Es gäbe jetzt sicherlich noch einiges zu den Auswirkungen der digitalen Arbeitswelt und der Internetwelt auf die Arbeitswelt zu sagen, weil immer mehr Arbeitsverhältnisse in einer ganz anderen Form stattfinden. Man spricht mittlerweile auch von digitalen Tagelöhnern, die weltweit unterwegs sind und eigentlich gar keine Arbeitnehmerrechte mehr genießen. Ich spreche jetzt ausdrücklich nicht von Amazon. Dort gibt es zumindest Betriebsräte, und dort gilt zumindest das eine oder andere, was auch angewendet wird. Ich habe mit sehr viel Wohlwollen und etwas Beruhigung wahrgenommen, dass es inzwischen zu fruchten scheint und andere Seiten eingezogen werden. Wir hoffen, dass das gut ausgeht.
Hinsichtlich der digitalen Arbeitswelt müssen wir gemeinsam mit den Gewerkschaften Leitplanken einziehen. Deswegen bemühen wir uns, gemeinsam mit den Gewerkschaften, so, wie wir es beim Mindestlohn gemacht haben, so, wie wir es beim Missbrauch von Leiharbeit und Scheinselbstständigkeit und Werkverträgen auch in Zukunft tun werden, das in die Wege zu leiten.
Lassen Sie mich bitte noch zwei Sätze zu den Anträgen der LINKEN sagen. Es geht um das Stichwort Sonntagsarbeit, Frau Kollegin Wissler hat es ausgeführt. Ihr Antrag umfasst zwei Absätze. Bei der Abstimmung über den ersten Absatz werden wir uns aus folgendem Grund enthalten: Wir haben inzwischen auch Kenntnis davon erhalten, dass ver.di den Ball inzwischen aufgegriffen und beim Regierungspräsidium nachgefragt hat, auf welcher rechtlichen Grundlage die Ausnahmegenehmigung überhaupt erteilt worden ist. Inzwischen wird auch geprüft, dagegen rechtlich vorzugehen. Wir kennen den Sachverhalt im Moment noch nicht.
Wir werden uns in Unkenntnis des Sachverhalts, der uns offiziell noch nicht mitgeteilt worden ist, enthalten. Für uns ist allerdings klar: Wenn dort etwas passiert, was dort nicht hingehört oder was tatsächlich Streikbruch war, dann ist das zu verurteilen. Das ist keine Frage.
Punkt 2 können wir auf jeden Fall zustimmen; denn das ist für uns eine Grundaussage. Es kann natürlich nicht sein, dass in einem Unternehmen, das bestreikt wird, durch Sonntagsarbeit bewusst das Streikreicht ausgehöhlt wird. Insofern stimmen wir Punkt 2 selbstverständlich zu.
Ich darf auch noch einen Satz zu dem Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen. Wir werden den ersten beiden Punkten zustimmen, das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Dem Punkt 3 – hier geht es um das Vergabe- und Tariftreuegesetz – werden wir nicht zustimmen. Die Gründe sind Ihnen bekannt. Meine Kollegin Elke Barth und zuvor auch die Kollegin Sabine Waschke haben das an der Stelle mehrfach begründet. Es wird heute Nachmittag auch noch einmal debattiert, dann werden wir das noch einmal begründen. Insofern werden wir Punkt 3 nicht zustimmen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Decker, vorab: Die FDP-Fraktion sieht in der Tarifautonomie ein sehr hohes Gut, zu dem wir uns als Landtag in der Vergangenheit immer möglichst zurückgehalten haben. Auch was Sie zum Thema Steuerschlupflöcher von großen Unternehmen gesagt haben, die hier ihre Gewinne erwirtschaften, die Steuern aber möglichst da zahlen, wo es so gut wie keine zu zahlen gibt, bzw. die auch noch frei verhandeln, das kann im Sinne eines fairen Wettbewerbs auch ein Liberaler nicht wollen.
