Protocol of the Session on March 11, 2014

Bleiben Sie bei der Politik, für die Sie vor dem 18. Januar 2014 standen. Sie haben unsere Unterstützung, wenn Sie den aufrechten Gang beibehalten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Prof. Lorz, wir wissen, dass Sie diese Änderung eigentlich gar nicht haben möchten. Sie haben das noch vor vier Wochen auch öffentlich gesagt, weil Sie es besser wissen als die Koalitionäre, die diesen Gesetzentwurf – fast hätte ich ein anderes Wort gebraucht – ausgehandelt haben.

Das Wesentliche an diesem Gesetzentwurf: Er ist die in Papier gegossene Störung des Friedens an den betroffenen Schulen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, Sie führen Ihr vorgebliches Ziel, den Schulfrieden herzustellen und zu bewahren, schon in Ihrer ersten Initiative ad absurdum. In den Schulen wird es Auseinandersetzungen unter den Eltern, zwischen den Eltern und den Schulen sowie schulintern geben. Das ist das eigentlich Hinterhältige an Ihrem Gesetzentwurf: Sie schieben die Verantwortung ab, statt sich der Verantwortung zu stellen. Die Schulen dürfen den Elterndruck ausbaden, und der kann äußerst heftig werden, wie wir wissen.

Ich bin, gelinde gesagt, entsetzt, dass sich ausgerechnet die CDU hier aus purem Populismus jetzt auch von einstigen Überzeugungen verabschiedet. Eine Wechselmöglichkeit für laufende Jahrgänge hat wegen des Bestandsschutzes für Schüler, die bei G 8 bleiben wollen, seinerzeit schon bei den kooperativen Gesamtschulen zu ganz üblen Verwerfungen geführt. Herr Wagner hat auf die Entscheidung hingewiesen. Diesen Fehler nun bei den Gymnasien zu wiederholen, halten wir von der FDP für grob falsch und für fahrlässig.

(Beifall bei der FDP)

Man wird kaum davon ausgehen können, dass sich an den Schulen alle Eltern und ihre Kinder völlig einig sind, im jeweiligen Jahrgang geschlossen für G 9 zu votieren. Dann käme es zu den aufgezeigten Herausforderungen. Das bedeutet, dass sich Eltern untereinander in die Haare kriegen, weil die einen als „Verhinderer“ und die anderen „Scharfmacher“ denunziert werden. Dann kommt es eventuell noch zu „Schnellläufergruppen“ mit mindestens 16 Schülern, die einen besonderen Status an der Schule genießen dürften und dementsprechend wahrgenommen und beobachtet werden. Dadurch geht – das nur einmal am Rande bemerkt – natürlich auch die versprochene Anonymität beim Votum flöten; denn das können ja nur die Kinder der Eltern sein, die entsprechend votiert haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Was bedeutet das für die Schulen? Wir haben es vorhin schon gehört: Natürlich ist es Arbeit für die Schulen, aber dafür „sind sie ja da“. So habe ich Sie verstanden, Herr Wagner. Wenn sich Schulen aufraffen, trotz dieser Rahmenbedingungen die G-9-Option auch für jetzige 5. bis 7. Klassen einzuräumen, dann haben sie in der Tat einen sehr großen Berg an Arbeit abzutragen – und zwar parallel zu der jetzt laufenden Abiturkampagne. Bis zum 11. April muss die Gesamtkonferenz eine Konzeption entwickeln, auf deren Basis die Schulkonferenz befindet. Die Gremien der Eltern und Schüler müssen dem ebenfalls zustimmen. Dann kommt noch der Schulträger, der wegen der räumli

chen Situation im Spiel ist, und abschließend ist das Staatliche Schulamt aufgerufen, das Vorhaben der Schule zu prüfen und zu genehmigen. Das Ganze bis Ende Juni durchzuführen, das ist sehr ehrgeizig.

