Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, Frau Hinz hat sich selbst eine andere Premiere
vor dem Landtag vorgestellt. Die kann man sich in der Tat, das ist überhaupt keine Frage, nicht immer aussuchen. Aber, Frau Ministerin Hinz, Leichtsinnsfehler, fatale, dilettantische Leichtsinnsfehler der Vorgängerin zu verharmlosen und Schaden, der für den Steuerzahler mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten wird, zu verniedlichen, ist wirklich die falsche Herangehensweise an ein solches Amt.
Wissen Sie, das war ja eine tolle Startaufstellung, wie die GRÜNEN auf einmal gesagt haben: Na ja, wahrscheinlich ist die FDP daran schuld, Herr Hahn müsste eigentlich nur zurücktreten.
Die CDU hat gesagt: Ja, die SPD hätte es wissen müssen. – Es war wirklich nicht nur ein Purzelbaum, das war ein Salto mortale, finde ich.
Die GRÜNEN waren einmal viel klarer. Es gab nämlich einen gemeinsamen Antrag vom 28.02.2013, das ist also nicht einmal ein Jahr her. Wissen Sie, was da drinsteht, unterschrieben von Herrn Wagner (Taunus)?
Der Landtag fordert Umweltministerin Puttrich angesichts dieses Desasters auf, die Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten.
Wir wollen, dass diese richtige Erkenntnis, die Sie von den GRÜNEN vor elf Monaten hatten, auch heute zum Tragen kommt.
Meine Damen und Herren, wie wird hier die Öffentlichkeit getäuscht? Es wird der Eindruck erweckt, als sei es an materiellen Fragen gescheitert. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt – von daher kann man in Zweifel ziehen, ob es klug war, überhaupt in die Nichtzulassungsbeschwerde zu gehen –: Allein der Anhörungsfehler hat zur Rechtswidrigkeit geführt. – Rechtswidrigkeit hat im normalen Falle auch Schadenersatz zur Folge, allein der Anhörungsfehler.
„Nein, nein“, ruft Frau Dorn. – So, dann lese ich jetzt einmal aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vor, und zwar aus den Gründen, nicht wie es die Ministerin gemacht hat. Dort heißt es:
Die Begründung, dass der angegriffene Verwaltungsakt an einem formellen Fehler leide, weil der Beklagte die Klägerin vor seinem Erlass nicht, wie von § 28 HVwVfG gefordert, angehört habe, … trägt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs selbstständig. Die von dem Beklagten in Bezug auf diese Begründung geltend gemachten Revisionszulassungsgründe (Beschwerdebegründung unter III) liegen nicht vor.
Es ist ganz eindeutig: Allein der formelle Fehler der Anhörung hat dazu geführt, die Verfügung in die Luft zu sprengen. Das hat Ihnen das oberste Gericht bestätigt, und das hat jetzt sozusagen die Schadenersatzklage zur Folge.
Es gibt immer den Versuch, zu sagen: Der Bund war daran schuld. – Der Bund hat in einer Anfrage von Christine Lambrecht, das kann ich zitieren, in der Drucks. 17/12764, nämlich ob die Bundesregierung die Landesregierung angewiesen hat, auf eine Anhörung von RWE zu verzichten, festgestellt – ich zitiere aus der Antwort –:
Das hessische Umweltministerium hat die Anordnung der einstweiligen Stilllegung der Kernkraftwerke in Biblis am 18. März 2011 erlassen. Die Bundesregierung hat sich seinerzeit zur Frage einer möglichen Anhörung der RWE AG nicht positioniert.
Meine Damen und Herren, die haben damit überhaupt nichts zu tun gehabt. Das war allein Ihr Fehler auf Landesebene.
Und Sie von den GRÜNEN wissen es ja besser; deswegen haben Sie damals auch den Antrag gemeinsam mit uns unterschrieben. Sie wissen, dass dieser Fehler, dass das Versagen allein aufseiten von Frau Puttrich liegt.
Ich komme zur Frage der Schadenshöhe. Wissen Sie, so zu tun, als würde sich jemand wie ich, der sich seit den Siebzigerjahren der Anti-Atomkraft-Bewegung verpflichtet fühlt und dafür gekämpft hat, dass das stillgelegt wird, zum Sprachrohr von RWE machen, ist schlicht lächerlich.
Nur eines ist auch klar: Auch ein Atomunternehmen hat es verdient, dass nach Recht und Gesetz vorgegangen wird, und das war einmal eine Gemeinsamkeit von Rot-Grün. Meine Damen und Herren, deswegen haben wir auch ein Ausstiegsgesetz gemacht, das wasserdicht war, anders als die Dilettanten von der CDU und leider auch von der FDP, die Regierung auf Bundesebene, die dieses Moratorium so erlassen haben, wie sie es erlassen haben.
