Protocol of the Session on April 29, 2015

Nicht umsonst werden medizinische Versorgungszentren immer attraktiver. Ich behaupte einmal, wahrscheinlich werden wir auch keine echte, bedarfsgerechte Versorgung hinbekommen, ohne die private Krankenvollversicherung abzuschaffen. Denn es ist immer attraktiv, dorthin zu gehen, wo man mehr verdienen kann. Solange wir aber solch attraktive Punkte setzen, werden wir ein Problem damit haben, dass an anderer Stelle eine wirklich flächendeckende Versorgung entsteht.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Wir brauchen eine bedarfsgerechte Planung der Gesundheitsversorgung. Dies sollte vor Ort und in regionalen Gesundheitskonferenzen geschehen. Von der Landesregierung erwarten wir, dass entscheidende Schritte zur Entwicklung der regionalen Gesundheitskonferenzen und kommunalen Gesundheitszentren gegangen werden.

Da wir allerdings nicht der Meinung sind, dass wir schon alles besser wissen, schlagen wir vor, die Qualität der ärztlichen Bereitschaftsdienste in einer Anhörung zu beleuchten – ein Vorschlag, den Sie eigentlich schlecht ablehnen können, Herr Minister.

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme ganz rasch zum Schluss. – Denn weder mischen wir uns damit in die ärztliche Selbstverwaltung ein, noch kommen wir mit fertigen Konzepten. Das Thema ist relevant, und der Landtag hat die Bühne, auf der man genau das tun kann: nämlich die Beteiligten einladen und darum ringen, was die beste Möglichkeit ist. Auch damit erhöhen wir den Druck, den wir auf die Kas

senärztliche Vereinigung ausüben können, um hier bessere Lösungen zu schaffen.

Nehmen Sie also unseren Vorschlag an. Gerne kann er auch inhaltlich ein bisschen anders aussehen, da sind wir großzügig.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Herr Abg. Ralf-Norbert Bartelt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die ambulante medizinische Versorgung wird durch die Kassenärztliche Vereinigung organisiert. Durch das Fünfte Sozialgesetzbuch hat sie den Sicherstellungsauftrag. Das gilt auch für den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Wer nun Kritik an der Qualität des ärztlichen Bereitschaftsdienstes äußern möchte, muss sich an die KV wenden. Das Sozialministerium hat die Rechtsaufsicht, keine Fachaufsicht. Soweit Kassenärzte selbst Fehlentwicklungen in der Organisation des ärztlichen Bereitschaftsdienstes befürchten, können sie über die gewählte Vertreterversammlung Entscheidungen beeinflussen.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist in der Praxis auch nur durch die KV zu organisieren. Ein Beispiel: Seit etwa zehn Jahren können gesetzliche Krankenkassen mit Ärzteverbänden gemäß § 73 SGB V Verträge unter Umgehung der KV abschließen. Aber auch hier wurde die Notfallversorgung stets durch Vereinbarung an die KV delegiert.

In den letzten Jahren wird eine Neuorganisation des ärztlichen Bereitschaftsdienstet durch die KV diskutiert und seit Anfang dieses Jahres teilweise umgesetzt. Insbesondere werden Bereitschaftsdienststandorte zusammengelegt, sodass eine erhebliche Anzahl wegfällt. Dies führte zu Sorgen und Befürchtungen in der Bevölkerung. Sie wurden durch Landräte, Bürgermeister, Kommunalparlamente, auch durch Bürgerinitiativen und ärztliche Leiter der Standorte artikuliert.

Für diese Sorgen haben wir durchaus Verständnis. Die Argumente gegen diese Neuorganisation können wir teilweise auch verstehen.

Hauptsächlich wird vorgetragen, dass der deutlich längere Weg zum Behandlungsort zum häufigeren Aufsuchen des nächsten Krankenhauses führt; dort werden die Notfallkliniken überlastet, und die Behandlungskosten steigen unverhältnismäßig.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das stimmt ja alles!)

Die KV begründet die Konzentration der Bereitschaftsdienste mit einer mangelnden Bereitschaft der Kassenärzte im ländlichen Raum, diese Dienste zu leisten. In dünn besiedelten Gebieten müssten sie mehrmals in der Woche Dienst tun. Dies sei auch ein Grund für junge Ärztinnen und Ärzte, eine Landarztpraxis nicht zu übernehmen.

Sicherlich trifft das für den ländlichen Raum so auch zu. Das muss man bedenken. Insofern rate ich zu einer differenzierten Betrachtungsweise.

