Protocol of the Session on November 4, 2014

Die Ankündigung, die Beamtenbesoldung zu deckeln, ist die Fortsetzung der brutalstmöglichen Politik eines Roland Koch. Die Gewerkschaften haben es mit ihren Forderungen an den Landeshaushalt gestern schon deutlich gemacht: Wenn Schwarz-Grün es wahr macht, die Beamtenbesoldung zu deckeln, dann steht auch das Streikrecht für Beamte auf der Tagesordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch ganz klar, dass Schwarz-Grün mit dieser Politik auch juristisch auf sehr dünnem Eis steht, wenn man sich die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts in NordrheinWestfalen ansieht. Das gilt auch für die beabsichtigte Kürzung bei den Beihilfen.

Wir jedenfalls werden immer wieder die Tarif- und Besoldungspolitik dieser Landesregierung auch hier im Hause zum Thema machen; denn wir sind der Auffassung, dass dieses Land einen funktionierenden öffentlichen Dienst braucht und dass dafür auch genug Geld in diesem Land vorhanden ist.

Mit Blick auf die Einnahmesituation könnte man es sich als Oppositionspolitiker leicht machen – so etwa wie Herr Kollege Kaufmann noch im Jahr 2012 bei der Einbringung des Doppelhaushaltes. Damals sagten Sie, Herr Kaufmann – ich zitiere Sie noch einmal –:

Im Jahr 2013 wollen der Finanzminister und die Regierungsmehrheit nach den vorgelegten Haushaltsdaten Mehreinnahmen in Höhe von 1.068 Millionen € – in bereinigter Form – erzielen. … die Nettokreditaufnahme soll aber nur um 159 Millionen € sinken. Das heißt, 85 % dieser stattlichen Mehreinnahmen geben Sie unter anderem für Ihre Wahlgeschenke aus. Das kann man, selbst bei allerbestem Willen, nun wahrlich nicht „Konsolidierung“ nennen.

Herr Finanzminister, das ist so was von eindeutig die Fortsetzung des Verschuldungskurses.

Im zweiten Jahr des vorgelegten Doppelhaushalts sind es noch einmal 877 Millionen € Mehreinnahmen, von denen Sie wiederum nur 293 Millionen € – immerhin schon fast ein Drittel – zur Reduzierung der Neuverschuldung verwenden wollen. Die übrigen zwei Drittel dieser Mehreinnahmen gehen aber wieder für Mehrausgaben drauf.

Nun, meine Damen und Herren, wollte man dieses Spiel so weiter treiben wie Herr Kaufmann 2012, dann könnte man jetzt feststellen, dass die bereinigten Einnahmen 2015 um 1,1 Milliarden € höher liegen als noch in diesem Jahr. Die Nettoneuverschuldung soll aber nur um 230 Millionen € sinken.

Herr Kaufmann, offensichtlich ist es nicht so einfach mit der Haushaltskonsolidierung, wie Sie gedacht haben, und Ihr Argument von damals war und ist falsch.

Es ist ganz klar: Tatsächlich reicht der stete konjunkturund inflationsbedingte Anstieg der Steuereinnahmen nicht aus, um die Nettoneuverschuldung nachhaltig zu senken, weil die Ausgaben des Landeshaushaltes zwangsläufig

eben auch steigen. Das kennt übrigens jede schwäbische Hausfrau. Diesen Effekt nennt man Inflation.

Wer wirklich Haushalte nachhaltig konsolidieren will, der hat zwei Möglichkeiten. Die eine ist die, den öffentlichen Dienst zu schröpfen, die Kommunen auszubluten, die Infrastruktur verkommen zu lassen und letztlich den Staat handlungsunfähig zu machen. Die schwarze Null im Haushalt wird dann aber auch gleichbedeutend sein mit einem Land, in dem das demokratische Gemeinwesen zerstört wird. Der andere Weg wäre es, die Einnahmeverantwortung des Landes ernst zu nehmen.

Der Landeshaushalt im Regierungsentwurf weist eine Neuverschuldung in Höhe von 730 Millionen € auf. Allein die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, und da spreche ich von einer Vermögensteuer von nur 1 %, würde – so hat das ver.di errechnet – dem Land Hessen nach Länderfinanzausgleich über 1,5 Milliarden € einbringen.

Mit anderen Worten: Allein der Verzicht auf die Vermögensteuer verhindert, dass in Hessen erstens über eine Dreiviertelmilliarde Euro mehr für Soziales, Bildung und Ökologie ausgegeben werden kann und zweitens dennoch keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden müssten.

