Protocol of the Session on November 22, 2017

Deswegen ist das kein Punkt, bei dem Sie sich hinstellen und sagen können, hier passiert ja nichts, sondern hier muss mit allen Beteiligten im Dialog verhandelt werden. Genau das passiert in der Spurenstoffstrategie, dass man hier bei der Ursache anfängt.

Das, was Sie machen wollen, ist ja, Frau Kollegin Löber: Sie schlagen nur die vierte Reinigungsstufe vor.

(Widerspruch der Abg. Angelika Löber (SPD))

Das haben Sie gerade gesagt.

Herr Hillenbrand sagt, dass das in den meisten Fällen gar keinen Sinn macht. Das ist nämlich viel zu kostenintensiv und ist bei sensiblen Gewässern gar nicht richtig. Er sagt deshalb, es ist so wichtig, bei der Ursache anzusetzen. Deswegen haben wir eine differenzierte Strategie, Frau Kollegin Löber, wie wir das Problem angehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn Sie jetzt hier so wunderbar lachen, möchte ich Ihnen sagen, dass ich es ja schön finde, dass Sie hier immer wieder versuchen, uns an Punkten grün zu überholen. Ich bin dann immer gespannt, ob die Fraktion das so trägt. Ich bin sehr gespannt, welche Haushaltsanträge Sie eigentlich für die vierte Reinigungsstufe einbringen wollen.

(Angelika Löber (SPD): Bleiben Sie einmal sachlich, Frau Kollegin!)

Ich hätte mich gefreut, Frau Kollegin Löber, wenn das Thema Wasser und Grundwasser und Schutz vor Verunreinigungen schon immer so stark von den Sozialdemokraten angesprochen worden wäre.

Gerade hat mich der Kollege Bocklet noch einmal an die rot-grünen Anfangsjahre erinnert und an die Frage, wie wir gekämpft haben beim Thema Hoechst und der Verunreinigung der Grundwässer. Bis heute haben wir hier Probleme.

Insofern, Frau Kollegin Löber, sich einfach hierhin zu stellen und andere zu beschimpfen, dass sie nicht schnell genug sind, obwohl wir hier eine Menge investieren, geht nicht.

Dabei habe ich eben vergessen, Ihnen noch eine Zahl zu sagen bezüglich der Wasserrahmenrichtlinie. 12 Millionen bis 13 Millionen € jährlich und aus dem KFA weitere rund 20 Millionen € sind das. Wir tun hier also viel.

Sie können ja gern sagen, wo wir konkret noch mehr machen müssen. Sie können auch gern Änderungsanträge zum Haushalt stellen. Aber nicht zum Symposium zu gehen, nicht mitzubekommen, dass es längst Strategien gibt, damit an den Ursachen angefangen wird, aber sich dann immer wieder hier nur hinzustellen, zu schimpfen, so zu tun, als hätten wir gerade ein riesiges Problem mit dem Wasser, ist unverantwortlich. Lassen Sie uns über solche Dinge auch so reden, wie es fachlich notwendig ist: Was gehört zu dieser Strategie? Wie kommen wir besser an die Ursachen heran?

Welchen Vorschlag machen Sie eigentlich dazu, wie wir das mit den Krankenhäusern hinbekommen sollten? – Ich habe ja gesagt, dass es hier schon gute Maßnahmen gibt, aber dass es sehr schwierig in der Umsetzung ist, die Leute zu überzeugen.

