Protocol of the Session on March 25, 2015

Es ist kein pädagogisches Ganztagsangebot. Das haben Sie auch nicht gesagt. Es ist ein Ganztagsangebot, aber kein pädagogisches. Es ermöglicht bestenfalls eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für einige Grundschulen. Von der versprochenen Betreuungs- oder gar Bildungsgarantie sind Sie noch weit entfernt. Da könnte man sagen: Schön, wenigstens das, wenn die Landesregierung dafür das notwendige Geld in die Hand nähme. – Doch weit gefehlt.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Der Pakt ist, wie der Name schon sagt, ein Pakt des Landes mit den Kommunen, mit den Schulträgern. Diese Kommunen müssen mit erheblichen Mitteln kofinanzieren. Ich habe das für den Kreis Bergstraße einmal durchgerechnet. Es ist sogar noch nicht einmal eine Kofinanzierung, sondern der Schulträger trägt die Hauptfinanzierung. Im Kreis Bergstraße haben sich von 48 Grundschulen ganze acht beworben.

(Zurufe von der SPD: Ui! – Günter Rudolph (SPD): Epochal!)

Der Kreis hat mit den Schulen einmal ins Blaue hinein Vereinbarungen abgeschlossen, ohne dass es eine Vereinbarung der Schulträger mit dem Land gibt. Normalerweise müsste das der erste Schritt sein. Wir haben jetzt eine Kreisausschussvorlage bekommen, in der berechnet wird, dass wir für die Monate September bis Dezember für diese acht Schulen zusätzlich – die haben schon gute Betreuungsangebote im Rahmen des familienfreundlichen Kreises, deswegen war der Andrang nicht so hoch – 132.000 € erbringen. Wenn ich das auf das komplette nächste Jahr hochrechne, sind das 400.000 €, die der Kreis zusätzlich für den Pakt für acht Schulen zu erbringen hat. Jetzt können Sie sich einmal ausrechnen, was das für 48 Schulen ausmachen würde, ohne die investiven Mittel, die noch notwendig wären, um die Schulen entsprechend auszustatten.

(Alexander Bauer (CDU): Hat die SPD zugestimmt?)

Da frage ich mich: Ist das ein Landesprogramm, oder ist das eine zusätzliche Belastung der Kommunen?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, als SPD-Fraktion teilen wir voll und ganz die Kritik der GEW, des Elternbundes, der hessischen Schülervertretung, der hessischen Elternvertretung und des Ganztagsschulverbandes am Pakt für den Nachmittag. Das ist in der Tat eine Billiglösung. Es ist eine Lösung, die zum Teil weit hinter das zurückgeht, was viele Schulen im Profil 2 oder im Profil 3 jetzt schon haben. Demgegenüber ist es eine Verschlechterung.

Von einer echten Ganztagsschule erwarten wir, dass Kinder Zeit zur individuellen Entfaltung haben und es den Schulen ermöglicht wird, Bildungsbenachteiligung abzubauen. Es verwundert nicht, dass sich der Andrang der Schulen sehr in Grenzen gehalten hat. Sie hatten den Antrag schon im vergangenen Jahr, im September, einge

bracht; da hatten Sie wahrscheinlich erwartet, dass Sie heute wesentlich bessere Ergebnisse hätten.

Die Zahlen, die mir für die Schulträger vorliegen – vielleicht hat der Kultusminister noch andere Zahlen –, sind: für Frankfurt sechs, für Darmstadt zwei, für DarmstadtDieburg sieben und an der Bergstraße acht Schulen, die an dem Pakt teilnehmen wollen. Das ist wirklich ein „epochaler“ Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Dafür, dass es so wenige sind, gibt es auch Gründe. Ich habe viele Gespräche mit Schulleitungen geführt. Weil wir den Schulentwicklungsplan beraten, hatten wir viele regionalisierte Schulkonferenzen. Da haben die Schulleitungen gesagt: Wir kaufen doch nicht die Katze im Sack. Wir wissen doch gar nicht, was auf uns zukommt.

Herr Greilich hat es schon genannt, es sind viele Fragen zu Elternbeiträgen, rechtlichen Vereinbarungen und so viele andere Fragen offen, die zwischen Land und Schulträgern noch nicht festgeschrieben sind. Dann sollen sich die Schulen entscheiden, bevor das Land mit den Schulträgern handelseinig geworden ist.

Die Fragen der Einbeziehung von Schulsozialarbeit, von Jugendhilfe, die Verzahnung von schulischen mit außerschulischen Angeboten sind noch offen. Mir ist kein Konzept bekannt, das den Kreisen vorliegt, die in dem Modellprojekt sind, in dem das vereinbart wäre. Bei diesem Pakt verhält es sich wie bei einem unüberlegt gestochenen Tattoo oder Piercing: Einfach mal auf die Schnelle ein Zeichen gesetzt, ohne dass man sich der langfristigen Wirkung bewusst ist.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, Sie müssten zum Ende Ihrer Rede kommen.

Diese langfristigen Wirkungen bedeuten, dass man sich für ein Billigangebot entschieden hat, das bestehende Angebote und den bestehenden Ausbau des Ganztagsangebots gefährdet. Es gibt ganze sechs echte Ganztagsschulen im Grundschulbereich. Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Pakt in das bestehende Ganztagsprogramm eingearbeitet wird.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Bitte letzter Satz.

