Protocol of the Session on October 16, 2014

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Es darf doch niemals zur Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens werden, ob es jemanden trifft, dem es finanziell gut oder anschließend schlecht geht. Das darf es doch in einem Rechtsstaat nicht geben. Bei dem Schaden, der hier zweifelsohne eintreten wird, muss man sich schon fragen, wer ihn zu verantworten hat. Dieser materielle Schaden trifft nicht den Landkreis. Da sehe ich vielmehr das Land in der Schadenersatzpflicht. Die Ursache für diesen materiellen Schaden liegt nämlich in dem Fehler des von der CDU – von Frau Puttrich – geführten Umweltministeriums.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Angesichts der Aneinanderreihung von Fehlleistungen der Staatsministerin Puttrich in ihrer damaligen Funktion darf man sich mittlerweile fragen: Ist sie heute in einer Position, in der sie keinen Schaden mehr anrichten kann?

(Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Oder: Ist Frau Puttrich als Staatsministerin für die Bundesangelegenheiten eigentlich noch tragbar? Diese Fragen muss man stellen.

Frau Kollegin Löber hat darauf hingewiesen: Wenn Sie heute dieses Gesetz verabschieden, zu dem die FDP ihre

Zustimmung nicht geben wird, dann ist der Weg zum Staatsgerichtshof beinahe programmiert.

(Zurufe der Abg. Holger Bellino (CDU) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir müssen uns als Parlamentarier fragen, ob das, was wir tun, nicht zu einem Normenkontrollverfahren führt. So viel zu unserem Abstimmungsverhalten.

Ich kann Sie eigentlich nur noch eindringlich bitten, von diesem Gesetzgebungsverfahren Abstand zu nehmen. Dazu haben wir die Staatsministerin in einem Anschreiben noch einmal aufgefordert. Ich befürchte allerdings, dass das so ausgehen wird wie das Hornberger Schießen und dass Sie sich auf ganz dünnes rechtliches Eis begeben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Frau Abg. Schott.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen erwarten von diesem Haus, dass es heute seine Zustimmung zu einem Gesetz gibt, von dem niemand hier weiß, ob es tatsächlich rechtsstaatlichen Kriterien entspricht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

Wir sollen hier etwas machen, von dem alle Beteiligten wissen, dass es hoch zweifelhaft ist, und von dem uns im Ausschuss bereits gesagt worden ist, dass es beklagt werden wird.

Unter anderem fiel der Satz: Dann werden wir ja sehen, wie die Gerichte entscheiden. – Das heißt, die Gesetze, insbesondere der Gesetzentwurf, den wir hier vorgelegt bekommen haben, sind ein bisschen wie ein Pokerblatt: Es könnte sein, dass es rechtens ist, es könnte aber auch sein, dass es nicht rechtens ist. Ich finde, das hat sehr viel von Willkür.

Wir sollten hier in der Lage sein, so zu arbeiten, dass wir alle guten Gewissens sagen können: „Wir sind für dieses Gesetz“, oder: „Wir sind aus politischen Gründen gegen dieses Gesetz.“ Aber wir sollten nicht sagen müssen: „Wir wären zwar für dieses Gesetz, aber leider haben wir rechtliche Zweifel daran, dass dieses Gesetz in Ordnung ist.“ Das ist eines Parlaments nicht würdig.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es ist völlig klar – da gibt es keinen Zweifel –, dass dagegen geklagt werden wird. Die Ankündigung steht bereits im Raum. Der Klägervertreter hat uns auch ausführlich erklärt, warum. Er hat sehr kluge Argumente dafür gebracht. Es gab Gegenargumente, unter anderem: Es kann sein, dass noch ganz viele Klagen anhängig sind. – Diese Mär ist bis zur letzten Minute aufrechterhalten worden, nämlich bis die Vertreter des Hessischen Städtetags und des Hessischen Landkreistags sagen mussten: „Es ist uns keine weitere Klage bekannt“, und uns erklärt werden konnte, dass all die Bescheide, die es bereits gibt, in der Zwischenzeit

Rechtskraft erlangt haben, man also nicht mehr gegen sie klagen kann.

