Protocol of the Session on December 18, 2014

Das können Sie auch gerne selbst hochrechnen. Sie werden von alleine schnell auf eine sehr beachtliche Anzahl kommen.

Meine Damen und Herren, würde man in einer solchen Art und Weise über das Ziel hinausschießen, dann würde man zwangsläufig auch in Kauf nehmen – so unsere Auffassung –, dass die Arbeitnehmerrechte weiter ausgehöhlt würden. Heute Morgen hatten wir eine sehr leidenschaftliche Debatte zu diesem Thema im Zusammenhang mit Amazon.

Eines müssen wir dabei auch im Auge behalten, nämlich die Auswirkungen insbesondere auf den kleinen Einzelhandel.

(Timon Gremmels (SPD): So ist es!)

Aus unserer Sicht würde ihm ein solches Vorhaben sicherlich mehr schaden, als dass es ihm nützen würde.

(Beifall des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass der Einzelhandel ohnehin schon genug gegen die großen Ketten anzukämpfen hat. Das wäre eine zusätzliche Erschwernis für ihn.

(Florian Rentsch (FDP): Der Einzelhandel freut sich!)

An dieser Stelle will ich nochmals an die kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig erinnern. Aus guten Gründen hat dieses Gericht der übermäßigen Ausweitung der Sonntagsarbeit einen Riegel vorgeschoben. Damit sind entscheidende Teile der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung nichtig geworden. Insofern war es – wenngleich mit Ansage – eine Niederlage für die Landesregierung.

Nun wissen wir auch, dass das zwei unterschiedliche Sachverhalte in unterschiedlichen Ordnungsrahmen sind, völlig klar: hier das Ladenöffnungsgesetz, dort die Bedarfsgewerbeverordnung.

Eines aber hat uns das Bundesverwaltungsgericht gleichermaßen und grundsätzlich ins Stammbuch geschrieben, nämlich die besondere Bedeutung des Sonntags.

Auch für die SPD-Fraktion kommt dem Sonntag nach wie vor – ich verrate Ihnen kein Geheimnis – eine besondere Bedeutung zu. Wir haben das an anderer Stelle in diesem Hause mehrfach betont: eine besondere Bedeutung für gemeinsame Aktivitäten in der Familie, eine besondere Bedeutung, um von der Alltagshetze und der beruflichen Belastung an mindestens einem Tag in der Woche einmal entspannen zu können, eine besondere Bedeutung auch für die Vereine und hier im Besonderen für den Sport – und natürlich eine besondere Bedeutung für die Kirchen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Meine Damen und Herren, die Sonntagsruhe sollten wir uns daher nicht ohne Not nehmen lassen. Deshalb sollten wir die Ladenöffnung an Sonntagen auch in Zukunft nur ausnahmsweise zulassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich erteile Herrn Abg. Utter für die Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Art. 140 des Grundgesetzes wird darauf verwiesen, dass Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung weiterhin gilt. Dort heißt es:

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Die Hessische Landesverfassung sagt in Art. 31:

Sonntag und gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei. Ausnahmen können durch Gesetz oder Gesamtvereinbarung zugelassen werden, wenn sie der Allgemeinheit dienen.

Daraus folgt, dass die Arbeitsruhe am Sonntag der Normalfall ist, dass die Geschäfte in der Regel am Sonntag geschlossen bleiben. Ausnahmen von dieser Regel bedürfen der Begründung.

Das Bundesverfassungsgericht – es wurde heute bereits bemüht – hat in seiner Entscheidung zum Berliner Ladenöffnungsgesetz im Jahr 2009 diese Auffassung ausdrücklich bestätigt. Herr Lenders, Sie haben da etwas weggelassen. Denn dort heißt es: Die Ausnahme muss für die Öffentlichkeit als Ausnahme erkennbar bleiben und bedarf eines Sachgrundes – und jetzt kommt der Zusatz –, der über das bloße Umsatz- oder Erwerbsinteresse hinausgeht.

(Manfred Pentz (CDU): Genau!)

Umsatz- und Erwerbsinteresse allein reichen nicht aus für eine Ausnahmegenehmigung.

Das geltende Hessische Ladenöffnungsgesetz erfüllt genau diese Vorgaben. Das hessische Gesetz konkretisiert, dass die Städte und Gemeinden jeweils vier Verkaufssonntage pro Jahr freigeben können. Die Anlässe für diese Ausnahmen von der Sonntagsruhe können Märkte, Messen, örtliche Feste oder ähnliche Veranstaltungen sein. Geschäfte dürfen dann für höchstens sechs Stunden außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes öffnen.

Das Hessische Ladenöffnungsgesetz schützt ganz besonders zahlreiche Feiertage, so z. B. die vier Adventssonntage, durch ein absolutes Öffnungsverbot. Aber auch der Gründonnerstagabend als Vorabend des Karfreitags ist besonders geschützt. Dadurch haben wir einen bundesweit vorbildlichen Schutz der kirchlichen Feiertage in Hessen erreicht. Darauf ist die CDU auch stolz.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Eva Goldbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Im VGH-Urteil aus Kassel von diesem Jahr bezüglich des Darmstädter Ostermarktes von 2013 wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Anlassbezug als notwendige einschränkende Voraussetzung der möglichen Festsetzung verkaufsoffener Sonntage unabdingbar ist. Die Folgerung aus diesem Urteil muss es sein, dass die Kommunen sorgfältiger den Anlass prüfen, der zur Ausnahme des jeweiligen verkaufsoffenen Sonntags führt.

