Herr Kollege Bocklet hat in der vorherigen Debatte gesagt, wie sich die Zahlen für das Ausbildungs- und Arbeitsmarktbudget in Hessen entwickelt haben. Hier kann man doch nicht davon reden, dass wir uns dieser Aufgabe nicht mit vollem Engagement angenommen hätten.
Wir haben „Wirtschaft integriert“ auf den Weg gebracht, ein Programm, mit dem Flüchtlinge in Ausbildung und in Arbeit kommen. Wir bringen zum nächsten Haushaltsjahr „Sozialwirtschaft integriert“ auf den Weg, um auch hier weitere Perspektiven zu eröffnen. Das alles gehört doch zu einem Paket: was wir an den allgemeinbildenden Schulen machen, was wir an den beruflichen Schulen machen, was wir aber auch in Ausbildung machen, damit keiner ohne Perspektive bleibt, sondern dass wir allen Menschen, die zu uns gekommen sind, tatsächlich eine neue Perspektive in unserem Land eröffnen können.
Meine Damen und Herren, jetzt wird die Debatte über die Ausweitung des Rechts zum Besuch der beruflichen Schulen geführt. Herr Degen hat in der Debatte wieder von 27 Jahren gesprochen, mal sind es 25 Jahre. Ich frage einmal – es ist eine spannende Debatte –: Warum verfolgen wir bei der Integration von Flüchtlingen in die berufliche Ausbildung auf einmal einen völlig anderen Ansatz, als wenn wir über die Reform des Übergangs von Schule in Beruf reden?
Wir haben vor dem Thema Flüchtlinge auch in diesem Hessischen Landtag und in den fachpolitischen Debatten intensiv darüber gestritten, ob der Übergang von der Schule in den Beruf und die vielen Maßnahmen, die wir an den beruflichen Schulen haben, wirklich zielgerichtet sind, und haben parteiübergreifend festgestellt, dass das Primat der beruflichen Ausbildung, das Primat der dualen Ausbildung gelten soll, dass alle Anstrengungen darauf gerichtet sein sollen, junge Menschen in eine duale Ausbildung in einem Ausbildungsbetrieb zu vermitteln, und dass die Anstrengungen eben nicht darauf gerichtet sein sollen, junge Menschen in schulischen Warteschleifen zu lassen. Was hat sich daran geändert?
Warum wird jetzt wieder der alte Ansatz verfolgt, den wir gemeinschaftlich schon als nicht richtig erkannt haben?
Deshalb ist es richtig, dass der Ansatz dieser Regierung und dieser Regierungskoalition ein anderer ist. Wir sagen: Wir wollen den jungen Menschen, den jungen Erwachsenen die deutsche Sprache zunächst mit InteA beibringen, damit sie eine Chance zur Verständigung, zur Integration, eine Chance auf einen Ausbildungsplatz haben. Dann legen wir das ganze Gewicht darauf, dass diese jungen Erwachsenen tatsächlich einen Ausbildungsplatz oder einen Arbeitsplatz finden.
Meine Damen und Herren, das schließt nicht aus, dass man schulische Abschlüsse nachholt. Aber wir setzen nicht auf immer neue Sondersysteme, auf immer neue Warteschleifen, sondern wir sagen: Wir verbinden berufliche Ausbildung, berufliche Qualifikation mit dem Nachholen von schulischen Abschlüssen. – Ich glaube, das ist genau der richtige Ansatz.
Meine Damen und Herren, wenn Sie mit den Flüchtlingen sprechen, dann sehen Sie, es ist auch deren Bedürfnis. Deren Bedürfnis ist, dass sie sich möglichst schnell in die Gesellschaft integrieren können. Deren Bedürfnis ist, wenn sie 18, 19 oder über 20 Jahre sind, dass sie einen Beitrag zu dieser Gesellschaft leisten können, dass sie arbeiten können. Deshalb verstehe ich nicht, warum wir diese uralte Debatte über das Recht auf den Besuch der beruflichen Schulen bis 27 Jahre bei diesem Thema wieder hervorholen.
Ich könnte es verstehen, wenn es sonst keine Angebote gäbe. Dann wäre ich bei dem Ansatz. Dann muss man sagen: Okay, es muss ein Angebot geschaffen werden. Es darf niemand durch das Raster fallen. – Aber die Förderlandschaft in Hessen ist genau darauf ausgerichtet, dass keiner durch das Raster fällt, sondern dass wir Angebote der geförderten Ausbildung haben, dass wir Angebote zum Spracherwerb haben, dass wir für die jungen Erwachsenen, die dazwischen liegen, die Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung, BzB, massiv ausgeweitet haben und dass wir mit der Berufsfachschule für den Übergang in Ausbildung sogar noch eine eigene Schulform geschaffen haben. Es soll eben niemand durchs Raster fallen, sondern alle sollen passgenaue Angebote finden. Genau auf diesem Kurs sind wir.
