Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD enthält eine fast vollständige Zusammenfassung aller Wünsche der Träger, der Eltern und der Fachkräfte an das Land, die die Kindergärten und Krippen betreffen.
Sie alle sind irgendwie verständlich und nachvollziehbar. Wer wollte den Eltern, die ihr Kinder in die U-3-Betreuung schicken, nicht die Beitragsfreiheit gönnen? Wer hätte nicht Verständnis für die Träger, wenn sie sich freuen, falls das Land fast alle Personalkosten übernimmt?
Daher war es nicht gerade überraschend, dass dieser Gesetzentwurf in der Anhörung durchaus auf Sympathie gestoßen ist. Insofern komme ich Ihnen nahe, dass ich doch sehr freundlich mit meiner Kritik bin.
Er hat aber nur einen ganz wesentlichen Nachteil: Er ist nicht umsetzbar, weil er nicht finanziert werden kann.
Damit wir uns jetzt nicht weiter um Zahlen streiten, nehme ich einfach die Zahlen, die Sie selbst genannt haben. Sie selbst haben die Kosten für Ihren Gesetzentwurf auf 720 Millionen € berechnet.
Die Kostenexplosion würde aber erst 2020 erfolgen, wenn Sie 82 % der Personalkosten respektive zwei Drittel der Betriebskosten uneingeschränkt vom Land finanzieren lassen wollen. Die entsprechende Steigerung ist jetzt noch gar nicht absehbar. Aber ob es am Ende eine Dreiviertelmilliarde oder 1,2 Milliarden € sind, kann ich jetzt nicht einschätzen.
Auf jeden Fall ist es ein sehr hoher Betrag, und Sie haben überhaupt keine Vorstellung, wie das finanziert werden soll. Das steht schon mal fest.
Unser Gesetzentwurf, der 490 Millionen € an zusätzlichen Ausgaben für Beitragsfreiheit ab dem vollendeten dritten Lebensjahr und eine Verdreifachung der Qualitätspauschale vorsieht,
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihr Gesetzentwurf ist nicht solide finanziert, und das macht den Unterschied aus. Sie verzichten darauf, bei den Ausgaben Prioritäten zu set- zen und den Bürgern dies zu begründen. Wir dagegen kön- nen die Priorität „Beitragsfreiheit für Kindergartenkinder und Qualitätsverbesserung durch Anhebung der Pauschale“ sehr gut begründen. Wir erklären auch, dass wir weiter ge- hende Forderungen jetzt nicht umsetzen können. Bei Fort- setzung der guten wirtschaftlichen Entwicklung und bei Fortsetzung der guten politischen Rahmenbedingungen können wir selbstverständlich später darüber diskutieren. Die Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch hat Vor- rang, weil 93 % der Eltern ihre Kinder in den Kindergarten schicken. Dafür hat sich der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt ja auch beim Land bedankt. Das macht er nicht so häufig. Er wird also schon seinen guten Grund haben. Sie sagen, das sei alles nichts Neues, was wir hier machen. Sie haben gesagt, das sei vernichtend bewertet worden. Nein, das wird in den Kommunen nicht vernichtend bewertet. Über- all wird darüber diskutiert, wie man die neuen Spielräume noch nutzen kann. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Spielräu- me?)
Der Besuch des Kindergartens verbessert für alle Kinder die Startchancen bei Schulbeginn. Insbesondere werden das Sozialverhalten erlernt und Defizite bei Sprache und beim Verhalten erkannt. Wir wollen keine Vorschule mit einem Curriculum. Vielmehr wollen wir vor der Schule für mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder sorgen.
Zwei Punkte Ihres Gesetzentwurfs können wir aber auch inhaltlich nicht übernehmen, nämlich die Übernahme von 82,5 % der Personalkosten ab 2020 und die Rückkehr zur Gruppenförderung. Wenn der Träger nur noch 17,5 % der Personalkosten selbst finanzieren muss, wird er – das ist menschlich verständlich – die Kosten nicht mehr in ausreichendem Maße im Blick haben. Innerhalb kurzer Zeit würden die Etatmittel aufgebraucht sein. Das Land müsste in irgendeiner Form eingreifen in die Selbstverwaltung der Träger der Kindergärten. Ich glaube nicht, dass die Träger das so furchtbar gut finden. Wenn die Träger sich dieser Folge bewusst werden, sind sie von Ihrem Gesetzentwurf nicht mehr so begeistert.
