Herr Präsident! Herr Minister, ich finde, das geht nicht. Sie können sich nicht hierhin stellen und sagen: Na ja, Sie wissen ohnehin, dass Ihr Gesetzentwurf keine Mehrheit findet, und das ist unredlich. – Unredlich ist, dass Sie einem Parlament absprechen, dass es seine Arbeit macht
und dass es unter anderem auch Gesetzentwürfe einbringt – wohl wissend, dass es sich die viele Arbeit macht und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Koalition einem Gesetzentwurf der Opposition zustimmt, gen null geht. Es wäre ja ein großer Schritt für die Demokratie, wenn wir hier einmal etwas gemeinsam hinbekommen würden. Aber bei der Sturheit dieser CDU, die ja an manchen Stellen Grundsatzbeschlüsse zu solchen Themen fasst, kann man das nicht erwarten. Ich frage mich, was für ein Demokratieverständnis dahintersteckt. Das finde ich an der Stelle ziemlich zweifelhaft; denn wir machen genau das, wofür wir gewählt sind und wofür wir hier sind. Wir kontrollieren die Regierung, und wir machen uns Gedanken darüber, wie dieses Land funktionieren sollte und was es dafür für Gesetze braucht. Das einer Fraktion abzusprechen, Herr Minister, heißt eigentlich: Bleib zu Hause. Ich mache hier, was ich will. – Einem solchen Demokratieverständnis können wir uns nicht anschließen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem der Minister hier gesprochen hat, will ich noch einmal auf zwei Themen eingehen. Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Koalition oder der Minister uns irgendwann einmal mitteilten, warum sie 2019 die Integration von Flüchtlingskindern in die Kitas in Hessen nicht mehr mit 36 Millionen € fördern wollen. Glauben Sie, dass die Kinder 2019 weg sind? Oder haben Sie einfach umfirmiert? 36 Millionen €, die Sie früher für die Flüchtlingskinder ausgegeben haben, geben Sie demnächst für Qualität aus, was für die
Bilanz der Kitas vor Ort sozusagen linke Tasche, rechte Tasche ist. Das müssen Sie aufklären. Sonst muss ich nämlich anders über Ihren Gesetzentwurf sprechen, und zwar deutlich härter, als wenn ich die Haushaltstitel jetzt nicht richtig durchschaut hätte und das Geld vielleicht woanders ist.
Für das Zweite bin ich dem Minister sehr dankbar. Ich halte das Instrument der Qualitätspauschale für sehr geeignet, Qualität zu fördern. Aber hinsichtlich der Fragestellung, wie man das umsetzt, ergeben sich ziemlich viele Fragen.
Die erste Frage ist die, die Kollege Merz aufgeworfen hat. Bei meinen Kitabesuchen ist das sehr oft zutage getreten – nicht in allen Kommunen. Wiesbaden will ich besonders hervorheben, hier ist vorbildlich geregelt, wie man das mit der Qualitätspauschale macht. Aber in den meisten Kommunen war es anders. Dort waren es Verstärkungsmittel für die Betriebskosten. Sie wurden mit den sowieso schon getätigten Fördermaßnahmen – pädagogischer Tag, geregelte Fortbildung – verrechnet, weil man sagte: Man macht ja schon so viel für die Qualifizierung. Vielen Dank für den zusätzlichen Beitrag. – Das sind dann Verstärkungsmittel. Das war der häufigere Fall. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass dieses Geld, das Sie hier jetzt womöglich ausgeben, am Ende auch tatsächlich zu einer Qualitätsverbesserung beiträgt?
Jetzt kommt der zweite Teil. Sie haben schon etwas dazu gesagt, Herr Minister. Sie wollen mehr regeln. Sie wollen den Kommunen vor Ort deutlicher sagen, was inhaltlich passieren muss. Das wird natürlich dazu führen, dass Sie das auch kontrollieren müssen, was Sie vorgeben.
Dann müssen Sie es überprüfen. Dann müssen Sie kontrollieren. – Das ist einer der großen Kritikpunkte an der jetzigen Regelung. Sie wäre verwaltungslastig.
