Protocol of the Session on November 21, 2017

(Beifall bei der LINKEN – Präsident Norbert Kart- mann übernimmt den Vorsitz.)

Die Lockerung der Stellplatzpflicht für Autos senkt die Kosten bei der Schaffung von Wohnraum und kann ein wichtiges verkehrspolitisches Signal sein. In den Großstädten werden Autos weniger wichtig, und das ist auch gut so. Wer einen Stellplatz hat, stellt wahrscheinlich auch ein Auto darauf.

Ich will aber auch darauf hinweisen – das war auch Thema bei der vergangenen HBO-Novelle –, dass es durchaus sein kann, dass den Kommunen Einnahmeverluste durch die Stellplatzablöse entstehen. Ich finde, es sollte nicht so wie beim letzten Mal laufen, dass man einfach bei der Stellplatzablöse in der HBO etwas verändert, und die Kommunen bleiben dann auf den Einnahmeausfällen sitzen. Das haben die Kommunen damals sehr kritisiert.

Für wichtig halten wir es, dass es eine ausgeweitete Stellplatzpflicht für Fahrräder gibt. Das geht sicher in die richtige Richtung.

Für ärgerlich halte ich es hingegen, Herr Minister, dass Schwarz-Grün keine Anstalten macht, die Verschlechterungen, die unter FDP-Minister Posch vorgenommen worden sind, zu korrigieren. Davon gab es einige. Ich will nur § 81 nennen. Vor sieben Jahren wurde den Gemeinden die Möglichkeit genommen, Bauvorschriften zum Zwecke beispielsweise des Klimaschutzes zu erlassen. Die Marburger Solarsatzung war damals das anschaulichste Beispiel dafür. Dadurch wurde jeder Bauherr bei Neubau, Umbau oder Ausbau des Dachs verpflichtet, eine Solaranlage zu installieren. Die FDP hatte damals grüne Ideologie gewittert und die Freiheit in Gefahr gesehen. Dem hat die FDP damals durch die HBO-Novelle die Grundlage entzogen.

Das ist in der damaligen Anhörung von den Kommunen sehr stark kritisiert worden. Das ist damals auch von den GRÜNEN sehr stark kritisiert worden. Deswegen finde ich es schade, dass die GRÜNEN diesen Punkt nicht mehr angegangen sind und nicht gesagt haben: Eigentlich möchten wir das wiederbeleben. – Ich glaube nicht, dass das Solarkataster ein Ersatz dafür ist. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass die GRÜNEN das an dieser Stelle verändern. Vielleicht bringen wir Ihren Änderungsantrag aus dem Jahr 2010 wieder ein. Dann ist wenigstens der Gedanke aufrechterhalten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nun noch einmal zur Frage der Erleichterung des Bauens. Wir haben es hier natürlich auch mit einer Abwägung zu tun. Auf der einen Seite müssen wir das Bauen erleichtern und Verfahren beschleunigen, damit wir endlich mehr bezahlbaren Wohnraum haben. Auf der anderen Seite darf das natürlich nicht auf Kosten des Brandschutzes, auf Kosten der Barrierefreiheit oder auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen.

Deswegen geht es mir weniger um die Anzahl der Paragrafen, die man zählen kann. Ich finde, es ist ein wichtiger Hinweis, dass unter dem Stichwort der sogenannten Entbürokratisierung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht nur sinnloses Zeugs abgeschafft wurde, sondern auch viele Regelungen im Zuge dieser sogenannten Entbürokratisierung weggefallen sind, die sehr wohl ihren Sinn hatten. Wenn wir über Brandschutz reden – diese Debatte hatten wir nach dem Brand in London, aber auch über deutsche Hochhäuser –, finde ich es wichtig, dass man sehr genau hinschaut, was man wirklich entbürokratisieren kann, weil es sich um Vorschriften handelt, die eigentlich niemand braucht, und welche Regelungen wirklich sehr nützlich und sinnvoll sind. Wenn man barrierefrei baut, hohe Brandschutzauflagen hat und nachhaltig baut, dann wird es natürlich teurer. Ich finde, diese Punkte dürfen einer sogenannten Entbürokratisierung aber nicht zum Opfer fallen.

