Ihr seid einfach zu nett. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir jetzt gerade erlebt haben, war die klassische Auseinandersetzung, wer denn nun wirklich die eigentliche grüne Partei ist – ob das jetzt die LINKEN sind oder die GRÜNEN. Es ist ja schon spannend, zu sehen – –
(Janine Wissler (DIE LINKE): Aber die FDP ist es nicht! – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Das will ich für uns auch gar nicht in Anspruch nehmen, Herr Kaufmann. Da bin ich durchaus bei Ihnen.
Aber eine richtige Frage hat Frau Schott ja gestellt: Was hat eigentlich die Automobilindustrie zu verantworten? – Ich glaube, da sind sich alle einig: Die Automobilhersteller haben ihre Kunden betrogen. Dafür müssen sie zur Verantwortung gezogen werden. Diese Entschädigung muss zulasten der Automobilindustrie gehen. Ich glaube, da darf es kein Vertun geben.
Meine Damen und Herren, da gibt es eine gewisse Schnittmenge mit der Frage, wie sauber denn eigentlich unsere Innenstädte sind und wie es mit den Belastungen aussieht. Werden die Grenzwerte denn eingehalten, ja oder nein? Welches ist das richtige Instrument, um diese Grenzwerte einzuhalten?
Da wird über die blaue Plakette diskutiert; das hatten wir gerade. Da werden dann generelle Fahrverbote hergenommen. Frau Dorn, im Moment ist es doch so, dass wir erleben, dass in Hamburg tatsächlich ein Fahrverbot verhängt worden ist – eines. Das wird die Praxis sein: für einen bestimmten Straßenzug, ein paar Hundert Meter lang. Dafür müssen Umwege gefahren werden, die gleich ein paar Kilometer lang sind. Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Da wird lediglich an einer Messstation, an der die Grenzwerte überschritten sind, die Sperrung vollzogen.
Wenn Sie das jetzt einmal auf die blaue Plakette übertragen, dann kommt diese Plakette einer Enteignung, einem generellen Fahrverbot – bei allen Ausnahmen – viel näher als die Sperrung einzelner Streckenabschnitte.
Das bringt uns zu der Frage, Frau Dorn, wie diese Messstationen denn überhaupt aufgebaut sind. Ich will die Grenzwerte überhaupt nicht infrage stellen. Sind die Grenzwerte überschritten, muss es Maßnahmen geben, muss es einen Luftreinhalteplan geben, müssen die Maßnahmen auch umgesetzt werden. Man kann sich Grenzwerte nicht immer so malen, wie sie eben gerade passen; da bin ich durchaus bei Ihnen.
Aber Sie müssen auch sehen: Seit 1990 sind die Stickoxide um 60 % zurückgegangen, die flüchtigen organischen Verbindungen um 70 %, Kohlenmonoxid um 80 %, Schwefeldioxid um 95 %. Das sind nicht meine Zahlen, die habe nicht ich mir ausgedacht, sondern das sagt das Umweltbundesamt.
Wenn Sie tatsächlich einer modernen Technologie wie der Euro-6-Norm bei Diesel auch einmal eine Chance geben und abwarten würden – eine Pkw-Flotte kann sich auch erneuern –, dann würden Sie sehen, dass auch an den Messstationen, die im Moment zu hoch belastet sind, die Werte sinken werden. Es gleicht einer Hysterie, zu behaupten, in unseren Innenstädten sei die Luft einfach schlecht. Noch nie war die Luft so sauber wie heute.
Noch nie. Zumindest, wenn wir über das Industriezeitalter sprechen – falls wir uns darauf verständigen können.
Vielleicht will Frau Wissler ja zurück ins tiefste, dunkle Mittelalter. Da wollte ich jetzt eigentlich nicht hin.
Meine Damen und Herren, viele Bürger reagieren auch mit Unverständnis auf diese Fahrverbote, weil sie sich natürlich fragen: Wieso denn diese Straße und die andere nicht? Viele fragen: Warum werden die Grenzwerte und solche drakonischen Maßnahmen denn nicht auch in anderen Ländern umgesetzt? – Es scheint wohl so zu sein, dass das, was die EU an Vorgaben gemacht hat, nicht unbedingt in jedem Land 1 : 1 umgesetzt wird. Ich will das aber nicht unbedingt als Maßstab für uns sehen.
Aber auf eines sollten wir uns verständigen: Die Dieseltechnologie in Deutschland mit der Euro-6-Norm ist eine der besten und effizientesten Antriebsformen, die wir haben. Die deutsche Automobilindustrie hat in dieser Technologie die Nase vorn. Sollten wir den Fehler machen, diese Technologie abzuschneiden, gefährden wir einen der wichtigsten Bausteine der deutschen Automobilindustrie mit ihren Arbeitsplätzen.
