Protocol of the Session on February 1, 2018

Ich stimme René Rock völlig zu: Es gibt keine Wundertüte, es gibt kein Patentrezept, und wir können auch nicht sagen, dass das Problem in einer kurzen Zeiteinheit gelöst wird. Aber wir sind hier wirklich auf einem guten Weg, und wir müssen die Sache im Sinne der Patientinnen und

Patienten wirklich von der Praxis her angehen; denn es geht um kranke Menschen, die unserer Zuwendung bedürfen.

Ein letzter, abschließender Punkt. Frau Dr. Sommer, Sie hatten gesagt, in der Verbundbildung im Bereich der stationären Versorgung habe das Land zu wenig getan, bzw. dort bestehe noch ein Handlungsbedarf, soweit ich Sie richtig verstanden habe. – Die Hessische Landesregierung und gerade unser Sozial- und Gesundheitsminister Stefan Grüttner ist einer, der in Sachen Verbundstrukturen besonders engagiert vorprescht. Das ist Benchmarking, was wir diesbezüglich in Hessen in die Wege leiten.

(Zuruf der Abg. Dr. Daniela Sommer (SPD))

Wir fördern die Verbundstrukturen, und wir werden das auch weiter fortsetzen. Es ist durchaus in der Diskussion, dass wir bei der Investitionsförderung auch diejenigen Krankenhäuser noch ein bisschen besser fördern wollen, die in Verbünden zusammenarbeiten, in Analogie zur speziellen Förderung derer, die in der Notfallversorgung besonders engagiert sind. Das ist also ganz genau unser Thema, indem wir sagen, Standorte zur Basisversorgung sollen wohnortnah erhalten bleiben, aber innerhalb von Verbundstrukturen soll sich die Qualität weiterentwickeln.

Hierbei sind wir auf einem sehr guten Weg. Noch einmal vielen Dank, dass Sie dies hier thematisiert haben. Wir gehen hier sehr optimistisch in die Diskussion und werden das in unserer Verantwortung weiter verfolgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Schott, Sie haben das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Herr Dr. Bartelt, um einmal bei Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben – Sie haben eben gesagt, die Oppositionsfraktionen hätten diese Rolle, sie müssten das kritisieren –: Ich kann verstehen, dass Sie als regierungstragende Fraktion die Aufgabe haben, alles schönzureden, was diese Regierung hier alles tut. Und was sie nicht hinkriegt, müssen Sie auch noch schönreden.

Aber Sie sind eben nicht auf einem guten Weg. Wir sind weit weg von einem guten Weg.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bar- telt (CDU))

Viele Dinge, die Sie beschrieben haben, die Sie bzw. die Regierung in diesem Land eingetütet hätten, um die Situation zu verbessern – das waren zu einem ganz großen Teil die KV in Hessen, engagierte Ärztinnen und Ärzte, Menschen, die Krankenhäuser betreiben und leiten. Manche Dinge wurden trotz dieser Regierung umgesetzt und nicht wegen dieser Regierung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

An vielen Stellen, an denen sich Menschen in diesem Land mit Blick auf die Gesundheitspolitik Hilfe suchend an die

se Regierung gewandt haben, sind sie so was von abgeschmiert und abgebügelt worden, dass sie sich persönlich betroffen abgewandt und gesagt haben, sie hätten es nie für möglich gehalten, dass mit einer solchen Arroganz mit ihnen umgegangen wird.

(Zuruf von der CDU)

Das ist der O-Ton der Menschen, die hier waren. – Selbst wenn man inhaltlich die Anliegen der Menschen nicht teilt, muss man sie nicht behandeln, als wäre es unzulässig, dass Menschen in diesem Land ein Anliegen haben und etwas von dieser Regierung wollen, als wären sie lästig. Sie sind Bürger mit einem Anspruch, und denen dreht man nicht den Rücken zu, sondern man spricht mit ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

An die Veranstaltung, bei der Vertreter des Ministeriums Bürgern den Rücken zugedreht und damit demonstrativ ihr mangelndes Interesse am Thema signalisiert haben, werden sich diese Menschen alle erinnern.

Dass Sie nicht immer teilen, was die Menschen dort draußen wollen, und dass man nicht alles lösen kann, sehe ich ja ein. Aber das meiste von dem, was gelöst worden ist, waren sicherlich nicht Sie und nicht diese Regierung. Die Kassenärztliche Vereinigung steht doch nicht umsonst da und übt Kritik an dem, was Sie hier tun, und sagt: Wir alleine bekommen das nicht mehr gestemmt.

(Zuruf)

Ja, die wissen, dass sie einen Auftrag haben. Aber wenn sie es nicht gestemmt bekommen und sagen, sie brauchen Unterstützung, und Sie stattdessen an vielen Stellen aus der Unterstützung aussteigen, statt tiefer einzusteigen, dann kann ich nur sagen, dass es mir leidtut.

