Protocol of the Session on February 4, 2016

Aber, ich denke, es ist auch unstreitig, dass eine zeitgemäße Verwaltung auch einer zeitgemäßen Technik und moderner Anwendungen bedarf, um die vielfältigen Aufgaben zu erledigen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels (SPD): Herr Veyhelmann, wo ist denn Frau Puttrich?)

Herr Kollege Gremmels, meine Eltern haben mir beigebracht: Wer schreit, hat Unrecht. – Deshalb kann ich Ihre Schreierei verstehen. Aber hören Sie einmal zu, dann können Sie sogar noch etwas lernen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Den sollten Sie einmal schreien hören! – Timon Gremmels (SPD): Ich habe nur einen Zwischenruf gemacht!)

Eine unabdingbare Forderung bei der Umstellung lautet, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eng in die Entstehungsprozesse und in die Einführung neuer Software und die damit verbundene Veränderung der Arbeitsplätze einzubeziehen. Nur wenn seitens der Betroffenen ein hohes Maß an Akzeptanz sichergestellt ist, können sie derart große Umstellungen meistern. Als Grundlage dieser Arbeit in einem digitalen Umfeld dienen die bisherigen Regeln der Aktenführung, die in einem speziellen Aktenführungserlass von 2012 zusammengefasst sind. Diese Regelungen gilt es umzusetzen, aber gegebenenfalls auch anzupassen, was angesichts der Komplexität mancher Vorgänge nicht einfach ist.

Natürlich werden in einer großen Verwaltungsstruktur wie der Landesverwaltung immer wieder einzelne Fälle zu finden sein, in denen die Grundregeln der Aktenführung gelegentlich nicht vollständig beachtet werden. Angesichts einer Anzahl von weit über 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind diese Vorfälle, wie man auch der Beantwortung der Großen Anfrage entnehmen kann, von sehr geringem Umfang. Die Hessische Landesregierung, ebenso die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen sich konstruktiv den enormen Herausforderungen.

Doch zurück zum Aktenführungserlass. In die im Jahr 2012 zuletzt modifizierten Regelungen werden im Zuge der Neuausrichtung der Verwaltung hin zu einem elektronischen Dokumentenmanagement, also der elektronischen Aktenführung, wichtige Änderungen eingearbeitet und umgesetzt. In Übergangszeiten kann es selbstverständlich dazu kommen, dass die eine oder andere Regelung nicht beachtet wird, weil zum einen neue Regelungen möglicherweise noch nicht bekannt sind, zum anderen benötigen einfach die Schulungsmaßnahmen, die Sie angesprochen haben, eine gewisse Zeit, oder die parallelen Arbeitsvorgänge alter und neuer Strukturen können zu Fehlern führen.

Ich betone dies an dieser Stelle, damit gar nicht erst der Gedanke aufkommt, dass in größerem Umfang Aktenführungsvorschriften möglicherweise sogar aus Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit keine Beachtung finden. Eine derart epochale Aufgabe wie die Ablösung eines jahrzehntelang eingeübten Verfahrens zum Umgang mit Akten und Dokumenten führt in der ersten Zeit zu Reibungsverlusten. Die Parallelarbeit mit Papierakten und elektronischen Akten fordert ein gewaltiges Maß an Konzentration und zusätzlicher Zeit und birgt selbstverständlich auch Fehlerquellen in sich. Ich denke aber, an dieser Stelle gilt es einmal einen Dank zu sagen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung für ihre gute Arbeit und die Erschwernisse, die sie in der Umstellungsphase auf sich nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich weiß aus eigener Anschauung, dass solch ein Prozess einen langen Zeitraum in Anspruch nimmt und dass in diesem Zeitraum eben auch Mängel in Kauf genommen werden müssen, die erst mit der Zeit gänzlich ausgeräumt wer

den können. Vor allem ist zu beachten, dass die bloße Umstellung auf ein zeitgemäßes Dokumentenmanagement nicht zur absoluten Arbeitsfähigkeit und Übernahme aller entscheidenden Funktionen führen kann. Dies liegt zum einen an der Art der Akten, zum anderen an den Ablaufprozessen. Zum Teil liegt es auch an organisatorischen Rahmenbedingungen oder an den erforderlichen Einstufungen gemäß Geheimhaltungsbestimmungen. Wir wissen, dass in großen Bereichen der Justiz oder z. B. auch beim Verfassungsschutz, bei Schulungseinrichtungen oder auch im Hessischen Landtag eine buchstabengetreue Umsetzung eines für die Landesverwaltung generell geltenden Aktenführungserlasses nicht möglich ist.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie fragen sich, ob sich die Landesregierung auch bewusst ist, dass es bei der Aktenführung rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten gilt. Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um eine rein rhetorische Fragestellung handelt. Die heutigen Grundsätze der Aktenführung, gleich ob in Papierform oder bereits auf digitaler Basis, sind 2012 ja nicht vom Himmel gefallen. Sie basieren auf einer jahrzehntelangen, kontinuierlichen Entwicklung, immer an der Weiterentwicklung der zur Verfügung stehenden Instrumenten orientiert und an den rechtsstaatlichen Grundsätzen eines effizienten, modernen und bürgernahen Verwaltungshandelns ausgerichtet.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden doch sicherlich den – nunmehr seit fast 17 Jahren in Regierungsverantwortung der CDU, von der SPD lange Jahrzehnte in Hessen geführten, zeitweise auch von der FDP mitgetragenen – Landesregierungen nicht unterstellen, dass sie uns Grundlagen für die Weiterentwicklung hinterlassen haben, die diesen rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprochen hätten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

An dieser Stelle sollten wir die Diskussion auch gleich wieder beenden und uns den tatsächlichen Problemen zuwenden, die ein elektronisches Dokumentensystem erforderlich machen.

