Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister hat dieser Tage in einem Interview gesagt hat, er wolle die Anzahl der Start-ups aus dem Fintech-Bereich in den nächsten Jahren auf 1.000 verdoppeln. Dann muss ich allerdings fragen: Will er diese Start-ups alle selbst gründen? – Da wird ein ziemliches Delta deutlich.
Ernst & Young, das sich mit der Start-up-Szene und dem Fintech-Bereich beschäftigt hat, sagt – zur Erinnerung: der Minister will auf 1.000 verdoppeln, dann müsste das Ist jetzt 500 sein –, in Hessen gebe es 300 Start-ups, von denen gerade einmal 80 aus diesem tollen Fintech-Bereich
kommen, den der Minister immer als die Zukunftstechnologie und als das Erfolgsmodell verkaufen will.
Zwischen den tatsächlichen 80 und den vom Minister gewünschten 1.000 liegt ein großes Delta. Da hat einer ganz kräftig zu den Zahlen gegriffen, um uns etwas zu suggerieren, was mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat.
2016 wurden deutschlandweit 4,3 Milliarden € in Start-ups investiert, davon aber nur 83 Millionen € in Hessen. Das sind schlappe 2 %. Berlin, Hamburg, Bayern und Thüringen liegen vor Hessen, ja, selbst Thüringen. Meine Damen und Herren, der deutsche Start-up-Monitor sagt, Hessen liege mit einem Anteil von 6 % abgeschlagen hinter Berlin, NRW, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg, immerhin noch vor Sachsen und dem Saarland. Das ist eine ganz prima Nummer. Also, eine gute Bilanz sieht wahrlich anders aus.
Herr Al-Wazir, Sie haben das Thema Start-up aufgegriffen, aber Sie haben es sehr spät aufgegriffen. Wo wir in Hessen wirklich zurückfallen, ist in den anderen Bereichen, z. B. künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologie, Big Data, Robotik, Genforschung. Bei all diesen Themen ist der Wirtschaftsminister unsichtbar.
Ich finde es auch bezeichnend, dass es erst Frau Wissler bedurft hat, um das Thema Flughafen anzusprechen. Das ist schon bemerkenswert. Dort sind 80.000 Menschen beschäftigt. Es ist die größte lokale Arbeitsstätte in ganz Deutschland.
Herr Al-Wazir, in Ihrer Regierungserklärung sagen Sie keinen Satz zur Zukunft des Flughafens und der Luftverkehrswirtschaft in Hessen. Wenn Sie wirklich in Perspektiven denken, dann frage ich mich, ob es ernsthaft die Position der Hessischen Landesregierung ist, dass der Flughafen und die Luftverkehrswirtschaft keine Rolle mehr spielen sollen. Es wäre die ureigenste Aufgabe eines hessischen Wirtschaftsministers, für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens Frankfurt zu streiten. Wo sind Ihre Initiativen zur Abschaffung der Luftverkehrssteuer? Wo ist Ihre Initiative gegen die einseitige Belastung wie die Luftsicherheitsgebühr? Wo gehen Sie das große Problem Luftsicherungskontrollen an?
Wir sind im Rahmen einer Delegationsreise gemeinsam nach Wien geflogen. Die Teilnehmer standen fast außerhalb des Gebäudes, weil sie vor den Sicherheitskontrollen Schlange stehen mussten. Meine Damen und Herren, hier müssen wir dringend Abhilfe schaffen. Wo ist denn da der hessische Verkehrsminister, der sich dafür einsetzt?
Diese einseitigen Belastungen verhindern Wachstum und Innovation und verhindern neue Jobs, die den Flughafen und damit auch die Stadt Frankfurt stärken können.
Zum Straßenbau. Sie sagen dann immer, es sei noch nie so viel Geld in den Straßenbau investiert worden wie jetzt. Das stimmt; aber auch noch nie hatte das Land Hessen so viele Steuereinnahmen wie zurzeit.
