Mit der Zustimmung Hessens haben Bund und Länder daher in dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz weitere sichere Herkunftsländer definiert. Zu ihnen gehören nun auch die Balkanländer Albanien, Montenegro und das Kosovo. Diese Verschärfung hat bereits Wirkung gezeigt, und die anfangs sehr hohe Zahl von Flüchtlingen aus diesen Ländern ist inzwischen deutlich zurückgegangen.
Meine Damen und Herren, in der Sitzung des Bundesrats vom 16. Oktober hat Hessen auch dafür gestimmt, Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber durch unangekündigte Abschiebetermine zu erleichtern und somit auch das Untertauchen zu erschweren. Auch können Abschiebungen nunmehr nur noch für maximal drei Monate und damit halb so lange wie bisher ausgesetzt werden. Wer seiner Ausreisepflicht nicht nachkommt, wird durch spürbare Leistungskürzungen sanktioniert. Wer aus sicheren Herkunftsländern kommt, verbleibt bis zum Abschluss des Verfahrens in der Erstaufnahmeeinrichtung. Das Prinzip der Sach- und Geldleistungen wird gestärkt. Daran arbeiten wir.
All das dient dem Zweck, die auch in unserem starken und wohlhabenden Land begrenzten Ressourcen gezielt den wirklich Bedürftigen zukommen zu lassen und keine falschen Fluchtanreize zu setzen. Derzeit wird im Bund über weitere Maßnahmen beraten, die wiederum dem Ziel dienen, die Zahl der Flüchtlinge zu verringern, damit wir unser Land nicht überfordern. Wir müssen weiterhin sehr sachlich und ernsthaft darüber streiten, wie weitgehend Familiennachzug sein kann. Wir müssen auch darüber sprechen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen noch nötig sind, um diejenigen zurückzuführen, die in Deutschland kein Bleiberecht haben. Die Rückführung von Menschen, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, ist das notwendige Gegenstück zur Solidarität mit Verfolgten und die Voraussetzung für den weiteren Zusammenhalt in unserem Land.
Eine gewissenhafte Prüfung eines jeden Asylantrags steht dabei außer Frage und bleibt für uns selbstverständlich. Weil das so ist, gibt es mit uns auch keine pauschalierten Abschiebestopps nach Afghanistan, auch wegen des Winters. Ich frage Sie ernsthaft: Wie ist das denn in Thüringen, wo Sie bedauerlicherweise den Regierungschef stellen? Machen das denn die Thüringer? Haben die Thüringer einen generellen Abschiebestopp? – Das haben sie nicht. Von daher müssen Sie einmal klären, was Sie wollen; wenn Sie die Regierungsverantwortung tragen, machen Sie selbst nicht, was Sie hier einfordern.
Meine Damen und Herren, wir sind uns doch alle einig: Die Asylverfahren müssen beschleunigt werden. Daher be
grüßen wir es ausdrücklich, dass sich der Bund verpflichtet hat, die Dauer der Asylverfahren auf durchschnittlich drei Monate zu verkürzen. Das ist im Interesse aller Beteiligten. Inzwischen ist es auch gelungen, die Zahl der Asylentscheidungen im Vergleich zum September um 60 % zu erhöhen. Menschen, deren Asylantrag bewilligt wurde, und jenen, die eine Duldung erlangt haben, sollte möglichst schnell mit entsprechenden Maßnahmen und Leistungen die Integration in unsere Gesellschaft ermöglicht werden. Denn nur eine gelungene Integration kann auch die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung bewirken.
Integration ist jedoch auch mit Werten verbunden. Unsere Werteordnung verpflichtet uns auf der einen Seite, Menschen in Not zu helfen. Sie verpflichtet aber auch diejenigen, die bei uns Schutz suchen, diese Werteordnung zu akzeptieren. Integration kann bekanntlich nur auf der Basis unserer Rechtsordnung, unserer Werte sowie der gewachsenen Kultur und Traditionen unseres Landes stattfinden. Dazu zählen: Meinungs- und Religionsfreiheit, die Trennung von Staat und Kirche, die Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit und das Gewaltmonopol des Staates. All das ist nicht verhandelbar, und Integration kann nur in diesem Rahmen stattfinden.
