 49 und 50.
Unter dem Tagesordnungspunkt 6 wird heute vereinbarungsgemäß die Landesanwaltschaft vereidigt bzw. der Hinweis auf den geleisteten Eid gegeben.
Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde. Wir beginnen mit den Anträgen zu den Aktuellen Stunden, Tagesordnungspunkte 38 bis 42. Nach den Aktuellen Stunden geht es weiter mit dem Tagesordnungspunkt 24, verbunden mit dem Tagesordnungspunkt 47.
Entschuldigt sind heute der Ministerpräsident Bouffier ganztägig, der Herr Staatsminister Wintermeyer ganztägig, die Frau Staatsministerin Puttrich ganztägig.
Meine Damen und Herren, es ist eine besondere Freude, heute einem Kollegen zum Geburtstag zu gratulieren. Der parlamentarische Geschäftsführer der Sozialdemokraten, unser Kollege und Freund Günter Rudolph, hat seinen 58. Geburtstag. Im Namen des gesamten Hauses gratuliere ich ganz herzlich.
Es geht weiter. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 38, wenn es von Ihnen keine weiteren Bemerkungen gibt.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Kein Knebelerlass von Innenminister Beuth – Hessens Kommunen brauchen ausreichende Finanz- ausstattung) – Drucks. 19/169 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, meinem lieben Kollegen Günter Rudolph zum Geburtstag zu gratulieren: alles Liebe. Er ist hier sehr bekannt als stets zurückhaltend und sehr sensibel, und insofern nennen wir ihn auch „Friedensrichter“.
Meine Damen und Herren, in der Tat hat diese Aktuelle Stunde eher einen traurigen Anlass. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der neue Kommunalminister eigentlich weiß, was in den hessischen Kommunen los ist.
Ich darf aus der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“ zitieren: „Geldnot: Calden muss alles verkaufen oder schließen“. Das stammt vom 22.02. dieses Jahres. Die Gemeinde Calden will – aufgepasst – alle Gemeinschaftshäuser, die Kindergärten, Sportheime und Sportplätze verkaufen, und zwar egal an wen.
„Kindergartenbus vor dem Aus“ – so lautet die Schlagzeile der „Frankfurter Neuen Presse“ für Friedrichsthal, wo 30.000 € fehlen, um kleinste Kinder von drei bis sechs Jahren von A nach B zu fahren, damit sie einen Kindergarten besuchen können.
Ganz aktuell: Vielleicht haben Sie gestern Abend die „Hessenschau“ gesehen: Pfungstadt kann das Schwimmbad nicht mehr eröffnen, weil kein Geld für die Sanierung da ist.
Meine Damen und Herren, Büchereien, Schwimmbäder und Stadthallen werden geschlossen und die Steuern vor Ort massiv erhöht. Das ist die Realität in hessischen Kommunen.
(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): In Pfungstadt regiert ihr schon seit 20 Jahren, deswegen geht es dort so schlecht! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, das Wetter ist so schön, die Stimmung ist so gut. Ich bitte Sie doch, auch aus Anlass des Geburtstags des Kollegen Rudolph, jetzt ein bisschen gesittet und friedlich miteinander umzugehen.
Herr Kollege Pentz, die Situation in den Kommunen wird nicht besser, indem Sie hier hereinschreien. Allein das jahresbezogene Defizit 2012 lag bei 1,9 Milliarden €,
übrigens das höchste aller Flächenländer in der Bundesrepublik. Hessens Kommunen haben bundesweit je Einwohner das höchste Finanzierungsdefizit, die zweitniedrigsten Zuweisungen vom Land, die zweithöchsten Schulden, die drittschlechteste Landkommunenschuldenquote und die zweithöchsten Sozialaufwendungen – und übrigens den zweitniedrigsten Zuwachs vom Steuerertrag seit der Finanzkrise. Herr Finanzminister, das sagen nicht wir, sondern das Statistische Bundesamt.
Es gibt diverse Hilferufe von der kommunalen Ebene. Ich nenne nur einen hier sehr bekannten Landrat aus dem Kreis Bergstraße, der letztes Jahr im Sommer mit allen seinen Kommunen einen Wahlaufruf gestartet hat, oder aber die 35 Kommunen, die in diesem Jahr im Landtag waren, um uns eine Resolution aus dem Main-Kinzig-Kreis zu überreichen. Übrigens war das ein CDU-Bürgermeister, der uns diese Resolution übergeben hat. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals, und es geht nicht mehr.
Was aber tut die Landesregierung in dieser Situation? Im Jahr 2011 hat sie zunächst ein sogenanntes Finanzausgleichsänderungsgesetz auf den Weg gebracht, das den Kommunen seit dem Jahr 2011 jährlich 350 Millionen € wegnimmt.
Die Kinderbetreuungskosten wurden völlig unzureichend finanziert. Meine Damen und Herren, ich erinnere an die Mindestverordnung. Beides sind Fälle, in denen Ihnen der Staatsgerichtshof gesagt hat, dass das rechtswidrig ist und Sie das ändern müssen.
Herr Kommunalminister, es ist jetzt an der Zeit, sehr kleinlaut diese Vorgaben des Staatsgerichtshofs umzusetzen und einen ordentlichen Kommunalen Finanzausgleich auf den Tisch dieses Hauses zu legen – statt das zu tun, was Sie getan haben, nämlich diesen Knebelerlass auf den Weg zu bringen.
Warum sprechen wir hier vom „Knebelerlass“? Ich will Ihnen sagen, was da drinsteht. Es werden kostendeckende Gebühren für Wasser, Abwasser, Abfall, Straßenreinigung und Bestattungswesen gefordert.
(Günter Schork (CDU): Das steht schon seit 150 Jahren im Gesetz! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Was heißt das denn? Was heißt es denn, wenn Sie die Kosten für das Bestattungswesen 1 : 1 umlegen? Ich kann es Ihnen sagen. Es gibt dazu ein Beispiel aus Bruchköbel. Dort wurde das gemacht. Dort hat die Trauerhalle plötzlich 580 € Miete gekostet. – Wissen Sie, was passiert ist? Die Trauergemeinden sind nicht mehr in die Trauerhalle gegangen, sondern in die umliegenden Kneipen. Deswegen hat die Gemeinde das zurückgenommen. Meine Damen und Herren, das passiert, wenn solche Kosten 1 : 1 umgelegt werden.
Wer zahlt das denn? Es sind doch die Bürger, die die Zeche dafür zu zahlen haben, dass Sie die Kommunen finanziell nicht ausreichend ausstatten.
Wenn Sie in Wahlkämpfen bei den Bürgern mit dem Argument für sich werben, dass Sie die Steuern nicht erhöhen, dann ist das nicht glaubwürdig, wenn Sie gleichzeitig die Finanzlast auf die Kommunen verlagern und dort die Steuern erhöht werden müssen. Der Bürger zahlt am Ende, und das ist Ihre Verantwortung.