Protocol of the Session on June 25, 2014

Ich kann nur vermuten, wenn Sie sagen: „Wir brauchen jetzt noch ein Jahr länger“, dass Sie Ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht haben. Und dem soll ich dann zustimmen? Entschuldigung, so geht das nicht.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Heike Hof- mann (SPD))

Wenn ich auf Seite 11 Ihrer Gesetzesbegründung lese, dass Sie die Geltungsdauer eines Gesetzes zunächst um drei Jahre verlängern, „… um dann zielführend auf die Entwicklung des Kommunalen Finanzausgleichs reagieren zu können“, dann, entschuldigen Sie, weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Ein solches Gesetz – wir werden das weitere Verfahren natürlich aktiv begleiten – ist von unserer Seite nicht zustimmungsfähig, ohne dass wir von Ihnen die ordentlichen Unterlagen bekommen. Ich fordere Sie noch einmal auf: Geben Sie uns die Stellungnahmen. Geben Sie uns die Evaluationsunterlagen, dann können wir das Gesetz auch ordentlich beraten. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Hartmut Honka, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ihrem Wunsch nach einer zügigen Pause entsprechend, werde ich mich kurzfassen. Also ganz so schlimm, wie Sie seitens der Opposition das Verfahren darstellen, war es in den vergangenen Jahren nicht. Ich bin mir auch ganz sicher, dass es unter Frau Kühne-Hörmann, der neuen Justizministerin, genauso gut weitergehen wird, um es einmal höflich auszudrücken. Die Landesregierung hat uns im Rechtsausschuss in den vergangenen Jahren bei diesen Sammelgesetzen, die hier immer auf große Freundschaft gestoßen sind, das gebe ich zu, natürlich immer Rede und Antwort gestanden, wie es ihre Pflicht und ihre Verantwortung ist, und dieser ist sie immer nachgekommen.

Es stimmt, dass wir nicht die kompletten Evaluationsunterlagen hintendran hängen haben. Auf Nachfrage haben wir aber immer erfahren, was wir wissen wollten. Der eine oder andere ist dann mit der Antwort, die er bekommt, nicht einverstanden, und sagt, diese sei ihm nicht umfangreich genug oder gefalle ihm inhaltlich nicht, Herr Dr. Wilken, das ist aber im Spiel zwischen Regierung und Opposition nichts Neues. Von daher brauchen wir darauf nicht näher einzugehen.

Ich glaube, für die Zuhörerinnen und Zuhörer ist die Diskussion, die wir hier führen, ein bisschen befremdlich. Deswegen kurz einige Sätze zur Erläuterung. Wir haben in Hessen Anfang der Zweitausenderjahre eingeführt, dass Gesetze grundsätzlich erst einmal nur noch auf fünf Jahre befristet werden, dann evaluiert und durch den Landtag erneut beschlossen werden müssen. Was der Landtag dann im Zuge dieser Drucksache damit macht, ist noch einmal vollkommen unabhängig von dem, was die Landesregierung vorher in ihrem Evaluationsprozess durchgeführt hat.

In der vergangenen Wahlperiode sind wir dazu übergegangen, dass wir das Ganze etwas flexibler gestaltet haben. Das heißt, es gibt Gesetze, die auf fünf Jahre befristet sind; es gibt Gesetze, die auf acht Jahre befristet werden, und es gibt Gesetze, die komplett entfristet werden, weil man sie so dauerhaft braucht, dass man über diese Zeitfrage gar nicht zu diskutieren braucht.

Jetzt ist hier die Diskussion über einzelne Gesetze aufgekommen, die nur auf ein Jahr befristet werden. Warum werden diese nur auf ein Jahr befristet? Weil es sich diese Landesregierung zur Aufgabe gesetzt hat, in genau diesen Geschäftsbereichen Änderungen herbeizuführen. Ich habe es bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt gerade schon einmal gesagt: Diese Landesregierung ist erst seit dem 18. Januar neu im Amt. Dann hat man sich gefunden und erfolgreiche 100 Tage hinter sich gebracht. Dass man dann die Vielzahl an Projekten, die es gibt, nicht alle bis zum 31.12.2014 so komplett abschließen kann, dass das jeweilige Gesetz hier vor allen Dingen schon wieder wirksam neu beschlossen werden kann, leuchtet, glaube ich, jedem ein. Daher werden sie erst einmal nur um ein Jahr weiterhin befristet, damit die entsprechende Zeit bleibt, um z. B. im Rahmen der Novellierung der Hochschulgesetze auch draußen mit den Hochschulen zu sprechen. Da geht es um den Hochschulpakt; deswegen sind wir hier beim Hochschulgesetz gelandet. Von daher gibt es hierfür gute Grün

de. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg; und ich freue mich auf die fachliche Beratung im Rechtspolitischen Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Honka. – Das Wort hat Frau Abg. Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich werde die 7,5 Minuten nicht in Anspruch nehmen. Es ist im Prinzip alles gesagt worden. Auch wir haben immer kritisiert, dass die Geltungsdauer von Gesetzen automatisch um fünf Jahre verlängert wurde und die Evaluierung nicht sichtbar wurde. Das hat sich jetzt ein Stück weit geändert. Im Jahr 2012 ist das Stufenverfahren eingeführt worden. Ich finde, in der Vorlage ist sehr transparent dargestellt worden, warum die Geltungsdauer der Gesetze um acht, fünf, drei Jahre oder um ein Jahr verlängert wird. Dass man auf die Ergebnisse der Reform des Kommunalen Finanzausgleichs wartet, die Auswirkungen für die Oberbürgermeister und Landräte prüft und das dann sorgfältig in den Gesetzentwurf einarbeitet, finde ich sehr nachvollziehbar. Ich weiß nicht, wie es anders gehen sollte. Dass man jetzt ein neues Gesetz macht, dann aber, wenn der KFA reformiert ist, wieder ein neues macht, ist auch nicht sehr effizient. Somit wären wir – –

(Heike Hofmann (SPD): Wir haben jetzt 2014!)

Ja, bis Ende 2014 ist die KFA-Reform nicht abgeschlossen. Also das können auch Sie nicht leugnen und anders behaupten.

Auch beim Ingenieurkammergesetz – es sollen jetzt zwei Gesetze zusammengeführt werden, auch das wird nicht innerhalb kürzester Zeit, bis Ende 2014, gehen – macht es natürlich Sinn, sich noch ein Jahr länger Zeit zu nehmen, ehe man das auf die Schnelle macht und dann mit allen Ärger bekommt, die von dem Gesetz betroffen sind. Also führen wir die Debatte inhaltlich im Rechtsausschuss weiter. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, ich hab keine weitere Wortmeldung. Damit schließen wir die Aussprache.

Das war die erste Lesung; wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Rechtsausschuss.

Es ist jetzt 12:30 Uhr. Machen wir zwei Stunden lang Pause? – Allgemeines Einverständnis. Dann unterbrechen wir jetzt und machen um 14:30 Uhr weiter. Okay? – Dann ist die Sitzung unterbrochen. Danke.

Bleiben Sie doch noch einen Moment lang sitzen; ich habe etwas vergessen. Es gibt noch einen Veranstaltungshinweis. In der Mittagspause, gegen 13 Uhr, nehme ich an, wird die gemeinsame Ausstellung der Künstlergruppe

„Art-STYLE“ aus Neu-Anspach mit der Künstlerin Jutta Stang aus Grebenhain eröffnet. Ich würde mich freuen, wenn Sie alle an der Eröffnung teilnehmen könnten. Sie sind unten im Foyer. Schauen Sie sich die Sache einmal an, es ist hochinteressant. Um 13 Uhr geht es los. Jetzt ist aber Schluss. Vielen Dank.

(Unterbrechung von 12:29 bis 14:32 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung. Ich freue mich, dass so viele den Weg gefunden haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Einige suchen immer noch!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 44 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Kosten für den Rückbau des AKW Biblis – Drucks. 19/504 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Die Kollegin Schott hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die hessische Umweltministerin Priska Hinz vertritt die Ansicht, dass die Kosten für den Rückbau des Atomkraftwerks Biblis „für die atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde nicht von Bedeutung“ sind. Frau Ministerin, wie aus Ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD zu entnehmen ist, kennen Sie die Höhe der Kosten für den Rückbau des AKW Biblis sowie die Rückstellungen dafür nicht, weil RWE sie Ihnen nicht mitgeteilt hat. Dennoch gehen Sie davon aus, dass die Rückstellungen, deren Höhe Sie nicht kennen, für den ordnungsgemäßen Rückbau, dessen Kosten Sie ebenfalls nicht kennen, ausreichen werden. Das finde ich starken Tobak.

(Beifall bei der LINKEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie hat viel Vertrauen in RWE!)

Das scheinheilige Angebot der Energieversorger RWE, E.ON und EnBW, die restlichen Atomkraftwerke inklusive des Kostenrisikos für den Rückbau und die Lagerung des Atommülls in einer Bad Bank zu entsorgen, ist doch mehr als ein deutlicher Hinweis, dass die Atomkonzerne selbst nicht glauben, dass ihre Rückstellungen in Gänze reichen werden.

Im Umweltausschuss am 5. Juni dieses Jahres fügten Sie hinzu, dass es Ihnen „wurscht“ sei, wie viel der Rückbau des Atomkraftwerks in Biblis kosten würde, solange RWE diese Kosten übernehme.