Deshalb glaube ich, dass man genau hinschauen muss. Gerade bei der Bauordnung stecken die Tücken im Detail und können am besten von den Menschen beurteilt werden, die tagtäglich mit dem Bauen zu tun haben. Deswegen bin ich gespannt darauf, was wir in der Anhörung von den Sachverständigen und von den Kommunen hören werden. In diesem Sinne warten wir die Anhörung ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster spricht Herr Kollege Caspar für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Novellierung der Hessischen Bauordnung eingebracht. Wir können erfreut feststellen, dass dies ein wichtiger und guter Beitrag dazu ist, das Bauen in Hessen effizienter und schneller zu machen und zu entbürokratisieren. Deswegen ist das auch ein wichtiger Beitrag dazu, günstigen Wohnraum in Hessen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, wir können das an mehreren Punkten erkennen. Ich darf erwähnen, dass in Zukunft die Bauantragsverfahren in elektronischer Form abgewickelt werden können. Wer heute einen Bauantrag stellt und als Bauherr 40 bis 50 Unterschriften leisten muss, der weiß, was allein das für eine Entlastung bedeutet.

Nehmen Sie ein anderes Beispiel: Die Zahl der Meldungen gegenüber dem Katasteramt wird nach der neuen Bauordnung halbiert. Also auch in diesem Fall werden 50 % der Bürokratie eingespart.

Es gibt aber noch weitere Punkte, die erfreulich sind. Es sind beispielsweise Probleme beseitigt worden, die bisher Eigentümer von Büroimmobilien davon abgehalten haben, zumindest temporär ihre leer stehenden Gebäude für eine Wohnnutzung zur Verfügung zu stellen. Derjenige, der seine leer stehenden Gebäude für eine Wohnnutzung zur Verfügung stellt, muss später, wenn er die Räumlichkeiten wieder zurück umwidmen will, mit Problemen rechnen, weil aktuelle Bestimmungen gelten würden, beispielsweise höhere Stellplatzanforderungen und Ähnliches, wobei er diese Stellplätze auf seinem Grundstück gar nicht darstellen kann.

Nun wollen wir die Regelung schaffen, dass derjenige, der temporär sein Bürogebäude für die Unterbringung von Studierenden oder von Flüchtlingen zur Verfügung stellen will, dies machen kann, das alte Recht aber nicht verloren geht, das Gebäude weiterhin als Bürogebäude nutzen zu können. Das ist ein wichtiger Punkt.

An dieser Stelle muss ich mich dem Kollegen Jürgen Lenders zuwenden, der vorgeschlagen hat, die Bauordnung bundeseinheitlich zu gestalten. Das mag bestimmte Vorteile mit sich bringen, wenn es darum geht, eine gleiche Bauserie bundesweit auszurollen. Weil aber die Grundstücke immer sehr individuell sind – die Frage der Anbindung und Ähnliches –, ist diese industriell einheitliche Fertigung im Bauen sowieso schwer.

Aber das Problem ist, dass gerade durch die föderalen Strukturen, die wir hier in Deutschland haben, die Möglichkeit besteht, dass bestimmte Bundesländer Vorreiter mit Dingen sind, die eben noch lange nicht den Konsens aller Bundesländer gefunden haben. Da gibt es noch nicht den Konsens, wie wir das jetzt mit der Umstellung auf die elektronische Antragstellung machen, bei der wir bundesweit Vorreiter sind, oder bei dem eben geschilderten Vorgang, dass altes Baurecht nicht untergeht, wenn neues Baurecht bei einem Gebäude zur Anwendung kommt, sondern wieder aufleben kann. Das sind Dinge, die wir jetzt umsetzen konnten; die können wir gestalten. Deswegen macht es durchaus Sinn, dass wir eben nicht alles so einheitlich machen, wie es in der Musterbauordnung steht.

