Protocol of the Session on February 4, 2014

Entscheidend ist Folgendes: Tiere sind Lebewesen. Sie sind Mitgeschöpfe und keine bloßen Waren.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat Ihnen doch ein GRÜNER reingeschrieben! – Weitere Zurufe)

Es ist ja beglückend für mich, wenn die Kolleginnen und Kollegen der Opposition so heftig Beifall spenden. Das kostet zwar mehr Redezeit,

(Zurufe von der SPD)

aber Sie können es ganz oft machen. Lieber Herr Kollege Rudolph, Sie können jetzt stark und ständig applaudieren. Aber zurück zum Thema.

Tiere sind Mitgeschöpfe und keine bloßen Waren – das steht nicht nur in der Verfassung, das ist auch unsere Überzeugung.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Nicht zuletzt deshalb lehnen wir Patente auf Tiere und Pflanzen ab und wollen langfristig Tierversuche, wo immer möglich, durch alternative Verfahren ersetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist nur eine der Herausforderungen, vor denen wir in den kommenden Jahren stehen. Hessen verändert sein Gesicht. Die Gesellschaft wandelt sich in vielerlei Hinsicht: Sie wird bunter, sie wird älter, und es zieht die Menschen immer stärker in die Städte.

Einige sehen in diesem stetigen Wandel vielfältige Probleme, die der Staat mit Geld – übrigens dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – lösen soll. Wir sehen in diesen Veränderungen vielfältige Chancen, deren Wahrnehmung nicht immer Geld kostet.

Hessens Bürgerinnen und Bürger sind für die Landesregierung nicht nur Adressaten, sie sind Partner der Politik. Partner müssen mitreden, sich einmischen und mitgestalten können. Mit einer Heimat, die ich aktiv mitgestalten kann, identifiziere ich mich ganz anders, als wenn ich nur Adressat von Entscheidungen bin, die andere für mich treffen. Weil dies so ist und uns die Meinungen der Menschen wichtig sind, nehmen wir sie ernst. Deshalb haben wir vereinbart, die Voraussetzungen für Volksbegehren und Volksentscheide zu erleichtern.

Damit sich die Damen und Herren der Opposition gleich damit auseinandersetzen können: Runder Tisch zur Kinderbetreuung, Bildungsgipfel, Dialog über die Energiewende oder zum Lärmschutz am Frankfurter Flughafen – unser Land lebt vom Wettbewerb der Meinungen. Gemeinsam können wir kreativer sein und Lösungen entwickeln.

(Günter Rudolph (SPD): Es gibt auch noch den Landtag!)

Dieser Politikansatz ist nicht das Ausweichen oder gar das Verweigern schwieriger und notwendiger Entscheidungen, sondern es ist ein zusätzliches Einbinden der Bürgerinnen und Bürger in unsere gemeinsame Zukunftsgestaltung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnliches gilt für unsere Verfassung. Mit ihren 70 Jahren ist sie die älteste der Republik und gleichzeitig das Fundament für Frieden und Wohlstand in unserem Land. Doch die Zeit ist nicht stehen geblieben. Wir werden deshalb einen Verfassungskonvent einberufen, der auf der Basis der Enquetekommission, die in diesem Haus bereits vor Jahren Reformbedarf aufgezeigt hat, die Fragen beantworten muss: Was muss bleiben? Was soll, was muss nach sieben Jahrzehnten verändert werden?

Mit all diesen Maßnahmen – mit der breiten Beteiligung, auch der Bereitschaft zum Dialog und nie dem Verzicht auf Entscheidungen, aber zuerst dem Dialog – schaffen wir einen modernen Staat für engagierte Bürgerinnen und Bürger und die Voraussetzungen, dass aus einem häufigen Nebeneinander ein gelebtes Miteinander wird. Das ist es, was ich in diesem Lande will.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie wird unser Land in 20 Jahren aussehen? Wir können es natürlich nicht komplett überblicken. Aber was wir wis

sen: Es wird ein anderes Land sein – bunter und vielfältiger, mit mehr aktiven Älteren, aber auch mit einer rückläufigen Gesamtbevölkerung.

Diese Herausforderung wollen wir gemeinsam mit den betroffenen Kommunen angehen. „Zukunftsplan 2030“ lautet unser Dialogangebot. Zusammen mit den Kommunen wollen wir Konzepte entwickeln, um die Daseinsvorsorge vor Ort zu sichern, so pragmatisch und unbürokratisch wie irgend möglich.

