Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Natürlich gibt es Gründe, warum man sich im Landtag mit digitalem Lernen befassen muss. Insofern ist der Antrag der FDP zu begrüßen; denn er eröffnet die Möglichkeit, dieses Thema hier zu behandeln.
Leider beschränkt sich der Antrag in den meisten Punkten auf die Ausstattung der Schulen mit technischen Geräten und behandelt die Punkte sehr oberflächlich, die sich mit Erziehung und Bildung im digitalen Bereich auseinandersetzen. Ich mache das an drei Beispielen deutlich.
Unter Punkt 1 des Antrags heißt es, „dass neue Technologien und Methoden Raum für Kreativität und Neugier bieten und immer wichtiger für spätere Berufe werden“. Klar, für spätere Berufe ist ein gekonnter Umgang mit digitalen Medien sicher unabdingbar; aber Kreativität erwerben Kinder in diesem Feld eher begrenzt.
Wenn die FDP damit die Notwendigkeit des Einsatzes digitaler Medien in den Schulen begründen will, kann man nur sagen: Werte Damen und Herren, beschäftigen Sie sich einmal mit Entwicklungspsychologie. Kreativität und Neugier erwerben Kinder beim Begreifen, Bewegen und Handeln. Kreativität entwickelt sich zunächst analog: in der Erkundung der Welt und in der Interaktion mit ihr. Virtuelle Kreativität ist davon abhängig, dass man diese Entwicklungsschritte gehen und die Voraussetzungen für abstraktes Denken erwerben konnte.
Unter Punkt 2 Ihres Antrags steht neben einigem Richtigen, Sie sehen digitale Medien als Möglichkeit zur Binnendifferenzierung. Ich bin Sonderpädagogin und kann Ihnen sagen: Bei der Binnendifferenzierung ist es viel wichtiger, dass die Lehrkräfte diagnostische Fähigkeiten haben und erkennen, warum ein Kind etwas nicht begreifen kann. Als Nächstes müssen Lehrkräfte wissen, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit ein Kind die Schritte zum Verständnis auch gehen kann. Bevor ich es vor den Computer setze und mit Übungen beschäftige, brauche ich als Lehrerin eine Vorstellung davon, ob nur ein Lernrückstand aufgeholt oder vielleicht erst die Wahrnehmung aufgebaut werden muss. Natürlich muss ich wissen, wie sich das Denken – entwicklungspsychologisch gesehen – entwickelt. Das sind die wichtigen Dinge bei der Binnendifferenzierung, nicht aber, ob man einen Computer mehr oder weniger hat.
Mit digitalen Medien löst man nicht die Herausforderungen eines Bildungssystems der Zukunft, jedenfalls nicht allein. Sie schreiben unter Punkt 5, 50 Millionen € jährlich müssten in die digitale Bildung investiert werden. Sie meinen aber nicht Bildung, sondern die Ausstattung der Schulen mit technischen Geräten; das ist jedoch etwas ganz anderes.
Damit das nicht falsch verstanden wird: Ich bin nicht gegen Geld für die Ausstattung von Schulen mit technischen Geräten. Aber die Herausforderungen an ein Bildungssystem der Zukunft liegen vielmehr in der Gewährleistung einer guten individuellen Förderung, in einem vielfältigen Angebot von Möglichkeiten, die die Kreativität wirklich fördern, und in der Minderung von Chancenungerechtigkeit – kurz gesagt: in einer Schule, die eigenständiges, kritisches Denken fördert.
In dem Sinne sind digitale Medien in der Schule nur ein Arbeitsmittel wie andere auch. Klar ist – Frau Geis hat darauf hingewiesen –, nicht alle Schülerinnen und Schüler finden zu Hause digitale Medien vor, was mit der finanziellen Ausstattung des Elternhauses zusammenhängt. Die Schule muss digitale Medien vorhalten und die Schüler im Umgang damit erziehen. Aber dazu komme ich gleich.