Natürlich sind Anpassungen notwendig. Natürlich ist nicht alles perfekt. Wie soll das auch sein angesichts einer Aufgabe und der Größe einer Herausforderung, von der wir vor zwei Jahren noch gar nicht wussten, wie sie sich stellt? Natürlich sind immer Nachbesserungen möglich. Aber genau das haben wir gemacht, und das werden wir auch weiterhin machen. Ich glaube, wir sind hier auf einem sehr guten Weg. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Große Anfrage gibt eine gute Gelegenheit, noch einmal zu unterstreichen, welche Bedeutung unser schulisches Gesamtsprachförderkonzept für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache hat. Es trägt unserer bildungspolitischen und empirisch belegten Grundüberzeugung Rechnung, dass das Erlernen der deutschen Sprache der Schlüssel zur Bildung und zur Anschlussfähigkeit an die Berufswelt und in Folge für eine gelingende Integration ist.
Dieses Konzept zur durchgängigen Sprachförderung, das mit den Vorlaufkursen vor der Einschulung einsetzt, wurde bereits ab dem Sommer 2015 vorausschauend zum Schuljahresbeginn 2015/2016 um den InteA-Baustein erweitert – vorausschauend natürlich nicht mit Blick auf den großen Flüchtlingszustrom. Das konnte niemand im Sommer 2015 vorhersehen. Vorausschauend meint: Wir haben gesehen, dass wir diesen Schlussstein in unserem System, in unserem Gesamtsprachförderkonzept brauchen. Wir hatten noch keine Vorstellung, wie groß die Klientel werden würde, wie groß sich diese Herausforderung darstellen würde. Aber dass wir etwas für die Klientel der über 16-Jährigen brauchen würden, um sie in den beruflichen Schulen an die deutsche Sprache heranzuführen, das haben wir vorausgesehen.
Ich darf Sie herzlich einladen: Unterhalten Sie sich z. B. mit Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz. Die sind noch heute auf der Jagd nach einem solchen Gesamtkonzept, um ein Intensivsprachfördersystem einzurichten für die Menschen, die nach wie vor zu uns kommen. Die wären dankbar, wenn sie nur einen Teil von dem System hätten, das wir in Hessen vorausschauend installiert haben.
Meine Damen und Herren, die Antworten auf die Große Anfrage gewähren einen umfassenden Einblick in unterschiedlichste Bereiche von Organisation, von Umsetzung und Struktur unserer Unterstützungssysteme. Ich will nicht versuchen – dafür würden die zehn Minuten nicht reichen –, das im Einzelnen zu rekapitulieren. Ich will mich einfach auf ein paar wesentliche Kernbereiche und natürlich auf die Korrektur einiger Fehldarstellungen konzentrieren.
Ich beginne mit den Klassengrößen und der sozialpädagogischen und -psychologischen Unterstützung unserer InteA-Schülerinnen und -Schüler. Im Rahmen der InteAKlassen ist gerade mit Blick auf die große Heterogenität
der Schülerschaft eine äußere Differenzierung schon dahin gehend angelegt, dass die Mindestzahl einzurichtender Intensivklassen an den 18 InteA-Schwerpunktschulen mindestens vier und an den 66 kooperierenden Schulen mindestens zwei beträgt.
Warum ist das so? – Um bereits bei der Klassenbildung nach dem Sprachniveau einteilen zu können. Zusätzlich wird seit dem Schuljahr 2016/2017 bei jedem InteA-Standort pro vier Klassen eine dieser Klassen als Alphabetisierungsklasse mit einer maximalen Klassengröße von zwölf Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ermöglicht.
„Ermöglicht“ bedeutet, dass wir die Zuweisung bereitstellen. Die Klasse wird niemandem oktroyiert. Wenn die Zuweisung besser anderweitig verwendet wird, weil niemand zum Alphabetisieren vorhanden ist, dann ist auch das für uns vollkommen in Ordnung. Diese Flexibilität haben die Schulen. Aber wir stellen die Zuweisung bereit, weil die Erfahrungswerte einfach zeigen, dass wir im Schnitt ungefähr 20 % haben, die noch der Alphabetisierung bedürfen.
