Lassen Sie mich die Aspekte der Sicherheit beleuchten, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge im Zusammenhang stehen: Das ist zum einen die Kriminalität, die von Asylbewerbern ausgeht. Es sind aber auch Straftaten, die sich aus fremdenfeindlichen Motiven gegen Flüchtlinge richten. Beides beschäftigt die Sicherheitsbehörden, und beides zeigt das Spannungsfeld, in dem diese sich bei ihrer Arbeit bewegen.
Ja, es ist richtig: Auch von Asylbewerbern oder Flüchtlingen geht oder ging Kriminalität aus. Niemand hat behauptet, dass unter den Menschen, die zu uns gekommen sind, nicht auch solche sind, die Straftaten begehen. Trotzdem halte ich an der Einschätzung fest, die ich im vergangenen Jahr abgegeben habe. Ein Flüchtling an sich ist kein Sicherheitsrisiko.
Diese Einschätzung verkennt nicht, dass es unter Flüchtlingen auch solche gibt, die die Sicherheit sehr wohl gefährden. Einen Anlass zur Verallgemeinerung sehe ich aber angesichts der Zahlen, die wir zur Kriminalität von Asylbewerbern erhoben haben, nach wie vor nicht.
So hat sich die hessische Polizei die Mühe gemacht, die Straftaten von Asylbewerbern so valide wie möglich zu erheben, da ein einheitliches Erfassungskriterium erst ab Januar dieses Jahres – also für die Polizeiliche Kriminalstatistik im nächsten Jahr – bundesweit in einen einheitlichen Katalog für die statistische Erfassung aufgenommen wurde und damit auch erst zugänglich ist.
Aber das, was wir erhoben haben, zeichnet ein deutliches Bild. Trotz einer Vervierfachung der Anzahl an Flüchtlingen im vergangenen Jahr gegenüber dem Jahr 2014 kam es keineswegs zu einer Vervierfachung der Straftaten. Insgesamt hat die hessische Polizei – bereinigt um aufenthaltsrechtliche Verstöße – 12.613 Straftaten von Zuwanderern registriert. Rund die Hälfte dieser Straftaten erstreckt sich auf Delikte wie Ladendiebstahl und Schwarzfahren. Es sind aber unter anderem auch 1.200 Körperverletzungen und über 800 Rauschgiftdelikte zu verzeichnen.
Auch hier möchte ich wieder auf den Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenhaltes zurückkommen. Unsere Gesellschaft hat ein Recht darauf, dass diejenigen, die schutzsuchend in unser Land kommen, sich an die Regeln halten, die diese Gesellschaft sich gegeben hat.
Unser Rechtsstaat gilt ausnahmslos für jeden, der sich in unserem Land aufhält. Um den Menschen, die zu uns kommen, klarzumachen, welche Regeln dies sind, suchen wir sie im Rahmen unseres Landesprogramms „Extremismusprävention Flüchtlinge“ in den Unterkünften auf und erklären diese in ihrer Muttersprache.
Ich formuliere einmal drei Erwartungen, die unabhängig von ganz unmittelbaren strafbaren Verhalten zu sehen sind:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies gilt für uns selbstverständlich bei der Aufnahme der Flüchtlinge, bei deren Behandlung und Unterbringung. Dies gilt aber uneingeschränkt auch für die Flüchtlinge selbst – im Umgang mit den Menschen, die ihnen z. B. in den Unterkünften helfen, sie versorgen oder unterstützen. Dies gilt aber selbstverständlich auch für die Flüchtlinge im Umgang untereinander.
Religionsfreiheit hat für uns einen ganz besonderen Wert. Ja, die Religionsfreiheit schützt die Flüchtlinge in ihrem Glauben und in der Religionsausübung bei uns vollends. Religiöse Toleranz ist aber unabdingbare Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft insgesamt. Das erwarten wir selbstverständlich von denjenigen, die zu uns kommen.
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist nicht nur ein Programmpunkt unseres Grundgesetzes. Gleichberechtigung drückt sich in vielfältigen täglichen Lebenssituationen aus – nicht nur im selbstverständlichen Umgang mit Mitarbeiterinnen von Polizei und Behörden. Gleichberechtigung gilt übrigens bei uns allgemein, also auch bei den Flüchtlingen untereinander. Auch das will ich deutlich sagen. Die Rechte in unserem Land sind unteilbar.
