Protocol of the Session on December 12, 2017

(Beifall bei der SPD)

Zweitens geht es um eine Qualitätsverbesserung unter anderem dadurch, dass wir Leitungszeiten freistellen und pädagogische Zeiten in den Einrichtungen zur Verfügung stellen.

Drittens bringen wir die Entbürokratisierung des Bürokratiemonsters KiföG endlich auf den Weg. Letztlich legen wir einen nahezu revolutionären Vorschlag zur Finanzierung für den Bereich der frühkindlichen Bildung in Hessen vor. Damit legen wir ein Paket auf den Tisch, das auch viele Sorgen auf der kommunalen Seite bei dieser großen gesamtstaatlichen Aufgabe aufgreift, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und um die frühkindliche Bildung zu stärken, wobei die Kommunen in den letzten Jahren allzu oft alleingelassen worden sind. Um nicht mehr und um nicht weniger geht es.

(Beifall bei der SPD)

Anders als die derzeitige Landesregierung und der Ministerpräsident pressen wir die Eltern nicht in eine Schublade, indem wir erklären, dass sechs Stunden Betreuung das Kindergarten-Normalverhältnis seien. Die durchschnittliche Betreuungszeit in Hessen beträgt deutlich mehr, nämlich 7,5 Stunden. Deswegen ist das eine willkürliche Grenzziehung, die eine familienpolitische und gleichstellungspolitische Vorstellung offenbart, die ausdrücklich nicht unsere ist. Deswegen sind wir froh, diesen Gesetzentwurf vorgelegt zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Weil wir das nicht nur taktisch, sondern auch ernst meinen, werden wir am Freitag einen Gesetzentwurf mit dem Ziel einer Verfassungsänderung einbringen; denn wir wollen, dass gebührenfreie Bildung von Anfang an gilt, nicht nur als taktisches Instrument vor Landtagswahlen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass das ernst gemeint ist. Deswegen sollte dieser Anspruch in die Verfassung geschrieben werden. Mit Blick auf die Debatten, die wir in den letzten Monaten hatten, hoffe ich sehr, dass wir vielleicht doch noch ein bisschen weiterkommen, weil es eben nicht um Taktik geht, sondern um Überzeugung.

Ich will im Rahmen dieser Generalaussprache aber nicht nur über frühkindliche Bildung reden. Ich will ausdrücklich mehr in den Blick nehmen. Sie, Herr Bouffier, Sie, die CDU-geführte Landesregierung, doktern inzwischen seit 18 Jahren am Bildungssystem in Hessen herum.

(Lachen des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

18 Jahre, in denen Sie nahezu jedes Jahr irgendeine neue Sau durchs Dorf treiben, eine Reform nach der anderen, die Sie teilweise anschließend wieder einräumen mussten. Dem wichtigsten Befund der Bildungsforschung, nämlich dem Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungsweg, konnten Sie aber nichts entgegensetzen.

Die große Chance am Anfang dieser Periode war der Bildungsgipfel. Es war das große Kernanliegen, auch von

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in dieser Koalition ähnlich wie in anderen Bundesländern eine Art Konsens in der Bildungspolitik zu erreichen. Ich will das offen sagen mit Blick auf die Debatten, die wir damals geführt haben, aber auch mit Blick auf die Arbeit des Kultusministers: Wir wären am Ende ziemlich weit gekommen, wenn nicht gegen Ende der Beratung Volker der „Bestimmer“ gekommen wäre und auf dem JU-Landestag erklärt hätte, was mit ihm einmal gerade gar nicht gehe. Damit hatte er die monatelange Arbeit des Bildungsgipfels in die Tonne getreten. Die Anstrengungen, sich wechselseitig aufeinander zuzubewegen, hat er damit beendet, weil er der Auffassung war, dass die Bildungspolitik auch in Zukunft ein Feld sein müsse, in dem es möglichst viele Kontroversen gibt. Er ist der Auffassung, dass all die Vorstellungen z. B. zum Thema Ganztagsschule, die wir anschließend im Flüchtlingspaket miteinander verhandelt und beschlossen haben, des Teufels und pädagogisch nicht akzeptabel seien. Deswegen trägt der Ministerpräsident persönlich bis heute die Verantwortung dafür, dass dieser Weg gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens: Eine der wenigen Vereinbarungen, die wir im Rahmen des Bildungsgipfels wirklich inhaltlich beschließen konnten, war, dass die berufliche Orientierung und die Berufsbildung in gymnasialen Bildungsgängen gestärkt werden sollen, und zwar unter anderem deshalb, weil wir allesamt davon überzeugt waren, dass es richtig ist, dass gerade gymnasiale Bildung in Zeiten einer sich dramatisch verändernden Arbeitswelt nicht nur für die allgemeine Hochschulreife zuständig ist, sondern die deutlich gestiegenen Bildungsanforderungen auch im Bereich der dualen Ausbildung mit aufnehmen muss. Das war das Einzige, worüber im Kern Konsens bestand. Bis heute ist diese Landesregierung jede konkrete Maßnahme zur Stärkung der Berufsbildung und beruflichen Orientierung in gymnasialen Bildungsgängen schuldig geblieben.

