Protocol of the Session on July 16, 2014

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der eigenen Teilhabe an der Gesellschaft ist das Projekt Integration erfolgreich abgeschlossen. Nur wer sich einbringt, kann am Ende auch mitentscheiden. Diese drei wichtigen Punkte werden durch das WIR-Programm der Landesregierung gefördert und unterstützt.

Es gibt einen weiteren Punkt, den ich im Zusammenhang mit dem WIR-Programm erwähnen möchte. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Programm die Möglichkeit schafft, der salafistischen Strömung und anderen extremistischen Strömungen entgegenzuwirken.

Deshalb dürfen wir als Politiker uns nicht hinter diesen Floskeln von „Multikulti“ und falsch verstandener Toleranz verstecken. Wir dürfen den Salafisten und anderen

Extremisten nicht das Feld überlassen, sondern wir müssen uns zusammensetzen und eine langfristige Gegenstrategie entwickeln.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu zählen für mich auch Programme, die präventiv vor Salafisten schützen können, indem sie die Kontakte und Beziehungen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund stärken und festigen. Für mich ist klar, dass Menschen, die wir fest in unsere Gesellschaft einbinden und denen wir das Gefühl des Willkommenseins geben, nicht gegenüber extremistischen Anschauungen anfällig sind.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin der Hessischen Landesregierung sehr dankbar dafür, dass wir auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung und der Schuldenbremse die Möglichkeit haben, ein solches Programm aufzulegen. Ich möchte hierbei betonen, dass das keineswegs selbstverständlich ist. Es darf nicht übersehen werden, dass wir trotz unseres engen finanziellen Spielraums aufgrund der Schuldenbremse allein in diesem Jahr mehr als 3 Millionen € für das Programm bereitstellen. Insgesamt wird in diesem Jahr jeweils eine WIRKoordinationsstelle in 27 Landkreisen, Sonderstatusstädten und kreisfreien Städten gefördert, um das regionale Integrationsmanagement sowie Integrationsprojekte vor Ort zu unterstützen, zu fördern und zu etablieren.

Ich wünsche mir weitere erfolgreiche Projekte wie z. B. niedrigschwellige Sprachkurse, Qualifizierungsmaßnahmen für ehrenamtliche Integrationslotsen oder andere innovative Projekte zur Stärkung der Anerkennungs- und Willkommenskultur, die durch unser WIR-Programm einen neuen Schub bekommen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den hessischen Kommunen bedanken, die seit Jahren großartige Leistungen bei der Integration erbringen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem WIR-Programm möchten wir diese Arbeit der Kommunen honorieren und gleichzeitig die aktive Integrationszusammenarbeit zwischen Land und Kommunen weiter stärken.

Aber nicht nur den Kommunen gilt mein Dank. Ich möchte besonders auch den vielen ehrenamtlichen Integrationslotsinnen und -lotsen sowie den vielen anderen Menschen, die sich in der Integrationsarbeit engagieren, meine Dankbarkeit und meinen Respekt ausdrücken. Ohne ihre Mitarbeit wäre eine erfolgreiche Integrationspolitik nämlich nicht möglich. Sie leisten einen enorm wichtigen Beitrag für unser Land, für eine funktionierende Gesellschaft und für den Zusammenhalt aller Kulturen.

Wir werden mit diesem Programm den Grundstock legen, um zukünftig eine moderne und zukunftsorientierte Integrationspolitik verwirklichen zu können. Letztlich stärken wir dadurch die Zugehörigkeit aller Menschen zu Deutschland und zu unserem Bundesland Hessen, unabhängig von ihrer Herkunft. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. – Als Nächster spricht Kollege Di Benedetto für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Gäste! Ich habe mir gedacht, dass wir Sozialdemokraten nicht die Einzigen in Hessen sind, die auch nach der heutigen 18. Plenarsitzung nicht wirklich wissen, wie diese schwarz-grüne Koalition die Integration in Hessen künftig gestalten und organisieren will.

