Protocol of the Session on September 12, 2018

Der Landtag stellt fest, dass die Landesregierung eine Trendwende bei der Wohnungsbauförderung für sozialen Wohnraum und bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eingeleitet hat und diesen Weg konsequent und erfolgreich geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alleine dieser erste Satz ist erstens eine Ignoranz gegenüber den realen Verhältnissen und zweitens ein allerbester Grund, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Wie erfolgreich Sie bei der Frage des bezahlbaren Wohnraums in den letzten Jahren waren – als Teil, ich will das ausdrücklich sagen; die Landesregierung ist nicht alleinig dafür zuständig, aber im Rahmen der föderalen Ordnung vorrangig vor der Bundesregierung –, zeigt sich am aktuellen Mietspiegel der Stadt Frankfurt. Dort stellt die Stadt Frankfurt fest, dass bei 30-m2-Wohnungen der derzeitige durchschnittliche Mietzins bei 20,44 €/m2 kalt liegt, bei 60-m2-Wohnungen bei 15,13 €/m2 kalt und bei 100-m2Wohnungen bei 14,91 €/m2 kalt.

Vor sechs Jahren lag der Mietzins in diesem Bereich noch deutlich niedriger: bei 30-m2-Wohnungen bei 12,28 €, bei 60-m2-Wohnungen bei 10,30 € und bei 100-m2-Wohnungen bei 11,13 €. Das heißt, wir mussten in den letzten Jahren in den drei entscheidenden Mietsegmenten dramatische Mietpreissteigerungen erleben. Nicht ohne Grund kommt

eine aktuelle Umfrage der Stadt Frankfurt zu dem Ergebnis, dass für 61 % aller Frankfurterinnen und Frankfurter und sogar für 64 % aller Frankfurterinnen und Frankfurter, die einen deutschen Pass haben, bezahlbarer Wohnraum höchste Priorität hat.

(Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Ich will mir eine kleine Nebenbemerkung erlauben: Grundsätzlich muss man bei Zahlen, die aus dem Dezernat von Herrn Schneider kommen, ein bisschen vorsichtig sein,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LIN- KEN)

aber ich glaube, dass die Beschreibung der Wirklichkeit ziemlich nahe kommt.

Wir haben am vergangenen Samstag einen denkwürdigen Auftritt der Wohnungsbauministerin beim Mietertag erlebt, der das eingeleitet hat, was jetzt im ersten Satz Ihres Antrags steht. Die Realität spricht eine andere Sprache. Da kann ich mich all dem anschließen, was Hermann Schaus zur Problembeschreibung gesagt hat. Das gilt sowohl für den Verlust von Sozialwohnungen in Hessen als auch für die fehlenden wohnungsbaupolitischen Aktivitäten dieser Landesregierung.

Deshalb will ich das wiederholen, was ich auf der Bundesebene und auch im Hessischen Landtag in den letzten Tagen mehrfach formuliert habe: Die soziale Frage dieser Tage ist bezahlbarer Wohnraum, und es ist unsere vordringlichste Aufgabe, eine Mietenwende in Deutschland und auch in Hessen einzuleiten. Dazu brauchen wir einen flächendeckenden Mietpreisstopp in Lagen mit angespannten Wohnungsmärkten.

(Beifall bei der SPD)

Dazu haben wir auf der Bundesebene einen Vorschlag gemacht. Wir fordern Sie ausdrücklich auf, sich diesem Vorschlag anzuschließen, damit wir für die Mieterinnen und Mieter, die mit der dramatisch steigenden Mietpreisentwicklung überfordert sind, Zeit gewinnen; denn sie haben keine Ausweichmöglichkeit in anderen Wohnraum, der bezahlbar ist, weil zu wenig gebaut wurde.

Ich will dazu noch eine Zahl nennen. Der prognostizierte Wohnungsbaubedarf pro Jahr liegt bei ca. 37.000 Wohneinheiten. Klar ist, dass die öffentliche Hand das nicht alleine machen kann. Dass das Land mit Ihren Programmen im letzten Jahr allerdings nicht einmal knapp 1.000 Wohnungen gefördert hat, ist ein Hinweis darauf, dass Sie zumindest allen Grund haben, über Ihre Wohnungsbauprogramme nachzudenken. Nicht ohne Grund hat beim parlamentarischen Abend im Hessischen Landtag die Hälfte der Vertreter der Wohnungswirtschaft mit Blick auf Ihre Wohnungsbaurichtlinie erklärt, dass das eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo ist. Deshalb sind Sie aufgefordert, endlich eine Kehrtwende in der Wohnungsbaupolitik einzuleiten, die in den letzten fünf Jahren ausgeblieben ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Als Nächster spricht nun Kollege Lenders von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich habe mich ein wenig gewundert, weil wir einen Dringlichen Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf dem Tisch haben. Dort steht: „Begründung: Erfolgt mündlich.“

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und der LINKEN)

Die Begründung hätten wir, wäre die Debatte nicht wieder aufgenommen worden, gar nicht gehört. Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.

