Das ist aktuell in bestimmten Lebensphasen – ich sage jetzt einmal – von zehn bis 16 Jahren eines der schlimmsten Dinge, die einem Kind, einem Jugendlichen widerfahren können. Ich finde, der komplette Hessische Landtag ist gut beraten, das nicht in parteipolitische Scharmützel hineinzuführen, sondern in einen Ideenwettbewerb einzutreten, wie wir alles tun können, damit Cybermobbing für diese Zielgruppe ein Ende findet.
Auch sage ich Ihnen gerne noch einmal: Ihre Anhörung, die Sie im letzten Jahr gemacht haben, war offensichtlich zielführend. Sie haben sich Experten und Wissenschaftler eingeladen, die über Ursachen, mögliche Wirkungen und über Veränderungsvorschläge berichtet haben. Ich finde es gut, dass Sie das gemacht haben.
Sie haben sich eines Themas angenommen, dem wir sehr offen gegenüberstehen. Dieses Signal senden wir an die FDP. Es ist richtig, dass wir alles in unserer Kraft Stehende tun, auch die Landesregierung, alle Parteien, auch wir als Eltern, damit wir unseren Kindern und Jugendlichen dieses Leid ersparen. In diesem Gedanken sollten wir hier alle vereint sein.
Als Vater eines Elfjährigen möchte ich Ihnen gern ein Beispiel bringen. Mein Sohn ist in der 5. Klasse. Die Klasse hat 30 Kinder. Davon haben 28 ein Handy und benutzen WhatsApp. Was dort untereinander kommuniziert wird, ist – mit Verlaub – zum Teil grenzwertig. Aber wie kann man solche Situationen lösen? – Darüber sollten wir auch Ehrlichkeit erzielen. Wir können als Landesregierung eine Menge an Rahmenbedingungen stecken, unter anderem auch das, was Kollegin Geis gesagt hat, an Rahmenbedingungen ermöglichen.
Cybermobbing wird unterbunden, wenn die Erziehungsberechtigten, wenn die Pädagogen direkt Konflikte, so wie sie entstehen, benennen und in der Situation selbst auflösen. Es geht um Streit- und Konfliktfälle. Wir können als Landesregierung nicht von oben sagen: „Hört auf damit“, sondern das müssen die Menschen, die das mitbekommen, tun.
Genauso war es in einem Fall in dieser Gruppe von 28, wo ein Junge gemobbt wurde. Das hat der Lehrer mitbekommen und das dann in der Gruppe gelöst. Das ist die einzige Handlung, die wir haben. Wir müssen die Lehrer sensibilisieren und befähigen. Das passiert auch in großem Ausmaß.
Ich schließe mich meinem Kollegen von der CDU an. Sie haben sieben Punkte aufgeführt, was Sie anregen zu verändern. Sie sprechen davon, Datenerhebung vom Cybermobbing zu veranlassen. Wir haben eine Antwort. Sie wissen das auch. Es ist schwierig, das überhaupt zu erfassen.
Sie regen an, dass die Polizei und Justiz noch weiter sensibilisiert werden. Das kann nie schaden. Aber es passiert schon eine Fülle dieser Sensibilisierungsmaßnahmen. Das ist zu Ihrer eigenen Anfrage vom 18. Juni auch beantwortet worden.
Sie regen eine Pflicht an, dass ältere Schüler als kompetente Ansprechpartner ausgebildet werden, eine Pflichtausbildung. Ich betone, ich bin für jede Idee offen. Aber eine Pflicht für ältere Schüler, als Ansprechpartner zu dienen, ist kritisch zu diskutieren. Ich will es einmal so sagen. Lehrerfortbildung gibt es schon. Und die Medienbildung als Pflichtveranstaltung ist nicht nur einfach. In der Antwort der Landesregierung auf Ihre eigene Anfrage können Sie zur landesweiten Vernetzung der Präventionsmaßnahmen erkennen, welches Bündel von Maßnahmen die Landesregierung auch schon in der alten Legislaturperiode angestrebt hat: Mobbingkoffer, und was es nicht alles für Instrumente gibt. Der Herr Kultusminister oder der Herr Sozialminister, ich weiß nicht, wer sprechen will, wird das vortragen, was die Landesregierung in diesem Bereich schon alles tut.
Das heißt, das muss man erst einmal loben. Mir geht es jetzt nicht um billiges Lob und um billiges Parteischarmützel. Aber mir geht es darum, zu sagen, wir können immer nur Rahmenbedingungen ändern und zur Verfügung stellen, damit es sich auf ein Minimum reduziert. Es ist keine Schande, dass Sie einen Antrag eingebracht haben. Und es ist keine Schande, wenn man andere Lösungsmöglichkeiten findet.