Allein den Versuch, uns fehlzuinformieren – ich muss sagen, es ist der Versuch, uns fehlzuinformieren –, finde ich schändlich. Es kann doch nicht sein, dass wir ein Einzelfallgesetz mit rückwirkender Geltung machen, obwohl wir wissen, es steht auf ganz dünnem Eis.

Es gab am Anfang den Ansatz, zu sagen: Es besteht Zeitdruck, und es gibt die Chance, zu verhindern, dass der Landkreis Bergstraße tief in die Tasche greifen muss oder dass am Ende das Land dazu verurteilt wird, für den Landkreis Bergstraße in die Tasche zu greifen. – Aber der Zeitdruck ist in der Zwischenzeit weg; denn die Urteile sind alle längst gefällt worden, und die Ebene, auf der sich das juristisch befindet, bedeutet, dass wir jetzt Zeit hätten. Also könnten wir doch in ein ordnungsgemäßes Verfahren eintreten. Aber auch das ist nicht angesagt.

Die Vorgängerregierungen haben hier jahrelang Murks gemacht, und der Murks soll jetzt fortgesetzt werden. Wenn Sie, die Herrschaften von den Regierungsfraktionen, meinen, dass Sie das tun müssen, dann tun Sie es. Aber den Tag, an dem die Presseerklärungen kommen, dass gegen das Gesetz geklagt wird, kann man schon jetzt voraussehen. Es tut mir für dieses Land leid, wenn wir dieses Gesetz heute hier beschließen, nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Form, die einfach angreifbar und juristisch nicht sauber ist. Das ist unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Abg. Feldmayer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir treten heute in die dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Gebührenrechts im Bereich der Hygiene bei der Gewinnung von Frischfleisch ein. Ich finde, das ist ein ganz normales, ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren. Wer jetzt, wie die Kollegin Schott und der Kollege Lenders, sagt, das sei kein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren, hat irgendetwas nicht verstanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der FDP)

Vorangegangen ist dieser Lesung auf ausdrücklichen Wunsch der FDP und der SPD eine öffentliche Anhörung zu dem Thema. Warum Sie uns wegen der Terminfindung angreifen – weil die Anhörung kurzfristig angesetzt war –, verstehe ich auch nicht. Wir sind nämlich im Ausschuss wirklich auf Sie zugegangen. Wir haben versucht, einvernehmlich ein Verfahren und einen Termin zu finden.

(Zuruf von der CDU: Genau so war es!)

Alle haben das Verfahren noch in der Ausschusssitzung gelobt. Die Öffentlichkeit war nicht zugelassen, als wir das Verfahren gelobt haben. Wir haben uns darauf geeinigt, wie die Anhörung laufen soll. Wir haben uns auf den Termin geeinigt, und jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen, das alles sei im Schweinsgalopp geschehen, das sei nicht

verabredet gewesen. Meine Damen und Herren, das stimmt einfach nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der FDP)

Jetzt möchte ich noch einmal auf die Anhörung – deswegen haben wir sie durchgeführt – zu sprechen kommen. In dieser Anhörung haben wir etwas Erstaunliches gehört. Diese Anhörung hat für uns andere Ergebnisse gezeitigt als für Sie. Ich glaube, das ist nicht erstaunlich.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

In der Anhörung waren die Vertreter der betroffenen Parteien anwesend. Die waren selbstverständlich gegen die Verabschiedung dieses Gesetzes. Ich glaube, das war keine Überraschung. Ein Vertreter des Hessischen Städtetags war anwesend. Auf die Frage der Kollegin Dorn, warum der Gesetzentwurf in der jetzigen Form abgelehnt wird, hat er folgende Antwort gegeben – das war klar –: weil keine Städte betroffen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Florian Rentsch (FDP): Falscher Tagesordnungspunkt!)

