Protocol of the Session on August 22, 2018

(Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Herr Kollege Schwarz, richtige Dinge muss man eben wiederholen, damit sie irgendwann ankommen.

(Armin Schwarz (CDU): Sie entscheiden, was richtig und falsch ist?)

Der Kultusminister und die Koalition müssen sich den Mängeln stellen, die für jeden sichtbar sind, und sie konzentriert beseitigen. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen beste Lernbedingungen vor Ort erhalten, und Lehrkräfte und Schulleitungen müssen endlich entlastet werden; auch das ist ein wichtiges Thema.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die Lehrkräfte und die Schulleitungen werden nicht müde, immer wieder die richtigen Tatsachen zu berichten. Sie brauchen mehr Zeit in den Schulen, um sich wieder mehr ihren Kernaufgaben widmen zu können, nämlich unsere Kinder zu unterrichten. Sie müssen von dem Kontrollwahn dieser schwarz-grünen Koalition befreit werden, um wieder die Zeit zu haben, ihre Kernaufgaben bewältigen zu können.

(Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Meine Damen und Herren, lieber Herr Kollege Schwarz, das Thema „Belastung von Schülern, von Lehrern, von Schulleitungen“ ist eines, das wir immer wieder diskutieren mussten. Es gab zuletzt die Kleine Anfrage des Kollegen Degen, in deren Beantwortung der Kultusminister aufgelistet hat, was die Klagen der Lehrerinnen und Lehrer sind: gestiegenes Arbeitspensum durch Zunahme der dienstlichen Aufgaben, Einführung von Förderplänen, Lernstandserhebungen, Kooperation mit außerschulischen Betreuungskräften, Mehraufwand durch Verwaltungstätigkeiten, Praxissemester, Mehrarbeit durch Inklusion.

Das sind in der Tat die Belastungen, die geschildert werden und die Sie an jeder Schule entdecken können. Sie können sie überall überprüfen. Der Kommentar des Kultusministers – nachzulesen in der „Frankfurter Neuen Presse“ vom 19. Juni 2018, in dem großen Interview – lautet:

Viele Überlastungsanzeigen hatten aber auch schlicht den Zweck, Gehaltsforderungen der Lehrergewerkschaft zu untermauern.

Meine Damen und Herren, das mag vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, aber das ist eine Missachtung dessen, was unsere Lehrerinnen und Lehrer, was unsere Schulleitungen in Hessen vortragen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Wir haben dieses Thema häufiger besprochen, insbesondere im Kulturpolitischen Ausschuss. Die SPD und wir haben zweimal beantragt, eine Anhörung zu diesen Problemen durchzuführen, die es ja angeblich gar nicht gibt. Sie haben das abgelehnt. Wir haben diese Anhörung dann selbst durchgeführt.

Ich muss sagen, ich habe in meinen zehn Jahren Zugehörigkeit zu diesem Parlament noch keine Anhörung erlebt, bei der es so einhellige Stellungnahmen gegeben hat. Es gab Facetten und unterschiedliche Betonungen, aber die Schilderung der Verhältnisse an den Schulen, die Sie verleugnen, ist einheitlich gewesen. Wir haben das Ganze veröffentlicht. Wir haben es gedruckt, mit allen schriftlichen Stellungnahmen, mit dem Protokoll der Anhörung. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich das einmal näher anschauten. Vielleicht haben Sie es schon getan, aber dann verstehe ich Ihre fortlaufende Realitätsverweigerung nicht. Ich darf einmal Herrn Stefan Wesselmann zitieren, Vorsitzender des VBE:

Heute Schulleiterin/Schulleiter zu sein, bedeutet, gleichzeitig die Aufgaben eines Managers, Geschäftsführers und Sachbearbeiters zu erledigen, und das Ganze unter der eingangs geschilderten Erwartungshaltung von Politik und Eltern, auf alle gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen zu reagieren.

Herr Bosse, Vorstandsmitglied der Vereinigung Bildungsfaktor Abitur Hessen, hat ausgeführt:

Wir haben ein annähernd unerträgliches Niveau an Belastung erreicht, was dazu führt, dass wir in eine Art Überlebensmodus umschalten, nach dem Motto: Mut zur Lücke. Was ist dringend und muss erledigt werden? Das schaffen wir. Alles Unwichtige wandert einfach weg und wird nicht erledigt.

