Protocol of the Session on May 28, 2015

Das – so der Betriebsrat – führe zu einer Resignation der Beschäftigten und wirke sich sowohl auf die Patientenversorgung als auch auf Forschung und Lehre aus. Nur durch den unermüdlichen Einsatz aller Beschäftigten – –

(Minister Boris Rhein: Die Klinik ist der größte Ausbilder in Mittelhessen! Was erzählen Sie denn hier?)

Das Problem ist doch nicht die Zahl der Auszubildenden, sondern ob sie übernommen werden. Ich habe gerade deutlich gemacht, dass die Auszubildenden, die gut ausgebildet sind, nicht übernommen werden.

(Minister Boris Rhein: Sie sind übernommen wor- den!)

Aber ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Debatte auch noch etwas Sinnvolles beitragen könnten.

(Lebhafte Zurufe von der SPD)

Was da passiert, geschieht auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Der Betriebsrat fordert in seinem Brief – ich finde, vollkommen zu Recht –, dass Ministerpräsident Bouffier seiner Verpflichtung zur Sicherung der Krankenversorgung endlich nachkommt. Dieses Anliegen können wir nur unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und was macht der Ministerpräsident? Erst einmal antwortet er zwei Wochen lang gar nicht. Gut. – Und dann antwortet er. Aber statt sich vor Ort selbst einmal ein Bild zu machen und das Gespräch mit den Beschäftigten zu suchen, legt er den Beschäftigten 1 : 1 die Position der Geschäftsleitung dar. Als ich den Antwortbrief des Ministerpräsidenten gelesen habe, dachte ich: Mensch, das liest

sich wie eine Pressemitteilung der UKGM-Geschäftsführung.

Und siehe da: Es ist eine Pressemitteilung der UKGM-Geschäftsführung. Ich finde schon, dass der Ministerpräsident nicht nur Inhalte der Geschäftsführung übernommen hat, sondern sogar im Wortlaut von der Homepage des UKGM abgeschrieben. Das ist doch einfach blamabel. Sie sollten sich dafür entschuldigen, Herr Ministerpräsident, weil sich die Beschäftigten verhöhnt fühlen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Es ist schön, wenn Sie sagen, Sie seien so gut im Thema, aber offensichtlich können Sie es nicht in eigenen Worten ausdrücken.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei Ab- geordneten der SPD)

Abgesehen von einigen Floskeln haben Sie nämlich einfach die Position der Geschäftsleitung 1 : 1 übernommen. Das ist schon ein starkes Stück: Die Beschäftigten beschweren sich bei Ihnen über die Geschäftsleitung, und Sie antworten ihnen mit Versatzstücken aus Presseerklärungen eben dieser Geschäftsleitung, über die sich die Beschäftigten beschwert haben.

(Michael Boddenberg (CDU): Die „Rundschau“ hat das alles schon geschrieben, was Sie hier falsch darstellen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Seit RWE und der Biblis-Stilllegung wissen wir, dass Briefe zu schreiben nicht gerade zu den Kernkompetenzen der Staatskanzlei gehört.

(Große Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken über- nimmt den Vorsitz.)

Das, was Sie hier gemacht haben, ist aber dreist. Daher fühlen sich die Beschäftigten völlig zu Recht verhöhnt.

Das zeigt natürlich auch, auf welcher Seite Sie stehen. Statt die Sorgen der Beschäftigten ernst zu nehmen und mit ihnen das Gespräch zu führen, übernehmen Sie einfach unkritisch und ungeprüft die Arbeitgeberposition. Ein Wort des Bedauerns oder ein bisschen Selbstkritik angesichts der dramatischen Folgen der Privatisierung? Nein, dieser Brief ist ein weiterer Ausdruck des Totalversagens der Hessischen Landesregierung beim UKGM.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie schreiben – und das haben Sie eben noch einmal gesagt –, Sie können die Kritik am UKGM überhaupt nicht nachvollziehen und freuen sich über die erfolgreiche Entwicklung der Hochschulmedizin und der Krankenversorgung am UKGM. – Der Betriebsrat erklärt aber, dass er immer wieder Brandbriefe von Ärzten, von Wissenschaftlern und von Pflegekräften erhält, die teilweise auch öffentlich geworden sind. Sie beklagen, dass sie nicht ausreichend Zeit für Forschung und Lehre haben, sie beklagen, dass sie nicht ausreichend Zeit für die Patientenversorgung haben, sie beklagen, dass sie überlastet sind.