Die anderen Antriebsformen, von denen da immer die Rede ist, vor allem die Elektromobilität, kommen aus Ländern wie China und Japan, die darauf ihr Augenmerk gerichtet haben. Jetzt sollten wir nicht den Fehler machen, deren Geschäft zu betreiben. Was passieren würde, wenn wir uns hier tatsächlich komplett auf Elektromobilität versteifen würden, und welche Auswirkungen das auf Seltene Erden, auf die Entsorgung usw. hätte, das möchte ich mir gar nicht ausmalen.
Fakt ist aber, dass die Umweltbilanz eines Dieselfahrzeugs – nehmen Sie ruhig auch den CO2-Ausstoß mit hinein – wirklich besser ist als die des modernsten Benzinfahrzeugs.
Ich glaube, dass wir tatsächlich so weit kommen müssen, dass wir in Hessen, in Deutschland, in Europa rechtskonforme, standardisierte, bundesweit einheitliche, vergleichbare Durchführungen von Schadstoffmessungen bekommen. Gegebenenfalls müssen wir die Standorte auch anpassen.
Bei der Festlegung von Grenzwerten und der Gestaltung des Luftreinhalteplans müssen alle Säulen der Nachhaltigkeit, ob ökologische, ökonomische oder soziale, beachtet werden. Sie sind gleichmäßig, gleichrangig zu werten.
Den Einsatz von digitalen Verkehrslenkungen, um starre Fahrverbote zu vermindern, müssen wir prüfen und gegebenenfalls nutzen. Dazu gehört, dass wir den Ausbau von Umgehungsstraßen voranbringen.
Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass der ÖPNV auch für uns einen großen Anteil hat, dass er eine große Chance bietet, den Belastungen, die wir in den hessischen Innen
Staatsminister Al-Wazir hat es an anderer Stelle schon gesagt, ich würde das wiederholen und ihm da recht geben: Wir drohen in Teilen an einem Verkehrskollaps zu leiden. Nur wenn wir die Verkehrsträger nicht gegeneinander, sondern miteinander denken, miteinander vernetzen, Transparenz und Umsteigemöglichkeiten schaffen, wird ein Schuh daraus.
Nulltarif für den ÖPNV? Hinter diese Forderung stellen wir allerdings ein ganz großes Fragezeichen. Wenn Sie das schaffen würden, Frau Wissler, würden Sie damit das Problem, das wir beim ÖPNV im Moment haben, am Ende nur verschärfen. Wenn Sie die Marktkräfte außer Kraft setzen, dann haben Sie einen hoch subventionierten ÖPNV im Ballungsraum, aber gleichzeitig wissen Sie nicht mehr, wie Sie im ländlichen Raum überhaupt noch Infrastruktur bzw. ÖPNV darstellen sollen. Da setzen Sie dann auf ehrenamtliches Bürgerengagement.
Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite über ehrenamtliches Bürgerengagement nachdenken, aber dann viele Steuermittel dafür einsetzen, dass im Rhein-Main-Gebiet kostenlos gefahren werden kann.
Meine Damen und Herren, Sie würden damit tatsächlich mehr Menschen dazu bringen, den ÖPNV zu nutzen. Das ist ein Effekt, den diese Landesregierung sowieso schon angestoßen hat. Aber die Züge stehen schon jetzt am Bahngleis von vorne bis hinten. Sie werden in den nächsten Jahren nicht viel mehr Menschen mit dem ÖPNV transportieren können. Das hat nichts mit einer Qualitätsverbesserung zu tun, das ist eher eine Qualitätsverschlechterung.
(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Nehmen wir z. B. mal den ÖPNV in Wiesbaden!)
Mit anderen Worten: Wir müssen zunächst die Verkehrsinfrastruktur, die Schieneninfrastruktur, die ÖPNV-Infrastruktur ausbauen, sie in Einklang bringen – auch mit einem Straßenausbau. Dann macht es auch Sinn, dass mehr Menschen auf einen qualitativ guten ÖPNV umsteigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, insofern werden auch wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich würde mir wünschen, dass wir solche Diskussionen mit etwas weniger Ideologie und mehr vernünftigen Argumenten führen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat einen Antrag gestellt, der sich mit den Stickoxiden in Städten beschäftigt.