(Zuruf von der CDU)

Heute legt sie uns dazu einen Antrag vor, in dem nur alte Weisheiten stehen, um nicht zu sagen: alte Kamellen. Darin ist nichts, aber auch gar nichts formuliert, was wir nicht schon vorher gewusst hätten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD –Alexander Bau- er (CDU): Dann kann es ja nicht falsch sein! – Weitere Zurufe von der CDU)

Schon der Titel dieses Antrags ist, zumindest für uns, bezeichnend: Das „Landesprogramm WIR ist ein weiterer wichtiger Impuls einer erfolgreichen Integrationspolitik.“ Ein weiterer wichtiger Impuls: Jetzt ist auch noch von Impulsen die Rede, nicht nur von Gipfeln, Gipfelchen und runden Tischen. Ich meine, wir sollten in Anbetracht der großen Herausforderung einer in der Tat zeitgemäßen Ausgestaltung unserer pluralen Gesellschaft eher von einem Impülschen sprechen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zu Recht spricht die schwarz-grüne Koalition in ihrer Vereinbarung selbst von „vielfältigen Herausforderungen für eine gelingende Integrationspolitik“, und zu Recht spricht sie auch davon, dass „die Integration der Menschen, die aus den unterschiedlichen Regionen und Kulturen der Welt zu uns kommen, … ein wichtiger Baustein für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“ ist. Die Koalition erkennt also durchaus an, dass es sich hier in der Tat um eine nicht zu unterschätzende Herausforderung handelt, die sich nur mit einem hohen Maß an Regierungsverantwortung stemmen lässt.

(Holger Bellino (CDU): Das haben wir doch schon immer so gesehen!)

Nur: Wie will sie das Ganze in den kommenden Jahren steuern und organisieren? Dies bleibt für uns nach wie vor ein Geheimnis. Viele Menschen in Hessen haben darauf gesetzt, dass sich nach der schwarz-grünen Regierungsbildung bald die grüne Handschrift in der Integrationspolitik des Landes Hessen erkennen ließe. Pustekuchen.

Die lauten Töne der GRÜNEN in der letzten Wahlperiode bleiben aus. Ich meine z. B. die lauten Töne bezüglich der nach wie vor überaus berechtigten Forderung nach einer menschenwürdigeren Behandlung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Davon war in Ihren Ansprachen nicht die Rede. Das gehört auch zur Integration.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. René Rock (FDP) – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie verlieren in Ihrem Antrag fast kein Wort über diese Thematik. Lediglich im letzten Absatz – dort auch nur am Rande – wollen Sie die Hessische Landesregierung bitten, dass sie sich in Berlin für die Asylberechtigten und Flüchtlinge stark macht – in Berlin, wohlgemerkt, und nicht hier, wo Sie mitregieren.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Kollege, das ist ja wohl selbstverständlich! Aber da brauchen wir keine Anträge zu formulieren, nur dass das klar ist! – Gegenrufe von der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Es geht auch so! – Weitere Zurufe von der CDU und der LINKEN)

Herr Boddenberg, Ihr vorliegender Antrag ist offensichtlich vom obersten Gebot einer bescheidenen Zurückhaltung oder einer zurückhaltenden Bescheidenheit geleitet: Alles darf bloß nicht viel kosten, am besten gar nichts. Die anderen – die Kommunen, das Ehrenamt, der Bund – sollen es bis auf wenige Kleinigkeiten richten; es sollen bloß keine Verbindlichkeiten festgeschrieben werden. Auf keinen Fall darf es den in Hessen viel gepriesenen Koalitionsfrieden in Gefahr bringen. – Wenn das die Messlatte ist, dann gute Nacht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die 3 Millionen € sind gar nichts? – Manfred Pentz (CDU): So langsam wird es peinlich! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Ich bitte um etwas mehr Ruhe für den Redner.

Herr Boddenberg und meine Damen und Herren von der Koalition, so lässt sich keine in die Zukunft gerichtete Integrationspolitik betreiben, die unser ganzes Land voranbringt, geschweige denn eine Integrationspolitik, die es sich tatsächlich zum Ziel macht, endlich von dem „Wir“ und „Ihr“ wegzukommen.

Die neun Absätze Ihres Antrags beginnen mit „Der Landtag begrüßt“, „Der Landtag stellt fest“, „Der Landtag wertschätzt“, „Der Landtag bekennt sich“, „Der Landtag befürwortet“, „Der Landtag spricht … aus“, „Der Landtag bittet“.