Die Fachbereiche Medizin an beiden Standorten haben erhebliche finanzielle Probleme durch die Unterfinanzierung. Ein großes Problem für das UKGM und auch die Fachbereiche ist die noch immer nicht geklärten „Trennungsrechnung“. Hier geht es um Beträge in Millionenhöhe, die uns jährlich fehlen. Die Beschäftigten müssen diesen Fehlbe

trag erwirtschaften, weil die Universitäten und das UKGM sich nicht einigen können und auch das Land Hessen keine Einigung herbeiführt.

Sie verweisen darauf, dass in Gießen und Marburg im Jahr 2014 über 100 Stellen geschaffen wurden. Dabei blenden Sie aber aus, dass dies im Wesentlichen auf eine Ausweitung von Leistungen zurückzuführen ist. Es ist ja nicht so, dass dort Personal aufgebaut wurde, um die Arbeitsverdichtung abzubauen und um das Personal zu entlasten, sondern am Standort Marburg wurde die Psychosomatik etabliert, und es wurde eine Palliativstation eröffnet. Es ging da doch nicht um eine Personalentlastung, sondern es sind Aufgaben hinzugekommen.

Schlimmer noch: Es ist zum Teil sogar so, dass angeblich aufgebaute Stellen darauf beruhen, dass ausgezahlte Überstunden als sogenannte Aktivzeiten quasi in virtuelle Vollzeitkräfte umgerechnet wurden. Ich finde, die Bürgerinitiative „Notruf 113“ hat vollkommen zu Recht kritisiert, dass das UKGM damit eine Beschäftigungslage vortäuscht, die real überhaupt nicht existiert.

Herr Ministerpräsident, zum Thema Investitionen sagen Sie leider gar nichts.

Sie stellen dann aber die Zahl der Überstunden in Abrede. Ich will Ihnen die vom Betriebsrat genannte Zahl entgegenhalten. Die Zahl der Überstunden hat sich zwischen 2006 und 2013 um 45,5 % erhöht. Am Standort Marburg werden zum Jahresende 2014 fast 133.000 Überstunden aufgehäuft sein. Das entspricht bei einer 38,5-StundenWoche der Arbeitsleistung von etwa 65 Vollzeitkräften.

Ich will auch darauf hinweisen, dass der Letter of Intent, den Sie vor zwei Jahren groß gefeiert haben, für die Landesregierung offensichtlich überhaupt keine Bedeutung mehr hat; denn die Vereinbarungen werden nicht umgesetzt, und in Ihrem jetzigen Brief finden sie überhaupt keine Erwähnung mehr.

Ich finde, Sie müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Es ist noch keine zwei Jahre her, da wurden Ihnen 55.000 Unterschriften überreicht, die gesammelt wurden, weil sich die Menschen Sorgen um die medizinische Versorgung in Mittelhessen machen.

Wenn Sie sagen, diese Entwicklung sei unabhängig von der Privatisierung, es sei völlig egal, in welcher Trägerschaft sich das Klinikum befinde, dann will ich schon darauf hinweisen, dass es Untersuchungen darüber gibt, dass die Anzahl an Betten, die eine Pflegekraft oder ein Arzt zu betreuen hat, in privaten Krankenhäusern signifikant höher ist als in öffentlichen. Natürlich ist es ein Problem, dass die Rhön AG als Aktiengesellschaft ihren Aktionären und nicht ihren Patienten verpflichtet ist. Woher kommen die Profite? Natürlich werden die auf dem Rücken der Beschäftigten erwirtschaftet.

(Michael Boddenberg (CDU): Da ist das Wort wieder!)