Die Lösung, die uns heute die FDP mit ihrem Entwurf anbietet, um zukünftig Gerichtsverfahren zu vermeiden, erscheint mir nicht zielführend. Die Streichung des Anlassbezugs würde nämlich entweder dazu führen, dass das Hessische Ladenöffnungsgesetz nicht mehr verfassungskonform ist oder dass jede Kommune – wie nun nach Gerichtsurteil in Rheinland-Pfalz – ein eigenes Anhörungsverfahren vor Ort durchführen muss. Aber selbst dieses Modell in Rheinland-Pfalz wird im Einzelfall dann trotzdem beklagt.

Die Begründung zum Gesetzentwurf der FDP: „Das geänderte Konsumverhalten sowie die wirtschaftliche Drucksituation, der sich der Einzelhandel durch den immer stärker werdenden Vertrieb von Waren über das Internet ausgesetzt sieht, erfordert eine gesetzgeberische Reaktion.“ Aber genau an dieser Stelle machen Sie deutlich, dass Sie nur auf das Umsatz- und Erwerbsinteresse eingehen, und das hat das Bundesverfassungsgericht gerade ausgeschlossen.

(Manfred Pentz (CDU): Ganz genau: der eine Satz!)

Möglicherweise waren der Gesetzentwurf und die heutige Einbringung als Weihnachtsgeschenk für den hessischen Einzelhandel gedacht. Aber ich befürchte, dass er sich in der Anhörung, besonders in juristischer Hinsicht, als österliches Überraschungsei entpuppen wird. Denn dieser Vorschlag ist keine Problemlösung, sondern er schafft neue Probleme und verbessert die Situation nicht.

Die Sonn- und Feiertagsruhe in ihrer gewachsenen Ausbildung ist in Deutschland ein Kulturgut geworden. Von vielen Menschen wird sie auch so geschätzt. Familien treffen sich, Freunde können sich verabreden.

Natürlich gibt es Berufsgruppen, die müssen auch an Sonnund Feiertagen arbeiten. Das gehört zu einer modernen Gesellschaft dazu: Ärzte, Pflegepersonal, Bedienstete im öffentlichen Personenverkehr, im Gaststättengewerbe.

Doch uns als CDU ist es wichtig, dass die Arbeit am Sonntag eine Ausnahme bleibt. Dies gilt auch für den Einzelhandel. Das Hessische Ladenöffnungsgesetz ermöglicht dem Einzelhandel an Werktagen großzügige Öffnungszeiten. Dennoch ist die Konkurrenz des Internethandels groß.

Aber hier hilft eine Änderung des Ladenöffnungsgesetzes nicht. Wer lebendige Innenstädte will, der muss auch dort einkaufen. Auch wenn ich Verständnis für das bequeme Klicken im Internet habe, so möchte ich doch für das Ein

kaufen in Geschäften werben. Dort berät uns qualifiziertes Fachpersonal.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jedenfalls ich erfahre es so: Als Kunde bekommt man auch immer ein freundliches Wort.

Als Politiker stehen wir nicht im Ruf, dass wir in unserem persönlichen Leben die Sonn- und Feiertagsruhe vorbildlich vorleben. Daher wünsche ich Ihnen nun zum Schluss meiner Rede ganz besonders eindringlich einen ruhigen vierten Advent und ein friedliches Weihnachtsfest.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Lothar Quanz, Wolfgang Decker (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort hat Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP möchte mit ihrem Gesetzentwurf eine anlassunabhängige Freigabe der vier verkaufsoffenen Sonntage ermöglichen. Im Kern heißt das, dass Sie die Streichung des Anlassbezuges, beispielsweise bei Messen, Märkten, örtlichen Festen und ähnlichen Veranstaltungen, bei der Genehmigung der vier verkaufsoffenen Sonntage und die lokale Begrenzung der Sonn- und Feiertagsöffnung für Bezirke mit eigener Handels- und Gewerbestruktur wollen, „ohne dass dies zu einem Verbrauch der maximal vier [verkaufsoffenen Sonn-]Tage im Jahr für das übrige Stadtgebiet führt“.

Als Frankfurter Abgeordneter kann ich bei 43 Stadtteilen nur sagen: Wenn dieses Gesetz Realität werden würde, dann könnten wir theoretisch an allen Sonntagen im Jahr verkaufsoffene Sonntage veranstalten.

Um es einmal in einem Wort des politischen Dissenses zu beschreiben: Wir wollen keine weitere Liberalisierung der Sonntagsöffnungszeiten. Wir wollen entsprechend den Gerichtsurteilen eine restriktivere Handhabung der Sonntagsgesetzgebung. Aber Ihr Gesetzesvorschlag, wie Sie ihn vorgelegt haben, wäre eine weitere Liberalisierung und Deregulierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht in unserem Interesse.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dies ist die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs. Ich bin ganz sicher, wir werden eine Anhörung machen. In welcher Form, darauf werden wir uns im Ausschuss einigen. Ich bin mir auch sicher, dass die betroffenen Verbände, die Sie einladen wollen, natürlich darum ringen werden, möglichst mehr Verkaufszeiten zu haben. Ob tatsächlich der Jahresumsatz insgesamt steigen wird, das bleibt zweifelhaft. Man muss den Mut haben, irgendwann einmal – –

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

René, ich habe dich nicht verstanden.

(René Rock (FDP): Man darf nicht bei Amazon kaufen!)

Nicht bei Amazon kaufen, gerne in die Innenstädte, gerne auch in die Stadtteile gehen und dort beim Einzelhandel kaufen. Diese Werbung finde ich völlig richtig. Genau das muss passieren.