Für die Idee, die diesem Antrag zugrunde liegt, ist Kapitel 14 des Abschlussberichts der Enquetekommission „Bildung“ eine gute Ausgangsbasis. Dort wurden die Möglichkeiten und die Probleme der Digitalisierung differenziert dargestellt. Sowohl die Einlassungen der Sachverständigen als auch die übereinstimmenden Handlungsempfehlungen der Fraktionen zeigen zweierlei: Einerseits sollen die Schulen mit digitalen Medien ausgestattet werden. Andererseits ist digitale Bildung vor allem die Erziehung zur Medienmündigkeit
und eine Prävention gegen Manipulation, gegen Sucht und gegen Cybermobbing – eben der kritische Umgang mit der Technologie. Nicht umsonst ist dieses Kapitel das nachdenklichste und kritischste des Berichts der Enquetekommission.
Tatsächlich müssen nämlich zahlreiche pädagogische Fragen geklärt werden, bevor den Schulen ein umfassendes Konzept zur digitalen Arbeit vorgelegt werden kann. Derzeit sind noch nicht einmal diese grundlegenden Fragen geklärt: Ab wann sollen Kinder in der Schule mit digitalen Medien konfrontiert werden? Welche Gefahren müssen berücksichtigt und thematisiert werden? Welche Fortbildungen sind für alle Lehrkräfte diesbezüglich notwendig?
Wir stehen bei diesem Thema noch ganz am Anfang, und das muss sich dringend ändern. Wir sollten unbedingt zu einer Diskussion über die Frage kommen, wie und mit welchen Inhalten zukünftig in den Schulen auf dem Feld der Digitalisierung gearbeitet werden soll. Ich frage Sie daher: Wann ist der Zeitpunkt, und wo ist der Ort, um sich konstruktiv und über Parteigrenzen hinweg mit diesen Fragestellungen gründlich auseinanderzusetzen?
Dem Zufall oder der einzelnen Lehrkraft kann man die Digitalisierung nicht überlassen. Da ist diese Landesregierung längst in der Verantwortung. Aber ich fände eine Arbeitsgruppe notwendig, die sich mit den Basics auseinandersetzt und dazu Fachleute aller relevanten Richtungen einlädt, vom IT-Spezialisten über Entwicklungspsychologen und Pädagogen bis zum Motorikforscher und den zuständigen Politikerinnen und Politikern. Die müssten alle zusammengebracht werden. Da reicht das Programm „Schule@Zukunft“ bei Weitem nicht aus.
Natürlich brauchen Schulen auch digitale Arbeitsmittel. Das gilt ganz besonders für die Berufsschulen. Die müssen meiner Ansicht nach zuerst ausgestattet werden. Dagegen habe ich auch nicht so viele Vorbehalte.
Die Frage nach den Mitteln, um allgemeinbildende Schulen mit technischen Geräten auszustatten, ist aber nicht erstrangig. Wenn wir nicht einmal wissen, ab wann und in welcher Form wir digital arbeiten wollen, können wir auch keine Aussage darüber treffen, wie viel Geld wir in die Hand nehmen müssen, um alle Schulen bedarfsgerecht auszustatten.
„Keine Anschaffung von Computern ohne Konzept“, formuliert der Bericht der Enquetekommission. Weiter steht dort sehr richtig:
Mit Programmen, welche sich ausschließlich auf die Anschaffung von Computer-Hard- und Software konzentrieren, ist niemandem geholfen. Im Hinblick auf die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen muss klar erkennbar sein, welche Zielsetzungen verfolgt werden und welcher wissenschaftlich belegbare Nutzen für den Unterricht und die Schulorganisation durch den Einsatz entsprechender Technik erreicht werden kann. Diese Zielsetzungen müssen in die Curricula und Unterrichtskonzepte und Schulprogramme eingebunden werden.
Was die Digitalisierung betrifft, müssen wir also dringend weiterkommen. Aber leider springt dieser Antrag der FDPFraktion viel zu kurz.