An dieser Stelle lohnt sich übrigens einmal der Blick über die Grenze nach Thüringen. Dort macht die KV gerade mit der Landesregierung Thüringen zusammen ein Projekt namens „Stiftungspraxis“. Dort werden Praxen, die keinen Nachfolger finden, mit einem ganz spannenden Modell übernommen. Das funktioniert ziemlich gut, es läuft schon eine ganze Weile: die KV auf der einen Seite, die es organisatorisch macht, und die Landesregierung auf der anderen Seite, die es finanziell unterfüttert, damit es möglich wird. Vielleicht sollten Sie sich einmal ein Beispiel daran nehmen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Dr. Daniela Sommer (SPD))

Die Mängelliste, die man anführen kann, ist nämlich lang. Es gibt den Mangel in Form zu weniger niedergelassener Ärztinnen und Ärzte. Deutlich wird dies an den Problemen bei der Nachbesetzung von Hausarztpraxen. 2015 war sie nur in fünf der hessischen Kreise erfolgreich. Im Kreis Waldeck-Frankenberg konnte kein Praxissitz wiederbesetzt werden. – Ich weiß nicht, wofür man sich hier loben sollte.

So geht es auch weiter, wenn man es sich ansieht: die besonderen Zahlen, wenn es um die Versorgung der Kinder geht, oder um die Kinder- und Jugendpsychiater, von denen in der Region Starkenburg auch noch der letzte aus dem Beruf ausschied. In Osthessen gibt es schon lange keine mehr. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn anschließend die Bettenzahlen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie steigen. Wer kann das denn wollen, dass wir Kinder aus ihrem Lebensalltag nehmen, um sie längerfristig – bei einer psychischen Erkrankung ist das in der Regel

so – in eine Klinik zu geben, weil wir keine niedergelassenen Ärzte mehr haben? Wo ist da Ihre Aktion, etwas dagegen zu tun? Herr Minister, sagen Sie uns das.

Natürlich ist es schwierig für einen Arzt, sich zu entscheiden, aufs Land zu gehen, eine Praxis zu gründen, Geld in die Hand zu nehmen, nicht genau zu wissen, ob sich das Ganze wirtschaftlich trägt. Wir haben eine ganz schwierige Finanzierungssituation, und Praxisgründungen müssen mit hohen Krediten gestartet werden. Aber in den nächsten fünf Jahren wird mehr als ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte landesweit ihre Praxen abgeben wollen. Fast die Hälfte der hessischen Hausärzte ist mindestens 58 Jahre alt. Schauen Sie sich einmal die Zahlen an, die Sie in Ihrer Antwort geliefert haben, wie viel Ausbildungskapazität wir haben. Dann höre ich mir an, wie das an den Hochschulen ist und dass das aus Ihrer Sicht alles völlig in Ordnung ist. – Nein, wir brauchen mehr Ausbildung in der Medizin. Wir brauchen mehr Studienplätze.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sagt, dass die Abiturnote an der Stelle das Kriterium ist, dann frage ich mich: Was ändert sich an dem Kriterium, wenn jemand fünf, sechs oder sieben Jahre gewartet hat? Wird die Abiturnote dann eine andere? – Nein, sie bleibt dieselbe.

(Beifall bei der LINKEN)

Also ist doch dieses Kriterium eine freie Erfindung, wie man mit einem Mangel an Studienplätzen bei einem deutlich höheren Andrang von Studierenden umgeht. Wenn es Menschen gibt, die diesen Beruf ergreifen wollen, und wenn wir wissen, dass wir Ärztinnen und Ärzte in einer hohen Zahl brauchen, wenn wir die Altersstruktur unserer niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte anschauen, dann müssen Sie doch endlich reagieren und sagen: Ja, wir brauchen deutlich mehr Studienplätze.

Dann muss man sich auch überlegen, wie man es hinbekommt, dass die Studierenden dann auch aufs Land gehen, und wie man es hinbekommt, sie dahin zu motivieren. Da kann man nicht sagen: Wenn sie auf dem Land einen Pflichtteil machen müssen und wir ihnen das vorschreiben, dann tun sie es womöglich nicht mehr. – Das impliziert doch: Wenn jemand erst einmal gesehen hat, wie die Arbeit als Landarzt ist, wird er es auf keinen Fall machen.