Ein anderer Punkt. Der Vertreter des Hessischen Landkreistags hat auch noch einmal darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass dieses Gesetz jetzt kommt. Er hat auf die Rückwirkung hingewiesen und gesagt, er begrüßt dieses Gesetz ausdrücklich. In dem betroffenen Landkreis wird das selbstverständlich ebenfalls begrüßt. Für uns ist das keine Überraschung, für Sie wahrscheinlich auch nicht.

Aber interessant war, was der Vertreter des Hessischen Landkreistags, an Herrn Hahn gerichtet, gesagt hat, der in dieser Anhörung die FDP vertreten hat. Der Vertreter des Landkreistags hat darauf hingewiesen, dass er Herrn Hahn und das Justizministerium schon vor längerer Zeit, nämlich als Herr Hahn noch als Minister im Amt gewesen sei – aha, aha –, auf die Problematik aufmerksam gemacht habe. Es sei aber nichts aus dem Justizministerium gekommen. Herr Hahn habe gesagt, das sei alles viel zu kompliziert, und deswegen sei in dieser Richtung nichts passiert. So war das unter Minister Hahn. Das wurde in der Anhörung deutlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – René Rock (FDP): Ach, das ist doch kindisch!)

Wenn man sich diese Anhörung vergegenwärtigt, muss man sagen: Das ist äußerst peinlich für Sie angesichts dessen, dass Sie jetzt darauf hinweisen, es sei so lange nichts getan worden, es sei alles verschlafen worden.

Im Prinzip sind wir alle für gute Hygienekontrollen in den Schlachthöfen. Wir sind auch dafür, dass die Landkreise in der Lage sind, die Veterinärkontrollen gut durchzuführen. Ich glaube, wir sind auch alle dafür, dass das für die betroffenen Gebietskörperschaften auskömmlich ist und dass sie jetzt nicht noch horrende Nachzahlungen leisten müssen.

Meine Damen und Herren in diesem Haus, darin müssten wir alle uns doch einig sein. Wir sollten uns nicht auf Rechtsfragen versteifen, die im Übrigen ausgeräumt worden sind. Eine rückwirkende Geltung ist möglich. Herr Schwarz hat das schon dargestellt. Das ist kein Einzelfallgesetz. Auch das wurde in der Anhörung deutlich. Der Vertreter des Hessischen Städtetags hat noch einmal darauf hingewiesen, dass auch andere Landkreise davon betroffen

sind und dass es da Probleme gibt. Von daher sind die Argumente, die Sie vorgebracht haben, völlig wirkungslos.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es geht uns selbstverständlich auch darum, dass wir die betroffenen Landkreise nicht im Stich lassen wollen. Es stehen hohe Schadenersatzzahlungen im Raum. Ich glaube, darum müssen wir uns kümmern. Wir müssen dafür sorgen, dass der Rechtsrahmen so erstellt wird, dass das alles juristisch haltbar ist. Wir wissen, dass wir vor Gericht und auf hoher See – wir GRÜNE sagen: teilweise auch auf Parteitagen der GRÜNEN – in Gottes Hand sind.

(Allgemeine Heiterkeit)

Selbstverständlich gibt es da ein Risiko. Die Gegenpartei hat schon angemeldet, dass sie klagen wird. Aber das wird uns nicht davon abhalten, zu sagen: Das ist richtig; die Gesetzesgrundlage muss hergestellt werden. Es ist inhaltlich richtig, dieses Gesetz zu verabschieden. – Wie gesagt, das alles ist in einem rechtsförmlichen Verfahren erfolgt. Es erschließt sich mir daher nicht, warum Sie davon sprechen, den Staatsgerichtshof anzurufen. Aber gut, bitte schön.

(Florian Rentsch (FDP): Das wäre aber gut!)

Ich finde jedenfalls das Verhalten, das Sie hier an den Tag legen, nicht verantwortlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)