Ich will es offen sagen: Das halte ich für nicht akzeptabel. Das muss sich ändern, weil es Kernaufgabe der gymnasialen Bildungsgänge sein muss, gleichberechtigt zu qualifizieren sowohl für die duale als auch für die akademische Ausbildung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Eines Ihrer Lieblingsprojekte in dieser Periode ist der Pakt für die Nachmittagsbetreuung. Mit diesem Projekt sollte der Konflikt zwischen Betreuung und Ganztagsschule endlich beendet werden. Im Ergebnis kann ich feststellen, dass sich die eine oder andere Schule sicherlich auf den Weg gemacht hat mit diesem Pakt für die Nachmittagsbetreuung. In der Summe der Schulen, die Ganztagsbetreuung und Ganztagsbildung anbieten – um einmal die unterschiedlichen Konzeptionen zu inkludieren –, kann ich aber nicht feststellen, dass wir einen großen Schritt vorwärtsgekommen sind. Die Schulen haben von einem System zu einem anderen System gewechselt, das besser ausgestattet ist. Im Kern sind wir aber nur wenige Schritte vorangekommen. Wenn diese Ausbauschritte so weitergehen, werden wir noch viele Jahre brauchen, bevor wir den Bedarf an Ganztagsbildung, an Ganztagsschule in Hessen decken werden.

Deswegen will ich das an dieser Stelle ausdrücklich ankündigen. Für uns ist und bleibt der Ausbau echter Ganztagsschulen ein Herzensanliegen. Wir freuen uns nach wie vor,

dass es dazu kommen konnte, dass wir es einer Vielzahl von Schulen im Rahmen des großen Flüchtlingspakets ermöglichen konnten, zumindest theoretisch ermöglichen konnten, in die Ganztagsschulkonzeption der Stufe 3 einzusteigen. Allerdings wissen wir auch, dass es keine Hinleitung dazu gibt. Diejenigen, die sich durch den Zuständigkeitsdschungel und die Widerstände der Bildungsbürokratie kämpfen, können darauf hoffen, dass sie am Ende dabei sind.

Aber eine wirkliche Hinleitung zum Umbau, zu mehr Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung gibt es in Ihrem Haus, Herr Lorz, ausdrücklich nicht. Für uns bleibt es aber ein wichtiges Instrument – auch um den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg zu reduzieren. Deswegen bleibt es bei uns auch so, dass wir dem Ausbau von Ganztagsschulen in der nächsten Periode, wenn wir regieren – und das ist unser erklärtes Ziel –, eine absolute Priorität in der Bildungspolitik einräumen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Wir werden in einem Hessenplan Ausbauziele für die Ganztagsschule definieren, die klar und nachvollziehbar sind. Wir werden sie reduzieren müssen – entgegen dem Anspruch von 100 Ganztagsschulen pro Jahr, den wir für diese Legislaturperiode hatten, auf etwa die Hälfte. Das ist das, was wir im Moment als realistische Zahl ansehen. Das ist nicht deshalb so, weil wir nicht mehr wollten, Herr Lorz, sondern schlicht und einfach weil im Bereich der Lehrerausbildung und der Qualifizierung in den letzten Jahren so viel Untätigkeit existiert, dass wir das Lehrpersonal dafür nicht haben werden, das dringend notwendig ist. Auch das ist eine Verantwortung, die auf Ihr Konto geht, Herr Lorz.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Im Rahmen unserer Ideen zu guter Bildung für die Zukunft bleibt auch ein Anliegen, einen in der Tat krassen Widerspruch in der Bildungslandschaft zu beenden. Das gilt erstens für das Thema befristete Arbeit von Lehrkräften und die sogenannten Sommerferienentlassungen und Befristungen, die für uns nach wie vor ein Ärgernis und für die Betroffenen im Übrigen eine Zumutung sind,

(Beifall bei der SPD)

genauso wie für unser großes Ziel, im Bereich der Lehrerbezahlung zwischen Grundschule und weiterführenden Schulen endlich eine notwendige Veränderung herbeizuführen. Wir wissen sehr wohl, dass das keine Frage ist, die kurzfristig, schnell und einfach zu beantworten ist. Aber die Begründung dafür, dass Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer völlig anders bezahlt werden als andere Lehrer, ist schon lange nicht mehr nachvollziehbar, und erst recht nicht, wenn die Ausbildungsgänge endlich angepasst werden, was längst überfällig ist. Dann gibt es dafür überhaupt keine Begründung mehr.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Wir hätten übrigens gern im Rahmen der heutigen Generaldebatte auch über den Integrationsplan, der seit vier Jahren angekündigt wird, diskutiert. Ich bin sehr gespannt, was in dieser Woche noch passiert und ob es in dieser Periode überhaupt noch etwas wird. Wir wissen natürlich, dass die inhaltlichen und konzeptionellen Unterschiede zwi

schen Union auf der einen Seite und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf der anderen Seite in diesen Punkten gravierend sind.