Wenn Sie diese Überlegungen anstellen – ich erinnere mich noch, wie wir bei der ersten Qualitätspauschale die Aspekte „pauschal, möglichst niedrige Verwaltungskosten, leichte Nachweisbarkeit“ diskutiert haben –, wäre ich einmal sehr daran interessiert, wie Sie das umsetzen wollen. Vielleicht könnten Herr Bocklet oder Dr. Bartelt einmal diesen wichtigen Punkt ansprechen. Wie wollen Sie das umsetzen? Was ist Ihre Idee dazu? Wenn Sie eine Verordnung machen und da hineinschreiben: „Das, das und das muss da, da und da geregelt sein“, dann erzeugt das in den Kitas wieder Verwaltungsaufwand. Sie wissen, dass die Leitung nicht regelmäßig freigestellt ist. Sie wissen, dass die pädagogische Leitung eigentlich schon genug zu tun hat. Wenn Sie jetzt noch sagen: „Da kommt jetzt noch einmal etwas obendrauf“, wissen wir beide, wie die Reaktionen vor Ort sein werden. Darum wäre ich schon sehr dankbar, wenn man in der Koalition noch einmal deutlich machen könnte: Wie sind Ihre Überlegungen dazu, dass dieses Geld tatsächlich eine Qualitätsverbesserung bringt, nämlich obendrauf kommt und nicht verrechnet wird? Zweitens. Wie wollen Sie das umsetzen, ohne eine neue gigantische Verwaltung loszutreten? – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich in dieser Debatte zu Wort gemeldet, weil sich zwei Gesetzentwürfe gegenüberstehen: der Gesetzentwurf der Regierung und der Gesetzentwurf der SPD-Opposition. Dieser Gesetzentwurf ist ein schönes Beispiel dafür, wie die SPD in diesem Hause Oppositionspolitik betreibt.
2014/15 war in den Anträgen der SPD vom Thema Beitragsfreiheit für die Kitas überhaupt noch keine Rede – für gar kein Kindergartenjahr. 2016 hat die SPD dann entdeckt,
dass sie die Beitragsfreiheit für das zweite Kindergartenjahr für fünf Stunden will und dass sie dafür die Kommunen um 100 € pro Monat entlasten will. Das war die SPDPosition im vergangenen Jahr.
Dann hat die SPD gemerkt: Mensch, das, was die Regierungskoalition auf den Weg bringen will, nämlich die Beitragsfreiheit für das erste, zweite und dritte Kindergartenjahr, ist ja viel mehr als unsere Forderung. Da müssen wir jetzt auch noch einmal nachlegen. Dann fordern wir eben auch die Beitragsfreiheit für die Krippenplätze. – Dann ist der SPD aufgefallen: Die Regierungskoalition will ja sechs Stunden Beitragsfreiheit. Das ist ja viel mehr, als wir als Opposition bislang gefordert haben. – Dann haben Sie nachgelegt und gesagt: Dann machen wir es eben ganztags.
Dann sind Sie mit Ihren Vorstellungen zu Ihren Kommunalpolitikern gegangen – ich habe die präzise Vorstellung, dass es genau so war. Dann haben Ihnen Ihre Kommunalpolitiker gesagt: „Wer soll denn eure Vorstellungen eigentlich bezahlen?“ Was ist die Reaktion der SPD? Allen wohl, keinem wehe: Dann sagen wir, das bezahlen wir eben auch noch. Dann übernehmen wir auch noch zwei Drittel der Kosten für die Kommunen.
Dann kamen die Kitaträger zur SPD und haben gesagt: „Wir haben jetzt alles gehört, was ihr wollt. Aber wir hätten auch noch Vorschläge zur Qualitätsverbesserung.“ Was sagt die SPD-Opposition? Allen wohl, keinem wehe: Dann schreiben wir in unseren Gesetzentwurf auch noch etwas zur Qualität.
Dann kamen die Eltern und haben gesagt: „Wir wünschen uns kleinere Gruppengrößen und eine Rückkehr zur gruppenbezogenen Zuweisung.“ Man kann ja über alles reden. – Da hat die SPD gesagt: Ja, super, das schreiben wir auch noch in unseren Gesetzentwurf hinein. Wir wollen ja keinem wehe und allen wohl.
Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie die SPD hier Opposition betreibt. Jede Forderung, die an Sie herangetragen wird, beantworten Sie mit: Ja, das machen wir – mehr von allem.
720 Millionen € kostet allein dieser Gesetzentwurf. Wie gesagt: Wir können über jede dieser Maßnahmen reden. Jede dieser Maßnahmen ist spannend und wichtig.
Aber wenn man ernst genommen werden will, dann muss man auch eine Idee haben, wie man diese Maßnahmen finanziert. Diese Antwort bleiben Sie bis heute schuldig.
Deshalb bezeichnen wir den Gesetzentwurf der SPD als das, was er ist: ein Wahlversprechen ohne jegliche Substanz.
Wer in den Debatten gestern und heute dem Kollegen Merz genau zugehört hat, der hat schon gehört, dass das Wahlversprechen jetzt auch schon gebrochen und relativiert wird.
Ja, natürlich. – Herr Kollege Merz hat in der Debatte gestern gesagt, bei der Frage der Gruppengrößen und der Mindestgrößen für die Gruppen habe er noch großen Diskussionsbedarf zu seinem eigenen Gesetzentwurf.
Noch ehrlicher war Kollege Merz heute in dieser Debatte vor noch nicht einmal einer halben Stunde. Wir haben der SPD vorgeworfen: Wer allen alles verspricht, verspricht in Wahrheit niemandem etwas.
Das ist genau der Unterschied zwischen einer seriösen Politik, die Verbesserungen für die Eltern auf den Weg bringt, und haltlosen und unseriösen Wahlversprechen.