Bei denjenigen Asylbewerbern, die unsere Gesetze übertreten, sind wir der Überzeugung, dass der Staat nicht den Eindruck vermitteln darf, wehrlos zu sein. So stammen viele der Asylbewerber aus völlig anderen Rechtssystemen, und der übliche Ablauf und die Dauer eines Strafverfahrens können hier den falschen Eindruck vermitteln, dass Straftaten bei uns nicht geahndet würden. Daher werden wir, in Anlehnung an die Häuser des Jugendrechts, die Verfahren bei Asylbewerbern durch eine intensive Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft, Ausländerbehörden und dem Bundesamt beschleunigen. So müssen Strafen schneller auf den Fuß folgen und, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auch die Ausweisung aus unserem Land. Jedenfalls wollen wir die Verfahren zur Rückführung Straffälliger erheblich beschleunigen, wo es geht.
Sicherheit umfasst aber natürlich auch die Sicherheit der Flüchtlinge selbst. Dort, wo Ressentiments, Fremdenhass und Angst geschürt werden, sind wir mit unseren Sicherheitsbehörden ebenso gefordert. Wir verfolgen auch hier jede Sachbeschädigung und jeden Übergriff auf Unterkünfte und auf die Menschen, die in ihnen wohnen, mit großem Aufwand und mit voller Härte des Rechtsstaats.
Diesen zu verhindern ist übrigens eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und nicht nur der Sicherheitsbehörden. Die Hessische Landesregierung setzt hier neben konsequenter Strafverfolgung insbesondere auf Information und Prävention. So haben wir schon im Jahr 2007 die Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus ins Leben gerufen. Sie hat das Ziel, in den Städten und Gemeinde, die Flüchtlinge aufnehmen, durch Information und Intervention fremdenfeindlichen Stimmungen vorzubeugen. Für die Prävention des islamistischen Extremismus und des Rechtsextremismus haben wir in diesem Jahr insgesamt 3,8 Millionen € zur Verfügung gestellt – eine Summe, die bundesweit vorbildlich sein dürfte. Es ist ein kleiner Baustein unserer großen Anstrengung dafür, dass sich jeder Mensch in Hessen sicher fühlen kann – egal, ob er hier geboren oder erst zu uns gekommen ist.
Lassen Sie mich an dieser Stelle zu einem völlig anderen Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenhalts kommen, der Generationengerechtigkeit.
Laut war die Kritik im vergangenen Jahr, es bei den Besoldungserhöhungen der Jahre 2012, 2013 und 2014 um insgesamt knapp 8 % für die Beamtinnen und Beamten zu belassen – übrigens für alle Beamtinnen und Beamten, nicht nur für die der Sicherheitsbehörden. Ein Kommissar hat danach im Grundgehalt 2015 trotzdem knapp 3.000 € mehr verdient als im Referenzjahr 2011 – bei einer sehr geringen Inflation. Lassen Sie mich klarstellen: Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass eine generell maßvolle Anpassung des im bundesweiten Vergleich hohen Besoldungsniveaus in Hessen ein wichtiger Beitrag ist, um die Schuldenspirale in unserem Land zu durchbrechen. Das sind wir unseren Kindern schuldig. Das Ziel, das die Bürgerinnen und Bürger in Hessen mit der Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen haben, ist uns Verpflichtung. Wir wollen künftigen Generationen dieselben Gestaltungsspielräume erhalten, die wir heute für uns selbstverständlich in Anspruch nehmen.
Selbstverständlich heißt das aber auch, dass wir besondere Belastungen erkennen und diese besonders belasteten Bereiche entlasten. So haben wir für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Hessen mit dem Haushalt 2016 ein ganzes Bündel an Maßnahmen vorzuweisen, um dieser besonderen Belastung gerecht zu werden.
Wir werden zum 1. April die Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten deutlich anheben. Das entspricht nach Angaben der Gewerkschaften ca. 90 € im Monat.
Wir haben insgesamt 15 Millionen € zusätzlich für die Auszahlung aller auszahlungsfähigen Überstunden bereitgestellt. Das ist eine Größenordnung von 550.000 von etwa 3 Millionen Überstunden, die da im Moment stehen.
Wir haben 300 zusätzliche Stellen für Polizeivollzugsbeamte und 100 Stellen für die Wachpolizei geschaffen.
Zusätzlich zu diesen Maßnahmen werden wir die technische Ausstattung der Polizei in vielerlei Hinsicht verbessern – etwa mit der Beschaffung neuer Fahrzeuge, Informationstechnik und verbesserter persönlicher Schutzausstattung. Ich denke, das alles kann sich wirklich sehr gut sehen lassen. Wir investieren in die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger.
Aus dem Blick zurück auf das Jahr 2015, mit dem wir aus polizeilicher Sicht zufrieden sein können, werden auch die Herausforderungen deutlich, denen wir uns auch in diesem Jahr weiter stellen müssen und stellen werden. So wird die hessische Polizei weiter mit Hochdruck daran arbeiten, dass die Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruchdiebstahl noch weiter verbessert und noch mehr Straftaten verhindert werden oder im Versuch stecken bleiben. Dafür setzen wir auf einen Dreiklang von Beratung bzw. Prävention, intensiven Kontrollmaßnahmen und täterorientierten Ermittlungen.
