Protocol of the Session on November 25, 2014

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit der Krankenhausreform, die wir auf der Bundesebene vorantreiben, eine der großen Reformen nach der Einführung von Fallpauschalen auf den Weg bringen können. Aber es ist richtig und konsequent, dabei Qualität und Patientensicherheit fester in den Blick zu nehmen. Im Zuge der nationalen Diskussion um den Erhalt der Kliniken ist die Wirtschaftlichkeit häufig zu sehr in den Vordergrund gestellt worden, und es ist zu Fehlanreizen gekommen. Fakt ist, dass die Fallzahl bei OPs nach oben gegangen ist und das häufig unnütz war. Es ist daher nur konsequent, sehr genau darauf zu achten, dass Patientenwohl und Qualität weiterhin Richtschnur allen Handelns bleiben. Wie gesagt, braucht es gesunde wirtschaftliche Strukturen, um gute Medizin für

die Menschen anbieten zu können; der Patient darf diesen aber niemals nachgeordnet werden. Daran arbeiten wir in dieser Arbeitsgemeinschaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen hat eine qualitativ hochwertige und flächendeckende ärztliche Versorgung, ambulant wie stationär. Mit den genannten Initiativen und Maßnahmen sorgt die Landesregierung dafür, dass dies auch künftig so bleibt.

Die beste Präventionsarbeit, ambulante und stationäre Versorgung und Fortschritte der Medizin können aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Leben endlich ist und dass Sterben und Tod zum Leben dazugehören. Wir neigen dazu, dies zu verdrängen, und auch die Politik hat dies zu lange verdrängt. Die Frage nach dem Tod darf aber nicht in das gesellschaftliche Abseits oder in die Einsamkeit des Sterbezimmers gedrängt werden. Am Umgang einer Gesellschaft mit dem Tod zeigt sich ihre Haltung zum Leben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle meinen großen Dank der Hospizbewegung aussprechen, die uns dies ins Bewusstsein gebracht hat und die sich engagiert in der ganz individuellen Begleitung sterbender Menschen und auch in der Frage, wie wir erreichen können, dass ein würdevolles, schmerzfreies Sterben in Geborgenheit für alle Menschen möglich wird.

Die Hessische Landesregierung hat diese Impulse der Hospizbewegung frühzeitig aufgenommen und eine Arbeitsgemeinschaft mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft, der Pflegeberufe, der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen, der Hospizinitiativen, der stationären Hospize, der Kranken- und Pflegekassen, der Heimaufsicht und inzwischen natürlich auch der Palliativmedizin und ihres Fachverbandes gegründet, die kontinuierlich seit Jahrzehnten gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration an der Verbesserung der Sterbebegleitung in Hessen arbeiten. Zum gleichen Zeitpunkt haben wir ein Konzept zur Verbesserung der Sterbebegleitung in Hessen erarbeitet und die Fachtagungen dazu organisiert.

Ein wesentlicher Meilenstein in der Stärkung der hessischen Hospizbewegung war die Einrichtung der Koordinierungs- und Ansprechstelle für Dienste der Sterbebegleitung und Angehörigenbetreuung. Wir fördern als Land dieses niederschwellige Angebot. Wir tun dies, weil wir wissen, dass das Ehrenamt das Hauptamt zu seiner Unterstützung braucht. In den inzwischen über 100 Hospizinitiativen im Land engagieren sich sehr viele Menschen ehrenamtlich. Ihnen gebührt unser Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Inzwischen haben wir in Hessen fast flächendeckend Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und drei Teams zur ambulanten Versorgung von sterbenskranken Kindern und Jugendlichen im Aufbau. Diese drei Kinderpalliativteams unterstützen wir mit einer Anschubfinanzierung und setzen dies gerade um.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dem Konzept der Hessischen Landesregierung zur Verbesserung der Sterbebegleitung liegt der Grundsatz „ambulant vor stationär“ zugrunde. Dies entspricht auch fast immer den Wünschen der Menschen; sie möchten zu Hause sterben. Die Angebote der ambulanten Hospizinitiativen und

die inzwischen aufgebauten Strukturen der allgemeinen und spezialisierten ambulanten Palliativversorgung unterstützen Sterbende und ihre Angehörigen dabei.

Natürlich muss es auch Alternativen zum Sterben in der Häuslichkeit geben. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen für ein würdevolles, gut begleitetes Sterben in bestehenden stationären Einrichtungen weiter verbessern.

Herr Minister, Sie haben die Fraktionsredezeit erreicht.

Ja, ich brauche noch zwei Minuten.