Was passiert dann? Das Staatliche Schulamt hat genau zu prüfen und kann beispielsweise die Genehmigung versagen, wenn die Konzeption keine nachvollziehbaren Regelungen für Wiederholer vorsieht, so es denn zu einem Minizug G 8 mit mindestens 16 Schülern kommt. Wird dann z. B. ein G-8-Schüler im 9. Jahrgang, den letzten Jahrgang der Sek I, nicht versetzt, so muss er noch zwei Jahre in der Sek I im G-9-Zug verbringen, nämlich die 9. und die 10. Klasse. Das dürfte alles andere als attraktiv sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein besonderes Problem ergibt sich aus dem jetzt noch draufgepflanzten Rückkehrrecht für die 7. Klassen. Die Lehrpläne sind bei G 8 und G 9 bereits ab Klasse 6 unterschiedlich. Deshalb ist es auch im Sinne der Schulqualität und -verlässlichkeit mehr als fragwürdig, hier eine Umstellung im laufenden Lernprozess der Kinder erzwingen zu wollen.

(Beifall bei der FDP)

Diese Erkenntnis stammt nicht von mir. Am 18. Februar konnte man bei „hr-online“ lesen, was uns in der FebruarSitzung des Landtags der Kultusminister erklärte. Es heißt dort unter der Überschrift „Zwangsweise verordnetes Sitzenbleiben“:

Kultusminister Alexander Lorz (CDU) soll prüfen, ob eine Rückkehr zu G 9 zum Sommer rechtlich und fachlich möglich ist. Die Schüler wären dann in der 8. Klasse und wären bereits drei Jahre lang mit dem Stundenplan von G 8 unterrichtet worden. Vor zwei Wochen hatte sich Lorz im Landtag gegen einen solchen späten Wechsel zur längeren Schulzeit ausgesprochen. Das käme einem zwangsweise verordneten Sitzenbleiben gleich, so seine Argumentation.

(Beifall bei der FDP – Florian Rentsch (FDP): Sehr gute Formulierung!)

Recht haben Sie, Herr Kultusminister. Aber wen interessiert in dieser Koalition schon, was der Fachmann sagt?

Meine Damen und Herren, konsequenterweise wird es aufgrund des unterschiedlichen Unterrichtsangebots zu Divergenzen auch bei der Zuweisung an Lehrerstunden kommen müssen – auch das wurde angekündigt –, und zwar zu einer nachträglichen Kürzung bei der Umwandlung von einer G-8- in eine G-9-Klasse; denn für letztere ist aufgrund der Streckung über sechs statt fünf Jahre in den einzelnen Jahrgängen nach der Stundentafel weniger Unterricht vorgesehen. Wenn plötzlich weniger Unterricht stattfindet, wird auch das keineswegs die Einhelligkeit an der Schule und unter den Eltern stärken.

Die Schulen sind es, die das ausbaden müssen, was Sie hier vereinbaren. Dort stehen schon jetzt die Eltern auf der Matte. „Basisdemokratisch“ nennen Sie das. „Dezentral“ war der Begriff, der sowohl von Herrn Wagner als auch vom Kultusminister verwendet wurde. Ich sage hingegen: Was Sie machen, ist ein ganz übles Schwarzer-Peter-Spiel, indem Sie den Schwarzen Peter den Schulen zuschieben. Das ist zugleich populistisch wie politisch – um ein anderes Wort zu vermeiden – nicht gerade ehrlich und mutig.

(Beifall bei der FDP)

Wie bei G 8 und G 9 lässt die Regierungserklärung auch bei anderen entscheidenden Fragen alles offen. Wo sind denn die – ich zitiere – „pragmatischen Maßnahmen zur Gewährleistung eines bedarfsgerechten Angebots an G 8 und G 9“, die Sie im letzten Plenum in einem gemeinsamen Antrag der CDU und der GRÜNEN angekündigt haben? Seitens der Koalition sind keinerlei Maßnahmen oder Hinweise zu erkennen, wie die Wahlfreiheit auch dort sichergestellt werden kann, wo die Rückkehr vieler Schulen zu G 9 ein Angebot von G 8 in der Fläche nicht mehr gewährleistet.