Die Integrationsangebote, die wir machen, müssen verbessert werden. Die Landesregierung hat hierfür einen Aktionsplan aufgelegt. Sie müssen aber nicht nur verbessert werden, sie müssen auch angenommen werden, und falls nicht, müssen entsprechende Sanktionen erfolgen. Deutschland ist ein erfolgreiches Integrationsland. Mehr als 16 Millionen Menschen haben eine Zuwanderungsgeschichte und leben in unserem Land. Schon heute hat jeder fünfte Deutsche einen Migrationshintergrund.
Wahr ist aber auch, die Bürgerinnen und Bürger sorgen sich, wie die vielen Flüchtlinge in Hessen und in Deutschland integriert werden können. Diese Debatte hat auch unsere Haushaltsberatungen stark geprägt. Ich denke, der Aktionsplan der Hessischen Landesregierung gibt die richtigen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Hessen handelt und geht diese historische Aufgabe mit der Bereitstellung von zusätzlich mehr als 500 Millionen € an.
Was ist zu tun? – Zuerst müssen wir die Männer, Frauen und Kinder, die zu uns kommen, menschenwürdig unterbringen. Das ist schon aufgrund der extrem hohen Zahl eine riesige Herausforderung. In nur drei Monaten haben wir 22.000 neue Unterkünfte geschaffen. Aktuell liegt die Unterkunftskapazität unseres Landes bei über 33.000 Plätzen. In Hessen gibt es keine Obdachlosigkeit. Das ist eine riesige Kraftanstrengung und ein großartiger Erfolg dieser Landesregierung und aller, die daran mitwirken.
Anschließend müssen wir diejenigen, die eine gute Bleibeperspektive haben, mit Sprach- und Integrationskursen in unsere Gesellschaft integrieren. Die Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive sollen bereits in der Erstaufnahme einen ersten Deutschunterricht erhalten. Danach gilt es, sie mit Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten in die Berufswelt zu integrieren. Hier ist auch die Wirtschaft gefragt. Es ist auch erfreulich, dass die Bereitschaft, zu helfen, groß ist. Viele Flüchtlinge sind sehr arbeitswillig und wollen möglichst schnell auf eigenen Beinen stehen und unserem Land
etwas zurückgeben. Diese Chance müssen wir nutzen und den Zugang zum Arbeitsmarkt entsprechend erleichtern. All diese Lösungsansätze zeigen, dass die Politik hier handelt, meine Damen und Herren.
Wir wissen, dass diese Maßnahmen nicht von heute auf morgen wirken. Aber sie werden Wirkung zeigen. Wir wissen auch, dass das, was die Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel im überparteilichen Konsens durchgesetzt hat, noch nicht ausreicht. Weitere Maßnahmen müssen beschlossen werden. Wir stehen für eine an unseren nationalen Interessen ausgerichtete Außen-, Sicherheits-, Wirtschaftsund Entwicklungshilfepolitik, ebenso für verstärkte Anstrengungen beim Grenzschutz.
Die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern muss intensiviert werden, auch die Bekämpfung der Schlepperkriminalität und schließlich auch die Bekämpfung von radikalem Islamismus in Europa und in unserem Land.
Meine Damen und Herren, uns ist es wichtig, dass wir in dieser Situation eine sachliche und am Menschen orientierte Debatte führen. Wir sprechen uns deshalb entschieden gegen alle Versuche aus, sich auf Kosten Schutzsuchender zu profilieren und keinen sachlichen Beitrag in die Debatte einzuführen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich ganz herzlich auf der Besuchertribüne den Staatspräsidenten der Sozialistischen Republik Vietnam, seine Exzellenz Truong Tan Sang, und hochrangige Vertreter der Regierung begrüßen. Wir heißen Sie herzlich willkommen im Hessischen Landtag.
Als nächster Redner hat sich Kollege Merz von der SPDFraktion gemeldet. Lieber Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, es war wirklich ein Ruf wie Donnerhall, den Sie in die Gegend gesendet haben. Nach mehrmaliger Lektüre Ihres Antrags habe ich nicht geglaubt, dass Sie da noch einen obendrauf setzen würden. Das ist Ihnen aber unerfreulicherweise gelungen.