Eine andere Stellungnahme bringt es exakt auf den Punkt. Dort heißt es:

Schulleiterinnen und Schulleiter brauchen für die Arbeit für die Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte ihrer Schulen Zeit. Sie brauchen aber nicht nur Zeit, sie brauchen auch einen Dienstherrn, der ihnen vertraut, dass sie für Schülerinnen und Schüler den besten Lernerfolg erzielen wollen. Sie brauchen keinen Dienstherrn, der sie ständig kontrolliert und mit immer neuen Vorgaben vermittelt, dass er ihre Kompetenzen anzweifelt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das ist ein Schlüsselpunkt, um den es geht: Vertrauen, das diese Koalition, diese Landesregierung offensichtlich nicht in ihre Mitarbeiter hat; sonst würden sie auch nicht das Thema „Selbstständigkeit der Schulen“ ständig zurückfahren, wie es in den letzten fünf Jahren passiert ist. Fortschritte gibt es keine, die Klagen gehen in die andere Richtung.

Ich will noch einmal zu den Zahlen zurückkommen, Herr Kollege Schwarz. Die lieben Sie ja so, dass Sie sie immer vortragen. Schaut man sich die genannten Zahlen genauer an, erkennt auch der Laie, dass das Land Hessen längst nicht so gut dasteht wie vom Kultusminister behauptet. Vielmehr sind die Bildungsausgaben in Hessen im Gesamthaushalt von 26,8 % im Jahr 2015 – damals hatte noch eine andere Mehrheit einen Haushalt beschlossen bzw. fortgeschrieben – auf jetzt nur noch 25,2 % zurückgegangen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Wir kommen gerne noch einmal zu den einzelnen Zahlen, Herr Kollege Bauer.

Herr Kollege Greilich, der Kollege Schwarz wollte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Dazu bleibt leider keine Zeit mehr, aber wir können das an anderer Stelle besprechen.

Ihre Zahlen sind korrekt, das bezweifle ich gar nicht. Nur beruhen sie auf einer selektiven Wahrnehmung. Differenziert betrachtet, sieht das alles ein bisschen anders aus. Wir haben die Zahlen vorhin schon gehabt: Hessen pro Kopf 1.495 €. Davon zahlt das Land Hessen 987 €, den Rest zahlen die Gemeinden und Gemeindeverbände. Da schmücken Sie sich mit fremden Federn, ein Drittel kommt eben nicht vom Land.

Schaut man sich die Staatsausgaben pro Kopf der Flächenländer in Deutschland an, dann liegt Hessen mit seinen 987 € hinter Baden-Württemberg mit 1.178 €, hinter Bayern mit 1.068 €, hinter Nordrhein-Westfalen mit 1.160 €. Selbst Sachsen-Anhalt mit 1.026 € und unser Nachbar Thüringen mit 1.076 € haben uns längst abgehängt. Dabei beziehen sich diese Ausgaben nur auf Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen, bei den anderen sieht es noch viel schlimmer aus.

Ich komme zum Schluss und will zusammenfassend einfach zitieren, weil es die Sache auf den Punkt bringt. Die

Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer im Bereich des Staatlichen Schulamts in Gießen hat gesagt:

Minister und Staatssekretär verärgern viele Lehrkräfte an den Schulen in Hessen. Die Aussagen stellen eine massive Täuschung von Eltern, Schülern und Öffentlichkeit dar. … Die Stimmung ist an vielen Schulen so schlecht wie nie.

Und so ist es.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat der Kultusminister, Herr Staatsminister Prof. Lorz. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hessens Schulen sind in herausfordernden Zeiten hervorragend aufgestellt in das neue Schuljahr 2018/19 gestartet.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Diese Feststellung habe ich sinngemäß schon vor zwei Wochen öffentlich getroffen, schon damals zur großen Freude der Opposition in diesem Hause. Ich kann Ihre Aufregung auch verstehen; denn Sie hatten verständlicherweise darauf gesetzt, dass uns der Schuljahresstart nicht so gut gelingen würde und dass Sie das im Wahljahr ausschlachten könnten. Die Enttäuschung darüber, dass es nicht so gekommen ist, muss man jetzt eben mit besonders markiger Rhetorik übertünchen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Aber die Fakten sprechen einfach eine andere Sprache, meine Damen und Herren. Sie tun das in zweifacher Hinsicht.

