(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Thorsten Schä- fer-Gümbel und Norbert Schmitt (SPD) – Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)
Wo ist die starke Stimme Hessens? Wo ist die Geschlossenheit der Regierung bei den Fragen: „Wie halte ich die Gesellschaft zusammen? Was sind sichere Drittstaaten?“?
Wenn Sie davon sprechen, Sie wollten etwas für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft tun, glaube ich Ihnen das, Herr Ministerpräsident. Aber dann heißt es: nicht nur reden, auch handeln – auch wenn es schwerfällt –, sich auch mal gegen Ihren Koalitionspartner durchsetzen, wenn es darum geht, auf Kurs zu bleiben. Dann gewinnen Sie Vertrauen in unsere Demokratie zurück, und dann haben Sie auch unsere Unterstützung.
Lieber Kollege Wagner, Sie haben sich hier vorne hingestellt und haben viele Dinge gesagt, die ich unterstützen würde – auch zum Umgang mit rechter Gewalt in unserer Gesellschaft. Aber Sie können sich nicht wenige Wochen vor der Wahl hierhin stellen und sagen: Ich blende jetzt aus, dass wir Demokraten, die Demokratie und der Landtag davon leben, dass man unterschiedliche Ideen präsentiert,
dass man den Menschen vor einer Wahl eine Auswahl liefert, dass man Menschen deutlich macht, wofür unterschiedliche Parteien stehen. – Das müssen Sie auch tun. Sie müssen den Menschen eine Auswahl lassen. Sie müssen ihnen Alternativen bieten. Dazu gehört an so einer Stelle auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Zukunft unseres Landes.
Sie haben über Haltung gesprochen. Es wurde viel über Haltung gesprochen. Meine Vorrednerin hat gesagt: Wo sind Sie bei dieser Demo oder bei jener Demo gewesen? Warum haben Sie sich hier nicht bekannt?
Ich will etwas zu meiner Haltung sagen. So viel Zeit ist, glaube ich, auch angemessen. Für uns Freie Demokraten und für mich ganz persönlich gilt, dass das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat liegt.
Ich beteilige mich grundsätzlich nicht an Demonstrationen, wenn ich befürchte, dass sie gewaltsam enden oder in Gewalt münden. Meine Haltung ist nicht, dass ich mit linken Steinewerfern rechte Steinewerfer bekämpfe,
sondern mein Platz ist dort, wo diejenigen stehen, die diese Steine von links und rechts abbekommen, nämlich unsere Polizisten. Die vertreten unsere Gesellschaft in so einer Auseinandersetzung.
Da habe ich eben eine andere Haltung. Zu der stehe ich. Entweder respektieren Sie die oder nicht. Jedenfalls ist es meine Haltung zu unserer demokratischen Gesellschaft und zu unserem Rechtsstaat. Sie zeichnet sich durch Gewaltfreiheit aus und stellt eine klare Positionierung hinter unseren gesellschaftlichen Institutionen dar. Ich habe gehört, dass wir sie stärken wollen. Man stärkt sie aber durch Regierungshandeln, durch gute Ausstattung und durch eine Möglichkeit, dann auch im Sinne dieser Institutionen zu handeln. Das ist die Haltung der Freien Demokraten.
Lassen Sie mich zu folgendem Thema kommen: Wo steht Hessen? – Ich möchte auch zu dem etwas sagen, was der Ministerpräsident ansatzweise dargestellt hat: Wie ist die Situation in Hessen? – Ich hatte mir, ehrlich gesagt, an dieser Stelle etwas mehr erhofft, Herr Ministerpräsident, weil die Umfragen, wie wir jetzt gesehen haben, immerhin so sind, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht in überschwängliche Begeisterung ausbrechen, wenn sie über die Regierung nachdenken.
Vielmehr haben Sie seit vielen Monaten zumindest ausweislich der Umfragen keine Mehrheit. Jetzt steht eine Wahl an. Ich hatte ernsthaft damit gerechnet, dass Sie sagen, wohin Sie das Land führen wollen, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Wir Freie Demokraten, die womöglich interessiert sind, wohin sich der Blick der anderen richtet – auch im Hinblick auf das, was nach der Wahl stattfindet –,
wurden auch mit einer Leerstelle bedacht. Ich weiß nach Ihrer Rede nicht, wohin Sie dieses Land führen wollen. Ich weiß das einfach nicht.
Ich greife nur zwei Themen heraus und beginne mit dem Thema „Mieten und Wohnen“, das von vielen hier angesprochen worden ist. Alle Hessen mieten oder wohnen. Alle haben ein Haus, ein Dach über dem Kopf. Das ist teuer. Das wird nicht nur in Frankfurt teuer, sondern überall; das wird überall anderswo auch teuer. Eigentlich jeden Bürger in Hessen betrifft die Frage direkt oder indirekt: Wie ist die Wohnungssituation in unserem Land?
Ich würde es jetzt anders sagen: Liebe Frau Wissler, natürlich ist es richtig, dass Bürgerinnen und Bürger in unserem Land auch noch Eigentum haben und dass sie sich ein Haus, eine Eigentumswohnung oder ein Reihenhaus leisten wollen. Zumindest wir stehen dafür, dass das in unserem Land möglich und ein erstrebenswertes Ziel ist.
Natürlich muss man darauf Antworten geben. Sie haben fast fünf Jahre regiert. Noch nie war das Bauen in unserem Land so teuer,
Wir diskutieren in allen Parteien schwierige Situationen, etwa: Wo sollen denn neue Wohnungen entstehen? Wo soll Bauland geschaffen werden?
Wenn, anstatt zu fragen: „Was kann man umsetzen?“, Ihre Parteikollegen aus dem Landtag und aus den Kreisverbänden gegen potenzielle Neubaugebiete, über die man nur redet, jetzt schon demonstrieren, frage ich: Glauben Sie, dass das ein Lösungsvorschlag für die Zukunft ist?
Darum muss ich ganz klar sagen: Die Themen „Mieten“ und „Wohnen“ sind viel mehr als sozialer Wohnungsbau.