Protocol of the Session on May 21, 2014

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der LINKEN)

Ich habe es nicht ganz verstanden, ob Sie dafür oder dagegen sind. Dann habe ich Ihren Aussagen entnommen, dass mittlerweile sowieso überall Gentechnik enthalten sei. Wir reden jetzt von der grünen Gentechnik, das steht auch in unserem Antrag. Dann sagen Sie: Wir wollen die absolute Kennzeichnung, dann ist alles gut. Man kann sowieso nichts machen, es ist überall drin. – Ich finde, es ist ein Armutszeugnis der Politik, wenn man sich dieser Übermacht stellt und darauf schreibt, dass überall Gentechnik drin ist, und von den Verbraucherinnen und Verbrauchern verlangt, dies zu kaufen. Das ist keine politische Haltung, das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Genau diesen Systemwechsel, von dem Sie gesprochen haben und gemeint haben, er sei schon da, dass nämlich überall Gentechnik enthalten sei und man nichts mehr dagegen machen könne, diesen Systemwechsel wollen wir eben nicht. Wir wollen, dass es noch die Wahlfreiheit gibt. Wir wollen, dass es überhaupt noch möglich ist, konventionell anzubauen ohne Gentechnik. Genau aus diesem Grund haben wir uns mit dem vorliegenden Antrag dafür eingesetzt.

Die Politik ist es den Verbraucherinnen und Verbrauchern schuldig, erstens zu sagen, was sie will, und zweitens für diese Wahlfreiheit zu sorgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Lenders, zur Erwiderung.

Frau Kollegin, ich kann nur sagen, Sie haben mir nicht richtig zugehört. Sie wollen mit Ihrem Ansatz den Gentechnikanbau in Hessen verbieten. Damit greifen Sie am Ende zu kurz. Sie mögen hehre Ziele haben, die man so vertreten kann. Sie müssen aber einfach zur Kenntnis nehmen, bei allen Abkommen hat es nichts genutzt, 80 % der Produkte in der Lebensmittelbranche und in der Textilindustrie – da schließe ich die weiße Gentechnologie ausdrücklich mit ein – sind längst von Produkten besetzt, die gentechnisch verändert worden sind.

Sie machen den Menschen etwas vor. Sie wiegen die Menschen in Sicherheit, aber sie sind nicht in Sicherheit. Überlassen Sie es doch dem selbstständigen Verbraucher, zu entscheiden, ob er ein solches Produkt kauft oder ob er es im Regal stehen lässt. Dann macht der Verbraucher von seiner Marktmacht Gebrauch, dann werden auch die Produzenten sehr schnell umschalten. Davon bin ich sehr stark überzeugt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächster spricht Kollege Landau, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, nach der Kernenergie gibt es kein zweites Thema,

das mit einer so großen Einhelligkeit von den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert wird wie Gentechnik und Lebensmittel.

(Timon Gremmels (SPD): Doch: Fracking!)

Im April 2014 hat das Bundesamt für Naturschutz festgestellt, dass 84 % der Bürgerinnen und Bürger Gentechnik in der Landwirtschaft ablehnen.

Wir haben eine Emnid-Umfrage, wonach 83 % der Verbraucher ihre Erwartungen dahin gehend zum Ausdruck gebracht haben, dass keine Gentechnik in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt.

Wir haben im Dezember 2013 eine Umfrage – ich meine, es sei Forsa gewesen –, in der sich ebenfalls 83 % der Befragten für ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft ausgesprochen haben.

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Umfragen dieser Art. Ich führe dies hier deshalb so ausführlich an, weil es genau zeigt, dass die Bürger urteilen können, liebe FDP. Sie sind in der Lage, die Sache einzuschätzen, und sie haben sich eindeutig artikuliert.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns als Politiker ist diese Einstellung keine abstrakte Angelegenheit, sondern bei den vielen Kontakten und Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern auch erfahrbar.

Gentechnik, das sage ich an dieser Stelle auch, hat durchaus an der einen oder anderen Stelle Sinn und Nutzen, in vielen Bereichen ist sie auch nicht mehr wegzudenken. Ich denke dabei an das prominenteste Beispiel der gentechnischen Insulinproduktion. Hier, bei der weißen Gentechnologie, wird ihr Sinn und Nutzen durch die Bevölkerung anerkannt, und sie erfährt auch Akzeptanz.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gentechnik auf dem Acker und dem Teller dagegen lehnen die Menschen sehr deutlich ab, liebe FDP. Der Verbraucher will nach Möglichkeit Qualitätserzeugnisse aus der Region und aus umweltgerechter Herstellung. Vor allem aber will er die Sicherheit, dass seine Lebensmittel unbedenklich und gesund sind. Weil er das bei der Gentechnik nicht aus Erfahrungswissen abschätzen kann, möchte der Verbraucher diese Produkte nicht zu sich nehmen und sagt Nein zu der grünen Gentechnik, und das sehr deutlich.