Wir haben ein Gefühl dafür, wie scharf die Debatten in den letzten Monaten dazu waren. Wir sind ja auch alle wechselseitig miteinander im Gespräch. Aber ich will das sagen: Wir erwarten schon, dass Sie endlich irgendwann mit diesem Plan um die Ecke kommen, damit wir sinnvoll über diese großen Fragen diskutieren können. Wir warten schon ziemlich lange, Herr Grüttner. Und wir sind sehr gespannt, ob da jetzt die nächsten Tage etwas kommt. Ich bin sehr gespannt.

(Minister Stefan Grüttner: Sie waren bei der Frage- stunde nicht da!)

Das stimmt, ich war in der Tat nicht da, Herr Grüttner, und Sie wissen auch, warum.

(Minister Stefan Grüttner: Kein Problem!)

Dann ist ja gut. Dann hätten Sie sich hier diesen Zwischenruf vielleicht auch sparen können.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! – Michael Boddenberg (CDU): Unglaublicher Vorgang!)

Ja, es ist so. Wenn er weiß, warum ich nicht da bin, braucht er nicht an dieser Stelle den Rechtfertigungspunkt zu beschreiben. Aber zur politischen Kultur komme ich am Ende.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit komme ich zum letzten Punkt und zu einer der größten Aufgaben in der Bildungspolitik in den nächsten Jahren. Das ist die Umstellung im Zusammenhang mit digitaler Bildung. In der Tat muss das Ziel sein, aus dem Kreidezeitalter auch in die Digitalisierung in den Schulen überzutreten. Das ist aber am Ende ausdrücklich nicht nur eine Frage von Smartboards und anderen technischen Ausstattungen.

Wir können derzeit ausdrücklich gar nicht erkennen, wo die Initiativen dieser Landesregierung hinsteuern. Wir sehen im Moment nicht, in welcher Art und Weise Sie den Anforderungen der Digitalisierung sowohl in den Lehrplänen als auch in der Aus- und Weiterbildung und der Erstausbildung von Lehrkräften bis hin zur technischen Ausstattung gerecht werden wollen. Auch da wäre Gelegenheit gewesen, das schon im Rahmen von Regierungserklärungen, die in diesem Halbjahr schon eine Rolle gespielt haben, einmal darzustellen. Da kommt aber ebenfalls nichts.

Deswegen bleibt am Ende des bildungspolitischen Teils nur zu sagen: Gute Bildung muss man nicht nur wollen, man muss sie auch können, Herr Lorz.

(Beifall bei der SPD)

Damit möchte ich zum zweiten Schwerpunkt in dieser Haushaltsdebatte kommen, zu einer zweiten großen Aufgabe, die uns in der nächsten Periode noch mehr fordern wird als in dieser. Das ist das Thema bezahlbares Wohnen – Wohnen, das sich jeder leisten können muss. Auch beim bezahlbaren Wohnen gilt: Man muss es nicht nur wollen, sondern man muss es auch können.

Herr Bouffier, Sie und Ihre Regierung und die Union regieren in Hessen jetzt seit 18 Jahren. Was ist die Bilanz in diesen 18 Jahren? – Die Anzahl der Sozialwohnungen hat

sich von über 180.000 Wohneinheiten auf knapp über 90.000 Wohneinheiten nahezu halbiert. 18 Jahre einer CDU-geführten Landesregierung führen dazu, dass die Frage des bezahlbaren Wohnraums eine der drängendsten infrastruktur- und sozialpolitischen Fragen unseres Landes wird. Länder wie Hamburg machen Ihnen in diesen Jahren vor, wie man es auch hätte machen können – mit all den notwendigen Aktionen beim Wohnungsbau.

(Beifall bei der SPD)

Da hilft auch Ihre Tonnenideologie nicht, mit der sie ständig versuchen, Programme zu verkaufen, deren Wirksamkeit übersichtlich ist. Es hilft am Ende nur, mit intensivstem Haushaltseinsatz zu bauen, bauen, bauen.

Es verwundert mich schon, dass Sie zwar die originären Landesmittel im Haushalt für 2018 erhöhen, aber der Haushaltsansatz im Bereich des sozialen Wohnungsbaus in 2019 sinkt. Das verwundert mich umso mehr, als auch 2020 die originäre Zuständigkeit für den bezahlbaren Wohnraum nach den Vereinbarungen der Föderalismusreformen ausschließlich bei den Bundesländern liegt. Ich kann nicht erkennen – zumindest dann, wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist; wir haben dazu andere Vorschläge auf Bundesebene gemacht, zu denen sich aber noch niemand committet hat –, wie Sie weiterhin große Programme auflegen wollen.

Deswegen wird die Frage des Wohnungsbaus ein ganz großes Thema in den nächsten Jahren bleiben. Denn die Wohnungen, die nicht gebaut werden, werden uns in Zukunft nicht zur Verfügung stehen. Ich glaube, dass wir allein den Anteil des Landes an gefördertem Wohnungsbau um Minimum 50 % erhöhen müssen, um am Ende auch nur ansatzweise eine Chance zu haben, den Bedarf an sozialem Wohnraum und bezahlbarem Wohnraum jenseits des Wohnberechtigungsscheines überhaupt zu erfüllen.

(Beifall bei der SPD)