Das Land ist bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten. Dazu verweise ich zum einen auf den Kommunalen Schutzschirm und den Kommunalen Finanzausgleich, der – man kann es gar nicht oft genug sagen – so hoch wie nie zuvor in der Geschichte dieses Landes ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahlungen des Landes werden sich künftig nicht nur im Hinblick auf das Urteil des Staatsgerichtshofs noch mehr am tatsächlichen Finanzbedarf der Kommunen orientieren müssen. Das bedeutet mehr Planbarkeit und höhere Verlässlichkeit. Dies wird zum Interessenkonflikt auch unter den Kommunen führen. Aber ich setze auf die Einsicht und die Kompromissfähigkeit aller Beteiligten.

Wir werden das Urteil des Staatsgerichtshofs so rasch wie möglich umsetzen, und wir werden weitere Verbesserungen für die Kommunen anstreben, beispielsweise mit einem neuen Krankenhauskonzept – ein Thema, das uns nachhaltig zu beschäftigen hat. Wir wollen auch die Fehlbelegungsabgabe wieder einführen, und wir werden mit einer Reform der Gemeindeordnung die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen behutsam ausbauen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, besonders wichtig ist: Auch durch unseren Einsatz konnten wir erreichen, dass zukünftig die Wiedereingliederungshilfen und die Grundsicherung im Alter vom Bund übernommen werden. Wir reden hier von der größten Entlastung, die die Kommunen seit vielen Jahren erfahren. Nach meiner Überzeugung bedeutet dies bereits in diesem Jahr für die hessischen Kommunen eine Entlastung von 240 Millionen €. In der Endausbauphase – so hat es die Große Koalition in Berlin vereinbart – werden es 600 Millionen € sein, die die hessischen Kommunen dadurch einsparen, dass der Bund diese Leistungen übernommen hat, und zwar jährlich. Dies ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Verbesserungen der kommunalen finanziellen Situation. Das enthebt uns nicht, unsere Anteile zu leisten; aber die Seriosität erfordert, dass wir anerkennen, dass sich der Bund in einer Aufgabe engagiert, die originär kommunale Aufgabe ist, aber die Kommunen überfordert. Deshalb war diese Entscheidung auch notwendig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt bemessen sich nicht nach der Höhe von Transferleistungen. Sozialer Frieden lebt besonders von denen, die mehr tun, als sie müssen, und vom Miteinander der Generationen.

Wir fördern mit einer Fülle von Initiativen das Zusammenleben von Jung und Alt und wollen unseren Seniorinnen und Senioren möglichst lang ein selbstbestimmtes Leben in Würde ermöglichen. Die Bürgerkampagne „Respekt“ – so nennen wir das – wird eine dieser neuen Initiativen sein. Bei aller Begeisterung für Zukunft: Respekt vor der Lebensleistung der Älteren ist und bleibt ein unverzichtbarer Pfeiler nicht nur wegen des Erfahrungsschatzes, sondern auch wegen der Gemeinsamkeit der Generationen und damit für eine zukunftsfähige Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ohne Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement und private Initiative ist eine Zukunftsgestaltung nicht möglich. Wer glaubt, der Staat könne Zukunft gestalten, wird sich immer wieder wundern, was da herauskommt: selten das, was noch so gut gemeint und politisch geplant war.

Deshalb wollen wir mit unserer Ehrenamtskampagne „Gemeinsam aktiv“ diese hervorragende Arbeit der über zwei Millionen Ehrenamtlichen in Hessen unterstützen. Ihr Einsatz ist der beste Beweis dafür: In Hessen zählt nicht der Ellenbogen, sondern tagtäglich das Miteinander. Dafür will ich an dieser Stelle all denen herzlich Danke sagen, die dieses Miteinander tagtäglich leben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diesen Sinn für Gemeinsinn wollen wir pflegen und von Generation zu Generation weitergeben. Mit unserer neuen Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ werden wir auch in Zukunft Impulse setzen und das Engagement für das Gemeinwohl fördern.

Wir wollen aber noch weiter gehen. Das Ehrenamt – davon bin ich überzeugt – muss Verfassungsrang bekommen. Das wird ein zentraler Baustein auch des Verfassungskonvents sein.

