Die Landesregierung war also bei fast 40 % der Fragen nicht in der Lage, diese zu beantworten. Fast 20 Jahre CDU-Regierung, der ländliche Raum ist super wichtig, wie Sie immer behaupten, da lebt die Hälfte der hessischen Bevölkerung: Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, nur die Hälfte der Fragen zu beantworten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt komme ich zu einem inhaltlichen Punkt. Der erste Teil der Fragen wurde sehr profund beantwortet und zeigt, worum es geht. Wenn ich es einmal zusammenfassen darf, ist die Haltung der Landesregierung folgende: Die Hälfte der Bevölkerung Hessens lebt auf 80 oder 85 % der Fläche dieses schönen Landes; die andere Hälfte wohnt in Ballungszentren. Bei der Verteilung der Mittel scheint es so zu sein: Die Hälfte der Bevölkerung bekommt die Hälfte der Hälfte der Mittel, die anderen bekommen sozusagen das Doppelte.
Ich lese Ihnen einmal die Zahlen vor, die wirklich beeindruckend sind und die viele Bürgerinnen und Bürger bei den vielen Übergaben von Bewilligungsbescheiden – im ländlichen Raum gibt es ja viele Kommunen – wahrscheinlich gar nicht im Kopf haben.
Es wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass die Finanzhilfen im Kommunalen Finanzausgleich, 2,52 Milliarden €, folgendermaßen verteilt werden: 746 Millionen € für den ländlichen Raum, das macht 29,6 %. Die eine Hälfte bekommt 29,6 %, die andere Hälfte bekommt somit – das können wir ganz einfach ausrechnen – über 70 %. Sehen Sie?
Bei dem Hessischen Sonderinvestitionsprogramm – zu dem Thema Krankenhausträger haben wir unsere Kollegen vorhin gehört – betrug das von den Kommunen in Anspruch genommene Förderkontingent 1,847 Milliarden €, der ländliche Raum bekam 466 Millionen € oder 25 %.
Kommunaler Schutzschirm: Insgesamt sind es 966 Millionen €, der ländliche Raum bekommt immerhin 32 % oder 310 Millionen €.
Kommunalinvestitionsprogramm: Es geht insgesamt um 725 Millionen €, der ländliche Raum bekommt 32 % oder 230 Millionen €.
Diese Litanei wird noch einmal bekräftigt. Wir diskutieren immer über Digitalisierung. Ganz toll wird darüber diskutiert, was im ländlichen Raum fehlt. Deshalb macht die Landesregierung Folgendes: Beratung im Zusammenhang mit Digitalisierung. Jetzt geht es einmal nicht um Millionen oder Milliarden, sondern es geht um 480.000 €. Was meinen Sie, was der ländliche Raum davon bekommt, der „nur“ 80 % der Fläche ausmacht? – Er bekommt 25 %. Der Beratungsbedarf in den verdichteten Räumen, die in der Regel über die entsprechende digitale Infrastruktur verfügen, muss so gigantisch sein, dass man 25 % für den ländlichen Raum übrig hat.
Eine Ausnahme will ich hier deutlich nennen, damit mir nichts vorgeworfen wird, Landesausgleichsstock: In acht Jahren gab es pro Jahr immerhin 1,58 Millionen €. Davon bekommt der ländliche Raum 90 %. Man muss sagen: Da haben Sie einmal richtig zugeschlagen. Wenn man sich das vor Augen führt, muss man fragen: Warum ist der ländliche Raum in diesem wunderschönen Hessen eigentlich nur die Hälfte wert? Warum ist der ländliche Raum durchgehend nur die Hälfte wert? Ist Ihnen das eigentlich aufgefallen? – Es kann Ihnen nicht aufgefallen sein. Ich komme jetzt auf ein paar inhaltliche Punkte zu sprechen.
Schauen wir uns an, wie der ländliche Raum behandelt wird. Da wird immer locker-flockig geredet. Die Bürgerbusse waren ein Thema des Herrn Ministerpräsidenten. Wir haben in unserem Landkreis, in Kirchheim, einen der am längsten fahrenden Bürgerbusse. Daran sind 0,5 % der Bevölkerung als Busfahrerinnen und Busfahrer beteiligt. Das wären für Frankfurt eben einmal 3.500 ehrenamtliche Busfahrer. Die sorgen jetzt für ein bisschen mehr Busverkehr.
Schauen wir uns die Feuerwehr an, die diese schöne kleine Gemeinde mit 3.800 Einwohnern hat. Es gibt 192 Aktive bei der Feuerwehr und immerhin 52 km Autobahn zu betreuen. Für die schöne Stadt Frankfurt bedeutet dies in der Äquivalenz 35.000 Leute bei der freiwilligen Feuerwehr.