Was ist da konkret Ihr Vorschlag? Das sollten Sie uns einmal sagen, anstatt hier alle nur zu beschimpfen. Das würde mich sehr interessieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dorn. – Das Wort hat der Abg. Dirk Landau, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Trinkwasserversorgung in Hessen ist gesichert, und das Trinkwasser ist von hoher Qualität. Mir ist es deshalb wichtig, das hier so zu sagen, weil Sie, Frau Löber, ein Bild gezeichnet haben, als wäre die Trinkwasserversorgung hier auf dem Niveau eines Dritte-Welt-Landes. Das ist es – ausdrücklich gesagt – nicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich aber gleich ein Zweites hinterherschieben. Als ich die Anfrage von Ihnen und Ihrer Fraktion zunächst gelesen hatte, habe ich mich gefragt: Was wollen die denn am Ende herausstellen? – Sie haben mit Ihren Fragen mehr oder weniger eine Abfrage des Status quo formuliert, und heute kommen Sie daher und machen einen Rundumschlag, der in keiner Weise zu den von Ihnen gestellten Fragen passt. Da frage ich mich, was denn zwischenzeitlich mit Ihnen und Ihrer Fraktion passiert ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hatte die Vermutung, als ich Ihre Große Anfrage gelesen habe, da hat man aus Langeweile ein Thema aufgegriffen, stellt ein paar Fragen dazu, und die Punkte, um die es eigentlich geht, kratzen Sie gerade einmal so. Aber hier kommen Sie auf einmal an und bringen genau die Punkte, die Knackpunkte alle vor, um sie sozusagen völlig überraschend als Generalangriff auf die Landesregierung zu formulieren. Und ich sage Ihnen: Das geht so nicht, und es ist auch an der Wirklichkeit – Frau Dorn hat es gesagt – vorbei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann will ich Ihnen auch eines sagen: Die Landesregierung ist im intensiven Austausch mit allen Akteuren – das ist ganz wichtig – wie Hessenwasser, VKU, eben mit allen, die in dem Bereich unterwegs sind. Die sagen nämlich eines: Ja, es gibt da Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, aber es gibt weder den einen Akteur, den Sie ansprechen können, noch gibt es die eine Lösung. Wenn Sie immer mit der vierten Reinigungsstufe kommen, sage ich Ihnen Nein. Alle Beteiligten sagen, dazu kann man sich Gedanken machen, aber es ist weit davon entfernt, dass man damit alle Probleme – Spurenstoffe usw. – aus der Welt kriegt.

(Zuruf der Abg. Angelika Löber (SPD))

Doch, genau so haben Sie es gesagt.

Es ist ganz wichtig, dass man beim Verbraucher anfängt, dass man beim Verbraucher ein Bewusstsein dafür schafft,

seine Medikamente oder andere Dinge nicht in der Toilette zu entsorgen, dass man vielleicht auch dazu kommt, Medikamentenkonsum zu hinterfragen und nicht bei der erstbesten Gelegenheit irgendwelche Medikamente in Großpackungen zu kaufen, die man am Ende nicht aufbraucht und dann auch noch entsorgt, was zu zusätzlichen Belastungen der Gewässer, des Trinkwassers führt.

Wir müssen uns aber natürlich auch mit der Industrie zusammensetzen und müssen – genau so, wie es Frau Dorn gesagt hat – das Verursacherprinzip ansprechen. Wenn industrielle Produkte in den Umlauf gebracht werden, dann müssen wir nachfragen: Gibt es da möglicherweise Bestandteile, die uns hinterher bei der Wasserversorgung Probleme bereiten? Das müssen wir nachfragen, und man muss uns auch sagen, wie die Produktionsmerkmale sind.

Also, dann haben Sie schon wieder einen anderen Akteur, mit dem Sie sich auseinandersetzen müssen.

Wir schaffen eine Lösung eben nur im Zusammenspiel aller dieser Akteure, um am Ende zu sagen: Ja, wir haben mehrere Optionen, aber wir müssen uns genau anschauen, welche Belastung denn wo auftritt, und müssen dann die geeignete Lösung finden.

Es ist doch nicht so – so könnte man meinen, wenn man Sie hört –, man täte hier in Hessen nichts. Es wird viel geklärt, es wird ausgefällt, es wird gefiltert. Aber jede einzelne Möglichkeit, die wir heute auch schon über drei Reinigungsstufen haben, mit einer vierten zu ergänzen, macht nur dann Sinn, wenn wir am Ende auch wirklich einen Effekt erzielen.

Denn eines ist doch auch klar, Frau Löber: Wenn wir uns über die vierte Reinigungsstufe unterhalten, dann unterhalten wir uns über einen hohen energetischen Aufwand und auch über eine Menge Geld. Da gibt es Zahlen. Die einen sagen, bis 2021 – wenn man das bis dahin in Hessen umsetzen will – sind das 160 Millionen €. Andere sagen, wenn man da nachrüstet, sind es eine halbe Milliarde Euro.

Und dann ist man noch bei einer weiteren Frage, zu der auch alle Akteure sagen: Wenn wir uns über solche Dinge unterhalten – dazu gehört auch Stoffrückgewinnung –, dann müssen wir uns mit dem Kartellrecht auseinandersetzen, weil es schon auch eine Frage ist, die beantwortet werden muss: Ist dies am Ende – wenn das notwendig ist, wenn manche Dinge von uns auch politisch gewollt sind – auch so, dass es eingepreist werden kann, oder müssen die Wasserversorger sehen, wie sie die Investitionen wie auch immer schultern?

