Lieber Kollege Rentsch, der Staat ist handlungsfähig, und er beweist dies jeden Tag. Dieses Chaosgequatsche finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich unverantwortlich.
Die Bundesrepublik Deutschland wendet das Dublin-Verfahren für alle Herkunftsländer und alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außerhalb Griechenlands an. Das galt und gilt auch für syrische Staatsangehörige. Deutschland hat das Dublin-Verfahren zu keinem Zeitpunkt rechtlich ausgesetzt. Das sehen die Regelungen der Dublin-Verordnung im Übrigen auch gar nicht vor. Die hohen Zugangszahlen haben uns tatsächlich in vielen Fällen an der Durchsetzung gehindert.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung handelt. Das haben wir in den letzten Wochen und Monaten in vielen Debatten gesehen. Die dürften auch der FDP nicht verborgen geblieben sein. Wir haben zwei Asylpakete durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat gebracht. Die Regelungen zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen wurden verbessert. Die Verfahren wurden beschleunigt. Die Einzelheiten sind gerade angesprochen worden.
Meine Damen und Herren, es wird allerdings innerhalb Deutschlands kaum möglich sein, eine Drosselung oder das Ende der hohen Zugangszahlen zu erreichen. Damit komme ich zu der Frage: Wo wird überhaupt eine solche Drosselung oder das Ende der hohen Zugangszahlen erreicht werden können? Das geht eingeschränkt nur in Europa. Es gehört natürlich dazu, dass wir den europäischen Rechtsrahmen einhalten und durchsetzen. Natürlich gehört auch dazu, was wir im Schengen-Abkommen mit unseren europäischen Partnern abgesprochen haben.
Auch die Verteilung innerhalb Europas spielt eine Rolle. Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Wir kommen in Deutschland unserer humanitären Verantwortung nach. Eines ist aber auch klar: Humanität ist ein europäischer Wert. Daran müssen wir unsere Partner bei Gelegenheit einmal erinnern.
Herr Merz, ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass wir nicht auch außerhalb Europas eine Lösung erreichen können. Wir sollten mit der Türkei versuchen, ein Abkommen über die Drosselung des Zugangs bzw. die Kontingentzuweisung zu erreichen, damit wir der Lösung des Problems zumindest näher kommen. Es muss aber außerhalb Europas etwas geschehen. Denn innerhalb Europas können wir nur hohe Zugangszahlen verteilen, und das ist am Ende keine Lösung. Das geht nur auf dem Verhandlungswege und nur, wenn die Bundesregierung gemeinsam und kraftvoll gegenüber den Partnern auftritt. Wir wünschen dabei unserer Bundeskanzlerin nicht nur bei unseren europäischen Partnern, sondern auch in der Türkei alles Gute und viel Erfolg.
Die Gewährung von Asyl erfolgt in Deutschland abgestuft. Es gibt verschiedene Schutzarten, die in einer Prüfungsreihenfolge stehen. Erstens die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes, wenn eine Person Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Dann gibt es den zweiten Punkt, das ist die Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes mit allen dazugehörigen Regelungen. Dann kommt, drittens, die subsidiäre Schutzgewährung: Ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser kann nach dem Asylgesetz Anspruch auf subsidiären Schutz haben, wenn ihm weder durch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch durch das Asylrecht Schutz gewährt werden kann. Wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und er den Schutz seines Heimatlandes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen Bedrohung nicht in Anspruch nehmen will, erhält diesen subsidiären Schutz. Ein ernsthafter Schaden kann sowohl von staatlichen als auch von nicht staatlichen Akteuren ausgehen.
Liebe Kollegen von der FDP, insofern ist das, was Sie aufgeschrieben haben, unpräzise, da die Gewährung subsidiären Schutzes ebenfalls im Rahmen eines Asylverfahrens geprüft und gegebenenfalls zuerkannt wird – auch im Vortrag von Florian Rentsch ist das angesprochen worden.
Nun noch einmal zum Sachverhalt des subsidiären Schutzes. Syrische und eritreische Staatsangehörige sowie Christen, Mandäer und Jesiden aus dem Irak erfüllen nach der Entscheidungspraxis des Bundesamtes in der Regel die Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaften.
Das Bundesamt hatte daher im November letzten Jahres – also vor gut einem Jahr – für Antragsteller aus Syrien und für religiöse Minderheiten aus dem Irak bzw. ab Juni für Eritrea ein beschleunigtes Asylverfahren eingeführt, um eine zeitnahe Anerkennung als Flüchtlinge zu ermöglichen. Die Verfahrensbeschleunigung kam zustande, indem auf ein persönliches Anhörungsgespräch – um diese Frage wird jetzt gerungen – zwischen Asylbewerbern und Entscheidern verzichtet wird. Diesem Personenkreis wurde die Möglichkeit eingeräumt, Fluchtgründe schriftlich darzulegen. Das waren die Vereinbarungen von November und Juni.