Die Landwirte in Hessen wollen ebenfalls keine gentechnisch veränderten Produkte herstellen. Zum Teil hat das sicher mit bestehenden Vorbehalten und Unsicherheiten zu tun. Vor allem aber haben die Landwirte ein gutes Gefühl dafür, welche Produkte am Markt angenommen und bevorzugt verzehrt werden. Dieser klaren Haltung der Verbraucher und der Produzenten müssen wir mit unserer Politik Rechnung tragen. Als Volkspartei haben wir den Anspruch, Politik für die Mehrheit der Menschen und zum Wohle unseres Landes zu machen, und entsprechend handeln wir auch. Dies aber bezeichnet die FDP als Spiel mit den Ängsten der Menschen. – Unglaublich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei handelt es sich nicht um diffuse Ängste. Welche Risiken gentechnisch veränderte Pflanzen für Menschen, Tiere und auch für die Wildpflanzen darstellen, ist bisher im

mer noch unzureichend erforscht. Dies gilt für den horizontalen Gentransfer ebenso wie für gesundheitliche Auswirkungen. Herr Lenders, Laborversuche an Ratten, bei denen die Fütterung mit gentechnisch manipulierter Nahrung erfolgte, hat bei den Tieren zu Leber- und Nierenschäden geführt. Das wirft doch gewisse Fragen auf.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sollten wir alles Mögliche tun, um unsere Landwirtschaft, unsere Lebensmittel und gleichfalls auch die natürliche Tier- und Pflanzenwelt vor gentechnischen Verunreinigungen bzw. Schäden zu schützen. Wir sollten nicht alles, was technisch möglich ist, auch machen. Das gilt z. B. auch für das Klonen von Pflanzen und Tieren. Es gibt eben ethische Grenzen und sachliche Gründe, die dagegen sprechen.

Gentechnisch veränderte Pflanzen passen nicht in unsere empfindlichen Naturräume hinein und auch nicht in unsere kleinräumige hessische Landwirtschaft. Diese kleinräumige Landwirtschaft hat fast schon einen ausschließenden Charakter; denn die von der EU-Kommission jüngst zugelassene Maissorte 1507 wird bei den geforderten Mindestabständen zu gentechnikfrei, konventionell oder ökologisch bewirtschafteten Feldern kaum potenzielle Anbauflächen finden. Zudem ist der Ernteertrag bei Genmais in den USA und Spanien sogar niedriger als der Ertrag der konventionellen Maissorten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Auch der Herbizidverbrauch pro Fläche sinkt nur vorübergehend, bringt aber problematische Resistenzen. So sind oft vorgetragene Vorteile gentechnisch veränderter Pflanzen nur scheinbar welche, Herr Lenders. Ein gutes Geschäft hingegen ist die grüne Gentechnik ohne Zweifel für einige wenige Großkonzerne, die das Saatgutgeschäft weltweit dominieren. Um die aber müssen wir uns wahrlich keine Sorgen machen.

Aus unserer Sicht ist dabei der richtige Weg, diese Entscheidung auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu treffen. Derzeit ist geplant, dass die EU-Länder den Unternehmen schon im Zulassungsprozess mitteilen können, dass auch ein in Europa zugelassener Organismus im jeweiligen Mitgliedsland nicht angebaut werden darf. Anschließend kann der Staat den Anbau dann auf seinem Hoheitsgebiet verbieten. In diesem Zusammenhang würden wir es begrüßen, wenn wir diese Regelung auch zwischen Bund und Ländern umsetzen könnten. Für uns in Hessen wäre dann klar, dass zwischen Reinhardswald und Odenwald gentechnisch Verändertes nicht angebaut wird.

Wir fordern diese Entscheidungsfreiheit für uns, da müssen wir natürlich auch anderen Ländern Europas und den anderen Bundesländern die gleiche Entscheidungsfreiheit zubilligen. Wir müssen es nicht begrüßen, aber zumindest akzeptieren, wenn Spanien oder Polen andere Wege gehen und Produkte eben anbauen wollen, die einen strengen Zulassungsprozess durchlaufen haben.

In dieser Entscheidungsfreiheit der Staaten und Regionen wird es die Koexistenz gentechnisch veränderter Organismen geben. Ja, es gibt sie sogar schon lange, das wird von uns nicht verneint, Herr Lenders. Was wir dafür brauchen, sind klare Transparenz- und Kennzeichnungsregeln, aber auch ehrliche Grenz- und Schwellenwerte.

