Protocol of the Session on November 25, 2014

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ein kleiner Unterschied zwischen Gesundheitsversorgung und Reifenwechsel!)

und Sie kriegen keinen Termin. – Frau Kollegin, aber es ist von der Struktur her schon eine ähnliche Frage. Es geht nicht um lebensbedrohliche Maßnahmen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Von „lebensbedrohlich“ habe ich überhaupt nichts gesagt!)

Wir reden nicht über lebensbedrohliche Maßnahmen. Über diese Frage haben wir nie diskutiert. Dass in der Notfallversorgung und bei lebensbedrohlichen Maßnahmen andere Maßstäbe gelten – gerne nach mir eine Kurzintervention, Frau Kollegin Wissler –, das sollte unbestritten sein.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Hexenschuss ist auch nicht lebensbedrohlich!)

Es geht um geplante Termine, um die Frage, wann ich einen geplanten Termin will, welchen Arzt ich aufsuchen möchte. Da stellen wir auch in Bereichen, in denen ein hoher Versorgungsgrad oder eine Überversorgung da ist, häufig fest, dass die Patienten einen bestimmten Arzt aufsuchen wollen. Wenn wir uns die Zahlen anschauen – wir haben die Zahlen zum großen Teil abgefragt –, stellen wir fest, es ist im Mittel nicht so, dass es keinen freien Termin gibt. Vielmehr wollen die Patienten einen bestimmten Mediziner haben, dem sie vertrauen und der vielleicht einen guten Ruf hat. Von diesem möchten sie sich behandeln lassen.

Wie wird das denn in Zukunft sein? Kriege ich dann von der Kassenärztlichen Vereinigung einen bestimmten Arzt zugewiesen, der mich behandeln soll, weil sich das Herr Lauterbach so ausgedacht hat? Das ist doch wirklich Planwirtschaft pur. Die Patienten sollen selbst entscheiden, zu welchem Arzt sie gehen.

Natürlich müssen wir auch dafür sorgen, dass es für die Ärzte lukrativ ist. Aber zum Schluss sollte es nicht Entscheidung der öffentlichen Hand sein, wer wann welchen Termin bekommt. Herr Kollege Dr. Spies, damit würde man das Pferd von hinten aufzäumen, weiß Gott.

(Beifall bei der FDP)

Ich halte das für Unsinn. Das drückt auch Ihr tiefes Misstrauen gegenüber der Ärzteschaft und den Freiberuflern aus, das in Ihren Gesetzen immer wieder vorkommt. Herr Lauterbach ist meiner Ansicht nach der beste Beweis dafür. Er hat einfach ein tiefes Misstrauen gegenüber Freiberuflern und nicht gegenüber staatlich angestellten Medizinern.

Genau das ist eigentlich die spannende Frage. Sie schreiben einfach ins Gesetz, dass Sie es so haben wollen. Zu der Frage, wie es gemacht werden soll, machen Sie keinen einzigen konkreten Vorschlag. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik. Wenn es interessant wird, steh

len sich die Mitglieder der Großen Koalition in Berlin aus der Verantwortung und sagen nicht, wie sie es haben wollen. Auch das ist ein Musterbeispiel für die Politik in Berlin.

Zum Abschluss will ich sagen: Herr Sozialminister, Herr Gesundheitsminister, Sie haben in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen sehr zentral die Gesundheitspolitik in Berlin mitbestimmt. Sie haben sich dort mit viel Fachkompetenz eingebracht. Ich bin sehr gespannt, ob Sie, wenn es um die Versorgungsstruktur für die hessischen Bürgerinnen und Bürger geht, wieder dafür kämpfen werden, dass wir diesen planwirtschaftlichen Unsinn nicht mittragen, der aus Berlin kommt.

Sie wissen genau, zu was das führt. Stefan Grüttner ist viel zu stark im Gesundheitssystem drin, als dass er nicht wüsste, dass das das Gegenteil von dem ist, was wir eigentlich brauchen, und dass das wahrscheinlich nur aufgrund der Koalitionsräson in Berlin wieder mitgetragen werden wird. Ich glaube, da hat der hessische Sozial- und Gesundheitsminister eine hervorragende Möglichkeit, den Unsinn in Berlin zu stoppen und zu sagen: Das kann man mit Hessen nicht machen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist Ihre Aufgabe, die Sie jetzt haben. So wie ich Stefan Grüttner kennengelernt habe, bin ich mir sicher, dass er das mit voller Verve angehen wird.