Natürlich ist es gut, dass der Landtag begrüßt, dass wir eine neue Willkommens- und Anerkennungskultur haben wollen. Das ist nach 60 Jahren Einwanderung deutlich an der Zeit. Natürlich ist es zu begrüßen, dass das Land Hessen endlich Mittel bereitstellt, um die Modellregionen weiterzuentwickeln, wenn auch die 3,08 Millionen € – Frau Kollegin Öztürk, nicht 3,8 Millionen € – auf unser Flächenland bezogen ein bisschen mehr sind als ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein. Natürlich ist es richtig, dass das Land Hessen all denen dankt, die sich ehrenamtlich engagieren. Das ist wohl das Mindeste, was wir hier machen können.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich ist es gut, dass die Landesregierung eine moderne und zukunftsorientierte Integrationspolitik verwirklichen will – nach 60 Jahren Einwanderung in unsere Repu

blik. Nur, wie soll denn das Ganze umgesetzt werden? Ich denke, das ist hier die Frage.

Verehrte Kollegin Öztürk, was dies betrifft, sagten Sie in der letzten Wahlperiode – ich zitiere –: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern nur ein Umsetzungsdefizit.“

(Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das ist so!)

Liebe Kollegin, Sie hatten nicht nur in der letzten Wahlperiode recht, sondern Sie haben leider auch in dieser Wahlperiode recht, mit dem Unterschied, dass Sie jetzt die Regierung bilden.

(Manfred Pentz (CDU): Im Gegensatz zu euch! – Gegenruf der Abg. Heike Hofmann (SPD): Das wird sich ändern!)

Was hätte denn z. B. dagegen gesprochen, gleich mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zu beginnen, die in der letzten Wahlperiode weitestgehend einstimmig beschlossen hat, was in unserem Bundesland in der Tat notwendig ist? Es wäre ein Leichtes gewesen, all das, was schon schwarz auf weiß dasteht, umzusetzen. Es gab in Hessen bisher keine Landesregierung, die zu Beginn der Wahlperiode eine solch gute und wirklich durchdachte Arbeitsgrundlage vorliegen hatte. Es ist bedauerlich, dass Sie sich noch nicht darangemacht haben.

Gern würde ich auch auf die einzelnen Abschnitte des vorliegenden Antrags eingehen. Da aber die Zeit knapp ist, will ich mich auf ganz wenige Punkte beschränken, um Ihnen zu zeigen, dass eine nachhaltige Integration so jedenfalls nicht vernünftig zu organisieren ist.

In Ihrem Antrag steht:

Der Landtag wertschätzt die hohen Integrationsleistungen, die in den Kommunen seit Jahren stattfinden.

Davon war hier Gott sei Dank auch die Rede. Es wäre ein Unding, wenn der Landtag dies nicht täte; denn wenn nicht die Kommunen selbst mit ihren sehr bescheidenen Finanzmitteln das Ganze in die Hand genommen hätten – weil die Menschen eben nicht im Landtag, sondern in unseren Städten und Gemeinden leben –, stünden sie und damit auch das Land Hessen insgesamt heute noch schlechter da. Vor Ort entsteht nämlich der Druck, der – das ist deutlich geworden – nahezu physisch ist und durch den die Kommunen ohne Wenn und Aber zum Handeln aufgefordert werden, um den sozialen Frieden zu erhalten.

Kollege Di Benedetto, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bellino?

Es tut mir leid, aber die Zeit reicht mir nicht. – In diesem Zusammenhang erinnere ich an die „Operation düstere Zukunft“, die unter anderem eine eklatante Reduzierung der Migrationsdienste zur Folge hatte. Ja, die „Operation düstere Zukunft“ liegt schon einige Jahre zurück. Aber ihre negativen Auswirkungen auf unsere Kommunen sind heute genauso hautnah zu spüren wie zu Beginn dieser Operation, besser gesagt: dieser Streichorgie. Die meisten Kommunen, die versucht haben, die Löcher über die sogenann

ten freiwilligen Leistungen zu stopfen, sind trotz des vorbildlichen und unschätzbaren Wirkens der ehrenamtlich Tätigen jetzt mit ihrem Latein am Ende.