Wir haben uns darauf verständigt, auch in der Zukunft den Breiten- wie den Spitzensport zu fördern. Warum, meine Damen und Herren? Es gibt keine andere Form von Begegnung der Menschen, die so viel Miteinander, so viel Rücksichtnahme, aber auch Gemeinschaft schafft wie der Sport. Das ist der Grund, warum wir dies fördern, und das ist der gleiche Grund, warum wir nicht nur dem Sport, sondern auch den Feuerwehren und dem Katastrophenschutz eine Bestandsgarantie für eine Top-Ausstattung auf bisheriger Höhe geben. Ich bin zutiefst davon überzeugt: Dies ist nicht nur notwendig, es ist absolut richtig und auch ein wichtiges Signal für all die, die das machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt viele Menschen in unserem Land, die haben viel Geld und wenig Zeit. Es gibt umgekehrt aber auch Menschen, die wenig Geld und viel Zeit haben. Nun ist die spannende Frage: Können wir diese Zeit als Währung nutzen? Das ist der Kerngedanke, der hinter unserer neuen Ehrenamtsbörse mit dem Titel „Durchstarten mit 60“ steckt: Ich investiere heute Zeit für hilfsbedürftige Mitmenschen und erwerbe im selben Maß ein Guthaben, das ich abrufen kann, wenn ich selbst einmal Hilfe brauche. – Solidarität, die man nicht kaufen, aber durch eigenen Einsatz erwerben kann, das ist intelligente und nachhaltige Ehrenamtspolitik im 21. Jahrhundert.

Meine Damen und Herren, Hessen ist das internationalste Land der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind in der Mitte Europas. Wir haben einen Weltflughafen, die Europäische Zentralbank, die Bundesbank, das Finanzzentrum – das sind Leuchttürme, die international wahrgenommen werden, die unsere Attraktivität für Investitionen begründen und uns einzigartige Vorteile bieten, die wir wahrnehmen müssen.

Menschen aller Nationen sind bei uns willkommen. Zuwanderung ist eine Chance, die wir nutzen müssen. Aber wir verhehlen auch nicht die Herausforderungen, vor die sie uns stellt. Integration ist ein Prozess, der allen etwas abverlangt – denen, die hier leben, ebenso wie jenen, die zu uns kommen. Darum werden wir unsere Integrationspolitik mit einem hessischen Integrationsplan fortentwickeln.

Nachdem jahrelang ein Schwerpunkt darin lag, innovative Instrumente zur Integration von Migrantinnen und Migranten zu schaffen – mit großem Erfolg –, streben wir in den kommenden Jahren konkrete Integrationsverträge zwischen dem Land und zivilgesellschaftlichen Gruppen an. Die besondere Bedeutung der Integrationspolitik mit allen ihren Aspekten für die neue Landesregierung zeigt sich auch dadurch, dass künftig ein Staatssekretär für Integration und Antidiskriminierung zuständig sein wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In unseren Schulen, Vereinen und Unternehmen, angefangen von der Sprachförderung, der frühkindlichen Bildung über die Sozialarbeit bis hin zur Arbeitsvermittlung, wollen wir Integration durch Bildung und Ausbildung fördern. Der in der letzten Legislaturperiode eingeführte islamische Religionsunterricht ist ein weiteres Beispiel dafür. Ihn werden wir weiter bedarfsgerecht ausbauen.

Bei der interkulturellen Öffnung wird die Landesverwaltung mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Menschen mit Migrationshintergrund einstellen. Wir werden darüber hinaus auch eine Einbürgerungskampagne starten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern aber auch das ehrliche Bemühen um Integration von denen, die zu uns kommen. Dazu wollen wir alle erdenkliche Hilfe anbieten, etwa indem wir spezielle Integrationskurse einrichten. Die Hessische Integrationskonferenz werden wir zu einem regelmäßig tagenden Beratungsgremium der Landesregierung machen.

Wir wollen, dass auch Flüchtlinge eine humane Lebensperspektive und ausreichend Schutz finden. Dazu werden wir die Härtefallregelungen anpassen und mit entsprechenden Maßnahmen den zu uns kommenden Menschen den Start in einer neuen Umgebung erleichtern.

Internationalität und Weltoffenheit, das ist die eine Seite. Je weltoffener und internationaler eine Gesellschaft ist, desto wichtiger sind die eigenen kulturellen Wurzeln, um eigene Identität und Orientierung zu wahren. Hessen ist ein vielfältiges Kulturland. Allein die Welterbestätten, die von Kassel bis Lorsch über das ganze Land verteilt sind, sowie die reiche Museums-, Theater- und Opernlandschaft zeugen davon. Die Bandbreite kultureller Vielfalt in Hessen erstreckt sich von soziokulturellen Angeboten bis hin zum klassischen Heimatverein.

Über alles kann man sozusagen eine Formel packen: Kultur ist nicht Luxus für wenige, Kultur ist Lebenselixier für alle. So verstanden, ist es nicht das Sahnehäubchen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)