Die Förderung des einzelnen Kindes ist für uns einfach gerechter als die Finanzierung einer Gruppe, insbesondere dann, wenn man die Zusatzpauschalen berücksichtigt. Die Zusatzpauschale für Kinder, in deren Elternhaus nicht Deutsch gesprochen wird oder deren Eltern soziale Transferleistungen beziehen, ist hier besonders hervorzuheben.
Unser Gesetzentwurf ist gegenüber dem Ihrigen einfach der bessere, weil er zum 1. August umgesetzt wird und umgesetzt werden kann. Alle Kommunen in Hessen werden hierbei auch mitmachen. Sie müssten es nicht, aber alle haben sich dafür entschieden, mitzumachen.
Ihren Gesetzentwurf werden wir trotz milder wohlwollender Kritik ablehnen. Er enthält durchaus Gesichtspunkte, die bei künftigen Diskussionen geprüft werden könnten. Er enthält aber auch Teile, die nach unserer Bewertung zu Fehlentwicklungen führen. Er ist insbesondere einfach nicht finanzierbar. – Besten Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Bartelt, mit Ihrer Rede haben Sie gerade nachgewiesen, dass Sie noch nicht einmal wissen, was die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern, der Wohlfahrtsverbände und der Gewerkschaften sind. Der SPD-Entwurf entspricht dem in vielen Fällen mitnichten. Er kommt dem an manchen Stellen nach. Mit Blick auf die Anforderungen an den Personalschlüssel entspricht er dem aber nicht. Auch Bertelsmann hat den unter Dreijährigen soeben 1 : 3 als deutliche Marke gesetzt, die der Entwurf nicht vorsieht.
Herr Dr. Bartelt, erzählen Sie hier also nicht solche Geschichten, die nichts mit dem zu tun haben, was wir allenthalben zu hören und aufgeschrieben bekommen. Er geht in diese Richtung, aber er ist von dem, was als Forderung im Raum steht, ganz schön weit entfernt.
Für die Freistellung für eine Leitungstätigkeit sehe ich einen Mindestbedarf für jede Einrichtung. Wie will man in einer eingruppigen Einrichtung mit fünf Stunden Freistellung die Leitungsarbeit erledigen? – Die grundsätzlichen Aufgaben sind in allen Einrichtungen gleich. Mehr Gruppen brauchen mehr zusätzliche Stunden. Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände kommen hier zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Für eine dreigruppige Einrichtung muss mehr als eine Leistungskraft freigestellt werden.
Ich kann auch gut verstehen, dass es das Bedürfnis gibt, die Gruppen mit 25 Kindern aufzufüllen, solange es einen Mangel an Betreuungsplätzen gibt. Stellen Sie sich aber gerade das einmal im Winter vor, wenn es nicht gerade ein Naturkindergarten ist. Diese Lärmbelastung in den kleinen Räumen haben die Kinder und die Erzieherinnen und Erzieher dann auszuhalten. ver.di spricht bei Kindern bis drei Jahren von einer maximalen Gruppengröße von acht und bei über Dreijährigen von 15 Kindern. Dies entspricht in etwa den Forderungen, die bereits im Jahr 1996 entwickelt worden sind. Dazu sagen Sie, was die SPD aufgeschrieben habe, wäre so etwas wie Wünsch-dir-was. Davon ist das noch ganz schön weit weg.
Außerdem reden Sie vom Spielraum, der sich den Kommunen infolge Ihres Entwurfs eröffnen würde. Diesen Spielraum kann man jetzt schon erleben. Man bekommt jede Woche Briefe aus den Kommunen, in denen steht, dass es so nicht gehen könne. Lesen Sie doch einfach einmal Ihre Post. Dann wissen Sie, dass es absurd ist, was Sie hier erzählen.
