Wenn ich Ihre Reden zum KiföG höre, die Sie aus dem Stand ungefähr fünf Stunden lang halten könnten, wie die Qualität zu verbessern ist, dann müssen Sie sich doch einmal selbst fragen: Welche Prioritäten setzen Sie eigentlich? Es ist doch unseriös, alles gleichzeitig zu versprechen. Das ist Ihr Problem.
Das ist doch nicht die grundsätzliche Frage. Wer hat schon etwas gegen Freibier, wenn das einer ausruft? Da kann doch keiner etwas dagegen haben. Die Frage ist nur: Ist es seriös? Ist es angesichts der drängenden Probleme seriös? Haben Eltern nicht andere Probleme, gerade nachdem ich vorgeführt habe, dass sozial Schwache Erstattung bekommen? Wir als GRÜNE fordern, dass es in jeder Kommune mindestens eine Staffelung gibt. Wenn dem so wäre, ist das ein Mittelstandsförderprogramm, wie Frau Wiesmann sagt. Deswegen ist das nicht unsere Priorität in dieser Stunde. Wir müssen darauf achten, dass wir Qualität und Quantität verbessern, und nicht mal eben kurz vor der Wahl einen raushauen, weil es so schön klingt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Merz hat seine Ausführungen begonnen mit dem Punkt, Gebührenfreiheit in Kindertagesstätten, in Kindergärten oder in der Kinderbetreuung habe Konjunktur. Das stimmt so. Es sind drei im politischen Wettbewerb befindliche Parteien bzw. Gruppierungen, die das jetzt zum Thema gemacht haben. In der Tat scheint es deswegen Konjunktur zu haben, weil man auf der Suche nach einem Thema gewesen ist, das im Hinblick auf den 6. März möglicherweise eine Rolle spielen kann.
Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass das nicht verfängt, weil die Frage der Gebührenfreiheit schon einer differenzierten Betrachtung bedarf. An der Stelle muss ich nicht wiederholen, was meine Vorredner auf die Gesetzeseinbringung von Frau Schott gesagt haben. Denn egal, ob es sechs Pferdefüße, fünf Punkte oder etwas anderes gewesen ist – im Ergebnis war immer eines vollkommen klar: Der vorgelegte Gesetzentwurf taugt nichts.
Der taugt schlicht und einfach nichts und wäre deswegen auch nicht in eine Regierungsanhörung zu geben. Ich kann es noch so fein umschreiben, aber ich habe an keiner Stelle gehört, dass irgendjemand gesagt hat, dass das ein Beitrag zur Betreuungsgerechtigkeit, zum Ausbau und zu vielem anderen mehr in unserem Land wäre.
Ich will sagen – das werden wir in der Debatte morgen wahrscheinlich noch intensiver tun –, dass mit diesem Gesetzentwurf jegliche Frage einer inhaltlichen Ausgestaltung der Kinderbetreuung auch nach Qualitätskriterien abgeschafft wird, dass keinerlei Rücksicht mehr auf Betreuungssituationen genommen wird, dass es zu einer Entmündigung von Eltern, von Kommunen, von kirchlichen Trägern führt. All das spricht aus diesem Gesetzentwurf heraus.
Deswegen brauche ich das an der Stelle gar nicht weiter auszuführen. Aber den eben geführten Disput zwischen den Kollegen Merz und Bocklet will ich doch zum Anlass nehmen, noch zwei Sätze dazu zu sagen, in der Hoffnung, dass das jetzt nicht unbedingt die Diskussion verlängert.
Die Diskussion über die Frage, warum Schule als Bildungseinrichtung frei, die Kindertagesstätte als Bildungseinrichtung aber gebührenbehaftet ist, ist eine Diskussion, die wir führen können, möglicherweise auch führen müssen – aber immer mit der Unterscheidung, dass wir auf der einen Seite eine gesetzlich normierte Schulpflicht haben, der sich Eltern nicht entziehen können, aber keine Kindertagesstättenpflicht. Mit mir an einer verantwortlichen Position wird es auch nie eine Kindertagesstättenpflicht geben. Das wäre nämlich eine Entmündigung der Eltern. An dieser Stelle haben wir einen Unterschied.
Das zweite Argument ist – aber das ist ein Argument, das man sich vielleicht auch für morgen aufheben könnte –: Wenn Sie mit Recht fragen: „Was nützen die 15 %, die Kollege Bocklet ins Feld geführt hat, wenn es an der einen Stelle einen Halbtagskindergartenplatz für 150 € und an der anderen Stelle einen U-3-Platz für 800 € im Monat gibt?“ – so waren Ihre Worte –, sage ich: Ja, aber mit dem Gesetzentwurf der SPD, den wir morgen zu beraten haben, werden wir das Thema der U-3-Plätze nicht angehen, sondern das wird eine andere Frage sein.
Was den quantitativen Ausbau der U-3-Plätze anbelangt, sind die Zahlen schon toll, die wir in Hessen vorzuweisen haben, auch differenziert in Regionen. Wir müssen noch weiter daran arbeiten, um das voranzubringen. Aber an dieser Stelle muss ich einmal einen Blick in die Länder werfen, die eine Gebührenfreiheit haben. Da ist die Betreuungsquote derjenigen im U-3-Bereich nicht anders als die in Hessen. Keiner kann mir erklären, dass ich im U-3-Bereich ein Kind in eine Kindertagesstätte gebe, es bei nicht vorhandener Beitragsfreiheit im ersten Kindergartenjahr herausnehme und warte, bis es wieder beitragsfrei ist, und es dann wieder hereingebe. Das wird es wahrscheinlich bei keinem Elternteil geben. Insofern werden sich die Angleichungen der Betreuungsquoten über den U-3-Bereich auf Dauer entsprechend fortsetzen.
Ein Letztes. Das finde ich schön. Sie reden dauernd von den 520 Millionen €. Alle meine Vorredner haben das genommen, um die Seriosität oder Nichtseriosität des LINKEN-Gesetzentwurfs darzustellen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, auf der Grundlage der Stichtagszahlen zum 01.03.2015, die Sie alle haben, zu schauen, was das bedeuten würde. Am 01.03.2015 hatten wir 180.000 Kindertagesstättenplätze in Hessen, die belegt waren; das sind die Ü 3. Zu dem Zeitpunkt hatten wir 48.000 U-3-Plätze in Hessen belegt. Das macht zusammen eine Mehrbelastung, wenn wir allein das nehmen würden, was die LINKEN an dieser Stelle wollen, von über 800 Millionen € – und dabei sind die Hortplätze noch nicht berücksichtigt.
Nur, damit man sieht, wie solide gerechnet und dargestellt solche Gesetzentwürfe sind. Es ist letztendlich auch egal, ob 500 oder 800 Millionen €. Für so einen Quatsch ist jeder Euro zu viel.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung vollzogen.
Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht keiner, dann ist so beschlossen.
Ich schließe die Sitzung mit zwei Mitteilungen: a) Es sind noch zwei Veranstaltungen im Hause, eine im Restaurant mit der Ingenieurkamer und eine beim Hessischen Rundfunk. b) Wir treffen uns morgen um 9 Uhr pünktlich wieder. – Schönen Abend.