Aus diesen Überlegungen heraus sind stationäre Hospize entstanden. Wesentlich ist allerdings nicht der Ort, an dem ein Mensch stirbt, sondern die hospizliche Haltung, mit der er begleitet wird. Diese Haltung beinhaltet, dass jedem sterbenden Menschen sein individueller Tod zugestanden wird. Ehrenamtliche Hospizmitarbeiter und hauptamtliche Medizin, Pflege und Sozialberatung sowie spirituelle Begleitung können in einem gemeinsamen multiprofessionellen Ansatz und auf gleicher Augenhöhe im Interesse der sterbenden Menschen und ihrer Angehörigen zu einem würdevollen und schmerzfreien Lebensende beitragen.

Daher hat die Landesregierung das Ziel, die ambulanten Strukturen der hospizlichen Begleitung und Palliativversorgung zu stärken und die hospizliche Haltung in allen stationären Einrichtungen zu verankern, in denen Menschen leben und sterben.

Wir müssen gemeinsam aber auch darauf achten, dass es keine Verschiebung gibt, die das Sterben und den Tod weiter ausgrenzen könnte. Deshalb nehme ich mir auch die Zeit, darüber an dieser Stelle zu reden.

Mein Appell an alle politisch Verantwortlichen in Hessen ist: Denken Sie beim Wort Hospiz nicht in erster Linie an eine stationäre Einrichtung; denken Sie an eine Haltung. Genau das ist mit diesem Wort gemeint.

Wenn wir auch längst nicht alles erreicht haben, was wir zur Verbesserung der Sterbebegleitung brauchen und was notwendig ist, sind wir in Hessen sehr gut aufgestellt. Ich habe ganz bewusst die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen unterzeichnet, um damit ein Bild nach außen zu geben.

Es kann natürlich auch nicht sein, dass in einer Regierungserklärung an einer ganz aktuellen Diskussion vorbeigegangen wird, die sich zum Thema Sterbehilfe bzw. assistiertem Suizid befasst. Aus meiner Sicht müssen wir diese Debatten als Herausforderung annehmen.

Viele, die bei Umfragen in Deutschland eine aktive Sterbehilfe fordern, sind möglicherweise – so meine Einschätzung – über die faktischen Möglichkeiten und die rechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit Sterbebegleitung nicht ausreichend informiert. Da haben wir alle gemeinsam noch viel zu tun.

So, wie die Debatte im Deutschen Bundestag auch von persönlichen Einschätzungen geprägt gewesen ist, will ich das an dieser Stelle sehr deutlich als persönliche Einschätzung sagen. Ich bin der Überzeugung, dass der Ruf nach aktiver Sterbehilfe vielen Ängsten geschuldet ist: der

Angst vor Vernachlässigung, vor Respektlosigkeit, vor Schmerzen, vor anderen körperlichen Beschwerden oder vielleicht der Angst, anderen zur Last zu fallen.

Diesen Ängsten können wir aus meiner persönlichen Sicht nicht mit aktiver Sterbehilfe oder assistiertem Suizid begegnen. Vielmehr brauchen wir die Umsetzung neuer Konzepte zum Wohnen im Alter, die Wiederbelebung und Stärkung der Nachbarschaftshilfe, generell eine sorgende Gesellschaft, in der wir untereinander Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber damit muss sich jeder selbst auseinandersetzen und seinen Beitrag dazu leisten. Wir sind allerdings als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aufgefordert, dies nicht zu verschweigen, sondern in den Mittelpunkt zu stellen. So will ich hervorheben, dass ich einen weiten Bogen im Rahmen der Gesundheitspolitik gezogen habe, um zu verdeutlichen, dass für die Hessische Landesregierung Gesundheit weit mehr bedeutet als die Gewährleistung umfassender medizinischer Versorgung.

Unser Ansatz umfasst gute Arbeitsbedingungen, medizinische Vorsorge, gesundheitliche Aufklärung und Bildung für Menschen jeden Alters. Deshalb haben wir im Sozialbudget alles fest eingeplant, was mit der gesundheitlichen Versorgung zu tun hat, um dies in Zukunft verstärkt nach vorne zu führen.

Wir werden Prävention und Gesundheitsförderung flächendeckend ausweiten, Kommunen stärker einbeziehen, die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung weiterentwickeln.

Wir werden die großen Volkskrankheiten wie Diabetes und Rheuma sowie Krankheitsbilder wie beispielsweise Aids stärker in den Blick nehmen und Konzepte erarbeiten, wie wir diesen Krankheiten begegnen können – nicht nur im kurativen Bereich, sondern auch im präventiven Bereich.

Wir werden die Hessische Landesstelle für Suchtfragen, die erstmals in einem Koalitionsvertrag erwähnt worden ist, stärker in die Arbeit mit denjenigen, die abhängig sind, aber auch mit denjenigen, für die wir präventiv arbeiten, einbeziehen.