Wichtig ist, dass sich das komplette Land, die Politiker, die Eltern, die Lehrer, Sozialarbeiter auf diesem Feld schlauer machen und dass wir das auf ein Minimum reduzieren. Ich glaube, ganz weg bekommen wir das Cybermobbing nie, aber wir können es auf ein Minimum reduzieren, indem wir das ächten und den Kindern und Jugendlichen sagen, die es machen: Das hat schwere Folgen bis hin zu Selbstmord, Ausgrenzung und anderem.
Ich komme zum Ende. – Ich wünsche mir, dass der Landtag in diesem Fall in einen Ideenwettbewerb eintritt, was wir alles tun können, und dass wir nicht bei Schuldzuweisungen der Parteien landen. Herr Rock, ich sage explizit, dass Sie das nicht gemacht haben. Ich finde, Sie haben eben in diesem Zusammenhang eine sehr beeindruckende Rede gehalten. Das ist sehr ungewöhnlich.
Ich finde, dass wir den Weg gemeinsam beschreiten sollten, damit wir das Cybermobbing auf ein Minimum reduzieren. – Danke schön.
Herr Kollege Bocklet, vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich zu dem Thema gar nicht reden. Aber ich werde jetzt doch noch ein paar Worte dazu sagen. Wir wissen alle, dass Cybermobbing ein Problem ist. Jeder, der jugendliche Kinder hat, weiß das.
Wir finden aber, dass in diesem Antrag keine ausreichende Analyse vorliegt und dass auch keine substanziellen Vorschläge gemacht werden. Eigentlich sind die Vorschläge ziemlich wischiwaschi. Sie sind nicht falsch. Von daher kann man dem zustimmen. Aber mehr möchte ich eigentlich dazu nicht sagen. – Herzlichen Dank.
Frau Kollegin Cárdenas, vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Lorz. Herr Minister, bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das sogenannte Cybermobbing ist eine neuartige Variante des Mobbings. Es steht in Verbindung mit Smartphones, Internet und sozialen Netzwerken. Es ist ein Phänomen, dem man sich ohne Zweifel dauerhaft und in Zukunft noch verstärkt zuwenden muss. Es steht daher verstärkt im Zentrum der Präventionsarbeit der Landesregierung. Es bestehen bereits vielfältige Maßnahmen und Angebote im Jugendmedienschutz, die gerade in den Schulen stetig ausgeweitet werden.
Das vorausgeschickt, muss ich jetzt aber doch feststellen: Herr Abg. Rock, es ist richtig, Sie haben eine ergreifende Rede gehalten. Sie haben ein ergreifendes Gedicht einer 14-Jährigen vorgetragen, die das Phänomen beschreibt. Aber Sie haben kein Wort zu Ihrem Antrag gesagt. Das spricht Bände.
Ich will jetzt wirklich nicht die Diskussion über dieses Phänomen abwürgen. Ich finde, wir müssen das im Ausschuss, im Plenum und an den entsprechenden notwendigen Stellen in jeder nur denkbaren Dimension fortsetzen. Aber hier beraten wir einen Antrag. Diesen Antrag finde ich schon bemerkenswert.
Herr Rock, Sie wissen es. Im vergangenen Oktober, als Sie diesen Antrag gestellt haben, hätten Sie es noch viel besser wissen müssen, was in diesem Bereich schon alles läuft. Die FDP hat doch in beiden maßgeblichen Häusern, dem Kultusministerium und dem Justizministerium, die Verant
wortung getragen. Es gibt zahlreiche Initiativen auf diesem Feld, die zum großen Teil aus dieser Zeit stammen. Sie sind gut. Das will ich ausdrücklich dazusagen. Deswegen werden sie fortgeführt, und das wird stetig ausgebaut.
Bis zum 18. Januar 2014 fanden die Mitglieder der FDP das auch alles gut und im Übrigen auch völlig ausreichend. Wenn Sie jetzt aufgrund Ihres Rollenwechsels feststellen, dass das alles unzureichend ist und längst viel mehr getan werden müsste, dann finde ich das erstaunlich. Es ist übrigens auch eine ganz unverdiente Desavouierung Ihrer eigenen Minister, die dafür die Verantwortung getragen haben.
Wenn ich Ihre Begründung lese, wird mir der Ablauf ein bisschen klarer. Da steht, Ihre Fraktion habe am 27. Mai 2014 eine Anhörung im Landtag durchgeführt, und Ihre Forderungen spiegelten das Ergebnis dieser Anhörung wider. Dazu muss man natürlich wissen – ich weiß das halt –, dass diese Anhörung eigentlich schon am 15. August 2013 hätte stattfinden sollen. Das heißt: Diese Anhörung war eigentlich einmal als Feierstunde vor der Landtagswahl gedacht, um die gute Arbeit der beteiligten Ministerien öffentlich herauszustellen. Daran ist nichts Böses.