Erstens. Hessens Schulen sind ganz allgemein gut aufgestellt; denn sie verfügen über die beste Ausstattung mit Stellen und Personal, die es je in Hessen gegeben hat. Das ist einfach ein Faktum. 4.350 Stellen allein in dieser Legislaturperiode, der Abg. Wagner hat es genannt. Ja, das ist nicht das Ende der Fahnenstange, aber es ist absoluter Rekord für alle Legislaturperioden, die es je in Hessen gegeben hat. Wie man mit solchen Rekordsteigerungen angeblich ans Ende der Investitionsskala rutschen soll, das wird wohl das Geheimnis des Abg. Greilich bleiben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allein zu diesem Schuljahr haben wir 1.000 zusätzliche neue Stellen geschaffen – und das, obwohl die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler um 2.000 zurückgegangen ist. Es ist eben, global betrachtet, nicht so, dass wir jetzt schon sehr viel mehr Schülerinnen und Schüler bekommen hätten, über alle Schulformen und Jahrgänge hinweg, und es daher eine natürliche Entwicklung wäre, dass man auch mehr Lehrerinnen und Lehrer dafür bräuchte. Nein, mit den Schülerzahlen insgesamt hat das nichts zu tun, sondern 2.000 Schüler weniger, aber 1.000 Lehrkräfte mehr, das ist

das Sinnbild der bildungspolitischen Anstrengungen dieser Landesregierung während der gesamten Legislaturperiode, nämlich kontinuierlich zu investieren – in den Ausbau unserer politischen Schwerpunkte, in die Entlastung unserer Lehrkräfte und in die Stärkung unserer Schulen angesichts der herausfordernden Aufgaben, mit denen unsere Gesellschaft ihre Schulen und die im Bildungsbereich Beschäftigten konfrontiert.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit gewährleisten wir nicht nur die 105-prozentige Lehrerversorgung, die noch immer einmalig in Deutschland ist, sondern – der Abg. Schwarz hat es bereits erwähnt – 38.000 Lehrerstellen brauchen wir für die Grundunterrichtsversorgung, also die Abdeckung dessen, was in den Stundenplänen vorgesehen ist, 54.000 haben wir mittlerweile im Einsatz, und diese 16.000 Stellen investieren wir ganz bewusst für all das, bei dem unsere Schulen heutzutage auch gefordert sind, weil wir ja sehen, dass Schule heutzutage sehr viel mehr leisten muss als früher. Das hat aber nichts mit irgendwelchen Ideen aus dem Kultusministerium zu tun, sondern das ist einfach Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklungen, und dem tragen wir mit unseren Investitionen Rechnung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Es ist weiterhin wahr – jetzt will ich einmal meinen Beitrag dazu leisten, das Bild nicht nur in schwarz und weiß zu zeichnen –, dass die Lage an sich eine Herausforderung ist. Das können Sie im Moment auf allen Kanälen hören, sehen und lesen – ob das jetzt in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ oder in den Verlautbarungen des Deutschen Lehrerverbandes ist: Der allgemeine Fachkräftemangel in Deutschland hat auch vor dem Lehrerberuf nicht haltgemacht. Deswegen stellt die Gewinnung qualifizierter Lehrkräfte zurzeit in ganz Deutschland ein Problem dar, das natürlich auch keinen Bogen um Hessen macht. Daher ist auch bei uns die Lage angespannt und wird es auf absehbare Zeit bleiben.

Deshalb bin ich zuallererst dankbar. Das möchte ich hier auch zum Ausdruck bringen. Ich bin all jenen dankbar, die mitgeholfen haben, dieses Schuljahr trotzdem so erfolgreich zu starten. Ich bin den Gymnasial-, Hauptschul- und Realschullehrkräften dankbar, die sich in unsere Weiterbildungsmaßnahme zum Grund- und Förderschullehramt begeben haben. Ich bin den Referendaren dankbar, die ihr erstes Staatsexamen in einem anderen Lehramt gemacht haben, aber jetzt ihr Referendariat als Grundschullehrer absolvieren. Ich bin den Lehrkräften dankbar, die früher aus der Elternzeit zurückgekehrt sind, den bemerkenswert vielen Teilzeitkräften, die sich zu einer Aufstockung ihrer Stunden bereit erklärt haben, den älteren Lehrkräften, die ihre Pensionierung hinausschieben. Was ist denn schlimm daran, wenn erfahrene Lehrkräfte, wenn sie wollen und können, noch ein bisschen länger an unseren Schulen unterrichten?

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ausdrücklich betonen, dass ich auch den aktiven Grundschullehrkräften dankbar bin, die etwa die, die aus den anderen Lehrämtern kommen – also natürlich pädagogische Vorbildung mitbringen, aber nicht in diesem spezi

fischen Bereich –, an die Hand nehmen und ihnen beim Einstieg helfen.