Herr Kollege Wagner, große Töne haben Sie gespuckt, geliefert wird aber nicht.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Fest steht – wenigstens darüber sollten wir uns einig sein –, dass die Fehler seinerzeit von der CDU-Alleinregierung bei der schlecht vorbereiteten Einführung von G 8 gemacht wurden. Herr Kollege Irmer hat das immer zu Recht kritisiert. Wir haben versucht, dies zum Wohle der Schülerinnen und Schüler abzumildern, um Wahlfreiheit und Schulvielfalt zu gewährleisten. Die Schulen und der Ruf von G 8 sowie die Ausgestaltung leiden aber noch heute unter den genannten Geburtsfehlern.

Die Heilung erfolgt nicht dadurch, dass jetzt mit übereilten Maßnahmen oder mit Nachgeben wider besseres Wissen agiert wird, sondern indem die Schulen bei der Umsetzung von G 8 oder der Rückkehr zu G 9 – wie es die von uns verabschiedete Schulgesetznovelle aus dem Jahr 2012 ermöglicht – unterstützt werden. Die nun vorgelegte Änderung des Schulgesetzes schafft Fakten und ist nicht etwa ein Zeugnis von Dialogbereitschaft, die dem Schulfrieden zugrunde liegen sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage es zum Schluss noch einmal: Die positiven Teile dieser Regierungserklärung können Sie in zwei Wörtern zusammenfassen: weiter so. – Perspektiven für die Zukunft sucht man vergeblich. Antworten bleibt diese Koalition schuldig. Geblieben ist der Versuch des Einlullens von Parlament und Öffentlichkeit. Das Markenzeichen dieser Koalition ist bislang nicht die ausgestreckte, sondern die eingeschlafene Hand. Ob Sie es wollen oder nicht, wir versprechen Ihnen, dass wir auch künftig die Koffeinpumpe einsetzen, um Sie aus Ihrer Schläfrigkeit zu wecken.

(Beifall bei der FDP – Heiterkeit des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Danke schön, Herr Greilich. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Cárdenas gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kultusminister Lorz, ich habe Ihnen gleich nach Ihrer Ernennung gratuliert. Aber eigentlich bin ich mir nicht sicher, ob man Ihnen tatsächlich zu diesem Job gratulieren bzw. ob man Ihnen diese Aufgabe überhaupt wünschen kann.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Angesichts dessen, was in den letzten Jahren in der Bildungspolitik in Hessen alles falsch gelaufen ist, haben Sie

wahrlich keine einfache Aufgabe übernommen, auch wenn Sie zuvor als Staatssekretär im Kultusministerium tätig waren und daher einen gewissen Wissens- und Erfahrungsvorsprung haben. Vielleicht glauben Sie sogar, dass dieser Job einfacher wird, als es der vorige war, da Sie jetzt das Sagen und sogar das letzte Wort haben.

(Minister Prof. Dr. R. Alexander Lorz: Das ist ja noch die Frage!)

Sie können es sich jetzt sogar leisten, einige der Projekte, die Sie als Staatssekretär noch sehr loben mussten – das schätze ich anders ein als Herr Greilich –, etwas realistischer zu beurteilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das beste Beispiel dafür ist sicherlich das Landesschulamt, das Sie einst öffentlich als neues Leuchtturmprojekt gepriesen haben. Nun, die Leuchttürme, die die CDU-geführte Landesregierung in den vergangenen Jahren vorgestellt hat, sind allesamt in sich zusammengestürzt. Da haben wir unter anderem das Universitätsklinikum Gießen-Marburg, die EBS, den Flughafen Kassel-Calden und nicht zuletzt das Landesschulamt.