Von den Alphabetisierungsklassen abgesehen, beträgt die durchschnittliche Klassengröße bei InteA ungefähr 17, in der Tat. Sie liegt aber auch nur deshalb so hoch, weil wir über unseren gesetzlichen Auftrag hinaus im Rahmen des Hessischen Aktionsplans zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts freiwillig nicht schulpflichtige Flüchtlinge ab 18 Jahren bis zur Vollendung des 20. Lebensjahrs mit einem Kontingent von 3.000 Plätzen in InteA aufnehmen. Das ist ein Angebot, mit dem wir von Anfang an gesellschaftliche Verantwortung übernommen und mögliche Lücken aus den Angeboten des Bundes aufgefangen haben. Wir werden dort tätig, wo die Förderprogramme der Bundesagentur und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht greifen.
Gleichzeitig ermöglichen wir der primären Zielgruppe, nämlich den berufsschulberechtigten Seiteneinsteigern zwischen 16 und 18 Jahren – allen –, auch kurzfristig einen Platz in InteA.
Nun wird die Klassengröße von 17 kritisiert. Ich kann ja verstehen, dass man sich kleinere Klassen wünscht: 1 : 10, 1 : 12 oder was auch immer. Aber ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir in diesen letzten beiden Jahren – das ist ja noch nicht so lange her – über 40.000 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zusätzlich in unser System bekommen haben. Wir haben sie alle versorgt. Wenn wir für diese Seiteneinsteiger dann vielleicht nicht eine Klassengröße von 1 : 10 bereitstellen können, muss ich sagen: Das ist ein Kritikpunkt, der der Größe der Herausforderung, vor der wir gestanden haben und noch immer stehen, in keiner Weise gerecht wird, meine Damen und Herren.
Wir haben die monatliche Nachsteuerung von Lehrerstellen eingeführt, von Anfang an, als die Menschen kamen. Wir konnten ja nicht sagen: Wartet bis zum nächsten Schuljahr. – Das konnten und können wir auch nicht steuern. Die jungen Menschen bedurften und bedürfen eines schulischen Angebots. Unsere einzige Möglichkeit war und ist: Wir reagieren. Das hat es noch nie gegeben, dass man monatlich Lehrerstellen nachsteuert. Wir tun das nach wie vor für alle Intensivklassenstandorte. Auch das ist eine Planungssicherheit, die in dieser Form bundesweit einmalig ist.
Unsere Unterstützungssysteme haben wir ebenfalls immer besser aufgestellt. Ich erwähne die 0,2 sozialpädagogischen Stellen, die wir jetzt für alle InteA-Klassen gewährleisten. Ja, sicher, man könnte auch hier sagen: Warum sind es nicht 0,4 oder 0,8 oder am besten eine ganze sozialpädagogische Stelle pro Klasse? – Aber wenn Sie sich anschauen, was der Standard in der sozialpädagogischen Betreuung ist, sehen Sie: Das ist eine Menge, wenn wir einen Sozialpädagogen für fünf InteA-Klassen bereitstellen, und das auf Dauer.
Wie gesagt, meine Damen und Herren, wünschen kann man sich immer noch mehr. Aber wir sollten das, was hier geschaffen worden ist und was nach wie vor an Ressourcen, an Engagement und an Einsatz aufseiten aller Beteiligten mobilisiert wird, nicht kleinreden.
Die Ausstattung des schulpsychologischen Schwerpunkts „Migration und Flüchtlingsberatung“ wurde ebenfalls erhöht, landesweit bereits zum vergangenen Schuljahr von 11 auf 17 Stellen. Auch damit haben wir die Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler wie auch für die Lehrkräfte gestärkt.
Wir sehen auch, dass diese Rahmenbedingungen wirken, dass unsere Lehrkräfte einen bemerkenswerten Kompetenzzuwachs in der wichtigsten Grundlage, nämlich der deutschen Sprache, erzielen können. Wir sehen das z. B. an den Ergebnissen unserer Intensivklassenschüler beim Deutschen Sprachdiplom, die deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen.
Auf das Deutsche Sprachdiplom PRO, das DSD I PRO speziell für berufsorientiertes Deutsch – besonders geeignet für die älteren Intensivklassenschülerinnen und -schüler, für InteA-Schüler –, legen wir den Schwerpunkt. Es bringt den jungen Menschen einfach am meisten, wie auch die Partner des Bündnisses Ausbildung Hessen in ihrer Zusatzerklärung empfohlen haben. Es bietet die besten Voraussetzungen für die Aufnahme einer dualen Ausbildung. Aber das ist nur eine von einer Vielzahl von Anschlussmöglichkeiten.