Was zeichnen Sie da für ein Bild? Das ist doch völlig kontraproduktiv. Man muss es den Leuten ermöglichen. Es wird uns doch im Ausland vorgemacht, wie man solche Dinge unterstützt, dass der oder die junge auszubildende Arzt oder Ärztin mit den Ärzten auf dem Land mitläuft, Erfahrungen sammelt und die Angst vor der Überlegung genommen bekommt: Wie ist es denn, wenn ich alleine in der Praxis bin, wenn ich meine Entscheidungen selbst treffen muss, wenn ich kein Kollegenteam um mich herum habe? – Das ist doch das, was verunsichert, und dem muss man entgegenwirken. Es geht nicht nur um Geld.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es geht auch um das Gefühl: Ich will meine Arbeit gut machen, ich will mich mit Kolleginnen und Kollegen beraten können, ich will den Austausch haben. – Das brauchen wir doch, und dafür brauchen wir andere Modelle. Da ist das AVZ auf dem Dorf nicht die allgemeine Lösung; denn man muss nicht immer eine ganze Ansammlung in kleineren

Ortschaften haben, sondern man muss sich auch andere Dinge überlegen, wie man beispielsweise unterstützt, dass die Gemeinden den Arzt anstellen. Auch diese Versuche gibt es. Da muss man genau schauen, was man davon hierher übertragen kann, welche Modellprojekte man in Hessen fahren könnte. Hier erwarte ich mehr Mut und mehr Kreativität. Das fehlt hier aber komplett.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist doch immer nur dieselbe Rede: Wir machen das gut, wir tun ganz viel, wir geben dafür Geld aus, wir sind im Dialog, wir wollen keine Reglementierung, das muss alles mehr oder weniger freiwillig laufen. – Ja, natürlich muss am Ende derjenige selbst entscheiden, ob er aufs Land geht oder nicht. Aber Sie haben Möglichkeiten, Rahmenbedingungen zu setzen. Sie haben Möglichkeiten, Angebote zu machen. Die müssen Sie auch ausnutzen, und zwar in ganzer Breite und ganzer Tiefe, weil wir auf eine Situation zulaufen, die eine Unterversorgung birgt, die nicht mehr zu fassen ist.

Stellen Sie bitte Ihre eigenen Zahlen nebeneinander: die der Altersstruktur und die der Ausbildung. Dann wissen Sie, wie groß das Problem ist. Gehen Sie es endlich an, und reden Sie es hier nicht schön. Das ist unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich in der Tat zu den Antworten auf die Große Anfrage komme und zu den Problemen und Herausforderungen der Gesundheitspolitik, ist es mir wichtig, gerade nachdem wir mit diversen Ausschussreisen im Ausland waren und es dort auch hin und wieder zu Arztbesuchen und Krankenhausbesuchen kam, eine Bemerkung in diesem Saal zu machen: Wir haben in Deutschland ein fantastisches Gesundheitssystem, fantastische Zehntausende von Ärzten und Pflegepersonal, die sich fantastisch um die Menschen kümmern, wenn sie krank sind.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Hunderttausende fehlen aber!)

Vielleicht halten wir einmal fest, dass wir in Deutschland und auch in Hessen ein sehr gutes Gesundheitssystem haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss auch bedenken, dass, wenn man etwas krisenhaft darstellt – das ist berechtigt, wenn man ein Problem lösen will –, man aber auch nicht die Leute draußen damit erschrecken sollte, sodass sie denken: O Gott, wenn ich krank werde, finde ich keinen Arzt mehr, oder wenn es mir ganz schlecht geht, kommt kein Rettungswagen, und wenn es mir noch schlechter geht, ist kein Krankenhaus mehr da. – Wir müssen ein bisschen Augenmaß behalten bei der Diskussion. Dafür plädiere ich nachhaltig, auch wenn wir uns jetzt den Herausforderungen stellen und sie ansprechen.

Wir haben mindestens vier oder fünf Themen. Ich nenne sie einmal: Ärztemangel, wie wir weiter mit der Pflege umgehen, wie es um die Zukunft der Krankenhäuser steht, wie es uns gelingt, speziell beim Thema Geburtshilfe im ländlichen Raum Lösungen zu finden.

Frau Dr. Sommer, Ihrer positiven Beschreibung, wo Sie hinwollen – sektorenübergreifende Zusammenarbeit, die Akteure zusammenbekommen, die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum erhalten –, all dem, was Sie beschrieben haben, stimme ich vollumfänglich zu. Das entnimmt man auch den Antworten auf die Große Anfrage. Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und auch wir GRÜNE sagen: Ja, das ist das Ziel. Da müssen wir hin. Wir müssen täglich daran arbeiten.

Ich sage Ihnen auch, warum es nicht so einfach ist, was Sie so gut wissen wie ich: Es ist kein zu 100 % staatliches System, sondern wir haben die KVen mit der ambulanten Versorgung beauftragt. Bei den Krankenhäusern wird sehr viel geregelt über die Betriebskostenzuschüsse oder die Förderung der DRGs durch die Krankenkassen. Wir haben also in bestimmten Bereichen nur mittelbaren Einfluss.

Aber wir haben natürlich Möglichkeiten, diverse Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich will es einmal angehen. Der Ärztemangel im ländlichen Raum ist nicht politisch gewollt. Er ist auch nicht politisch verursacht. Das hat etwas mit dem demografischen Wandel zu tun bzw. mit dem Umzug von Menschen von dort in die Ballungsräume, wo sie Arbeit finden.