Es sollte auch aufgezeigt werden, wie es Schulen, die bereits seit zehn Jahren dafür kämpfen, ermöglicht werden kann, in ein höheres Profil zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hartmann. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Cárdenas von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestern durften wir erleben, dass begangene Fehler von der Landesregierung durchaus auch zurückgenommen werden können. Die Rückabwicklung des Landesschulamts ist da ein hervorragendes Beispiel. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie sollten diesem Beispiel auch in diesem Falle folgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Pakt für den Nachmittag, das haben meine Vorredner auch schon sehr deutlich gesagt, ist weder eine, wie Sie es in Ihrem Antrag nennen, „Optimierung der Bildungschancen“ noch ein „vorbildliches Instrument zur Verwirklichung eines Ganztagsangebots für alle hessischen Grundschulkinder“. Dieser Pakt für den Nachmittag ist in Wirklichkeit nur eines, nämlich eine Mogelpackung – eine Mogelpackung, die von dem dringend notwendigen Ausbau von echten Ganztagsschulen nach dem Profil 3 ablenken soll.

Selbst die Bertelsmann Stiftung, die uns wahrlich nicht in vielen Punkten nahesteht, fordert nicht erst seit diesem Jahr ein für jedes Kind sogar einklagbares Recht auf einen Ganztagsschulplatz. Und Ganztagsschule meint genau das: ein schulisch verantwortetes Angebot über den Tag hinweg, nicht nur Unterricht, wie wir immer missverstanden werden, sondern Bildung, Betreuung, Entspannung und Spiel – Schule in enger Kooperation mit Vereinen und sozialen Einrichtungen.

Der große Unterschied zu Ihrem Pakt für den Nachmittag ist hier, dass alle Kinder gemeinsam diesen Schulalltag erleben, dass er pädagogisch konzipiert ist und natürlich gebührenfrei für alle Eltern ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie jedoch wollen die Verantwortung für die Betreuung von Grundschulkindern auch nach 11:30 Uhr und die Kosten den Kommunen in Schuhe schieben, die wiederum aufgrund der äußerst knappen Haushaltslagen gar nicht anders können, als die Kosten auf die Eltern abzuwälzen.

Um das einmal klarzustellen: Wenn es sich bei dem Pakt für den Nachmittag tatsächlich um ein Ganztagsangebot handeln würde, wie Sie es behaupten, dann würde das wiederum bedeuten, dass Hessen mit den Elterngebühren ein Schulgeld einführen würde. Herr Wagner, wie ist das denn?

Ich wollte das nur am Rande erwähnen. Das jedenfalls machen wir nicht mit. Vielmehr fordern wir mehr Lehrerinnen und Lehrer für einen echten und inklusiven Ganztagsschulausbau, Schulmittagessen eingeschlossen. Wir fordern, dass die finanziellen und personellen Ressourcen, die das Land noch nicht beziffern kann oder will, aus den Modellprojekten herausgezogen und sofort in den Ganztagsschulausbau gesteckt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Bereitschaft zur Beteiligung am Pakt für den Nachmittag ist äußerst dürftig, wie wir jetzt aus der Modellregion Frankfurt erfahren durften und aus anderen Beispielen, wie sie etwa von Frau Kollegin Waschke angesprochen wurden.

(Günter Rudolph (SPD): Frau Hartmann!)

Dort wollen sich Schulen an einem so unausgereiften und dazu noch überflüssigen Betreuungsmischmasch nicht beteiligen.

Vielmehr wünscht man sich auch dort, was Sie in Ihrem Antrag versprechen, nämlich ein wirklich „vorbildliches Instrument zur Verwirklichung eines Ganztagsangebots“. Und dieses vorbildliche Instrument gibt es bereits, wenn auch nur an weniger als 0,5 % aller hessischen Grundschulen: Man nennt es Ganztagsschule.

Wir wissen, nur ein zumindest in Teilen verpflichtendes Angebot an Vor- und Nachmittag kann auch zu einer Rhythmisierung des Schultags führen, es kann den Unterricht am Vormittag entzerren, es kann Bedingungen schaffen, dass Lernstoff auch wirklich aufgenommen, verarbeitet und geübt werden kann. Nun geht es in erster Linie darum, so ein Angebot auszuweiten, also diese Bedingungen an mehr als fünf Grundschulen in Hessen zu verwirklichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen den Ganztagsschulausbau der Grundschulen letztlich flächendeckend haben, meine Damen und Herren. Wir müssen den Eltern genau dieses Angebot machen – und nicht irgendwie, sondern eingebettet in ein gutes und kooperatives Konzept, das Schule zu einem Ort des Lernens und des Lebens macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück, begraben Sie die Pläne zu Ihrem Mogelpakt, und stecken Sie Ihre „epochalen“ Stellen doch bitte in den Ausbau echter Ganztagsschulen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsminister Lorz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn Sie sich die Ganztagsschullandschaft in Hessen vor Augen führen, dann können Sie viele gute Programme und Projekte, viele Ansätze und Ideen und viele Investitionen feststellen – und zwar sowohl seitens des Landes als auch seitens der Schulträger.

Ich will nur einige nennen: die Betreuungsgarantie für die jüngsten Kinder, der Bildungs- und Erziehungsplan von 0 bis 10 Jahren als Grundlage für die Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Schulen, die verlässliche Grundschule und auf kommunaler Ebene ein ausgefeiltes Betreuungssystem und ein erprobtes und bewährtes Hort-Angebot.

Hier setzt die neue Qualität des Pakts für den Nachmittag an. Es ist das erste Mal, dass der Versuch unternommen

wird, Programme und Facetten von Bildung und Betreuung, die seit Jahren nebeneinander existieren, zusammenzudenken, zusammenzuführen und damit auch zusammenzustrukturieren und zu finanzieren. Das ist unser Entwurf für eine Ganztagsgrundschule der Zukunft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein Entwurf für ein verlässliches und den Wünschen der Beteiligten vor Ort entsprechendes Bildungs- und Betreuungsangebot in gemeinsamer Verantwortung von Land, Schulträgern und Kommunen.