Es wird sowohl das operative Kriminalitätslagebild weiter vorangetrieben als auch die länderübergreifende Zusammenarbeit durch eine enge Kooperation mit unseren Nachbarländern Bayern, Baden-Württemberg und RheinlandPfalz.
Wenn ich über die Herausforderungen bei der Sicherheit spreche, komme ich schnell wieder auf die Bedrohungen durch den Extremismus zurück. Wir haben jegliche rechtsextremistische Bestrebungen fest im Blick, ebenso wie Gefahren durch den extremistischen Islamismus. Die hessischen Sicherheitsbehörden haben sich frühzeitig auf diese Aufgaben eingestellt.
So wurden die polizeilichen Staatsschutzkommissariate in den letzten Jahren personell deutlich verstärkt und eine Reihe von offenen und verdeckten Maßnahmen ergriffen, um Gefahren zu erkennen und abzuwenden. Auch das bundesweit vorbildliche Präventions- und Interventionsprogramm unseres Präventionsnetzwerkes gegen Salafismus, welches Beratung und Deradikalisierung bis hin zum Ausstieg bietet, haben wir frühzeitig entwickelt und in die Praxis umgesetzt. Wir bauen seine Aktivitäten und Kapazitäten beständig weiter aus, statt – wie in vielen anderen Bundesländern der Fall – erst jetzt eine funktionsfähige Struktur einzurichten. Häufig ist unser hessisches Modell dabei die Blaupause für die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern. Ich finde, auch hier können wir ein bisschen stolz auf die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden sein.
Eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung jeglichen Extremismus kommt jedoch nicht nur der Polizei, sondern insbesondere auch unserem Landesamt für Verfassungsschutz zu. Wertvolle Hinweise zur Gewährleistung der Sicherheit im Lande erreichen uns in den letzten Monaten insbesondere über die Verfassungsschutzbehörden im Verbund. Die hervorragende Arbeit, die in unserem hessischen Landesamt geleistet wird, ist der Öffentlichkeit naturgemäß leider nur bedingt zugänglich. Sie lässt sich aber beispielhaft ablesen an der großen Bedeutung, welche die Mitwirkung des Landesamtes an unseren verschiedenen Präventionsprogrammen im Bereich Rechtsextremismus auf der einen und Salafismus auf der anderen Seite hat.
Ich bin froh über das herausragende Engagement, welches die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres LfV jeden Tag unter Beweis stellen. Und es zeigt sich, dass die operative Neuausrichtung im vergangenen Jahr der richtige Schritt war. Um die großen Herausforderungen auch künftig bewältigen zu können, haben wir die Planstellen des Landesamtes mit dem Haushalt 2016 um 20 % erhöht – auch hier eine wichtige Investition in die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Eines ist aber auch klar: Eine vollkommene Sicherheit kann es in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht geben. Die Bedrohungslage durch islamistischen Terrorismus für unser Land ist weiterhin hoch. Wir alle sollten daher weiter wachsam, aber nicht ängstlich sein. Nicht nur in der kommenden Fastnachtszeit wird die hessische Polizei durch eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen die Sicherheit gewährleisten. Dazu gehören der verstärkte Einsatz von Videotechnik ebenso wie eine deutliche Erhöhung der Präsenz – uniformiert und in Zivil – sowie die Überwachung von Brennpunkten.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Die hervorragende Bilanz der Polizeilichen Kriminalstatistik des Jahres 2015 ist Ausdruck und Ergebnis der professionellen Arbeit, welche die hessische Polizei jeden Tag zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Hessen leistet. Sie rechtfertigt das große Vertrauen, das in sie gesetzt wird, eindrucksvoll.
Hessen ist ein sicheres Bundesland. Wir verdanken dies dem großen Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl der hessischen Polizei als auch des Landesamtes für Verfassungsschutz. Im Namen der gesamten Hessischen Landesregierung spreche ich ihnen große Anerkennung aus. Die Sicherheitsbehörden gewährleisten damit Zusammenhalt und Sicherheit in unserem Land. – Vielen Dank.
Für die Oppositionsfraktionen gibt es einen Zuwachs von 30 Sekunden. Vielen Dank, Herr Minister, Sie waren gut pünktlich.
Wenn dein parlamentarischer Geschäftsführer ruhiger geworden ist, können wir weiterfahren. – Ich erteile der Abg. Faeser für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Innenminister, da wir heute eine Regierungserklärung zur inneren Sicherheit haben, hatte ich eigentlich erwartet, dass Sie etwas zu der aktuellen Berichterstattung in der „Bild“-Zeitung sagen.