Dennoch bin auch ich der Meinung, man kann nicht immer nur sagen: „Wir müssen erst einmal anfangen“; denn es ist schon eine Zeit lang klar, dass diese Entwicklung bevorsteht und wir als Gesellschaft mittendrin sind. Mit der Ausarbeitung entsprechender Konzepte und Curricula muss jetzt mit Nachdruck begonnen werden; denn da sind wir, ebenso wie bei einer Konzeption für die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte, nicht vorne, sondern hintendran. Das kann man nicht weiter nach hinten schieben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. – Für die Landesregierung spricht nun Staatssekretär Dr. Lösel. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Schülerinnen und Schüler müssen erfolgreich an einer zunehmend digitalisierten Welt teilhaben können. Deswegen ist die Digitalisierung des Lehrens und des Lernens eine zentrale Maßnahme der Bildungspolitik dieser Landesregierung.
Die von der FDP in ihrem Antrag formulierte Auffassung, dass als Voraussetzung für digitales Lernen umgehend alle
hessischen Schüler und Lehrer mit Tablets ausgestattet werden müssen, teilen wir – der Abg. May ist bereits darauf eingegangen – allerdings nicht.
Zum einen wäre die von Ihnen geforderte Summe von 50 Millionen € bei ca. 760.000 Schülerinnen und Schülern und 60.000 Lehrkräften für die Anschaffung und Wartung der Geräte bei Weitem nicht ausreichend. Zum anderen, das ist der eigentlich wichtigere Punkt, ist eine flächendeckende Ausstattung mit Tablets im Hauruck-Verfahren weder klug noch pädagogisch sinnvoll.
Der Einsatz von Tablets und sonstigen mobilen Endgeräten im Unterricht setzt vor allem die Qualifizierung von Lehrkräften voraus. Diese stellen wir passgenau und in breitem Ausmaß zur Verfügung.
Einige Beispiele: Wir bieten fachliche Unterstützung an, wenn Kollegien Medienbildungskonzepte erstellen möchten. Das ist aktuell an ungefähr 100 Schulen in Hessen der Fall. Konkret beraten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Lehrkräfteakademie die Kolleginnen und Kollegen dieser 100 Schulen in jeweils fünf begleitenden Workshops.
Ein anderes Beispiel: Für das kommende Schuljahr bereiten wir ein Angebot für ganze Kollegien einer Schule zur Einstiegsqualifizierung vor. Dieses Angebot richtet sich speziell an Schulen, die bisher noch wenig mit dem Thema digitale Bildung in Berührung gekommen sind. Die Kollegien dieser Schulen führen mit unseren Fachberaterinnen und Fachberatern einen Pädagogischen Tag durch, der als Ziel hat, die Bildung mit digitalen Medien im Schulprofil festzuschreiben und konkrete Schritte der Umsetzung gemeinsam festzulegen.
Unsere Lehrkräfteakademie bietet kontinuierlich Fortbildungen an, beispielsweise zum Einsatz von Lernplattformen, zum Arbeiten mit Smartboards, zum Arbeiten mit EPortfolios und natürlich auch, Frau Abg. Geis, zur Qualifizierung von Jugendmedienschutzberatern und IT-Beauftragten. Über unsere Staatlichen Schulämter und Medienzentren gibt es Fortbildungs- und Beratungsangebote, z. B. zum Umgang mit sozialen Netzwerken oder zur Nutzung von bestimmter Lernsoftware.
Unsere Kooperationspartner, die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien und auch der Hessische Rundfunk, erweitern die breite Palette an Fortbildungsangeboten. An dem Programm Internet-ABC für Grund- und Förderschulen der LPR haben bisher 350 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen. An Medienfachtagen, Video-, Radio- und Onlineprojekten des Hessischen Rundfunks haben knapp 400 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen.
Das ist nur eine kleine Auswahl einer Palette von 1.168 Fortbildungen, die seit Anfang des vergangenen Jahres zum Thema Medienbildung auf der Datenbank der Lehrkräfteakademie akkreditiert wurden.