Ich gehe kurz auf Ihren Antrag ein. Dort steht, die Trendwende in Hessen sei eingeleitet. Die Frau Staatsministerin wird uns bestimmt gleich erklären, worin sie die Trendwende erkennt.

Meine Damen und Herren, in dem Antrag steht, dass sich der Wohnungsbestand um 400.000 Wohnungen erhöht habe. Wie viele Wohnungen fehlen in Hessen? – Ich kenne Zahlen, die von 100.000 bis zu 500.000 Wohnungen reichen, je nachdem, welcher Zeitraum betrachtet wird. Fakt ist, dass in Hessen nach wie vor weniger Wohnungen gebaut werden, als zusätzlicher Bedarf entsteht. Von einer Trendwende kann also überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wenn Sie es schaffen wollen, dass die Mietpreissteigerungsraten nicht nur eingedämmt werden, sondern sinken, und dass in größerem Umfang bezahlbarer Wohnraum entsteht, dann dürfen Sie nicht nur für den Bedarf bauen, Frau Staatsministerin, sondern Sie müssen darüber hinausgehen, damit die Marktwirtschaft in diesem Bereich überhaupt wieder funktionieren kann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Alle aufpassen, jetzt sagt ein Liberaler einen besonderen Satz: Anscheinend haben wir es in Teilen mit einem Versagen des Marktes zu tun. Ich glaube, das muss man so feststellen.

(Demonstrativer Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Antwort der Landesregierung darauf lautet, dass Sie viel Geld zur Verfügung gestellt haben und dass wegen fehlendem Geld nicht eine Wohnung weniger gebaut wurde. Wir hören immer wieder das Lied, es sei noch nie so viel Geld in diesen Bereich geflossen. Das stimmt, meine Damen und Herren, aber all das Geld hat bisher überhaupt nichts genutzt, weil es an Grundstücken fehlt.

In dem Antrag wird wieder auf die Bauland-Offensive Bezug genommen. Die Allianz für Wohnen hat sich tatsächlich zusammengefunden. Dort hat man lange diskutiert und gute Vorschläge gemacht, und dann wurde die BaulandOffensive gegründet. Dabei hat man es tatsächlich geschafft, sich eineinhalb Jahre nur damit zu beschäftigen, wie die Geschäftsform, die Gesellschaftsform, das Finanzierungsmodell aussehen sollen. Das heißt, man hat sich eineinhalb Jahre nur mit sich selbst und nicht mit auch nur einem einzigen neuen Baugrundstück beschäftigt.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann ist aus Frankfurt der Vorschlag gekommen, darüber nachzudenken, ob man unter bestimmten Voraussetzungen vielleicht neue Grundstücke erschließen könnte. Was macht die CDU? – Sie ruft zu einem Sternmarsch auf. Das ist wirklich absurd, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Holger Bellino (CDU): Die FDP war doch dabei!)

Sie bezeichnen die Nassauische Heimstätte als einen wichtigen Akteur im Wohnungsbaumarkt. Das stimmt, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Die Nassauische Heimstätte hatte schwierige Zeiten zu meistern. Sie hat viele Jahre lang nur rote Zahlen geschrieben, aber mittlerweile schreibt sie schwarze Zahlen. In dem Moment, als der Frankfurter Oberbürgermeister sagt, bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft sollen die Mieten nur noch um maximal 1 % steigen, kommt der Ministerpräsident zu der Erkenntnis: Das machen wir jetzt auch bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft.

Wenn man sich das anschaut, was Sie in den letzten Jahren im Wohnungsbau an Verschärfungen vorgenommen haben, was Sie an Bürokratie geschaffen haben, wenn man sich anschaut, dass Sie bei den finanziellen Zuschüssen mittlerweile bei verlorenen Zuschüssen angekommen sind, d. h. Geld verschenken, und außerdem feststellen muss, dass immer noch nicht mehr gebaut wird, dann ist der Vorschlag, die Mietpreissteigerungen zu begrenzen, nicht anders zu nennen als ein Akt der Verzweiflung, weil Sie nicht mehr weiterwissen.