(Timon Gremmels (SPD): Vor 17 Jahren gab es noch keine elektronische Aktenführung!)

Bei der Beachtung der geltenden Aktenführungsbestimmungen, die Sie in Ihrer Großen Anfrage hinterfragen, liegen mögliche Fehlerquellen mit Sicherheit darin, dass bei der Bearbeitung großer Aktenmengen im Rahmen der Neueinführung eines Systems zunächst auf die Praktikabilität geachtet wird und erst in zweiter Linie auf eine mögliche Anpassung der Vorschriften. Bei genauer Betrachtung erkennen wir sofort, dass hier eine Menge Fußangeln ausgelegt sind, die bei der Umsetzung beachtet werden müssen. Das ändert nichts daran, dass die Umsetzung insgesamt gut läuft.

Ich nenne hier nur den Datenschutz als Fußangel, der insbesondere bei Erfassungssystemen wie der Zeiterfassung greift und sehr schnell zu Kollisionen mit anderen Vorschriften führen kann. Oder nehmen wir die elektronische Personalakte mit den noch heute in Papierform vorhandenen und integrierten Bestandteilen der Krankenakte.

Ein weiteres Feld tut sich auf, wenn wir unser Augenmerk auf den Bundestag richten. Die Informationssicherheit gewinnt immer mehr an Raum und schränkt die technisch vorhandenen Möglichkeiten teilweise wieder ein. Eine um

fassende Informationssicherheit ist unabdingbar; denn wenn wir ein flächendeckendes DMS fordern, dann beinhaltet dies auch die in einer Personalakte, einer Steuerakte oder einer Akte mit sozialen Merkmalen festgehaltenen Informationen.

Sie fragen sich vielleicht, warum ich diese Fülle von Punkten im Zusammenhang mit der Einführung vortrage. Ich möchte aufzeigen, dass trotz der Komplexität der Aufgabe die Vertreter der Landesregierung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Ressorts ausgezeichnete Arbeit leisten.

Die Beachtung der Bestimmungen des vorhandenen Aktenführungserlasses, die parallel dazu erforderliche Modifikation der Vorschriften bezüglich der neuen digitalen Umgebung und die Prüfung der Einbeziehung von bisher möglicherweise außen vor gelassenen Teilen der Verwaltung sind große Aufgaben, die mit einem besonderem Maß an Sensibilität angegangen werden müssen.

Die entscheidende Komponente für die Umsetzung und für den Erfolg ist und bleibt der Mensch, der die Umstellung nachvollziehen muss. Alle Ressortministerinnen und -minister, alle Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, die diese Aufgabe in den vergangenen Jahren zu schultern hatten, haben dies – ich rede hier auch aus eigener Erfahrung – mit einem hohen Maß an Sensibilität und Verständnis für alle Mitarbeiter getan. Dies war verbunden mit dem erforderlichen Druck der zeitlichen Anforderungen. Dafür gebührt ihnen ein ganz besonderer Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren der Opposition, ich bitte Sie fairerweise, eine endgültige Bewertung erst dann vorzunehmen, wenn der Umstellungsprozess in die digitale Welt abgeschlossen ist. Wir erkennen durchaus die Größe der Ressortverantwortlichen, Fehler oder Versäumnisse einzuräumen und zu benennen. Ihnen muss aber auch die Zeit gewährt werden, diese im Rahmen neu zu fassender Regelungen auszuräumen oder zumindest erkennbar zu reduzieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Rock für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt im Hessischen Landtag spannende Themen, und es gibt weniger spannende Themen. Aber es gibt meistens wichtige Themen im Hessischen Landtag. Die Aktenführung ist sicherlich ein Thema, mit dem man sich als Abgeordneter in der politischen Debatte selten auseinandersetzt. Die meisten Zuhörer wird dieses Thema nicht so besonders intensiv interessieren.

Es ist aber wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Warum? – Wenn wir eine Verwaltung kontrollieren wollen, wenn die Bürger Transparenz über eine Verwaltung einfordern können – wir als Parlamentarier unterstützen die Rechte der Bürger in aller Regel auch –, dann muss es auch eine transparente und nachvollziehbare Aktenfüh

rung geben. Darum ist es auch wichtig, dass wir uns im Hessischen Landtag ein- bis zweimal in der Legislaturperiode intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD))

Es ist auch nicht so, als wäre nicht der eine oder andere Handlungsauftrag aus dieser Großen Anfrage zu erkennen gewesen. Von daher ist es wichtig, dass wir uns mit dieser Großen Anfrage heute intensiver beschäftigen können.