Als Erstes kann ich feststellen: Alle anderen Fraktionen haben sich zu dem Antrag geäußert. Auch meine Fraktion wird diesem Antrag nicht zustimmen. Daran wird deutlich,
Die Ablehnung des Antrags hat gute Gründe. Zunächst einmal muss man feststellen, dass die Luft in den Städten in einem Vergleich der letzten 150 Jahren noch nie so sauber war wie heute. Das ist natürlich das Ergebnis vieler Maßnahmen. Die Luft in den Städten wurde in hohem Maße durch die Industrialisierung und danach durch den Autoverkehr verschmutzt. Wir haben aber eine Trendwende hinbekommen, seitdem ein Bewusstsein dafür besteht, dass die Belastung mit Schadstoffen verringert werden muss. Das ist sowohl im Bereich der Industrie als auch im Bereich des Verkehrs der Fall. Denken Sie an die Einführung des Katalysators vor vielen Jahrzehnten und an immer weiter gehende und strengere Regulierungen, die dazu geführt haben, dass die Luft in unseren Städten immer besser geworden ist.
Die Grenzwerte, die die EU auf den Weg gebracht hat, werden mittlerweile in fast allen Städten eingehalten. Denken Sie z. B. an die Feinstaubpartikel: Es gelingt uns schon seit vielen Jahren, die Grenzwerte einzuhalten. Auch dadurch hat sich die Qualität der Luft verbessert. Aber auch bei allen anderen Schadstoffen ist es mittlerweile so, dass die Konzentration der Schadstoffe so gering ist, dass in den Städten alle Grenzwerte eingehalten werden. Ich darf feststellen, dass das für die Menschen, die in den Städten leben, sehr erfreulich ist.
Es trifft zu, dass wir bei den Stickoxiden nach wie vor in der Situation sind, dass die Grenzwerte überschritten werden. Aber auch hier muss man feststellen, dass das erfreulicherweise Jahr für Jahr in weniger Städte der Fall ist. Auch hier geht der Trend also in die richtige Richtung. Die Entwicklung kann vorangebracht werden, wenn es uns gelingt, die Anzahl der Fahrzeuge zu verringern, die Schadstoffe ausstoßen – hinsichtlich der Stickoxide sind das eben vor allem alte Dieselfahrzeuge –, indem wir den Verkehr verlagern, indem wir bessere und innovativere Antriebstechnologien einsetzen. Alle diese Dinge haben wir auf den Weg gebracht, und es geht auf diesem Weg ganz gut voran. Insoweit glaube ich, dass wir uns in der Hinsicht in die richtige Richtung bewegen.
Die Ansätze, die Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, z. B. einen kostenlosen ÖPNV, würden uns in der aktuellen Situation relativ wenig helfen, und zwar aus folgendem Grund. Wir haben die Situation, dass die Infrastruktur in den Ballungsräumen, auch im Bereich des ÖPNV, bis an die Grenze ausgelastet ist. Deshalb müssten wir zunächst in die Infrastruktur investieren – auch da sind wir an vielen Stellen unterwegs –; denn es nützt nichts, zu versuchen, in einen vollen Zug noch weitere Personen hineinzuquetschen. Die Kapazitäten des ÖPNV bewegen sich teilweise am Limit.
Deswegen bin ich sehr froh, dass auch der Bund das erkannt hat und nun erheblich mehr Investitionen in die Infrastruktur tätigt, z. B. für den schienengebundenen Verkehr. Hierfür hat man die Mittel erheblich erhöht. Früher bekam Hessen für seine Verkehrsprojekte nur etwa 7,4 % der Bundesmittel. Nach dem neuen Bundesverkehrswegeplan sind es 12 %. Unter den Verkehrsprojekten sind auch viele Schienenverkehrsprojekte. Denken Sie an die Regionaltangente West, denken Sie an die Nordmainische
S-Bahn, denken Sie an das Projekt S-Bahn-Anbindung Gateway Gardens oder an den Punkt, über den wir heute Morgen gesprochen haben, nämlich durch Fernbahnlinien zusätzliche Kapazitäten für den öffentlichen Personennahverkehr und für den regionalen Verkehr zu schaffen. All das sind Dinge, mit denen wir, wie ich glaube, gut aufgestellt sind.
Deswegen ist es völlig unangemessen, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben. Über das Thema selbst ist hier im Parlament schon zigmal diskutiert worden. Der einzige Grund, warum Sie das Thema jetzt hochziehen, ist, dass Sie meinen, wenige Monate vor der Landtagswahl insbesondere die grünen Ministerien angreifen zu müssen. Das ist das einzige Motiv für diesen Antrag. Es geht Ihnen überhaupt nicht um die Sache. Was aber noch schlimmer ist: Obwohl sich die Luftqualität in den Städten derart verbessert hat, wie ich Ihnen dargelegt habe, wollen Sie mit den Ängsten der Menschen hinsichtlich ihrer Gesundheit bewusst politische Stimmung machen – zulasten der in diesen Fragen außerordentlich engagierten grünen Ministerin und des grünen Ministers.