Interessant ist, wenn wir uns ansehen, wie die GRÜNEN dazu stehen. Im Jahr 2012 forderten die GRÜNEN in ihren Haushaltsanträgen, die Straßenbaumittel sollten um jährlich 35 Millionen € reduziert werden. – Sehr geehrter Herr
Al-Wazir, man kann ja seine Meinung ändern, man kann ja dazulernen. Aber das, was Sie jetzt machen, sich als der bessere Straßenbauminister verkaufen zu wollen, ist wirklich Spott und Hohn.
Dann gehen wir mal zur Bahn. Sie haben es erwähnt: das große Projekt der ICE-Strecke Fulda – Frankfurt. Das Projekt stammt aus der „düsteren Zeit des finsteren Mittelalters“, als noch Verkehrsminister Rentsch 2013 Verantwortung getragen hat. In dieser Zeit hat die Bahn bekannt gegeben, dass die Planungen für die Strecke Frankfurt – Fulda nun endlich wieder aufgenommen werden. Das ging erst damit einher, als der Bund sich bereit erklärt hat, sich an der Finanzierung zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, das, was Al-Wazir uns jetzt als Erfolg verkaufen will, ist das Ergebnis dieser Vorarbeiten. Interessant ist, dass ausgerechnet die damalige Bundesregierung Schröder/Fischer das ICE-Projekt aus Kostengründen auf Eis gelegt hat. Erst mit einer CDU/FDP-Regierung und später mit einer SPD-Regierungsbeteiligung ist das Projekt wieder auf den Weg gebracht worden. Das ist die Wahrheit. So stehen Sie zu dem Ausbauprojekt ICE Fulda – Frankfurt.
Zum Finanzplatz. Der Finanzplatz ist für Hessen einer der wichtigsten volkswirtschaftlichen Bereiche. Sie loben sich für den Fintech-Bereich. Das haben wir gar nicht kritisiert. Es ist alles in Ordnung, was Sie an dieser Stelle machen. Da kann man noch mehr machen, aber Sie haben den Einstieg gefunden, keine Frage.
Wenn ich aber von Ihnen Interviews höre, in denen Sie sich dafür starkmachen, dass wir eine Finanztransaktionssteuer bekommen, und gleichzeitig Ihre Reden zum Brexit höre, dann stelle ich fest, dass das alles nicht zusammenpasst. Eine Finanztransaktionssteuer wäre Gift für den Finanzplatz Frankfurt.
Ich würde eigentlich von Ihnen erwarten, dass Sie nach Berlin reisen und versuchen, solche Ideen schon in den Ansätzen zunichtezumachen. Meine Damen und Herren, Hessen ist wirklich sehr international, lebt vom internationalen Handel. Wir haben den Flugplatz, wir haben den Finanzplatz.
Wir haben die Messe, wir haben viele Niederlassungen globaler Unternehmen. Mehr als 50 % der Hessen produzieren Waren, die ins Ausland gehen. Vor allem die chemische und pharmazeutische Industrie und der Maschinenbau hängen in Hessen ganz stark vom Freihandel ab.
Herr Al-Wazir hat es kurz gestreift. Aber wo ist die kraftvolle hessische Stimme für den Freihandel und die Stärkung Europas? Wo ist das klare Bekenntnis des hessischen Wirtschaftsministers zum Freihandelsabkommen mit Kanada? – Es ist doch so: Auch da sind die GRÜNEN auf Abwegen und lehnen die Ratifizierung von CETA im Bundestag ab.
In der Frage des Freihandels stehen die GRÜNEN und die LINKEN leider Gottes mit dem amerikanischen Präsidenten Trump Seite an Seite.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Eingehakt! – Michael Boddenberg (CDU): Der ist nicht so vermessen! Aber Frau Wissler und Trump finde ich gut!)
Aber in der Sache sind sich beide einig. Das ist schon bemerkenswert, vor allem wenn man Wirtschaftsminister AlWazir bei seiner Regierungserklärung zuhören muss.
Wenn ich auf die Website des Wirtschaftsministeriums schaue, dann lese ich Pressemitteilungen wie: „Pedale statt PS – Al-Wazir fährt mit dem Rad zum Landtag“. Dann lese ich Mitteilungen zu Feinstaub. Ich lese z. B. etwas zum Spatenstich zur A 44, Sontra-West. Da ist die Vertreterin des Landes die Justizministerin, was auch immer sie damit zu tun hat. Aber das Wirtschafts- und Verkehrsministerium ist nicht vertreten. Zumindest ist der Wirtschaftsminister nicht da, und sein Staatssekretär auch nicht.