Richtig ist aber auch, dass wir z. B. das Bauen mit Holz erheblich vereinfacht haben. Hier gibt es übrigens auch hinsichtlich der Höhen keine Grenzen. Auch wenn es aufgrund der Höhe ein Sonderbau werden sollte, ist es gleichwohl möglich, Holz als Werkstoff einzusetzen. Auch das ist eine Öffnung, die einen Beitrag dazu leistet, kostengünstiger, aber auch klimafreundlicher bauen zu können. Insoweit ist das ebenfalls eine Innovation, die für uns wichtig ist.

Kollegin Barth hat kritisiert, wenn man vereinfachen wollte, dürften es doch nicht mehr Paragrafen sein. Ein paar der Dinge, die ich hier eben beschrieben habe, mussten halt neu und speziell geregelt werden und tragen damit zu einer „Verlängerung“ der Hessischen Bauordnung bei. Aber wenn Sie sagen, man sollte das alles kürzer und einfacher machen, dann muss ich sagen, Sie sind ja schon ein paar Jahre hier im Parlament, jedoch bisher habe ich von Ihnen noch keinen Antrag gesehen, die Hessische Bauordnung zu vereinfachen oder ein paar Paragrafen zu streichen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie stehen ja parlamentarischen Initiativen der Opposition auch immer so offen gegenüber!)

Na also, Frau Wissler, Sie sind ja lange genug hier im Parlament, um zu wissen, dass jede Fraktion hier einen Antrag stellen und Gesetzentwürfe einbringen kann. Wenn Sie das nicht wissen würden – das wäre ja besser für uns –, dann wäre uns viel erspart geblieben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber Sie haben nun wirklich schon viele Dinge beantragt.

(Zuruf von der LINKEN: Können Sie mir mal das Wort „arrogant“ buchstabieren?)

Insoweit, Frau Barth, wenn Sie sagen, das ist alles viel zu kompliziert und viel zu viel, dann, bitte, haben Sie die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, und dann teilen Sie uns doch bitte einmal mit, welche Paragrafen in der HBO gestrichen werden sollen. Sie haben das bisher nicht gemacht, jetzt ist das Thema erneut aufgerufen. Sie haben jetzt die Möglichkeit, in den Ausschüssen einzubringen: Bitte, streicht die und die Paragrafen. – Da bin ich einmal sehr gespannt, welches Modell Sie vorlegen werden, wie lang dann die Hessische Bauordnung ausfallen würde. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es da viele Punkte gäbe, bei denen Sie zu Recht sagen würden: Das ist alles überflüssig, das können wir herausnehmen. – Aber, wie gesagt, da bin ich erst einmal gespannt, was da wirklich von Ihrer Seite kommen wird.

Wir werden natürlich mit diesem Gesetzentwurf sehr offen umgehen. Auch wenn es schon Gespräche, Regierungsanhörungen und Ähnliches mit den Verbänden gab, legen wir sehr viel Wert darauf, dass wir einen zusätzlichen Input durch die Verbände, die Institutionen bekommen, die tagtäglich mit dieser Bauordnung zu leben haben, und die Betroffenen. Wir freuen uns von daher auf eine intensive Diskussion im Ausschuss und auf die Beratungen.

Wir haben natürlich die Absicht, gute Anregungen dann auch aufzunehmen. Insofern sind alle gefordert, die hier gute Beiträge leisten wollen und können, dies jetzt einzubringen. Insofern ist das heute ein guter Tag für die Entwicklung der Bauordnung, aber es ist eben noch nicht das Ende der Entwicklung.