Jetzt – angesichts der massiv angestiegenen Zahl an Flüchtlingen – hat sich das System jedoch als zu großmaschig erwiesen. Das ist der Grund, warum man nunmehr wieder zu Einzelfallentscheidungen zurückkehrt und sich nicht nur auf die Angaben des Flüchtlings verlässt.
Ich will noch etwas zu dem Status sagen: Bei dem sekundären Schutz handelt es sich um einen ordentlichen Schutz, der diese Flüchtlinge weitgehend den Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt. Vor allem aber gilt: Dieser Schutz besteht, solange der Konflikt anhält und eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich ist. Die Frage, ob die Aufenthaltserlaubnis zunächst nur für ein Jahr erteilt wird, ist insoweit unerheblich. Dieser Personenkreis erhält die gleichen sozialen Leistungen sowie Arbeits- und Integrationsmöglichkeiten. Auch das will ich deutlich machen.
Zwei Punkte sind mir noch wichtig. Ich will darauf hinweisen, dass beim Zuwanderungsgesetz die Arbeitsmigration zunächst einmal nicht aus humanitären, sondern aus nationalen und volkswirtschaftlichen Gründen erfolgt. So sollte man es auch miteinander diskutieren, weil sich die Asylbewerberzahlen nicht durch beschäftigungspolitisch motivierte Gesetze beeinflussen lassen. Ich glaube, insoweit können wir Einigkeit erzielen.
Abschließend will ich darauf hinweisen – Kollege Bocklet hat das schon gemacht –, dass wir weiterhin behutsam bei der Frage von Abschiebungen nach Afghanistan vorgehen werden. Die humanitären Hintergründe sind nicht nur unseren Behörden, sondern auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sehr wohl bewusst. Es wird daher keinen pauschalen Abschiebestopp geben; im Einzelfall werden aber Prüfungen vorgenommen werden. – Vielen Dank.
Danke, Herr Staatsminister. – Ich erteile dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion, Herrn Rentsch, das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Staatsminister Beuth, ich finde es wichtig, dass wir hier noch einmal die Gelegenheit nutzen, gemeinsam über die Frage zu diskutieren, ob wir uns richtig verstanden haben. Ich halte es nicht für hilfreich, über „Gequatsche“ zu reden, wenn das Thema Chaos aufkommt. Das ist ein Begriff – ich habe die Zahlen dabei –, der zurzeit hauptsächlich in der Union verwendet wird. Aber vielleicht sollten Sie das parteiintern besprechen. Ich glaube, dass es sinnvoll ist – neben der Dünnhäutigkeit, die ich bei der CDU bei dem Thema erlebe, auch wenn sie legitim ist –, darüber zu reden, was rechtlich möglich ist und wie wir die Verwaltung entlasten können.
Herr Kollege Beuth, Sie müssen zwischen dem subsidiären Schutz, den Sie gerade erwähnt haben, und einem vorübergehenden humanitären Schutz, den wir beantragt haben, differenzieren.
Meine Damen und Herren, der Unterschied ist, dass das Instrument, das wir vorschlagen, zurzeit nur auf europäischer
Ebene funktioniert. Wir müssen das in nationales Recht umwandeln, damit eine allgemeine Feststellung ohne Einzelfallprüfung funktioniert. Wir wollen die Verwaltungen entlasten, damit wir endlich wieder rechtsstaatliche Verhältnisse bekommen.
Deshalb bitte nicht das eine mit dem anderen verwechseln. Das ist eine schwierige Materie, aber wir müssen jetzt wirklich schauen, wo wir gemeinsam Pluspunkte sammeln können. Wir haben doch ein gemeinsames Interesse – nämlich die Verwaltung an dieser Stelle zurzeit zu entlasten. Wenn es Personengruppen aus Ländern gibt, bei denen es klar ist, dass die Anerkennung in dieser Situation möglich ist, dann muss man sie entlasten.
Kollege Merz, einmal neben der Tatsache – ich empfehle den „Tagesspiegel“ von heute und andere Medien, die Sie sich anschauen sollten, weil dort die Sozialdemokraten über Kontingente sprechen; das war gar nicht unsere Debatte, das sollte in der SPD diskutiert werden – will ich Ihnen sagen: Das, was im Asylpaket II zurzeit zwischen Ihrer Partei und dieser Partei diskutiert wird, ist eine deutliche Verschärfung des subsidiären Schutzes, mit massiven Auswirkungen auf den Familiennachzug. Vielleicht sollten Sie diese Debatte in Berlin führen, dort, wo sie hingehört. Hier aber sollten Sie mit uns gemeinsam über die Frage reden, was wir gemeinsam tun können, um das staatliche Versagen – das haben wir doch, weil die Verwaltung an vielen Stellen nicht mehr arbeiten kann – wieder in den Griff zu bekommen.
