Wir wollen mehr Möglichkeiten für längeres gemeinsames Lernen. Wir wollen Migrantinnen und Migranten besser fördern. Herr Schäfer-Gümbel, wir haben das große Ziel als schwarz-grüne Koalition, jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen, damit jeder junge Mensch im Anschluss an die Schule die Erfahrung macht: Ich werde gebraucht, ich habe eine Ausbildung, ich bin qualifiziert für den Arbeitsmarkt. – Wie kann man dann davon reden, wir würden uns nicht um soziale Gerechtigkeit in diesem Koalitionsvertrag kümmern?
Wir wollen einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen. Ich habe darüber gesprochen: Wir wollen die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, auf die teilweise angespannte Wohnraumsituation zu reagieren. – Und weil Sie es gefragt haben, sage ich es noch einmal: Wir wollen ein Tariftreue- und Vergabegesetz. – Ich kann nicht feststellen, wo sich dieser Koalitionsvertrag dem Thema soziale Gerechtigkeit nicht widmen würde, meine Damen und Herren.
Herr Schäfer-Gümbel, wir schätzen die soziale Kompetenz der SPD. Wir wissen auch, was die SPD in den 150 Jahren ihres Bestehens für soziale Gerechtigkeit, für kleine Menschen, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande getan hat. Aber ich habe eine herzliche Bitte: Bloß weil die SPD nicht an einer Regierung beteiligt ist, heißt das nicht zwangsläufig, dass diese Regierung keine soziale Politik macht, Herr Thorsten Schäfer-Gümbel.
Frau Wissler, bei den LINKEN ist immer alles einfach. Das würde ich nie bestreiten. So einfach wie Sie hätte ich es auch manchmal gern. Da bekenne ich mich schuldig.
Die Linkspartei sagt: Die GRÜNEN haben sich von der CDU beim Thema Flughafen über den Tisch ziehen lassen. – Und die SPD sagt: Beides stimmt irgendwie, Hauptsache, drauf auf die Regierung.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Lage könnte man vielleicht auf die Idee kommen, dass es CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gelungen ist, in dieser schwierigen Frage tatsächlich einen Kompromiss zu finden. Auf diese Idee könnte man dann ja kommen.
Es ist ein Kompromiss, der uns als GRÜNEN viel abverlangt. Wir wissen, dass sieben Stunden Lärmpause in der Nacht weniger sind als acht Stunden. Das ist uns sehr bewusst. Aber wir wissen eben auch, dass sieben Stunden mehr sind als sechs Stunden und dass es sich lohnt, für jede Minute Nachtruhe für mehr Lärmschutz für die Menschen in dieser Region zu streiten, meine Damen und Herren.
Wir stellen uns den Erwartungen der Menschen rund um den Flughafen, die mehr Schutz vor Fluglärm wollen. Wir suchen mit ihnen das Gespräch. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, eines geht nicht: Das ist, dass Sie als Ausbaubefürworterpartei uns vorwerfen, wir würden nicht genug für den Lärmschutz tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, das geht so nicht.
Sie waren immer glühende Befürworter der Nordwestbahn. Sie haben unsere Forderung nach einer Ausweitung des Nachtflugverbotes nie geteilt. Jetzt fangen Sie an, uns an etwas zu messen, was Sie nie wollten. Das ist Oppositionsrhetorik. Mit der Sache hat das nicht mehr viel zu tun.
Meine Damen und Herren der SPD, Sie sind eingeladen, mit uns gemeinsam an dem Ziel „sieben Stunden Nachtruhe“ zu arbeiten, wenn Sie es denn jetzt teilen. Das wird ein harter Kampf werden. Da werden viele Auseinandersetzungen zu führen sein. Es werden viele schwierige Gespräche zu führen sein.
Wir wüssten jetzt von Ihrer Seite einmal gerne: Sind Sie jetzt an unserer Seite, wenn es um mehr Lärmschutz geht, wenn es um sieben Stunden Nachtruhe geht, oder sagen Sie: „Das ist wirtschaftlich nicht zu verantworten“? Ich habe aus der Rede des Herrn Kollegen Schäfer-Gümbel nicht so genau heraushören können,
Damit sind wir bei spannenden Fragen: Wie wird es in diesem Hessischen Landtag in den nächsten Jahren sein? Wie werden sich die Fraktionen aufstellen? – Ich habe in groben Strichen erläutert, wie die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU dieses Land gestalten wollen, wie wir Hessen grüner und gerechter machen wollen.
Aber ich frage mich natürlich – auch das ist spannend –: Wie werden sich die Mitglieder der Opposition zu dieser lagerübergreifenden Koalition verhalten? – Ich habe in den Zeitungen gelesen, das sei die Olé-Opposition. Das ist nach den Farben der spanischen Fahne benannt: rot, gelb, rot. Es ist also die Olé-Opposition.