Lassen Sie mich klarstellen: Das Hauptziel der Intensivsprachförderung in den InteA-Klassen ist die Vermittlung ausreichender Deutschkenntnisse für einen raschen Übergang in die duale Ausbildung oder darauf vorbereitende Maßnahmen.
Der Erwerb eines schulischen Abschlusses ist natürlich möglich, kann aber nicht das allgemein deklarierte Ziel von InteA sein. Bei 20 %, die mit dem Attribut Analphabetin oder Analphabet – wenig ausdifferenziert, zugegeben – in einer InteA-Klasse starten, müssten wir uns ja auch eher wundern, wenn alle Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger die Sprachfördermaßnahme nach zwei, zweieinhalb oder drei Jahren mit einem deutschen Schulabschluss beenden könnten. Das ist einfach nicht möglich, meine Damen und Herren.
2015 war InteA für eine andere Klientel konzipiert. Wir konnten das in dieser Form eben nicht voraussehen. Deshalb mussten wir InteA an dieser Stelle auch umstellen. Aber deswegen ist ja der Zusammenklang entscheidend. Die Sprachförderung ist die erste und entscheidende Grundlage. Das leistet InteA.
Hinterher ergeben sich Anschlussmöglichkeiten je nach individueller Eignung, Befähigung, Lern- und Lebensbiografie. Dazu gehören die Möglichkeiten, hier einen Abschluss
Natürlich gehören auch all die Anschlüsse dazu, die die Landesregierung gemeinsam mit den weiteren Bildungspartnern in intensiver Netzwerkarbeit geschaffen hat. Da kann ich – und möchte das auch gerne – das Wirtschafts-, das Sozial- und das Innenministerium mit einbeziehen, die Bundesagentur für Arbeit, die Kammern und die Verbände, die in dem Praxisbeirat zur Flüchtlingsbeschulung und in vielen anderen Gremien mitwirken, um einen bunten Strauß an Möglichkeiten zu schaffen und den individuellen Lern- und Lebensbiografien der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die sehr unterschiedlich sind, gerecht zu werden.
Trotzdem sehen wir auch weiterhin unsere Verantwortung für diejenigen, die in diesem Strauß von Möglichkeiten keinen Weg finden. Deswegen haben wir – dafür bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich bei diesem Hohen Hause – z. B. in den Bildungsgängen zur Berufsvorbereitung 700 zusätzliche Plätze geschaffen, um genau solche Schülerinnen und Schüler aufzufangen, die eben nicht den Weg in eine andere Maßnahme finden.
Wenn der Doppelhaushalt 2018/2019 so wie beantragt beschlossen wird, werden wir weitere 1.000 Plätze in diesen Bildungsgängen zur Verfügung haben, um dieser Klientel gerecht zu werden.
Schauen wir uns die Zahlen an. Ich bitte um Entschuldigung, ich habe sie selbst wirklich erst heute Vormittag auf den Tisch bekommen, deswegen konnten wir sie auch erst unmittelbar vor der Debatte übermitteln. Wir sehen, dass zum Schuljahresende 2016/2017 1.328 Intensivklassenschülerinnen und -schüler in eine individuelle Ausbildung oder andere Maßnahmen des Regelschulsystems gewechselt sind.
Wenn 32 % davon – das sind 422 – den Hauptschulabschluss erreicht haben, dann halte ich das für eine verdammt gute Quote, wenn man sich die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler anschaut.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss, aber eine Zahl will ich noch nennen. – Wenn 394 Intensivklassenschüler, davon 350 aus InteA, das ist ja die Hauptklientel, den Weg in eine duale Ausbildung gefunden haben, dann halte ich auch das für eine verdammt gute Quote.
Wir alle wissen, dass das erst der Anfang des Weges ist und dass die Herausforderungen in den nächsten Jahren nicht kleiner werden. Aber wir sehen jetzt die ersten Ergebnisse gerade der Sprachförderung, die wir mit InteA und anderen Bausteinen unseres Konzepts betreiben. Diese ersten Ergebnisse stimmen uns doch hoffnungsfroh. Sie zeigen jedenfalls, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wir brauchen weitere Anstrengungen, das ist völlig unbestritten. Wir können mit Sicherheit auch noch an der einen oder anderen Stelle etwas optimieren. Aber auf dem richtigen Weg sind wir auf jeden Fall unterwegs. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.