Unsere Unterstützung haben Sie an dieser Stelle. Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Sollte Ihr Koalitionspartner da von der Fahne gehen, was mich nicht wundern würde, weil sie ähnliche Vorschläge haben, stehen wir gerne zur Seite, wenn es darum geht, dieses Thema durchzufechten.

Abschließend möchte ich Folgendes sagen: Meine Damen und Herren, Sie haben viele Fragen vorgelegt. Ich bin nicht so pietistisch wie Herr Kollege Dr. Spies. Man kann über vieles diskutieren, ob es wirklich sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Da hat er recht. Man kann über die Frage diskutieren, was geschehen wird. Das sind alles Nice-to-have-Geschichten. Man kann lange darüber diskutieren, ob das funktionieren wird, ob das wirklich der Stein der Weisen ist und worum es geht.

Aber das, was jetzt in Berlin entschieden wird, wird in den nächsten Jahren die Versorgungsstruktur in unserem Land und vor allem die Frage, ob sich Mediziner gern in Hessen niederlassen wollen, so massiv wie nichts anderes bestimmen. Deshalb wäre ich dankbar, wenn Sie heute sagen würden, dass mit Hessen dieser Unsinn nicht zu machen ist. Das darf keine Politik sein, die von einer Hessischen Landesregierung unterstützt wird. Denn sie wäre zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP – Gerhard Merz (SPD): Das war jetzt nicht so viel zur Regierungserklärung!)

Herr Rentsch, danke. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Bartelt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland und Hessen haben eine vorbildliche Gesundheitsversorgung. Sie zeichnet sich durch beste Zugangs

möglichkeiten aus. Notfallversorgung, Primärversorgung und spezialisierte Versorgung in der Praxis und im Krankenhaus stehen den Menschen im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und in Nordamerika schneller und flächendeckend zur Verfügung.

In den USA werden 17,4 % des Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit ausgegeben, aber 15 % der Bürger haben keine garantierte Versorgung. Bei uns steht für 11,6 % des Bruttoinlandsprodukts allen Menschen eine gute medizinische Versorgung zur Verfügung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Merkmal der englischen Krankenversorgung ist die lange Wartezeit. In Frankreich ist das die hoch defizitäre gesetzliche Krankenversicherung. Das oft idealisierte Gesundheitssystem Skandinaviens zeichnet sich auch durch lange Wartezeiten für die spezialisierte Medizin aus. Bei einem Drittel der Patienten kommt in den staatlichen Ambulatorien überhaupt kein Arztkontakt zustande.

Wenn ich jetzt einige Herausforderungen der stationären und der ambulanten Medizin beschreibe und zeige, wie Hessen erfolgreich Lösungswege beschreitet, möchte ich betonen, dass es um den Erhalt und die Weiterentwicklung einer sehr guten Versorgung in unserem Land geht. Die Herausforderungen resultieren zudem aus Entwicklungen, die wir alle positiv bewerten und über die wir uns freuen. Die Lebenserwartung steigt. Der medizinische Fortschritt kommt den Menschen zugute. Wir können auch betagten Patienten operative Medizin anbieten. Aus früher akut lebensbedrohlichen Erkrankungen, neurodegenerativen Erkrankungen, aus Erkrankung mit HIV- oder Hepatitis-CViren, aus Erkrankungen mit manch bösartigen Tumoren wurden heute behandelbare chronische Erkrankungen.

Die persönliche Lebensplanung der Mediziner und der Pflegekräfte hat sich geändert. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird zu Recht gefordert.

Zunächst möchte ich einige Anmerkungen zur Lage und Perspektive unserer hessischen Krankenhäuser machen. In 172 Kliniken setzen sich 175.000 Mediziner und Pflegekräfte rund um die Uhr dafür ein, dass Menschen am Leben bleiben und wieder gesund werden. Dieser Dienst kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn die Zahl der Betten sinkt, und die Fallzahlen steigen. Die Verweildauer ist kürzer geworden. Mehr Leistungen werden in kürzerer Zeit qualifiziert erbracht. In den letzten 25 Jahren stieg die Zahl der stationär behandelten Fälle von 1,0 Million auf 1,3 Millionen pro Jahr. Die Zahl der Betten sank von 43.000 auf 36.000. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt heute 7,6 Tage.