Sie schreiben dem Betriebsrat, dass die Arbeitsbelastung und die Arbeitsverdichtung im Krankenhausbereich insgesamt zugenommen hätten und dass das UKGM da keine Ausnahme bilde. An dem Punkt haben Sie ja recht, aber das macht es nur noch schlimmer; denn es zeigt, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Den Leuten zu sagen, es sehe in allen Krankenhäusern ziemlich bescheiden aus, ist doch keine Antwort auf die Sorgen der Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Pflegenotstand in deutschen Krankenhäusern ist eine direkte Folge des neoliberalen Umbaus des Gesundheitssystems, eine Folge davon, dass man mehr Wettbewerb im Gesundheitsbereich haben wollte, und eine Folge der Umstellung der Finanzierung auf Fallpauschalen.

(Florian Rentsch (FDP): Alles unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt!)

Damit wurde ein Anreiz geschaffen, möglichst viele Fälle mit möglichst geringem Aufwand zu behandeln. Gespart wurde vor allem bei der Verweildauer der Patienten und bei den Personalausgaben. Das bedeutet, dass die Einsparungen von heute die Bemessungsgrundlagen von morgen senken werden. Die Folge ist eine Abwärtsspirale; denn wenn eine Klinik die Kosten für eine Behandlung senkt, weil die Leute noch mehr an ihre Belastungsgrenze gehen, dann senkt das langfristig auch die Fallpauschalen. Damit wird der Druck auf die Personalkosten immer mehr gesteigert, und infolgedessen werden die Arbeitsbedingungen immer schlechter.

Im Alltag heißt das: Immer mehr Patienten werden von weniger Personal versorgt, und damit wird natürlich sowohl die Gesundheit der Beschäftigten als auch die der Patientinnen und Patienten aufs Spiel gesetzt. Deswegen sagen wir: Gesetzlich festgelegte Personalmindeststandards sind dringend notwendig. Wir fordern die Landesregierung auf, endlich dafür Sorge zu tragen, dass es gesetzliche Personalmindeststandards gibt. Die gibt es auch in anderen Ländern. Das ist in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt, in der wir leben, selbstverständlich finanzierbar.

An der Stelle will ich solidarische Grüße an die Beschäftigten der Charité in Berlin richten, die gerade in einen Streik getreten sind, um dafür zu kämpfen, dass es eine höhere Personalausstattung gibt, dass es Personalmindeststandards gibt, dass mehr Beschäftigte am Klinikum arbeiten. Das könnte der größte Warnstreik werden, den es je in einem deutschen Krankenhaus gegeben hat. Wir wünschen der Gewerkschaft ver.di und den Beschäftigten alles Gute. Sie setzen mit ihrem Streik auch ein Signal für alle Kliniken in Deutschland, dass Profite nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten erwirtschaftet werden dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Krankenhäuser sollen eben nicht wirtschaftlich erfolgreich sein und Gewinne abwerfen. Krankenhäuser sollen die Menschen gesund machen. Das muss an allererster Stelle stehen, nicht eine Gewinnmaximierung.

Die aktuellen Entwicklungen am Klinikum sind ein Grund mehr, endlich zu prüfen – dazu wurde schon die Vorgängerlandesregierung aufgefordert –, wie ein Konzept für den Rückkauf des UKGM durch das Land aussehen könnte. Ich halte Debatten, das Uniklinikum in irgendeiner Form zu kommunalisieren, für überhaupt nicht zielführend und überhaupt nicht realistisch. Der richtige Weg für das Uniklinikum ist, dass es zurück zum Land kommt und dass die völlig verfehlte Privatisierung endlich rückgängig gemacht wird. Der erste Schritt dazu wäre, überhaupt einmal einzusehen, dass die Privatisierung zu einem Desaster geführt hat, statt die berechtigten Sorgen und Ängste der Beschäftigten einfach wegzuwischen, wie Sie das heute wieder getan haben, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Spies zu Wort gemeldet.

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt kommt die Wahlkampfrede!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind immer denkwürdige Momente, wenn sich zu Beginn der Beratung eines Setzpunktes der Ministerpräsident – speziell dieser Ministerpräsident, dessen ständige Anwesenheit im Parlament uns dauernde Freude ist –

(Lebhafte Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

genötigt sieht, nach vorne ans Pult zu kommen, um uns Halbwahrheiten, Halberfindungen und so manchen Ausdruck mangelnder Reflexion zu erklären.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)