Es ist nicht nur im allgemeinen Verwaltungsgeschehen wichtig, dass die Akten in Ordnung sind und sichergestellt ist, dass die Aktenführung in den Ministerien tadellos stattfindet, sondern, da ich selbst auch in zwei Untersuchungsausschüssen tätig bin, weiß ich, gerade dann, wenn man nachvollziehen muss, wie die politischen Verantwortlichkeiten für Entscheidungen waren, ist es unerlässlich, dass wir eine lückenlose Aktenführung vorfinden. Manchmal würde man sich wünschen, es wäre noch ein bisschen genauer nachzuvollziehen und es gäbe über jede Entscheidung auch einen entsprechenden Aktenvermerk, mit dem man feststellen könnte, welche Grundlagen für eine Entscheidung gedient haben.

Das war nicht überall zu finden. Ich denke aber, es ist egal, wer die Regierung stellt, das ist nicht bis zuletzt zu erwarten. Aber ein Minimum muss vorgehalten werden. Für die Transparenz der Verwaltung und die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen, die das Parlament zu kontrollieren hat – wenn es zu Problemen kommt, die der Landtag untersuchen muss –, ist es absolut notwendig, dass wir eine detaillierte Aktenführung haben.

Für uns alle war der spannendste Teil die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Bei der Digitalisierung ist deutlich geworden, dass noch einige Aufgaben zu bewältigen sind. Der Hessische Rechnungshof – der bei allen Fraktionen Respekt genießt – hat festgestellt, dass es noch einen Handlungsbedarf gibt.

Eine Anekdote aus dem Untersuchungsausschuss 19/2: Bei unserer Arbeit haben wir festgestellt, dass eine Außenstelle des Verfassungsschutzes im Jahr 2006 immer noch keinen Internetzugang hatte. Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes mussten in ein Internetcafé gehen.

(Günter Rudolph (SPD): Das glaube ich nicht!)

Doch, doch, so war das, das kann man im Protokoll nachlesen. – Von daher ist es schon wichtig, dass eine Verwaltung die Digitalisierung auch einigermaßen zeitnah mitgeht. Es ist ganz wichtig, dass wir uns mit diesem Themenbereich beschäftigen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist deutlich geworden, dass es bei diesem Thema Handlungsbedarf gibt. Hier gibt es sicher Optimierungsmöglichkeiten. Ich würde mir wünschen, dass wir schon ein Stück weiter wären.

Wir alle haben sicherlich in unseren Wahlprogrammen stehen, dass eine Verwaltung modern, digitalisiert, bürgernah und freundlich sein soll. Die Grundlage dafür ist natürlich, dass eine solche Verwaltung selbst auch digitalisiert ist. Sonst kann ich das, was ich mir für den Bürger vornehme und voraussetzen möchte, nicht leisten. Genau da sind wir in Hessen, wie viele Kommunen und auch andere Bundesländer, in Verzug. Natürlich ist es klar – ich glaube, der

Kollege von der Union hat es gesagt –, ich muss die Menschen mitnehmen.

Wenn ich viele Jahrzehnte mit Papierakten gearbeitet habe und jetzt auf Digitalisierung umstellen soll, ist das natürlich nicht nur einfach ein elektronisches Gerät, das genutzt werden muss. Es ist eine andere Art, zu denken und damit umzugehen. Da muss man versuchen, die Menschen mitzunehmen. Es ist uns sicherlich allen klar, dass das nicht immer zu 100 % gelingen wird. Es wird seine Zeit brauchen.

(Beifall bei der FDP)

Trotzdem sind einige Dinge, die in der Großen Anfrage nachzulesen waren, wichtig. Digitalisierung kann nur gelingen, wenn wir das richtige Gleichgewicht zum Datenschutz finden. Digitalisierung ist dann erfolgreich und gut, wenn wir es schaffen, die Datensicherheit von persönlichen und schützenswerten Daten sicherzustellen. Wir müssen auch sicherstellen, dass Daten nicht einfach verändert werden können. Auch das ist ein wichtiges Thema. Es wird natürlich niemand unterstellen, dennoch gehört es dazu, dass diese Themen gelöst sind. Auch da gibt es noch Handlungsbedarf.

(Beifall bei der FDP)

In der Conclusio der Auswertung der Antwort auf die Große Anfrage möchte ich dennoch kein zu negatives Bild zeichnen. Es gibt Aufgaben. Man hat sich auf den Weg gemacht. Die Geschwindigkeit könnte im 21. Jahrhundert noch etwas schneller werden. Man könnte sich stärker an die Digitalisierung anpassen.

Es war schon interessant, diesen Einblick einmal zu haben. Es ist gut, dass wir ein Auge darauf geworfen haben.

Die Verwaltung sieht: Das Parlament interessiert sich für diese Abläufe. Vielleicht motiviert das die eine oder andere Hausspitze, noch einmal ein bisschen genauer hinsichtlich der Frage hinzuschauen, wie wir diesen Weg schneller beschreiten können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Innenminister Beuth.