Die Spielräume werden dahin gehend ausgenutzt, dass jetzt landauf, landab darüber beraten wird, um wie viel Prozent man denn die Elternbeiträge in den verbleibenden Stunden erhöhen muss, damit man das Minus auffangen kann. So viel zu Ihrem Entwurf an dieser Stelle. Dieser hat doch nichts damit zu tun, dass Spielräume in den Kommunen frei werden. Das ist doch lächerlich.
Es ist zu befürworten, dass Kinder mit Beeinträchtigungen im Gesetz stärker berücksichtigt werden, sodass die Gruppengröße reduziert wird. Mit einer entsprechenden Finanzierung und Qualitätsentwicklung könnten wir tatsächlich irgendwann so weit kommen, dass sich alle Einrichtungen der inklusiven Arbeit stellen können.
Die Einbeziehung der Landeselternvertretung, die Sie vorsehen und die auch die FDP vorsieht, begrüßen wir selbst verständlich auch.
Kommen wir zur Finanzierung der Kindertagesbetreuung. An dieser Stelle hat die SPD den durchaus sympathischen und nachvollziehbaren Weg der Finanzierung anteiliger Personalkosten durch das Land gewählt. Damit wäre dann auch die Kompensation der Elternbeiträge Geschichte, und der Ärger, wie wir ihn z. B. zwischen Frankfurt und Offenbach haben, wäre obsolet. Die Personalkosten sind die Hauptkosten für die Kindertagesbetreuung. Entscheidend ist eine gute Qualität. Wenn personelle Mindeststandards im Gesetz festgeschrieben werden, die das bisherige KiföG weit übertreffen, habe ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden, schon gar nicht, wenn das Land die Personalkosten zahlt. Hierzu gibt es klare Vorgaben.
Die zeitliche Staffelung kann man auch verstehen, um den Landeshaushalt an dieser Stelle eben nicht zu überfordern. Daher sollten Sie endlich aufhören, immer wieder dasselbe Märchen zu tradieren. Man kann relativ einfach ausrechnen, wie das funktionieren kann.
Letztlich ist sicherzustellen, dass den Kommunen über den Kommunalen Finanzausgleich nicht wieder in die Tasche gegriffen wird. Es muss also gewährleistet sein, dass das Geld tatsächlich bei den Kommunen landet und dass so Freiräume entstehen können; denn die Kindertagesbetreuung ist nun einmal ein entscheidender Posten im kommunalen Haushalt.
Unsere Vorstellungen haben wir vor mehr als zwei Jahren eingebracht. Der Besuch von Kitas muss gebührenfrei und damit für alle Kinder möglich sein. Deshalb wollen wir die Kita-Gebühren vollständig abschaffen, auch für die unter Dreijährigen und für die volle Betreuungsdauer anstatt nur stundenweise.
Ja, natürlich kostet das Geld, und zwar mehr Geld, als es die Landesregierung derzeit vorschlägt. Das weiß man aber. Insofern müssen Sie hier nicht so tun, als ob wir das alle nicht wüssten. Darüber sind wir uns im Klaren. Die Frage ist, wofür man das zur Verfügung stehende Geld ausgibt. Das ist ein wichtiger Posten, den man sich vornehmen muss. Man muss zusehen, dass man das hinbekommt.
Um eine ganzheitliche und individuelle Förderung aller Kinder zu erreichen, ist mehr qualifiziertes Personal in den Kitas notwendig. Das erreicht man aber nur dann, wenn man die Arbeitsbedingungen in den Kitas verbessert. Wir haben jedoch eine Situation, in der die Erzieherinnen und Erzieher ihre Arbeitszeit verkürzen, früher aus dem Beruf aussteigen und sich andere Beschäftigungen suchen, weil die Bedingungen so sind, wie sie sind. Das heißt, wenn wir den Personalmangel beklagen, dann müssen wir an den Bedingungen arbeiten. Wir müssen den Beruf attraktiver machen.