Die zentralen Herausforderungen sind heute die nachhaltige Finanzierung der Krankenhäuser und die Besetzung der Stellen mit Pflegekräften. Im dualen Finanzierungssystem sind seit den Siebzigerjahren die Krankenkassen für die Betriebskosten und die Bundesländer für die Investitionen in die Immobilie und in die Großgeräte verantwortlich. Im Vergleich der Bundesländer nimmt Hessen bei den Investitionen auch über längere Zeiträume eine Spitzenposition ein. Trotzdem besteht auch in Hessen ein großer Investitionsbedarf.

Deswegen wurde als einer der ersten Gesetzentwürfe der Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der für ein Hessisches Krankenhausgesetz im Juni dieses Jah

res verabschiedet. Das zeigt, dass Investitionen in unsere Krankenhäuser für diese Landesregierung höchsten Stellenwert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bisher mussten die Krankenhausträger die Mittel für die einzelnen Investitionen beantragen. Das wurde geprüft und kam auf eine Prioritätenliste. Nach drei bis fünf Jahren folgte der Zahlungsfluss.

Jetzt erhalten sie in Abhängigkeit von Zahl und Aufwand der Behandlungen eine Pauschale, die jährlich dynamisiert wird. Die Mittel können angespart werden, oder das kann als Sicherheit bei finanzierenden Banken hinterlegt werden. So kann schnell und bedarfsgerecht investiert werden.

Dies wurde von den Krankenhausträgern, den Krankenkassen und den Kommunalen Spitzenverbänden befürwortet. Eigentlich war nur die SPD-Fraktion im Landtag dagegen. Bis heute haben sich die Mitglieder der SPD den Argumenten der Krankenhausträger, der Krankenkassen und der Kommunalen Spitzenverbände weiterhin verschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der erwartete Investitionsschub wird noch verstärkt. Denn er ist mit einem zusätzlichen Investitionsprogramm verbunden. Für Baumaßnahmen für die Krankenhäuser in Hessen werden jetzt 250 Millionen € bereitgestellt werden. Dieses Geld kommt den kranken Menschen unmittelbar zugute und verbessert die Kalkulationssicherheit der Krankenhausträger.

In Hessen sind die Kliniken zu je einem Drittel in kommunaler, frei gemeinnütziger und privater Trägerschaft. Nach Betten gezählt sind die Hälfte in kommunaler und je ein Viertel in frei gemeinnütziger und in privater Trägerschaft.

Meine Damen und Herren – dies an die Adresse des linken Teils der Opposition –, es gibt keine guten und keine schlechten Krankenhausträgerschaftsformen, weder seelenlose, profitorientierte private noch bürokratisch Geld verschlingende kommunale. Wir benötigen und schätzen alle drei Formen der Krankenhausträgerschaft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sehen wir mit Blick auf die betriebswirtschaftliche Entwicklung kommunaler Krankenhäuser Handlungsbedarf. Während 2 % der privaten Krankenhäuser und 9 % der frei gemeinnützigen Krankenhäuser insolvenzgefährdet sind, beträgt die Insolvenzgefahr bei kommunalen Häusern 18 % – und dies, obgleich die Ärzte genauso qualifiziert, die Pflegekräfte genauso engagiert und die kaufmännischen Leitungen genauso professionell arbeiten. Den kommunalen Kliniken fehlen die Vorteile von Verbundstrukturen.

Das sind nicht nur die Einkaufsgemeinschaften, die stärkere Positionierung bei den Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen und bessere Weiterbildungs- und Aufstiegschancen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es sind vor allem medizinische Schwerpunktsetzungen des einzelnen Krankenhauses innerhalb des Verbundes. Die Notfallversorgung und die Basisversorgung, innere Medizin und allgemeine Chirurgie müssen dauerhaft wohnortnah gesichert sein. Andere Fachabteilungen sollen im regionalen Verbund in hoher Qualität bereitgestellt werden.