Lieber Herr Kollege Decker, zur Frage Tarifvertrag bei der Firma Amazon: Ja, ich glaube, es würde einem Unternehmen wie Amazon gut zu Gesicht stehen,
Jetzt müssen wir uns aber einmal damit auseinandersetzen, weil es auch schon in die Diskussion kam: Was ist hier der korrekte Tarifvertrag? Ich glaube, dass war der Begriff, den Frau Kollegin Wissler benutzt hat: der korrekte Tarifvertrag. Lieber Kollege Decker, wenn man einfach nur auf das Unternehmen Amazon schaut, sieht man Einzelhandel, Versandhandel; dann ist relativ klar, da müsste der Tarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel infrage kommen. Schaut man sich aber das Unternehmen in Bad-Hersfeld einmal genauer an, dann stellt man fest, dass gerade dieser Standort in Bad-Hersfeld auch Fremdarbeiten übernimmt,
d. h. von fremden Unternehmen logistische Aufgaben übernimmt und dafür auch diesen Versand parat hat. Ich will gar nicht abschließend beurteilen – –
Lassen Sie mich das doch einfach mal erklären. – Weil der Kollege Decker die Firma Otto als direkten Wettbewerber genannt hat: Otto ist im Versandhandelsgeschäft übrigens nach Amazon die Nummer zwei. Da müssen wir feststellen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft von Amazon die Firma Hermes sitzt. Hermes ist das Versandgeschäft der Firma Otto.
Darüber regt sich kein Mensch auf. Das ist das Versandgeschäft, abgespalten vom Versandhandel Otto, das vom Otto-Konzern betrieben wird, und das ist ganz klar ein Logistikunternehmen.
Wenn ich mir jetzt die beiden Unternehmen anschaue, kann ich verstehen, dass sich die Firma Amazon aufgespalten hat. Wir müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass diejenigen, die sich mit dem klassischen Versandhandelsgeschäft befassen, also Onlinepräsentation, das Verkaufen, das Annehmen von Bestellungen, das Entgegennehmen von Zahlungsverkehr, mit dem Standort in Bad-Hersfeld nichts zu tun haben. Dass sich das Unternehmen Amazon so aufgeteilt hat, kann ich bedauern. Ich kann sagen, es wäre schön, wenn das alles noch in einem Unternehmen gebündelt wäre. Aber sie haben einen anderen Weg eingeschlagen, und es ist auch klar, sie nutzen den Wettbewerbsvorteil, den sie sich dadurch erarbeiten.
Aber, meine Damen und Herren, was hier gezeichnet worden ist, dass es ein unsoziales Unternehmen sei, das geben die Zahlen leider nicht her. Wenn man sich einmal die Einstiegsgehälter anschaut – man muss dazusagen, die sind meistens für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gering qualifiziert sind –: Die steigen im Unternehmen mit 9,83 € ein. Nach 24 Monaten kann ein Mitarbeiter schon 11,48 €, also rund 11,50 €, in der Tasche haben. Dazu kommen noch Bonuszahlungen und eine Unternehmensgewinnbe
teiligung. Das mögen keine herausragenden Gehälter sein; so kann man sicherlich argumentieren. Aber ein unsoziales Unternehmen ist Amazon mit Sicherheit nicht.
Wenn man sieht, was wir in der Vergangenheit hatten, gerade am Standort Bad-Hersfeld, Frau Kollegin, müsste man mittlerweile in Sack und Asche gehen. Wir haben im Landtag doch schon öfter über Amazon diskutiert. Da haben wir Berichterstattungen diskutiert, und Sie haben es eben wieder ganz ungeniert erwähnt: Arbeitszustände wie Sodom und Gomorrha, das sei alles nicht zumutbar. – Im Nachhinein hat sich der Hessische Rundfunk für diese Berichterstattung entschuldigen müssen. Er hat mittlerweile einstweilige Verfügungen kassiert, dass er das nicht mehr so sagen darf, weil viele dieser Bilder gestellt waren. Nichts hatte da etwas mit der Realität zu tun. Aber Sie sind über ein Unternehmen hergefallen und haben teilweise zum Boykott aufgerufen. Da wird es dann wirklich schwierig.