Wenn dieser Tage die Bundeskanzlerin der grünen Gentechnik noch lange keine Chance in Deutschland gibt und wir dieser Technik in Hessen eine Absage erteilen, dann ist

natürlich abzusehen, dass sich die Hersteller dieser Produkte aus unseren Märkten verabschieden und zurückziehen werden. Aber ich sage auch, dass der Schutz der Bevölkerung und der Umwelt das höhere Gut ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesbezüglich haben wir als Koalition gemeinsam eine Abwägungsentscheidung getroffen und klargemacht, dass wir die hessische Land- und Forstwirtschaft gentechnikfrei halten wollen. Im Koalitionsvertrag haben wir den Beitritt zur Charta der gentechnikfreien Regionen, auch Charta von Florenz genannt, vereinbart. Das haben wir umgesetzt. Der größere Teil unserer Landwirte will gentechnikfrei bleiben, und Schutz bieten nur größere Regionen, die gentechnikfrei ausgewiesen sind. In der Charta wird der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft vor Wettbewerbsverzerrungen gewährleistet, ferner der Schutz des Saatgutes von konventionellem und ökologischem Landbau vor gentechnischen Verunreinigungen – ich hatte es bereits angeführt – und die klare Benennung der Verantwortlichen im Falle von dennoch nachgewiesenen Verunreinigungen, falls dies einmal passieren sollte. Dafür setzt sich nun auch Hessen ein, und ich bin sicher, Frau Staatsministerin Hinz wird dies verantwortungsvoll vertreten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir befinden uns in diesem Netzwerk in guter Gesellschaft. Zu den 60 Mitgliedern zählen 18 französische Regionen, 13 italienische, alle österreichischen Bundesländer und inzwischen praktisch alle westlichen Bundesländer.

Hessen jedenfalls wird sich verpflichten, die gentechnikfreie Landwirtschaft zu schützen und die Wünsche der Verbraucher ernst zu nehmen. Wir wollen in unseren Regionen nicht etwas zulassen müssen, wovon wir nicht überzeugt sind, und das nicht mit den Risiken und Unsicherheiten, mit denen solche Produkte behaftet sind.

Gleich, ob am Ende ein nationales Opt-out oder eines auf Länderebene steht: Wichtig ist die rechtssichere Ausgestaltung. Auch dazu möchte ich etwas sagen. Es darf nicht dazu kommen, dass der gefundene Rechtsrahmen die Etablierung von Gentechnik durch die Hintertür ermöglicht. Eine Lösung könnte der Vorschlag des Europäischen Parlaments sein, wonach nationale Verbotsmöglichkeiten nicht im Bereich des gemeinsamen EU-Binnenmarktes, sondern als Bestandteil der Umweltschutzgesetzgebung zu regeln sind. EU-Mitgliedstaaten sind nämlich nach Art. 192 des Lissabon-Vertrags dazu ermächtigt, über die festgesetzten Schutzstandards hinauszugehen und nach dem Vorsorgeprinzip auf Ungewissheiten, wie sie bei der grünen Gentechnik bestehen, zu reagieren.

Es ist ein starkes Zeichen für ein in der Land- und Forstwirtschaft gentechnikfreies Hessen, wenn wir auf den landeseigenen Flächen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht zulassen. Es ist ein starkes Zeichen, wenn wir als Land dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beitreten. Lassen Sie uns dieses starke Zeichen gemeinsam geben, und stimmen Sie dem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Lotz, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man den Antrag von CDU und GRÜNEN so liest, möchte man auf den ersten Blick sagen: Jawohl, das kann man so machen.

(Präsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vor- sitz.)

Aber was sagt der Antrag? Erstens. Land- und Forstwirtschaft in Hessen sind aktuell gentechnikfrei. Zweitens. Der Landtag akzeptiert den Bürgerwillen. Drittens. Wir verfolgen das Ziel, gentechnikfrei zu bleiben. Viertens. Wir treten dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen bei. Fünftens. Heimische Landwirte sollen Vorbildfunktion übernehmen. – Meine Damen und Herren, für die CDU ist dieser Antrag aus unserer Sicht ein Quantensprung. Für die GRÜNEN natürlich auch – aber dort ist es ein Quantensprung nach hinten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wo Sie als GRÜNE in einem Antrag noch 2009 ein klares Anbauverbot von gentechnisch veränderten Lebensmitteln forderten, ist das heute plötzlich alles freiwillig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gehen wir den jetzt vorliegenden Antrag in inhaltlichen Punkten durch. Punkt 1, Land- und Forstwirtschaft in Hessen sind gentechnikfrei. Das ist kein Verdienst irgendeiner Landesregierung; denn momentan ist nichts zugelassen.