Meine Damen und Herren, wenn Sie unbedingt die Schuldenbremse einhalten wollen, dann setzen Sie sich endlich für die Wiedererhebung der Vermögensteuer ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Davon hätten dann auch die Kommunen etwas. Wir wollen die kommunale Struktur stärken. Die Kommunen brauchen genügend Geld, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

Kindertagesstätten und Schulen, Weiterbildung, Betreuung von Flüchtlingen, der öffentliche Nahverkehr und die Wasserversorgung, Kultur und Sport – das alles und noch viel mehr gehört in den Aufgabenbereich der Kommunen. Jedoch ist ihre Finanzausstattung unzureichend. Fast alle Kommunen sind strukturell unterfinanziert.

Verantwortlich für die Fehlentwicklung ist die Landespolitik. Die Kürzungslisten der freiwilligen Leistungen der Kommunen werden immer länger. Der Unmut vor Ort nimmt zu.

Die Bürger sind zunehmend empört über die Schließung von Schwimmbädern, Bibliotheken, Kultureinrichtungen und sozialen Angeboten. Jugendhäuser, Altenbegegnungsstätten und Volksbildungseinrichtungen sind für das Zusammenleben und die Integration in den Kommunen überlebenswichtig.

Art. 59 der Hessischen Verfassung sagt:

In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich.

Das sollten wir auch für die Weiterbildung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge gelten lassen. In diesem Bereich müssen die Volkshochschulen in die Lage versetzt werden, die Angebote für die Alphabetisierung wie auch für die politische und kulturelle Bildung nachhaltig zu entwickeln.

Flüchtlinge brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Bildung, Betreuung und gesundheitliche Versorgung. Für die Integration von Flüchtlingen – wir wissen, dass durch die aktuellen Kriege der Zustrom wachsen

wird – müssen den Kommunen deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, als Sie das vorsehen.

Zumindest hätten die Kommunen von substanziell besserer Finanzausstattung mehr als von einem Schutzschirm, der sie zwingt, nur noch zu entscheiden, welche öffentliche Leistung sie zuerst einschränken und in welchen Stufen sie die Grundsteuer in den nächsten Jahren anheben werden.

Die kommunalfeindliche Politik der Vergangenheit zeigt jedenfalls Wirkung, und ich sehe nicht, das Schwarz-Grün daran etwas ändert – ganz im Gegenteil. Jede fünfte Kommune plant nach der Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, die Grundsteuer in den kommenden zwei Jahren zu erhöhen. Das trifft zunächst den Hauseigentümer, aber am Ende auch den Mieter, da dadurch die Nebenkostenabrechnung steigt.

Die Einnahmen der hessischen Städte legen besonders deutlich zu. Im vergangenen Jahr erreichten die Kommunen in dem Bundesland für die Grundsteuer B einen Zuwachs von 8 %. Das ist das höchste Einnahmeplus in Deutschland.

So geht es dieses Jahr auch weiter. Die Grundsteuergebühr B wurde seit Jahresbeginn in 212 Städten und Gemeinden erhöht und damit in jeder zweiten hessischen Kommune. Vor zwei Jahren lag der Landesdurchschnitt noch bei 289 %, jetzt sind es schon 349 %.

Meine Damen und Herren, diese Zahlen machen deutlich, die Schuldenbremse wird vom Land auf die Kommunen abgewälzt. Dort werden dann ausgerechnet die Mieter überproportional mehr belastet, die es sich am wenigsten leisten können. Diese Einnahmen bezahlen Rentner, Arbeitslose und Studierende, nicht aber die Banker im Speckgürtel von Frankfurt oder die Konzerne, die Jahr für Jahr Milliardengewinne vermelden.

Gleichzeitig steigen die Kita-Gebühren in den Kommunen, und öffentliche Einrichtungen werden geschlossen. Es gibt in Hessen Landkreise, da muss einem bei der Frage angst und bange werden, ob bald überhaupt noch alle Kinder in der Schule schwimmen lernen. Diese Schuldenbremse ist alles andere als generationengerecht. Sie ist unsozial.

(Beifall bei der LINKEN)

Daran ändert auch das Sozialbudget, das nun endlich im Haushalt steht, nichts. Lange angekündigt, noch länger gefordert, kommt nun endlich so etwas wie das Sozialbudget. Wenngleich man doch feststellen muss, dass auf den zweiten Blick Maßnahmen zu dem Paket hinzugezählt werden, die nicht neu sind, sondern bereits im letzten Haushalt ausgewiesen waren – dies allein, damit die im Koalitionsvertrag vereinbarte Summe zustande kommt.