Zu der materiellen Frage und zur Frage der Rechtsgrundlage hat das Justizministerium übrigens auch noch einen Hinweis gegeben. Dem ist aber auch nicht nachgegangen worden. Möglicherweise hätte eine Anhörung von RWE dazu geführt, dass diese Juristen etwas zur Rechtsgrundlage gesagt hätten
und dass Sie dann aufgrund der Anhörung die Verfügung korrigiert und auf eine richtige Rechtsgrundlage gestellt hätten. Aber das ist alles Nebel, der von Ihnen geworfen wird. Wir wollen nur, dass endlich die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Dass der Fall Puttrich auch ein Fall Bouffier ist, wird sich, glaube ich, in den nächsten Wochen noch einmal herausstellen. Wir werden bei dieser Angelegenheit in jedem Fall am Ball bleiben; und die GRÜNEN tun mir wirklich arg leid. Eine solche Verteidigung ist schlicht falsch und Ihrer Partei eigentlich unwürdig.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ein paar Dinge, die Sie gesagt haben, nicht unwidersprochen stehen bleiben können. Sie haben falsche Dinge behauptet, beispielsweise der Bund habe den wörtlichen Inhalt der Verfügung vorgegeben. Das steht auch noch in Ihrem Antrag. Frau Ministerin, das stimmt doch nicht.
Das Schreiben des Bundesumweltministeriums lag uns doch vor. Wir haben die Akten eingesehen. Darin war kein Anhang mit einem Muster für eine Stilllegungsverfügung enthalten. Im Gegenteil, die Einschätzung der Mitarbeiter im Ministerium war sogar so, dass das Schreiben des Bundesumweltministeriums sehr vage gehalten gewesen sei. Es ist einfach falsch, was Sie hier erzählen. Dann stellen Sie falsche Behauptungen auch noch zur Abstimmung. Sie können das mit Ihrer Mehrheit beschließen. Mehrheit ist Wahrheit – das haben die GRÜNEN immer kritisiert.
Sie können das gerne beschließen. Richtiger wird es dadurch auch nicht. Gerade die GRÜNEN, die immer genau das kritisiert haben, Mehrheit ist gleich Wahrheit, sollten sich überlegen, ob sie nachweislich falschen Behauptungen mehrheitlich zustimmen.
Es stimmt auch nicht, dass alle Bundesländer die wortgleichen Abschaltverfügungen erlassen haben. Das ist falsch. In der Verfügung von Bayern steht etwas anderes, sie ist anders formuliert. Ich verstehe nicht, warum Sie solche Dinge behaupten und sie auch noch abstimmen lassen wollen.
Die entscheidende Frage kann letztlich nur Frau Puttrich erklären: Warum hat man den Hinweis aus dem Justizministerium einfach ignoriert? – Die E-Mail ist rechtzeitig eingegangen. Einen Tag vor der Stilllegungsverfügung ist das nochmals geprüft worden. Was hat man mit dem Hinweis aus dem Justizministerium gemacht? – Das ist eine Frage, die die Ministerin beantworten muss. Die Antwort darauf wüsste ich auch gerne vom Ministerpräsidenten. Sie haben doch die Bedenken aus dem Justizministerium gekannt. Warum hat das keine Rolle mehr gespielt?
Zur Kollegin Dorn möchte ich nur kurz etwas sagen: Was für eine Kehrtwende. Keine Koalition sollte es wert sein, dass man sich derartig verbiegen muss.
Ich habe Sie im Ausschuss erlebt, auch wenn es um die Frage der Stilllegung von Biblis ging. Ich will jetzt gar nicht von den Rücktrittsforderungen reden, die die GRÜNEN gegen Ministerin Puttrich zur Abstimmung gestellt haben. Was Sie damals im Ausschuss erklärt haben und was Sie heute erklärt haben, das steht wirklich in keinem Verhältnis mehr. Sie sind noch nicht einmal zwei Wochen an der Regierung, und schon ist alles vergessen, was Sie in den letzten Jahren erklärt haben.
Herr Stephan, wenn Sie sagen, wir würden auch noch den Ministerpräsidenten mit hineinziehen, kann ich nur erwidern: Er ist der Regierungschef, den ziehen wir nicht mit hinein. Er trägt die Verantwortung, wenn in seinem Kabinett so etwas passiert.
Er ist der Regierungschef, und vor allem war er aktiv an dem Verfahren beteiligt. Herr Ministerpräsident, es wäre interessant, wenn Sie uns erzählen würden – das können Sie als Einziger im Raum –, was bei dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin im Detail vereinbart worden ist. Es wäre interessant, wenn Sie uns erzählen würden, ob Sie dort vielleicht Bedenken vorgetragen haben oder ob Sie nachgefragt haben, ob es eine Weisung des Bundes ist, wie die Umsetzung erfolgen soll. Das alles könnten Sie heute aufklären.
Sie waren auch deshalb aktiv am Verfahren beteiligt, weil Sie die Abschaltverfügung noch haben ändern lassen – aber nicht an den Punkten, an denen es entscheidend gewesen wäre.
Herr Ministerpräsident, ich finde es feige, sich wegzuducken und eine Ministerin, die jetzt neu im Amt ist und die für diesen Vorgang keine Verantwortung trägt, vorzuschicken. Stattdessen sollte der Ministerpräsident, der für das letzte Kabinett verantwortlich war, die Verantwortung tragen und die Vorgänge aufklären.