Dann zeigen Sie mir aber bitte Ihre Pressemitteilung, in der Sie sich freuen, dass die chemische Industrie in Hessen 40.000 Menschen beschäftigt und 14 Milliarden € Umsatz erwirtschaftet. Zeigen Sie mir Ihre Pressemitteilung, in der Sie die hessische Pharmaindustrie dafür loben, dass sie 20.000 Menschen gut bezahlte Jobs anbietet und Milliarden in die Forschung und Entwicklung investiert. Es wäre etwas glaubwürdiger – Ihr Parteitag geschenkt –, wenn Sie an dieser Stelle auch einmal Pressemitteilungen absetzen und ein Bekenntnis zum Standort Hessen und seinen Menschen geben würden.
Zur harten Industriepolitik. Schauen wir es uns einmal an. Wie sieht es denn aus? – Bei Siemens in Offenbach gehen 700 Jobs verloren. Das ist nicht die einzige Schließung. Coty, damals Wella, in Hünfeld, Multipharma in Limburg, Sanofi im Industriepark Höchst: fast 600 Jobs fallen weg. Spezialguss Wetzlar: Insolvenz, Carl Zeiss in Wetzlar: 220 Stellen weg, Bosch Rexroth: 150 Stellen weg, Schließung Rodenstock Langen: 140 Arbeitsplätze weg.
Meine Damen und Herren, die IHK-Studie „Das Netzwerk Industrie in der Region Frankfurt/Rhein-Main“ kam zu der Erkenntnis, dass die Rhein-Main-Region „längst nicht mehr zu den am stärksten prosperierenden Regionen in Deutschland“ gehört. Das kommt nicht von ungefähr. Der hessische Wirtschaftsminister tut nämlich nichts für die Verbesserung der Standortbedingungen der hessischen Industrie. Im Gegenteil, Stromkosten werden hochgetrieben, und die Windkraft wird ausgebaut.
Meine Damen und Herren, wir sind leider Gottes mit einem Wirtschaftsminister konfrontiert, der sagt: Wir wollen die soziale Marktwirtschaft in die ökologische Marktwirtschaft ändern. – Bei allen Anstrengungen bleibt für uns als Freie Demokraten die soziale Marktwirtschaft das Leitbild. Sie ist wie keine andere Wirtschaftsordnung das Prinzip, das für freien Wettbewerb und für Leistungsgerechtigkeit sorgt. Was die hessische Wirtschaft jetzt dazu braucht, ist ein neuer Aufbruch. Notwendig sind neue Impulse und frischer Wind. Deswegen wollen wir die Menschen und Un
ternehmen von überbordender Bürokratie befreien, Investitionen wieder beflügeln und die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft durch eine forschungs- und gründerfreundliche Innovationspolitik unterstützen.
Um Unternehmen und Bürger zu entlasten, wollen wir der Bürokratie einen Preis geben. Warum eigentlich nicht? Wenn der Landesgesetzgeber immer wieder sagt, was Unternehmen alles an Bürokratie zu leisten haben, muss man sagen: Das bleibt nicht ohne Kosten. Es wäre vielleicht transparenter, man gäbe dem einen Preis.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass so etwas wie Gründergeist, Lust auf Freiheit, Lust auf Unternehmen schon in den Schulen gefördert wird. Gründer fallen nicht plötzlich vom Himmel, und es braucht ein gesellschaftliches Klima, das Gründergeist fördert und inspiriert, aber dann auch Leistung belohnt.
Wir wollen in Hessen ein Gründerstipendium auflegen, das auf zwei Jahre angelegt ist, das professionelles Coaching bei der Kommerzialisierung von Ideen und Innovationen verbindet.
Meine Damen und Herren, was ist mit den Patenten, die ungenutzt an den Hochschulen liegen bleiben? Vielleicht wäre es eine Idee, diese ungenutzten Patente in einem Ausschreibungsverfahren Gründern zugänglich zu machen.