Eine ähnliche Situation hatten wir bei der Firma Schlecker. Bei der Firma Schlecker wurde so lange über die Arbeitsverhältnisse des Unternehmens hergezogen und zum Boykott aufgerufen, bis Sie sich verwundert die Augen gerieben haben, dass der Verbraucher tatsächlich ihrem Boykottaufruf gefolgt ist und das Unternehmen Schlecker gemieden hat. Am Ende stand die Insolvenz, und Sie haben wieder hier gestanden und den Arbeitsplatzverlust von Tausenden Mitarbeitern kritisiert. Meine Damen und Herren, das ist linke Logik, das ist linke Wirtschaftspolitik.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist doch Quatsch! Darf man überhaupt nicht mehr kritisieren, oder was?)
Wenn jetzt der Wirtschaftsminister auch noch etwas zu Schlecker beitragen kann, schön, dann machen Sie es vom Mikrofon aus.
Meine Damen und Herren, zu dem Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Kollege Pentz, Herr Kollege Siebel hat Sie eben schon einmal gefragt: Haben Sie eigentlich die Anträge vorher einmal gelesen, die Sie hier so einbringen?
Der Landtag bekundet seine Verbundenheit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern … sowie Verständnis für die Kundinnen und Kunden.
Finden Sie gut? – Mir ist nicht bekannt, dass die Firma Amazon sich schon einmal an der Ausschreibung eines öffentlichen Auftraggebers beteiligt hätte. Denn allein dafür zieht dieses Tariftreuegesetz.
Meine Damen und Herren, dann muss man klar sagen: Es gibt Tarifvereinbarungen mit den Mitarbeitern, auf die sich das Unternehmen beziehen kann. Bei der Frage, was da geregelt ist, nach dem Motto „Die müssen sich an geltende Tarifverträge halten“, kann man die Diskussion führen, welcher Tarifvertrag es ist. Aber Sie können nicht auf dieses Gesetz verweisen und sagen, sie müssten sich an geltendes Tarifrecht halten. Das macht das Unternehmen; das kann man gar nicht bezweifeln.
Meine Damen und Herren, wenn es doch richtig ist, dass wir uns als Politik aus Tarifverhandlungen heraushalten sollen, weil wir es nicht besser wissen als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder als die Arbeitgeber, wenn wir das aus der Ferne, von diesem Pult aus, nicht beurteilen können, dann tun Sie uns allen doch einen Gefallen: Lassen Sie uns uns daran halten und nicht immer wieder Unternehmen zum Gegenstand von politischen Diskussionen machen,
Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Als Nächster hat Herr Abg. Bocklet das Wort, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag diskutiert zum wiederholten Male das Geschäftsgebaren der Firma Amazon und den Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich möchte das vorweg sagen, was man in einem solchen Fall wie diesem aktuell sagen muss, wenn es um Tarifauseinandersetzungen geht: Selbstverständlich halten wir als Regierungskoalition – und ich denke, das tun alle Abgeordneten hier – nach wie vor an dem guten Konsens fest, dass die Tarifautonomie ein hohes Gut ist und aus guten Gründen unabhängig von politischer Einflussnahme sein muss. Das gilt auch in dieser Stunde.
Es muss aber auch klar sein, dass wir alle als Parteien nicht frei davon sind, da wir der Meinungsbildung anheim liegen, eine Haltung einzunehmen. Über diese Haltung können wir gern reden. Wenn ich auch nicht immer die Wortwahl und den Duktus der Linkspartei teile, den sie auch heute wieder geäußert hat, so kann es doch rückblickend, zumindest während der letzten zwei, drei Jahre doch keinen Zweifel daran geben, dass das Geschäftsgebaren von Amazon wahrlich kein Ruhmesblatt ist.
Noch 2013 ging es um die Fragen, wie ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Hessen geholt und dort betreut worden sind. Wir haben es hier diskutiert und verurteilt. Noch im Jahr 2013 haben wir uns darüber unterhalten, dass im Lager Koblenz von 3.300 Beschäftigten gerade einmal 200 unbefristet angestellt waren, während 3.100
befristet angestellt waren. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, und dazu muss man auch eine Position beziehen.