Das passiert Ihnen ständig, Herr Bouffier. Zwei aktuelle Beispiele: Ihr Finanzminister hat sich als Bodenspekulant betätigt und dafür gesorgt, dass dort, wo bezahlbarer Wohnraum – –
Herr Kollege, die konkrete Feststellung, der Finanzminister sei ein „Bodenspekulant“, ist völlig unerlaubt, und ich rufe Sie hiermit zur Ordnung.
Dort, wo bezahlbarer Wohnraum mitten im überhitzten Mietmarkt Frankfurts hätte entstehen können, ist jetzt ein Quartier entstanden, in dem alles entstehen wird, aber kein bezahlbarer Wohnraum. Ich weiß, das wollen Sie nicht hören; das haben Sie gerade dokumentiert.
Das Gleiche gilt für Ihren Kultusminister, der behauptet, es gebe keinen Unterrichtsausfall in Hessen. Er hält die Hände vors Gesicht und ruft: Ich sehe keinen Lehrermangel. – Sie glauben ihm und schauen weg.
Herr Bouffier, in Hessen fällt Unterricht aus – an jedem Tag. Jede Mutter und jeder Vater, jede Schülerin und jeder Schüler können Ihnen das bezeugen. Sie aber haben sich längst tief in die Staatskanzlei zurückgezogen. Sie sind umgeben von Leuten, die Ihnen zwar applaudieren, Sie aber nicht mehr mit der Wirklichkeit konfrontieren.
Keine Sorge, Sie werden gleich noch sehr viel mehr Anlass haben, sich aufzuregen. – Sie wollen nicht mehr wissen, welche Probleme die Hessen plagen. Sie wollen nur noch in Ruhe auf dem Chefsessel sitzen. Herr Bouffier, die Bevölkerung in unserem Land hat in der Tat mehr von einer Regierung zu erwarten als das, was Sie in den letzten fünf Jahren geboten haben.
Um es noch einmal zu wiederholen: Sie bauen keine Wohnungen. Sie hoffen und wetten darauf, dass allein der Markt das Problem löst.
Sie bilden keine Lehrerinnen und Lehrer mehr aus. Sie wetten und hoffen darauf, dass es am Ende irgendwie reicht.
Sie unternehmen nichts gegen den Verkehrskollaps. Sie wetten und hoffen, dass die Autos von allein verschwinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Lehrermangel hat in Ihrer Regierungserklärung keine Rolle gespielt.
In Ihrer Erklärung haben der Bildungsgipfel und der Versuch, die Gesellschaft zusammenzuführen, keine Rolle gespielt. – Herr Boddenberg, Sie brauchen sich gar nicht zu Wort zu melden, Sie haben im Anschluss genügend Redezeit.
(Michael Boddenberg (CDU): Ich werde darauf zurückkommen, dass Sie eine Redezeit von 20 Minuten vorgeschlagen haben! Wir hätten das gerne ausführlicher gemacht!)
Wenn Ihnen 20 Minuten Redezeit nicht reichen, um das zu sagen, was Sie inhaltlich vorhaben, tut es mir leid, Herr Boddenberg.
(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ich komme nachher darauf zurück! Auch wir haben ein paar grundsätzliche Fragen!)
Der Lehrermangel spielt eine große Rolle. Sie haben dazu aber nichts gesagt. Sie haben zu den Staus nichts gesagt, und Sie haben zum Problem der Schaffung bezahlbaren Wohnraums nichts gesagt. Ich könnte Ihnen viele Zitate vorlesen, mit denen Ihnen auch Ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen beschreiben, warum das die aktuell wichtigsten Themen in diesem Land sind. Ich kann es nur wiederholen: Sie haben zu diesen Themen und dazu, wie Sie sie in den kommenden fünf Jahren anpacken wollen, überhaupt nichts gesagt. Das sind aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zentrale Fragen.
Jetzt komme ich zum zweiten Satz Ihrer Regierungserklärung. Sie sprachen von einem Land, das zusammenhält. Ich sage Ihnen: Es waren nicht die GRÜNEN und auch nicht die Union, die etwas dafür getan haben, dass es in Hessen immer noch einen Zusammenhalt gibt. Das werfen wir Ihnen heute vor. Sie tauchen zu oft weg. Sie halten Reden, ohne dass Taten folgen.
Ich will konkreter werden. Wer über gesellschaftlichen Zusammenhalt redet und 1999 Unterschriften gegen Ausländer gesammelt hat,
wer über gesellschaftlichen Zusammenhalt redet und die „Operation düstere Zukunft“ gegen die Sozialkultur und gegen Integrationsprojekte durchgezogen hat,
wer über gesellschaftlichen Zusammenhalt redet und 2008 „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen“ pla
katiert hat, wer über gesellschaftlichen Zusammenhalt redet und jahrelang Herrn Irmer nach seinen Tiraden gegen Homosexuelle, Muslime, Migrantinnen und Migranten sowie LINKE geschützt und ihn vor zwölf Monaten in den Bundestag befördert hat,
wer über gesellschaftlichen Zusammenhalt redet und sich nach dem Ende des Untersuchungsausschusses zum NSU nicht zu den Fehlern erklärt, die die Sicherheitsbehörden in Hessen gemacht haben, wer über gesellschaftlichen Zusammenhalt redet und am vergangenen Freitag Horst Seehofer in der Landeshauptstadt zu Gast hatte und geschwiegen hat, der muss seine Glaubwürdigkeit zumindest hinterfragen lassen.
Sie sprechen in Ihrer Erklärung von „Haltung“. Das finde ich interessant. Wo war denn die Stimme Hessens, als es um den Zusammenhalt im Land ging, z. B. nach den Hetzjagden in Chemnitz? Was haben Sie Ihrem famosen Ministerpräsidenten in Dresden und dem merkwürdigen Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz gesagt? Wo waren Sie, als in Köthen Demonstranten öffentlich auftraten und „Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt“ brüllten? Ich sage für meine Partei und meine Fraktion: Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist und bleibt ein Verbrechen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))