Dann rutschte sie hinter die Wahl und die Bildung der neuen Regierung. Damit hatte sie plötzlich die gegenteilige Zielsetzung, nämlich vermeintliche Defizite in dieser Arbeit herauszustellen.
So eine Kehrtwende ist schwierig zu vollziehen. Damit dem nicht irgendeine vertiefte Sachkenntnis im Wege stehen konnte, hat man die Fachebene des Kultusministeriums zu dieser Anhörung vorsichtshalber erst gar nicht mehr eingeladen. Das kann man natürlich so machen. Aber dann kommt eben auch so etwas dabei heraus.
Jetzt muss ich fragen – dieses Erstaunen bleibt bei mir schon bestehen –: Ist es für eine Partei, die behauptet, in besonderer Weise der Freiheit verschrieben zu sein, für eine Partei, die mit Recht stolz darauf ist, die Selbstständigkeit der Schulen vorangebracht zu haben, nicht ein Armutszeugnis, hier einen Antrag vorzulegen, durch den sich nur ein einziger Leitgedanke zieht, nämlich der eines abgrundtiefen Misstrauens gegenüber den Schulen und ihren Lehrkräften dahin gehend, dass sie sich vielleicht auch ohne Zwang um ein Phänomen wie Cybermobbing kümmern könnten? Die Worte, die am häufigsten auftauchen, sind „verbindlich“ oder „verpflichtend“. Das reicht von Nr. 3 bis Nr. 6:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Förderung der Sozial- und Medienkompetenz von Kindern verbindlich in den Unterricht … zu integrieren.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Schulen zu verpflichten, … Schülerinnen und Schüler … auszubilden.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, in der Lehrerausbildung „Medienbildung“ als Pflichtveranstaltung einzuführen.
Das Schönste an der Sache ist: Die Hälfte dieser geforderten Verbindlichkeit ist schon längst verwirklicht. Sie sollten einfach einmal in das Schulgesetz schauen. Da ist beispielsweise das Ziel der Medienbildung längst niederge
legt. Sie sollten einen Blick in die zweite Phase der Lehrerbildung werfen. Da gibt es bereits Medienbildung.
Ja, die genaue Umsetzung ist bis zu einem gewissen Grad den Schulen überlassen. Aber das ist genau das, was zu diesem besonderen Eingehen auf die schulischen Verhältnisse vor Ort dazugehört.
Ich könnte das noch in vielerlei Hinsicht weiter vertiefen. Die Mitarbeiter der Fachabteilung, deren Aufgabe es ist, so etwas vorzubereiten, haben mir mit einem ziemlich empörten Tonfall acht eng beschriebene Seiten geliefert, auf denen steht, was es bereits alles an Projekten gibt. Es ist völlig aussichtslos, das in fünf Minuten vorzutragen. Ich will es auch nicht tun, weil ich finde, das wird dem Thema nicht gerecht.
Bei allem, was wir bereits mit Initiativen tun, gibt es mit Sicherheit noch viele Möglichkeiten, das noch besser zu machen. Dieser Diskussion will ich mich sehr gerne stellen. Aber es einfach nur darauf zu reduzieren, das gehe nach dem Motto, es gebe dieses Phänomen, deswegen tue die Landesregierung zu wenig, deswegen müsse entsprechender Druck auf die Schulen ausgeübt werden, ist eine zu einfache Lösung. Darauf sollten wir uns nicht einlassen.
Herr Staatsminister, vielen Dank. – Es hat sich noch einmal Herr Kollege Rentsch von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Kollege, bitte schön.
Frau Präsidentin! Herr Staatsminister Lorz, was dieser Auftritt sollte, ist mir noch nicht ganz klar.
Denn ich habe die Rede des Herrn Kollegen Rock und übrigens auch die des Herrn Kollegen Bocklet gehört. Sie müssen noch einmal in der Koalition klären, wo Sie stehen.
Fakt ist, dass Herr Kollege Rock die Landesregierung nicht kritisiert, sondern gesagt hat, dass wir ein Problem und ein Phänomen haben, das sich ausbreitet, bei dem es vielleicht sinnvoll ist, einmal zu überdenken, was bisher gelaufen ist. Das wurde in seiner Rede von uns nicht kritisiert. Vielmehr wurde das bestätigt. Ich weiß aus den Diskussionen, dass dort vieles richtig war.