Völlig überstürzt wurde dieses von Ihrer Vorgängerin und früheren Chefin Nicola Beer aus dem Boden gestampft. Nun wird es nach nur etwa einem Jahr rückabgewickelt. Als Staatssekretär konnten Sie nicht erklären – als Kultusminister wollen Sie es jetzt nicht, nehme ich einmal an –, welchen pädagogischen Sinn diese Behörde hätte gehabt haben können. Einen anderen Sinn können wir alle uns nämlich sofort vorstellen. Eine pädagogische Begründung für diese Behörde konnte im Übrigen auch die damals extra beauftragte Agentur nicht finden – oder erfinden –, die immerhin 125.000 € für ihre Dienste erhalten hat.

Dass Sie nach nur eineinhalb Monaten eine Regierungserklärung abgeben, begründen Sie mit der herausgehobenen Wichtigkeit des bildungspolitischen Themas in der schwarz-grünen Koalition. Wenn das der Realität entspricht, beglückwünsche ich Sie und wünsche Ihnen und uns, dass das so bleibt und dass es bedeutet, dass sich dieser Bereich auch im Haushalt bevorzugt abbildet.

(Beifall bei der LINKEN)

Der schöne Titel „Für eine Politik der ausgestreckten Hand – Hessens Bildungsgipfel für den Schulfrieden“ ist allerdings absurd. Glauben Sie tatsächlich, alle möglichen Beteiligten warteten nur darauf, Ihre ausgestreckte Hand zu ergreifen und somit Frieden zu machen mit allem, was damit zusammenhängt? Mit Ihrer Hand ergreift man nämlich zugleich anderes, was man vielleicht nicht haben will. Einige der wichtigsten Akteure in der hessischen Bildungslandschaft haben bereits angekündigt, an Ihrem Bildungsgipfel möglicherweise nicht teilnehmen zu wollen. Das wären der Elternbund, die GEW und allen voran die Landesschülervertretung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Mit Herrn Irmer spricht auch keiner!)

Die ersten Bedenken kamen direkt nach der Ankündigung des Bildungsgipfels. Befürchtet wurde – dies auch nicht zu Unrecht; der Koalitionsvertrag spricht in diesem Bereich Bände –, dass der Bildungsgipfel eine reine Showveranstaltung werden könnte. Ich denke, dies war auch der Hauptgrund für den Entschluss der SPD, die Einsetzung einer Enquetekommission „Bildung“ zu fordern. Eine solche

Enquetekommission halten wir im Übrigen für wesentlich sinnvoller als einen von Schwarz-Grün geführten Bildungsgipfel.

Aber das – meine Kollegin sprach schon davon – war nicht der Hauptgrund, weswegen die Landesschülervertretung an dem Bildungsgipfel nicht teilnehmen will. Nein, der Hauptgrund sitzt hier im Saal und erschreckt uns mit schöner Regelmäßigkeit mit ausländerfeindlichen Parolen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wer? Ich?)

Es ist wirklich ein starkes Stück, dass, obwohl hier seit einem Jahr vom Schulfrieden gesprochen wird, das Wort „Schulfrieden“ im Titel Ihrer Regierungserklärung auftaucht und auf gemeinsamen schwarz-grünen Schulkonferenzen der sogenannte Schulfrieden propagiert wird, ein Hans-Jürgen Irmer bildungspolitischer Sprecher einer der beiden Regierungsfraktionen wird und dass dieser Rechtsaußen Irmer noch gestern beim Treffen der bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher unserer Fraktion den demokratischen Charakter absprach und damit die gemeinsame Einbringung verhinderte.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ich habe eben gehört, das hat sich eventuell geändert. Es freut mich natürlich, dass Sie zurückgepfiffen worden sind. Aber vielleicht habe ich das auch nicht richtig verstanden.