Wir haben uns mit den kommunalen Partnern verständigt, dass dort, wo die Schulträger die IT-Infrastruktur bereitstellen, wir die Fortbildungsmaßnahme liefern. Es gibt nichts Unangenehmeres, als wenn eine Lehrkraft in einem hervorragend ausgestatteten digitalen Lernumfeld nicht in der Lage ist, die Medien zu bedienen. Vermutlich erinnern Sie sich an die eigene Schulzeit, als vielleicht eine Lehre
Overheadprojektor, das ist ein anderes Beispiel, Frau Wissler. – Heute haben wir Whiteboards, deren Einsatz im Unterricht natürlich oft lohnend ist; der Umgang mit ihnen will aber erlernt sein. Herr Abg. Greilich, genau deswegen arbeiten wir Hand in Hand mit den Schulträgern. Nur wenn wir an einem Strang ziehen, kann eine Medieninfrastruktur entstehen, die letztlich für unsere Schülerinnen und Schüler gewinnbringend ist.
Die technische Ausstattung und Anbindung der Schulen ist Aufgabe der Schulträger. Das Wirtschaftsministerium unterstützt die Schulträger bei der Breitbandanbindung der Schulen. Aktuell ist bereits die Hälfte unserer Schulen an schnelles Internet angebunden bzw. ist die Anbindung projektiert. Unser Ziel ist natürlich, dass alle hessischen Schulen möglichst schnell von gigabitfähigen Anschlüssen profitieren. Hessen hat deswegen weitere 20 Millionen € Fördermittel reserviert, die von den Schulträgern als Kofinanzierung genutzt werden können, sobald der Bund die nächste Runde seines Förderprogramms zur Schulanbindung gestartet hat.
Mit KIP II, KIP macht Schule, steht den Schulträgern in Verbindung mit Sanierungsmaßnahmen eine weitere Finanzierungsmöglichkeit der digitalen Infrastruktur der Schulen zur Verfügung. Darüber hinaus, das wurde schon vielfach angesprochen, unterstützen wir als Kultusministerium bereits seit 2001 die Schulträger bei der IT-Ausstattung durch unser Programm „Schule@Zukunft“ mit 2,75 Millionen € jährlich. Wir können hierbei auf gewachsene Kooperationsstrukturen aufbauen, die wir zur Umsetzung des Digitalpakts mit dem Bund – um noch kurz auf dieses Thema zu kommen – nutzen werden.
Die Kultusministerkonferenz hat sich zur Vorbereitung des Digitalpakts bereits im Juli des vergangenen Jahres in einem gemeinsam mit dem Bund erarbeiteten Eckpunktepapier verpflichtet, Maßnahmen zur Lehrerbildung auszubauen. Dafür haben wir in Hessen wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Wir haben digitale Bildung in der Lehrerbildung phasenübergreifend angelegt, d. h., im Austausch mit den hessischen Universitäten und Studienseminaren ist es unser Bestreben, dass Lehrerinnen und Lehrer schon im Studium und im Vorbereitungsdienst den didaktisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien erlernen.
Wir haben auch die Anpassung der curricularen Vorgaben in Angriff genommen. Mit einem Praxisleitfaden unterstützen wir unsere Lehrkräfte in Form von konkreten Unterrichtsbeispielen. Die digitale Bildung geschieht natürlich auch bei den Unterrichtsmaterialien. Die Bildungsmesse didacta hat es vor wenigen Tagen, im Februar, gezeigt: Der Markt bietet ein schier endloses Angebot, z. B. von Lernprogrammen, von Diagnoseprogrammen, von Vokabel-Apps, von Lernvideos und vielem mehr. Zum Teil sind diese Angebote kostenlos zugänglich.
Es ist nicht die Aufgabe des Landes, wie im Antrag der FDP gefordert, weitere Materialien zu entwickeln. Es ist unsere Aufgabe, die Qualität der zahlreichen vorhandenen digitalen Angebote zu prüfen und dadurch unsere Lehrerinnen und Lehrer bei der Auswahl geeigneter Bildungsmedi