Dabei wäre deutlich mehr Spielraum in diesem Landeshaushalt, wenn man sich wenigstens die Luftnummer Kassel-Calden gespart hätte. Mir fiele auch anderes ein, was man sparen könnte, beispielsweise den Verfassungsschutz.

(Horst Klee (CDU): Ha!)

Aber das zarte Pflänzchen Sozialbudget ist auch der einzige Lichtblick in diesem Haushalt. Da können Sie sich noch so sehr rühmen, dass die Hochschulen mehr Geld bekommen, weil der Bund die BAföG-Mittel den Ländern zuspricht. Es ist ja richtig, dass dieses Geld im Bildungssystem bleibt. Allerdings ist das nicht Ihr Verdienst.

Vielmehr muss man sich fragen, was denn passiert wäre, wenn der Bund diese Mittel nicht zur Verfügung gestellt hätte. Die Antwort wäre doch gewesen, dass die Hochschulen eben nicht mehr Geld bekommen und die Mittel faktisch weiter sinken, weil Tarif- und Besoldungserhöhungen nicht voll ausfinanziert werden und die Zahl der Studierenden weiter steigt.

In diesem Jahr können sich die hessischen Hochschulen noch über die Bundesmittel glücklich schätzen, aber nicht darüber, dass Schwarz-Grün in Hessen ihnen mehr Geld zur Verfügung stellt; denn es gibt keine zusätzlichen Landesmittel.

Ähnlich auch bei der viel beschworenen Verbesserung bei der Inklusion. Dafür sind im Haushalt zusätzlich 30 Stellen vorgesehen. Diese 30 Stellen sind kaum ein Tropfen auf den heißen Stein, und Hessen bleibt damit weit davon entfernt, die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen. Bei 1.800 allgemeinbildenden Schulen stellen Sie mit diesen 30 Stellen nur sicher, dass Hessen weiter einen der letzten Plätze bei der Inklusion behalten wird.

Aber es reicht nicht aus, den ohnehin niedrigen Standard der hessischen Schulen zu behalten. Die sogenannte demografische Rendite, die Sie in den Schulen lassen wollen, ist doch tatsächlich bereits vielfach versprochen worden. Substanziell besser geworden ist die Situation davon allerdings nicht. Wer sich auf den Weg machen will, eine Schule für alle zu bauen, der wird mehr tun müssen, als den Status quo zu halten.

Viel schwerer als die vermeintlichen Wohltaten dieser Landesregierung wiegt aber, dass sie bei der Besoldungserhöhung an den Bediensteten des Landes kürzen und auch noch mit einem Stellenabbauprogramm für den Haushaltsausgleich sorgen will. Wie das gehen soll und welche Aufgaben dann demnächst nicht mehr erfüllt werden, dazu sagt diese Landesregierung aber nichts.

Ob dann demnächst weniger Beamte bei der Polizei im Streifendienst sind oder wie sich der Personalabbau in diesem Bereich auswirken wird, können wir nur ahnen. Denn weniger Personal heißt auch immer, dass Arbeit nicht gemacht werden kann. Gerade im öffentlichen Dienst hat Arbeitsverdichtung längst ihre Grenzen erreicht, alles andere ist Gerede.

Gerede ist auch, was wir beim Länderfinanzausgleich erleben. Hier waren sich CDU und GRÜNE im Kern immer einig, dass nämlich die Bundesländer mit weniger Steuereinnahmen endlich noch weniger Geld aus Hessen bekommen könnten. Als Marxist sehe ich eine Situation bestätigt, dass nämlich die Klassenfrage von rechts immer zur Frage einer nationalen oder regionalen Situation umgedeutet wird.

(Holger Bellino (CDU): Ein bekennender Marxist, hört, hört! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Natürlich.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Jetzt tun Sie mal nicht so überrascht! – Zurufe von der CDU)

Hatten Sie daran gezweifelt, oder?

(Heiterkeit bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Ich dachte, Sie würden demokratischen Sozialismus – –)

Es gibt keine Zwiegespräche. – Herr van Ooyen, Sie haben das Wort.

Danke schön. – So war es auch zu verstehen, als die CDU fragte, ob die Mitglieder der SPD Hessen oder Genossen seien. Dabei macht Ihnen vielleicht eines deutlich, worum es beim Länderfinanzausgleich wirklich geht. Es geht nämlich um die Umverteilung zwischen Arm und Reich.