Jetzt einmal zu den Zahlen, die Sie genannt haben. Sie haben gesagt, es kommen nur noch ca. 2 % aus den Balkanstaaten. – Das stimmt, das ist korrekt. Ich möchte Sie aber bitten, dann mit uns auch über die Zahlen des gesamten Jahres zu diskutieren. Es kamen insgesamt aus Syrien ca. 30 %, aus Irak und Afghanistan ungefähr 6 %, aus Eritrea knapp 3 % – und ca. 32 % in diesem Jahr aus dem Balkan.
Dass man dort ein anderes rechtliches Instrumentarium braucht, als wir es bei den Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten haben – es ist doch nicht illegitim, darüber zu sprechen. Stellen Sie also diese Zahlen bitte dann auch richtig dar.
Der nächste Punkt ist: Ja, wir müssen auch bei den Ländern differenzieren. Wir müssen differenzieren zwischen den Ländern wie Afghanistan und dem Nordirak, wo es natürlich auch sichere Zonen gibt. Ich halte es nur für recht und billig, dass wir dann auch prüfen, wo die Menschen bleiben können, wen wir aufnehmen: Wozu sind wir verpflichtet? Kollege Beuth, da sind wir nicht auseinander, keine Frage. Auf der anderen Seite aber erwarte ich auch von Ihnen als Staatsminister, der für den Innenbereich zuständig ist – wir haben hier alle eine gemeinsame Tradition, auch im Petitionsausschuss –, dass wir die Reden, die wir früher gehalten haben, auch weiter fortführen.
Ich sage Ihnen einmal ganz offen: Was wäre denn eigentlich, wenn diese Kanzlerin nicht Mitglied der CDU wäre? Was wäre denn eigentlich, wenn Volker Bouffier nicht stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender wäre? Glauben
Sie denn allen Ernstes, wir würden die Diskussion so führen, wie wir sie heute führen? Oder hat die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, die mittlerweile Asyl bei den GRÜNEN bekommen soll – –
Das habe doch nicht ich gesagt, das haben doch die GRÜNEN auf ihrem Parteitag der Kanzlerin angeboten. Es ist doch mittlerweile definitiv so, dass diese Kanzlerin parteipolitisch in ihrem eigenen Lager größte Probleme hat.
Ja, das ist Ihre Sache, damit habe ich nichts zu tun. Aber wenn es die Handlungsfähigkeit des Staates betrifft, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland,
dann macht es mir schon Sorge, wenn wir eine Kanzlerin haben, die anscheinend bei ihrer eigenen Partei – –
(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU) – Michael Boddenberg (CDU): Wir haben Mitgefühl mit Ihnen! Wir wissen, wie Sie das meinen!)
Herr Kollege Reif, wenn Sie den Landtag verlassen, sind Sie sicher eher meiner Meinung als der Meinung der Kanzlerin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage, ob dieses Land noch handlungsfähig ist, weil die Kanzlerin mittlerweile keine Mehrheit mehr in ihrer eigenen Partei hat, ist eine Frage, die definitiv auch hier in diesem Landtag zu diskutieren ist. Das sollte man auch hier tun.
Jetzt einmal zu der Frage: Was hätten Sie denn eigentlich getan? – Herr Kollege Merz, einmal neben der Tatsache, dass die Kanzlerin mittlerweile an vielen Stellen die Solidarität Europas auf die Probe gestellt hat, müssen wir doch gemeinsam feststellen, dass der Tenor, wie die Äußerungen der Kanzlerin in Europa mittlerweile gewichtet werden, nicht so ist, dass Europa das Gefühl hat, wir hätten gemeinsam an einem Strang gezogen – dabei einmal ausgeklammert, dass wir uns mittlerweile auf die Türkei verlassen müssen und hoffen, dass die für uns einen Zaun bauen, weil wir das nicht tun wollen. Ich finde das abstrus, wie augenblicklich die außenpolitische Situation der Bundesrepublik Deutschland ist.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Eines will ich aber noch sagen: Mit dem, was die Kanzlerin auf dem letzten EU-Gipfel auf EU-Ebene getan hat – zu versuchen, eine Einigung, einen Kompromiss auf EU-Ebene herzustellen –, damit ist sie krachend gescheitert. Das hat etwas damit zu tun, dass die europäischen Nachbarn es nicht mehr akzeptieren, dass wir sie im letzten Jahr im Stich gelassen haben, jetzt aber große Solidarität einfordern. Meine Damen und Herren, wir erhalten die Quittung, diese Bundesregierung erhält die Quittung für ihre Politik. – Vielen Dank.