Das, was Sie gesagt haben, legt den Verdacht nahe, dass Sie versuchen, zwischen der CSU und der AfD eine Marktlücke zu finden. Das halte ich für ein ziemlich vergebliches Unterfangen, denn dazwischen passt kein Blatt Papier. Wenn Sie da Ihre Verortung suchen, wäre ich skeptisch, ob das funktioniert. Ich würde das nicht machen.
Vielleicht war es auch nur, das hat gestern ein Kollege gemutmaßt, der nachträgliche Versuch, den Kollegen Paulus wieder einzufangen. Auch das ist vergeblich, denn er ist
Sie haben an einer Stelle recht: Wir haben lange versucht, Seite an Seite, manchmal auch mit gemeinsamen Anträgen, sachliche Beiträge zu leisten und nach Konzepten zur Lösung der Probleme zu suchen, die sich mit dem verstärkten Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen aller Art in unserem Land stellen.
Das, was Sie mit dem Antrag zu einem Schutzstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge vorgelegt haben, ist kein Beitrag zu einer solch vernünftigen und konstruktiven Debatte.
Ich habe schon lange nicht mehr einen solchen juristischen Unsinn gelesen, wie er in diesem Antrag steht. Das ist umso mehr enttäuschend bei einer Partei, die für sich in Anspruch nimmt, eine rechtsstaatliche Partei zu sein.
Ja, das sollten Sie auch sein. Wo steht geschrieben, dass nicht auch studierte Pädagogen ein bisschen juristischen Verstand haben, wenn sie sich mit Flüchtlingsfragen auseinandergesetzt haben? Ist das das Privileg von Juristen?
Herr Justizminister a. D., Sie sind doch jetzt der finanzpolitische Sprecher. Ich könnte Sie jetzt auch fragen, was Juristen von Zahlen verstehen. Also ganz vorsichtig, wenn Sie mir so kommen. Nicht mit mir.
Erstens. Ein Ruf wie Donnerhall: „rechtswidriges Aussetzen der Dublin-Regeln“, Staatsversagen. – Herr Kollege Rentsch, ich frage Sie allen Ernstes – und das ist jetzt keine juristische Argumentation –: Was war die humane Alternative im Spätsommer, im Frühherbst dieses Jahres dazu, so zu handeln, wie die Bundesregierung gehandelt hat und ihr nachfolgend auch die Länder, die Kommunen, die Landkreise, die kreisfreien Städte und kreisangehörigen Städte? Was war die Alternative?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU – Zu- ruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))
Natürlich ist es richtig, dass wir eine europäische Regelung brauchen. Aber in einer Situation, in der sich der EU-Mitgliedstaat Ungarn so verhalten hat, wie er sich verhalten hat, zu sagen: „Wir warten jetzt, bis wir eine europäische Regelung haben“, das hätte doch nur zu einer noch größeren Katastrophe führen können als der, die wir auf der Bal
kan-Route sowieso schon hatten. Wir hatten sie auch schon in allen Teilen des Mittelmeerraums. Das muss ich Ihnen wirklich sagen, das so hinzuschreiben, dafür fehlt mir jedes Verständnis.
Hätten Sie gesagt, man hätte früher auf eine europäische Regelung dringen müssen, aber nicht in Kombination mit der Situation im Spätsommer, dann wäre daraus vielleicht ein Schuh geworden. Aber in dieser konkreten Situation gab es aus unserer Perspektive im Grunde keine Alternative, so wie es auch heute keine Alternative ist, innerhalb Europas, innerhalb des Schengen-Raumes die Zäune oder Mauern wieder hochzuziehen. Es ist wahrscheinlich auch keine gangbare Alternative – das sage ich jetzt in Richtung des Bundeskoalitionspartners –, zu versuchen, mit der Türkei zu einer Regelung zu kommen, um den Außenraum der EU abschirmen zu lassen. Ich glaube, alle diese Versuche werden uns nicht weiterhelfen.