Es geht nicht darum, Krankenhausstandorte aufzulösen. Die These „Es gibt zu viele Krankenhäuser“ ist undifferenziert. Es gibt wahrscheinlich in der Summe zu viele Abteilungen; auf der anderen Seite aber haben wir zu wenig Personal. Um schnell erreichbare Notfall- und Basisversorgung nachhaltig zu sichern, müssen Verbünde angestrebt werden.

Daher hat unser Gesundheitsminister Grüttner für Hessen ein Modell für Verbundstrukturen zur Diskussion gestellt. Entgegen der Aussage von Herrn Kollegen Spies setzte dies bei Kreisen und Kommunen Denkanstöße, Krankenhausverbünde anzustreben. Wir beobachten mit großem Wohlwollen die Entwicklung in Osthessen mit den Kliniken Fulda, Hersfeld und Alsfeld; in Südhessen mit den Kliniken Darmstadt und Darmstadt-Dieburg; in Mittelhessen mit den Kliniken des Wetteraukreises und des Lahn-DillKreises und im Rhein-Main-Gebiet mit den Kliniken Frankfurt-Höchst und Main-Taunus.

Wir müssen bei der kommunalen Ebene noch weitere Überzeugungsarbeit leisten und einige, selbstverständlich freundschaftliche, Hinweise geben. Die Teilnahme an einem Verbund sichert Standorte. Sie ist oft die bessere Alternative zum Verkauf an private Träger – der bei Mitarbeitern und Bevölkerung nicht immer auf Akzeptanz stößt. Spezialisierte Abteilungen innerhalb des Verbundes steigern die Qualität und Reputation des Hauses. Das ist besser als das vermeintliche Ansehen, dass jedes Krankenhaus, jede Abteilung und jedes bildgebende Verfahren – MRT bis PET/CT – anbieten müsste.

Eine Argumentationshilfe ist eine im „Deutschen Ärzteblatt“ in diesem Monat publizierte Studie des Hamburg Center for Health Economics, wonach Krankenhausverbünde nachhaltig wirtschaftlicher arbeiten als Einzelkliniken. Dabei wurden Daten von immerhin 800 Krankenhäusern über einen Zeitraum von zehn Jahren ausgewertet.

Bei der Umsetzung des neuen Hessischen Krankenhausgesetzes ist weiterhin zu überlegen – der Minister hat es gesagt –, ob durch eine Erhöhung der Investitionspauschale für Kliniken, die im Verbund arbeiten, zusätzliche Anreize geschaffen werden könnten.

Meine Damen und Herren, die Finanzierung der Betriebskosten durch die gesetzlichen Krankenkassen muss auf Bundesebene angepasst werden. Bislang orientierte sich die Steigerung des Landesbasisfallwertes an den allgemeinen Lebenshaltungskosten. – Landesbasisfallwert: Die Anzahl der Patienten und der Diagnosen sind die Berechnungsgrundlagen für die Zahlungen der Kassen an die Kliniken. Bei einem Anteil von mehr als 60 % der Personalkosten an den Gesamtausgaben entwickelte sich in den letzten zehn Jahren eine Differenz zwischen den Steigerungen der Einnahmen und denen der Ausgaben von jährlich 1,5 % bis 2 % zulasten der Krankenhäuser.

Unser Sozial- und Gesundheitsminister Grüttner setzte sich stets dafür ein, die Anpassungen der Leistungen der Krankenkassen mit den tatsächlichen Ausgabensteigerungen unter Berücksichtigung der Personalkosten zu verbinden.

Im Jahr 2014 führte eine Veränderung der Berechnung zu einer Steigerung der Einkünfte der Kliniken durch die DRG-Erlöse. In Hessen waren das 3,4 %, bundesweit 3,6 %. Das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung und entspricht knapp der Ausgabensteigerung von 3,6 %, die das Statistische Landesamt vor wenigen Tagen veröffentlichte. Aber das ist eben noch kein Ausgleich für die

letzten Jahre, und es gibt noch keine ausreichende Kalkulationssicherheit.

Daher unterstützen wir Minister Grüttner bei seinem Einsatz in der Bund-Länder-Kommission, die Finanzierung der Krankenhäuser auf eine zukunftssichere, nachhaltige Grundlage zu stellen.