(Beifall bei der FDP)

Ich hatte früher einmal das Gefühl, dass bei der CDU Grundkenntnisse über die soziale Marktwirtschaft vorhanden seien. Daran glaube ich aber langsam nicht mehr.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, wo wir Probleme und wo wir Lösungen sehen. Wohnraumförderung heißt vor allen Dingen auch Eigentumsförderung. Zu dem, was die LINKEN fordern, nämlich nur noch sozialen Wohnungsbau zu betreiben – Herr Schaus, ich habe es eben in Ihrer Rede wieder gehört, Sie haben in Ihrem Antrag dem privaten Eigentum komplett eine Absage erklärt –, will ich sagen: Es gibt viele Menschen, die gerne in einer Eigentumswohnung oder in einem Eigenheim leben würden. Das hat übrigens auch viel mit finanzieller Absicherung im Alter zu tun; denn der beste Schutz vor steigenden Mieten ist, im Eigentum zu wohnen.

(Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Wir haben nichts dagegen!)

Herr Schaus, auch diese Menschen haben ein Recht darauf, Förderung zu erhalten. Jetzt sagen Sie, vom Land sollen nur noch Sozialwohnungen gefördert werden. Das heißt, Sie sagen weder den Menschen, die nicht in ein Eigenheim ziehen wollen oder es nicht finanzieren können, noch den Beziehern mittlerer Einkommen, dass Sie für sie, also für den Massenmarkt, etwas tun wollen. Sie sagen, Sie wollen nur noch diejenigen fördern, die wirklich nicht in der Lage sind, sich mit eigenem Wohnraum zu versorgen. Herr Schaus, ich glaube, Sie verlieren damit den Blick für die Mitte der Gesellschaft: für den Feuerwehrmann, für die Krankenschwester, für den Arbeitnehmer, der zwei Kinder hat, jeden Tag morgens zur Arbeit geht und abends um fünf Uhr nach Hause kommt.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der LINKEN)

Meine Damen und Herren, diese Menschen verliert DIE LINKE komplett aus dem Blick. Das steckt in der Erklärung, dass Sie nur noch Sozialwohnungen fördern wollen. Nichts anderes wäre die Konsequenz.

Die Forderung nach einem Bauminister: Ich glaube, die Forderung der Sozialdemokraten ist richtig. Es war seinerzeit auch so. Unter unserer Regierungsverantwortung war der Wohnungsbau noch im Wirtschaftsministerium angesiedelt, neben der Verkehrspolitik, der Infrastrukturpolitik und der Landesentwicklung. Das Auseinanderklaffen der Kompetenzen ist eine der Ursachen, warum wir nicht entscheidend weiterkommen bei der Frage, was zum Bau neuer Wohnungen führt.

(Beifall bei der FDP)

Alle Fachleute sagen Ihnen das. Im Moment sitzen wir alle häufig in Podiumsdiskussionen. Alle sagen Ihnen, Sie können den Wohnungsbau nicht getrennt davon betrachten, wo die Verkehrsströme verlaufen und die Arbeitsplätze sind. Das muss zusammen gedacht werden. Das ist in einem Bauministerium, in dem die Wohnungsbauförderung und die rechtlichen Rahmenbedingungen als Kompetenz wieder zusammengeführt werden, richtig angesiedelt. Ich bin mir relativ sicher: Egal, wer die nächste Landesregierung stellt, es wird einen Bauminister in Hessen geben.

(Beifall bei der FDP)

Wir Freie Demokraten wollen die sogenannte BIM-Methode, d. h. ein elektronisches Verfahren, nutzen, um Baumaßnahmen zu beschleunigen. Das kann man nur schrittweise einführen. Seitens eines Landes kann man das vor allen Dingen für die öffentlichen Baumaßnahmen einführen. Aber wir müssen auch die Unternehmen, die dort dranhängen – Architekturbüros, Planungsbüros und Handwerksbetriebe –, fit machen, sodass sie diese Methode anwenden können, damit das durchgehend so gehandhabt wird und es tatsächlich zu einer Beschleunigung im Baurecht kommt. Es muss entbürokratisiert werden und die Digitalisierung eingeführt werden. Das könnte etwas dazu beitragen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch bei den Kommunen eine schnellere Bauleitplanung. Auch da ist es herzallerliebst, was Sie von den LINKEN in Ihrem Entwurf für ein Vergabekriteriengesetz fordern,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Herzallerliebst!)

über das wir gleich noch diskutieren werden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, yippie!)