Ich glaube, das sind viele Fragen, die alle in einem Zusammenhang geklärt werden müssen. Und wenn wir da zu Antworten kommen – wir sind in dem Prozess –, dann können wir uns genau in der Strategie, die Frau Dorn erwähnt hat, weiter auf den Weg machen. Aber wir haben uns schon in Pilotverfahren und anderen Dingen mit den Problemen auseinandergesetzt, und – vor allem gesagt – wir haben sie auch schon erkannt. Sie haben sie offensichtlich erst auf dem Weg hier zum Rednerpult erkannt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss ich sagen, dass ich von Ihrer Rede enttäuscht bin. Ich kann auch an der Stelle der Landesregierung danken für die umfangreiche Beantwortung der Anfrage, die, wie ich denke, ein gutes Bild gezeichnet und auch genau aufgezeigt hat – auch wenn Sie nicht danach

gefragt haben –, wo die Handlungsfelder liegen. Um die werden wir uns kümmern. Da bin ich mir absolut sicher. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Landau. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin ein bisschen erschrocken über die letzten beiden Redebeiträge; denn ich hätte mir schon gewünscht, dass man sich mit dem Inhalt dessen, was die Landesregierung in ihrer Antwort geschrieben hat, und mit den Problemen auseinandersetzt, statt sich einfach damit zu begnügen, die Vorrednerin zu beschimpfen. Das war ein bisschen armselig.

Im Jahr 2011 hat das Umweltbundesamt 23 Wirkstoffe aus Arzneimitteln im Trinkwasser entdeckt, 55 Wirkstoffe im Grundwasser, und bei Seen und Flüssen liegt die Zahl der Wirkstoffe sogar im dreistelligen Bereich. Sicher nachgewiesen wurden bis dahin etwas über 150 Wirkstoffe.

Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie untersuchte 2015 hessische Gewässer auf 89 Arzneimittelwirkstoffe und 15 Abbauprodukte. Weil nur das gefunden wird, wonach man sucht, ist von einer viel höheren Zahl an Medikamentenrückständen und deren Abbauprodukten auszugehen.

Laut dem UBA gelangen täglich mehrere Tonnen Arzneimittelwirkstoffe in Böden und Gewässer. Das ist die Sachlage, und die muss man ernsthaft betrachten.

(Dirk Landau (CDU): Daran besteht doch kein Zweifel!)

Die zuständigen Behörden und die Wasserversorger sind sich darin einig, dass die Konzentration aller dieser Stoffe im Rohwasser, sofern sie überhaupt nachgewiesen werden können, im Mikrogrammbereich liegt und somit unbedenklich ist.

Bedenklich ist aber, dass es so gut wie keine Forschungsergebnisse darüber gibt, wie dieser Cocktail an Wirkstoffen auf tierische und pflanzliche Organismen überhaupt wirkt. Das Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt fasste 2014 drei toxikologisch kritische Einflussgrößen zusammen. So wurden in Gewässern Stoffe entdeckt, die ein hormonartiges Wirkungspotenzial aufweisen, Stoffe mit gentoxischer Wirkung und Stoffe, die die Wirkung von resistenten Bakterien fördern.

In jedem Jahr gibt es mehr Informationen über negative Wirkungen von Arzneimittelrückständen in der Umwelt. Schon in geringsten Konzentrationen verändern sie das Sozialverhalten von Fischen, beeinflussen Bodenorganismen und können sogar von Pflanzen aufgenommen werden. Die Forschung steht zwar erst am Anfang, aber das Ende ist schon jetzt absehbar: Sichere Erkenntnisse über alle möglichen Wirkungen aller freigesetzten Arzneimittel auf alle Organismen wird es nicht geben.

Das Problem ist: Für Arzneimittelrückstände in Trink-, Grund- und Oberflächenwasser gibt es noch keine Grenz

werte, sondern nur Empfehlungen, die eingehalten werden können – oder auch nicht –, und es ist fraglich, ob mit naturwissenschaftlichen Methoden Grenzwerte überhaupt erarbeitet werden können. Bei so viel Nichtwissen, aber einem nicht zu unterschätzenden Risiko gilt das Minimierungs- und Vorsorgeprinzip. Das sieht auch die Bundesregierung so, hat aber nicht danach gehandelt.

Im Jahre 2012 hat die Fraktion der LINKEN im Bundestag die Einführung einer umfassenden Risikobewertung bei der Einführung neuer Medikamente sowie eines herstellerspezifischen Rücknahmesystems gefordert. Weder gab es eine Mehrheit für diese Forderung, noch hat die Bundesregierung diese Punkte aufgegriffen.