Die Neuordnung betrifft aber ganz Hessen sowie auch andere Bundesländer. Von der Schließung bedroht sind eben auch Standorte, die auf gute Akzeptanz bei Ärzten und Patienten stoßen. Besonders wird der Wunsch nach Erhalt dieser gewachsenen Strukturen in den Kreisen MarburgBiedenkopf, Groß-Gerau, Bergstraße, Lahn-Dill, MainTaunus, Kassel-Land, Werra-Meißner und Rheingau-Taunus geäußert.

Die Landesregierung hat dieses Problem schon längst aufgegriffen. Vor einem Jahr hat unser Sozialminister Grüttner dringend an die KV appelliert, die Reformpläne zu überdenken und dabei die lokalen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Dr. Bartelt, und was ist dabei herausgekommen?)

um Dialog und Zusammenarbeit mit den Kommunen zu verbessern. Dies ist auch notwendig, da nach Presseberichten die KV ein Gespräch mit einem Leiter einer betroffenen Zentrale in Neu-Isenburg ablehnte.

Diese ernsthaften Gespräche seitens der Landesregierung werden fortgesetzt. Es bedarf also keineswegs des Antrags der LINKEN.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Wir wollen Sie doch darin unterstützen, dass das auch erfolgreich wird!)

Das ist gut. Dann müssen Sie es aber etwas anders formulieren.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): So!)

Es bedarf nicht eines Antrags der LINKEN, in dem alles durcheinandergeworfen wird, die Verantwortlichen verwechselt werden und der daher nicht zielführend sein kann.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Ihr wollt doch jetzt nicht ernsthaft eine Anhörung verweigern?)

So fordern Sie etwa eine Anhörung im Landtag.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Ja!)

Damit wird doch die Erwartung geweckt, dass Landtag oder Landesregierung

(Marjana Schott (DIE LINKE): Herr Dr. Bartelt, haben Sie mir denn nicht zugehört?)

doch, doch –

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Erkenntnisse aus der Anhörung in Maßnahmen umsetzen könnten. Die eingeladenen Sachverständigen müssen sich aber doch etwas auf den Arm genommen fühlen, wenn sie dann erfahren, dass ausschließlich die KV für den ärztlichen Bereitschaftsdienst verantwortlich ist.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es gibt doch eine Rechtsaufsicht!)

Ja, Sie haben es gesagt: eine Rechtsaufsicht.

Die KV sollte Betroffene mehr anhören; das ist der Punkt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das macht sie aber nicht, das ist doch das Problem!)

Deshalb die intensiven Gespräche. Sie lachen darüber, aber das Ergebnis ist doch entscheidend, nicht Ihre plakativen Äußerungen.

Es wird einen Zusammenhang der genannten Schwierigkeiten mit der Einführung der einheitlichen Notrufnummer 116 117 hergestellt. Das wiederum ist eine gute Sache, und hierfür ist die KV auch zu loben. Jeder Kreis hatte bisher eine andere Telefonnummer für seinen ärztlichen Bereitschaftsdienst. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns sie in seinem Handy gespeichert hat.

Darüber hinaus wird durch Ihre Formulierung und durch Ihre Rede auch der Eindruck erweckt, die Landesregierung kümmere sich nicht ausreichend um Notfallbehandlungen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist aber das Problem!)

Das ist eben nicht der Fall, das Gegenteil ist richtig. Die Notfallversorgung ist Kernpunkt unserer Gesundheitspolitik.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Dann ist es aber schlecht gemacht!)

Die unter Verantwortung unseres Sozialministers verabschiedeten Gesetze beweisen, dass Notfallversorgung Priorität hat. Beispiel: Das Rettungsdienstgesetz schreibt bundesweit die geringsten Wartezeiten vor und fordert eine Verzahnung von Rettungsdienst und stationärer Notfallversorgung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist die Forderung! Und wie ist die Realität?)

Das wurde ja gemacht. Das haben Sie nicht mitbekommen, aber das wurde in Hessen durch unsere Landesregierung gemacht.

Durch das Hessische Krankenhausgesetz erhalten Krankenhäuser, die Kapazitäten für Notfallversorgung vorhalten, eine höhere Investitionspauschale. Durch die Förderung von Verbundstrukturen in der stationären Medizin sollen gerade Standorte für Basis- und Notfallversorgung wohnortnah erhalten bleiben. Das ist der Kernpunkt dieser Initiative.

Hinsichtlich der Verantwortlichkeit möchte ich abschließend noch einmal verdeutlichen, wer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst verantwortlich ist. In Rheinland-Pfalz – da regieren wir noch nicht – sind die Menschen mit denselben Problemen beschäftigt. Ein Landtagskollege fragte die Landesregierung nach dem Sachstand der Neuordnung des Bereitschaftsdienstes durch die dortige KV – dort wurde dieselbe Problemlage vorgetragen –

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Vielleicht ist das Problem die KV!)