(Ministerin Priska Hinz: So ist es!)

Entweder sind Sie naiv, was ich nicht glauben möchte, oder Sie haben bereits akzeptiert, dass die AKW-Betreiber das teure Ende der Atom-Ära den Steuerzahlern überlassen wollen.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das wäre gegen das Verursacherprinzip und darüber hinaus eine Riesensauerei.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin Hinz, auch wir gehen davon aus, dass die Nuklearrückstellungen von RWE für den Rückbau von Biblis ausreichen werden. Es ist ja auch die erste Anlage von RWE. Mit Gundremmingen, Lingen und MülheimKärlich werden noch drei weitere Atomanlagen folgen. Ob die Rückstellungen für alle vier Anlagen ausreichen, ist aber äußerst ungewiss. Das ist Ihnen ja „wurscht“, solange RWE in Hessen zahlt.

Nach Auskunft der Bundesregierung beträgt die Höhe der Nuklearrückstellungen insgesamt ca. 36 Milliarden €. Nach dem geltenden Verursacherprinzip liegt nicht nur die Verantwortung für den sicheren Auslaufbetrieb, den Rückbau und die Zwischenlagerung bei den Energieversorgungsunternehmen, sondern auch die Kostenverantwortung. Ob und wie diese Verantwortung ausgeübt wird, muss kontrolliert werden. Das ist Aufgabe von Regierung, Behörden und Parlamenten.

Wie auch vom Bundesrechnungshof angemahnt, muss es eine unabhängige Überprüfung geben und nachgesehen werden, ob die Rückstellungen ausreichen könnten. Die gibt es nicht, weder für Biblis und schon gar nicht für alle AKWs. Wir denken – deswegen haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht –, dass es auch im Verantwortungsbereich der Hessischen Landesregierung liegt, hier für Transparenz zu sorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist die Pflicht der aufsichtsführenden Behörden, möglichst schnell zu möglichst detaillierten Kostenschätzungen für den Rückbau jedes einzelnen AKW zu gelangen. Nur so kann der Gesetzgeber reagieren und die Atomkonzerne gegebenenfalls zu höheren Rückstellungen verpflichten. Es ist schon aberwitzig, wenn man eine grüne Ministerin darauf hinweisen muss.

Für RWE gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, Auskunft über die Kostenkalkulation des Rückbaus zu geben. Das ist nun einmal so. Das Atom- und Strahlenschutzrecht ist an dieser wie an vielen anderen Stellen fehlerhaft, mindestens lückenhaft, und atomfreundlich gehalten. Es ist aber komplett inakzeptabel, dass sich die grüne Ministerin mit Nichtinformationen einfach zufriedengibt. Frau Ministerin, es kann doch nicht „wurscht“ sein. Eine solche Haltung, wie Sie bei dieser Frage an den Tag legen, waren wir bis dato nur von FDP-geführten Ministerien gewohnt.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Ministerin Priska Hinz)

Sie können dazu nachher ganz viel darauf antworten, zehn Minuten lang. – Im Zuge des Genehmigungsverfahrens kann das hessische Umweltministerium eine Kalkulation der Kosten für den Rückbau der beiden Reaktorblöcke in Auftrag geben. Die Kosten für ein solches Gutachten können RWE nach der Atomrechtlichen Kostenverordnung in Rechnung gestellt werden. Auch das ist der anfangs zitierten Anfrage zu entnehmen. Frau Ministerin, warum wollen Sie diesen Weg nicht gehen? Das werden Sie uns heute erklären müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den Kosten für die Lagerung ist es weitaus problematischer. Sie sind sogenannte Ewigkeitskosten und nahezu unkalkulierbar. Ich würde mich lächerlich machen, wenn ich fordern würde, Kostenabschätzungen für die nächsten 1.000 oder 10.000 Jahre anzumahnen. Genau solche Überlegungen verdeutlichen die geradezu absurde Dimension

des Umgangs mit den atomaren Hinterlassenschaften. Meine Herren von der FDP, im Übrigen: Windräder kann man in wenigen Tagen nahezu rückstandsfrei zurückbauen.

(René Rock (FDP): Das stimmt wirklich gar nicht! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Die muss man nicht über 100.000 Jahre lagern!)

Die Fachleute sind sich einig, dass das Kostenrisiko für Atomkonzerne sowie für die Allgemeinheit vor allem bei der Lagerung des Atommülls liegt. Die Allgemeinheit wird bereits in absehbarer Zukunft die Kosten für die atomaren Altlasten zahlen müssen, so wie bereits jetzt für die Sanierungsfälle Asse und Morsleben. Darum geht es hier.