Wir werden die Aspekte zur Förderung maßgeblicher Gesundheitsförderung und des Gesundheitsmanagements in den Fokus rücken. Ich stelle noch einmal die Gesundheitsreporte heraus. Ich stelle heraus, dass Patientensicherheit für uns ein hohes Gut ist und erstmals ein eigenes Referat Patientensicherheit eingerichtet worden ist. Beispielsweise läuft seit Juli dieses Jahres zusammen mit der Krankenhausgesellschaft eine Analyse des Iststandes anhand einer Umfrage zu Ergebnissen von Risikomanagement und Qualitätssicherheit in den hessischen Krankenhäusern. 89 Krankenhäuser nehmen teil.

Die Ergebnisse werden umgesetzt werden, damit Patienten auch in Zukunft sagen können, sie sind in Hessen gut aufgehoben, wenn sie in Not sind, wenn sie Hilfestellungen brauchen. Gemeinsam mit den Menschen, die in Hessen für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsvorsorge sorgen, setzen wir als Landesregierung die Rahmenbedingungen. Bei allem Streit in der Sache muss uns allen die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger am Herzen liegen.

Menschen, die erkrankt sind, zu helfen und ihnen die bestmögliche Medizin zu gewähren – das muss unser Ziel sein. Wir können stolz auf das sein, was wir gemeinsam mit den vielen Ärztinnen und Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern und allen in der Gesundheitsbranche Tätigen in unserem Hessen erreicht haben. Das werden wir aufrechterhalten und unsere erreichten Standards in die Zukunft tragen. Ob bei der Bekämpfung einer Grippe bis hin zur Weltklassemedizin bei Ebola – wir haben alles in Hessen zu bieten. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Dr. Spies für die Fraktion der SPD. 31 Minuten, also eine mehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der gesundheitlichen Versorgung ist allerdings eine der herausragenden Aufgaben der Politik und des Staates. Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir uns dieser Aufgabe angemessen, ernsthaft und wirksam stellen. Umso bedauerlicher ist es, dass sich diese Regierungserklärung in die lange Reihe der Regierungserklärungen der Belanglosigkeiten und Selbstbeweihräucherungen einreiht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Trivialität dieser Regierungserklärung und das allenfalls Touchieren relevanter Fragen sind allerdings eine Zumutung sowohl für die Zuhörer als auch für die Menschen, die von dieser Regierung etwas erwarten,

(Zurufe von der CDU: Ah!)

und auch für den Hessischen Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss ja sagen: Herr Staatsminister, Sie verdienen Respekt, dass Sie sich angesichts der überschaubaren Erfolge, aber auch Ihrer überschaubaren Ambitionen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine solche Regierungserklärung trauen. Ich hätte gedacht, Sie warten bis Dezember, bis all das, was in Berlin gerade verhandelt wird, von Ihnen als Ihre Leistung verkündet werden kann. Dass Sie das versäumt haben, ist verwunderlich.

Aber wir werden auf die Details im Folgenden noch eingehen. Jedenfalls bleibt festzuhalten, in Fragen der ambulanten Versorgung hat diese Regierung nichts beizutragen. Der ärztliche Notdienst war Ihnen keine Erwähnung wert.

(Beifall bei der SPD)

Die Situation der Krankenhäuser in Hessen wird von Ihnen verschärft, statt dass sie erleichtert wird. Und das Thema Prävention haben Sie nur am Rande bemerkt. An der Stelle will ich schon jetzt sagen: Herr Staatsminister, ich komme noch einmal darauf zurück.

In diesem Land leben arme Menschen elf Jahre kürzer als reiche. Das war in der Regierungserklärung des Sozialministers keiner Erwähnung wert. Herr Staatsminister, ich finde das erschütternd.

(Beifall bei der SPD)

Insofern kann man eine solche Regierungserklärung allerdings dann geben, wenn man alle spannenden und kritischen Punkte ausblendet und sich auf eine oberflächliche Aufzählung vermeintlicher Leistungen beschränkt.

Meine Damen und Herren, worüber reden wir, wenn wir über die Verantwortung des Landes in der Gesundheitspolitik sprechen? – Die Sicherung der Gesundheit und die Versorgung der Menschen sind ein öffentlicher Auftrag. Sie gehören zu den vornehmsten Staatsaufgaben. Das ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung. Immer bleibt eine Letztverantwortung der Politik. Daraus kann sich auch diese Landesregierung nicht davonstehlen, auch wenn sie es immer wieder versucht.

Wir können das an vielen Beispielen feststellen. Die Finanzierung wird von der mittelbaren Staatsverwaltung, nämlich den Körperschaften öffentlichen Rechts, den gesetzlichen Krankenkassen, wahrgenommen. Die ambulante Versorgung ist einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übertragen. Das ist eine Form mittelbarer Staatsverwaltung. Denn das ist eine öffentliche Aufgabe.