Herr Kollege Rentsch, wie wird das denn sein? Werden Sie der CDU in den nächsten Jahren vorwerfen: „Bloß weil ihr euch mit den GRÜNEN eingelassen habt, droht jetzt in Hessen der Niedergang des Kapitalismus, die CDU verrät die Interessen der Wirtschaft“? – Frau Kollegin Wissler von der Partei DIE LINKE, wie wird das sein? Werden Sie sagen: „Weil ihr GRÜNEN euch mit der CDU eingelassen habt, ist der Sozialismus in noch weitere Ferne gerückt“?
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wie wird das sein? Wie werden Sie sich zwischen diesen Kassandrarufen, „Niedergang des Kapitalismus“ auf der einen Seite und „Niedergang des Sozialismus“ auf der anderen Seite, verhalten? Werden Sie irgendwo dazwischen sein, einmal so und einmal so? Ich finde, das ist alles sehr spannend.
Ich kann nur eines sagen: Wenn es in diesem Hessischen Landtag so sein wird, dass die Mitglieder der FDP den Kapitalismus bedroht sehen und die Mitglieder der Partei DIE LINKE gleichzeitig den Sozialismus bedroht sehen, dann sind wir mit Schwarz-Grün auf einem verdammt guten Weg.
Wir sind für die bessere Idee, den klügeren Vorschlag und Alternativen offen. Ich glaube, diese lagerübergreifende Koalition bietet sehr viel Raum, Sachen neu zu denken und neue Vorschläge zu machen. Aber wir werden diese Vorschläge auch einfordern. Wir werden den neuen Stil selbst pflegen und von anderen erwarten. Wir wollen dann über konkrete Vorschläge und nicht mehr so sehr über Sprüche reden.
Auch das wäre ein Beitrag einer lagerübergreifenden Koalition für die politische Kultur, dass man sich nämlich im Hessischen Landtag wieder besser zuhört, dass entscheidend ist, was gesagt wird, und nicht mehr, wer es sagt, und dass wir im Landtag um Inhalte und nicht um Parolen streiten oder jahrzehntelang bestehenden Parteienstreit immer wieder neu aufbrühen. Das könnte eine Chance aufgrund dieser Koalition sein.
Wenn uns das alles gelingen wird, dann werden wir, so glaube ich, verdammt viel erreicht haben, auch für die politische Kultur in diesem Haus und in Hessen.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne: Es geht los, machen wir uns an die Arbeit. Packen wir es mit Volker Bouffier, Tarek Al-Wazir, dem gesamten Kabinett, mit den
Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und, ja, auch mit den Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn sie es denn wollen, an. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, man muss es erst einmal schaffen, so lange zu reden und dabei so wenig zu sagen.
Aber das passt zum schwarz-grünen Koalitionsvertrag: Viele drängende Themen werden vertagt, weil man sich nicht einigen konnte. Es ist ein Koalitionsvertrag im Konjunktiv. Etwa 50-mal kommt das Wort „prüfen“ vor. Es sollen Kommissionen ernannt, Konvente berufen und Gipfel abgehalten werden. Es soll einen runden Tisch zur Kinderbetreuung, einen Bildungsgipfel, einen Verfassungskonvent, eine Kommission „Hessen hat Familiensinn“, wie wir heute gehört haben, und einen Verkehrsgipfel geben.
Herr Ministerpräsident, nach den Erfahrungen mit dem Energiegipfel sage ich Ihnen jetzt schon: An Alibiveranstaltungen, die einzig dazu dienen, der Landesregierung das Mäntelchen der Partizipation und der Dialogfähigkeit umzuhängen, werden wir uns nicht beteiligen.
Das wird alles Geld kosten. Vor allem wird es auch Lebenszeit kosten, ähnlich wie es im Übrigen bei überlangen, nichtssagenden Regierungserklärungen der Fall ist.
Nun gibt es in Hessen die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem Flächenland. Herr Al-Wazir, dazu muss ich schon sagen: Es ist ein Treppenwitz, dass Sie landauf, landab im Wahlkampf erklärt haben: Wer DIE LINKE wählt, wacht mit Bouffier auf. – Jetzt sind Sie es, jetzt sind es die GRÜNEN, die sich in Hessen zum Steigbügelhalter für Bouffier und die hessische CDU gemacht haben.
Am 18. Januar 2013 haben die GRÜNEN Volker Bouffier zum Rücktritt aufgefordert. Am 18. Januar 2014 haben sie ihn zum Ministerpräsidenten gewählt. Ich glaube, das nennt man ein Rückgrat wie Wackelpudding.