Das ist der ländliche Raum, und der ländliche Raum bekommt auch nur die Hälfte von der Hälfte, die die anderen bekommen, weil da so viel ehrenamtlich gemacht wird. Manchmal – die Kollegin hat es schon sehr schön beschrieben – hat man den Eindruck, Sie setzen darauf, dass wir all das, was auf Landesebene für den ländlichen Raum nicht
geleistet wird, ehrenamtlich erbringen, vielleicht einmal einen Landesehrenbrief kriegen – einen trockenen Handschlag, wie man so schön sagt –, und damit hat sich die Angelegenheit. Aber so kann man mit dem ländlichen Raum dauerhaft nicht umgehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt nenne ich einen inhaltlichen Punkt, der mich wirklich geärgert hat. Beispielsweise haben wir in unserem schönen Landkreis, in Oberellenbach, einen Dorfladen, der schon ganz lange gemeinschaftlich organisiert wird, indem Bürgerinnen und Bürger genossenschaftlich einen Beitrag leisten. Damit haben sie auch ein Interesse daran, diesen Dorfladen – im wahrsten Sinne des Wortes – zu besuchen.
Nein, so viele davon wurden in den letzten Jahren gefördert. Neun wurden gefördert. – Wie viele davon existieren noch? – Das können Sie nicht sagen. Es liegen „keine auswertbaren Daten vor“.
Die Kracherantwort ist dann: Es gibt eine Begründung, weshalb es gar nicht anders sein kann, als es gesetzlich ist. Die Begründung darf ich hier vorlesen:
Da ein Dorfladen als investives Vorhaben entsprechend langen Zweckbindungsfristen (zwölf Jahre bei baulichen Investitionen) unterliegt, ist das Ziel einer dauerhaften Grundversorgung in der Regel in allen Fällen gegeben.
Zunächst „in der Regel in allen Fällen“: In allen Fällen oder nur eventuell? Aber dann kommt die Begründung: weil die Vorgabe ist, dass es die eigentlich noch geben müsste. – Gibt es die noch? Wir wissen es gar nicht.
Um noch ein anderes Ding, über das wir hier schon diskutiert haben, auf den Punkt zu bringen: Wir haben gefragt, warum die Bagatellgrenze bei der Dorfentwicklung von 3.000 € auf 10.000 € hochgesetzt werden musste. Die Begründung war die: Das müsste hochgesetzt werden, weil die verwaltungsadministrativen Kosten so hoch seien. – Okay, das kann man erst einmal kaufen. Man muss dazu wissen, dass das in Bayern nicht der Fall zu sein scheint; denn die Bayern haben eine Bagatellgrenze – 10.000 minus 9.000 macht 1.000 – von 1.000 €. In Bayern scheint das mit den verwaltungsadministrativen Kosten nicht der Punkt zu sein.
Sie haben jetzt, um umfangreich nicht zu begründen, wie die verwaltungsadministrativen Kosten im ländlichen Raum aussehen – denn dazu gibt es keine einzige Bemerkung, außer dass Sie das nicht feststellen können –, folgende Verheerung angerichtet.
Da gibt es z. B. das alte Ehepaar, das in einem schönen alten Fachwerkhaus lebt. Das ist auch in Ordnung. Das Haus hat eine Alutür. Jeder, der vorbeifährt, sagt: Muss diese
Alutür sein? – Wenn ich den älteren Leuten anbieten könnte, vielleicht vom Nachbarn eine alte Tür zu bekommen, die in der Tischlerei aufgearbeitet und anschließend ordentlich gestrichen wird – was vielleicht 3.500 € kostet, weil es eine Handwerksarbeit ist –, würden sie sagen: Wenn wir kein Geld dafür bekommen, warum sollen wir das machen? Die Tür hält doch noch.
Sie verhindern solche Entwicklungen. Ich kann es übrigens umdrehen: Zum Beispiel haben wir in einer Kommune ein schönes Gehöft, in dem das Dorfgemeinschaftshaus, ein Pflegedienst und auch ein Heimatmuseum untergebracht sind. Neben dem großen Saal befindet sich noch eine sogenannte Heimatstube. Die haben jetzt ausgerechnet, dass sie dafür eigentlich nur 5.000 € bräuchten. Jetzt haben sie aber das Problem, dass sie mindestens 10.000 € ausgeben müssen. Jetzt sind die auf dem Land so vernarrt und wollen nur 5.000 € ausgeben. Dann gibt es keine Fördermittel. Können Sie mir einmal die Logik erklären?
Das alles bei einem Topf, der 20 Millionen € enthält. Was soll das? Was sollen diese ständigen Bevormundungen?
ist eigentlich eine politische Bankrotterklärung nach 20 Jahren. Ich glaube, Sie müssen noch eine Menge lernen, um zu wissen, was der ländliche Raum ist. Sie sollten sich nicht angewöhnen, uns vorzuschreiben, was wir machen oder nicht machen. Das lässt sich auch im Zusammenhang mit der Hessenkasse diskutieren. Da gibt es auch neue Vorschriften, mit denen Sie die kleinen Kommunen im wahrsten Sinne des Wortes an den Kanthaken nehmen wollen. Ich hoffe, dass Sie lernen. Wir wollen Sie am 28. Oktober ablösen. Wir werden Sie damit ablösen.
Ich möchte noch eine Empfehlung machen, weil wir hier eine PR-Abteilung haben: Die Antwort auf diese Kleine Anfrage sollten Sie als Broschüre drucken, damit alle im ländlichen Raum sehen, wie Sie mit ihm umgehen. – Ich danke fürs Zuhören. Glück auf.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Warnecke, ich freue mich, dass sich auch die SPD mit dem Thema ländlicher Raum und vor allem mit der Förderung des ländlichen Raums beschäftigt. Das tun wir auch.
Ich danke Ihnen auch ausdrücklich für Ihre Druckempfehlung. Wir haben ein sehr schönes Druckwerk, das liegt schon vor. Es heißt „Land mit Zukunft“. Darin sind sehr gute Ideen für die Entwicklung des ländlichen Raums – vor allem Unterstützung von Ideen aus der Bevölkerung – unter Beteiligung der Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ zusammengefasst. Ich möchte einfach eine Literatur
Sie haben moniert, dass die Landesregierung nicht alle Fragen beantwortet habe. Ich finde, manche sind auch etwas schwierig zu beantworten, z. B. die Frage, wie viele Dorfgemeinschaftshäuser ständig hauptberuflich als Gaststätte bewirtschaftet werden. Oder die Frage: „Wie viele Dorfgemeinschaftshäuser werden ständig ehrenamtlich als Gaststätte genutzt?“ Oder die Frage: „Wie viele Dorfgemeinschaftshäuser werden nur temporär als ,Wirtschaft‘ betrieben?“ Es gibt wirklich einen Teilbereich, bei dem man sagen muss, da ist die Datenerhebung fast unmöglich – seis drum.
Kommen wir auf den eigentlichen Inhalt zu sprechen. Wir stehen vor großen Herausforderungen; darüber sind wir uns einig. Ich glaube, Ihr berechtigtes Anliegen ist es auch, zu sagen: Wie bewältigen wir diese Herausforderungen? – Sie wollten Informationen haben. Arbeiten wir einmal damit.
Es stellen sich vor allem die Fragen: Wie sollen im ländlichen Raum in Zukunft z. B. wenige Anlieger noch ein großes Kanalnetz bezahlen? Wie schaffen und sichern wir Arbeitsplätze abseits der großen Metropolen im ländlichen Raum? Wie wird die Mobilität der Zukunft aussehen? Wie erhalten wir ganz einfach unsere Dörfer als lebenswerte Orte mit Zukunft? – Auch stellt sich die Frage: Was machen wir im Landtag eigentlich? Was machen wir als Gesetzgeber, um die Kommunen dabei zu unterstützen?
Daher müssen wir uns gut überlegen: Wo haben wir eine Regelungskompetenz, und wo haben wir eine Verantwortung? – Da muss man ganz klar sagen: Die Ideen entstehen eigentlich bei den Menschen vor Ort, in den ländlichen Kommunen. Was wir auf dem Land brauchen, sind zwei Dinge: Geld in den Kassen und Ideen in den Köpfen. Ich finde, wir haben beides.
Verantwortlich sind wir ganz klar für Geld in den Kassen, also für die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Diese haben wir in den letzten Jahren wirklich deutlich verbessert: mit dem Schutzschirm zur Entschuldung, mit dem Kommunalinvestitionsprogramm KIP, mit KIP II, dem Zweiten Kommunalinvestitionsprogramm, also der Stärkung der Schulinfrastruktur. Auch sind die KFA-Mittel, die an Gemeinden im ländlichen Raum fließen, gestiegen, und zwar von 2009 bis 2016 von 546 Millionen auf 746 Millionen €. Wir haben in den KFA zwei Ergänzungsansätze eingeführt, die nur Kommunen im ländlichen Raum zugutekommen. Auch gibt es z. B – das muss man auch erwähnen – das Förderprogramm Interkommunale Zusammenarbeit. Damit fließen 90 % der Mittel tatsächlich in den ländlichen Raum, in die Kommunen im ländlichen Raum. Das sind etwa 15 Millionen €.