Wir sind gespannt auf das weitere Verfahren und würden uns freuen, wenn wir eine intensive Diskussion und Unterstützung in der Innovation und Fortentwicklung dieser Bauordnung bekämen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abg. Förster-Heldmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sagte gestern Abend doch ein Kollege zu mir? – Das Pult ist schön; du wirst es genießen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, er hat recht. Das Pult ist schön, und ich freue mich, hier zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der LINKEN)

Die Novellierung der Hessischen Bauordnung ist eigentlich eine Novellierung, bei der es darum geht, den Kommunen und speziell den Ballungsräumen Möglichkeiten der Innenentwicklung und des vereinfachten Umgehens mit alten Strukturen zu geben und auch neue Strukturen zu schaffen, ohne auf die „bewährten“ Hürden zu stoßen. Das finde ich grundsätzlich sehr gut. Dabei geht es um digitale Baugenehmigungen, Schaffung von Wohnraum, Barrierefreiheit und die Stellplatzsatzung.

Zu der Stellplatzsatzung muss ich jetzt zuallererst doch sagen, Frau Barth, ich habe mich so über Ihre Äußerung gefreut; denn über die Diskussionen bei mir zu Hause mit den Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Partei – gerade dann, wenn es um Stellplätze geht – könnte ich Ihnen Bände erzählen. Deswegen freue ich mich darüber, dass Sie die Äußerungen gemacht haben. Diese werde ich auch mitnehmen und bei uns verankern.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Denn ich bin mir sicher, die nächste Gelegenheit dazu wird es wieder geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Lenders, seit heute weiß ich, dass Sie der Spezialist für die Digitalisierung sind. Aber darum geht es jetzt eigentlich gerade nicht, sondern es geht darum, Digitalisierung zu ermöglichen, einfach einen Anfang zu schaffen und dann auch mit Ihrem Know-how diese Entwicklung in Gang zu bringen. Wir wissen alle, dass solche Prozesse manchmal einen sehr viel schnelleren Fortlauf haben, und ich bin mir sicher, dass das ein voller Erfolg wird. Wir werden in unserer Modellstadt „Digitale Stadt“ – ich nenne den Namen nicht; das hat mir meine Fraktion verboten –

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sicherlich die eine oder andere Idee präsentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben ja alle die gleichen Probleme. Wenn Sie sich die Siedlungen und die Wohngebiete aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren ansehen, dann sehen Sie auch, welche Probleme die Wohnungsbaugesellschaften mit den Sanierungen dieser Bereiche haben.

Da greift auch das, was der Herr Minister hier vorgeschlagen hat, wirklich richtig in diese Strukturen hinein: Ich kann aufstocken – das heißt, ich schaffe zusätzlichen Wohnraum –, ich kann auf die Bevölkerungsstruktur Einfluss nehmen, ich habe die Möglichkeit, die Gebäude barrierefrei zugänglich zu machen, indem ich Abstandsflächen nutze, ich habe die Möglichkeit, ohne Probleme von außen einen Aufzug anzubauen, und ich habe wirklich gute Möglichkeiten der Nachverdichtung. Denn bei dem letzten Punkt spielt die Stellplatzfrage eine Rolle.

Frau Wissler, wenn die Stellplatzfrage in den unterschiedlichsten Gremien diskutiert wird, ist das meist gar keine Frage der Kosten mehr, sondern eine Frage der Zahl der Plätze. Denn alles, was man für Autos bereitstellt, geht zulasten des Wohnraums und der Verdichtung in bestimmten Gebieten. Aber gerade dann, wenn wir in den Großstädten

und in den Ballungszentren neue Gebiete erschließen wollen, kommt es genau darauf an. Insofern bin ich sehr dankbar, dass hierzu eine eindeutige Aussage getroffen wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Bezüglich des Stichwortes Flexibilität finde ich es wichtig, dass Büroraum umgenutzt werden kann und möglicherweise wieder rückabgewickelt werden kann. Ich glaube, die Umnutzung – auch wenn manche Immobilienverwalter im Augenblick davon nicht begeistert sind – wird sich ganz sicher einspielen, weil wir in unserer Gesellschaft auch eine Veränderung haben, was Arbeit betrifft. Da müssen wir auch die Flexibilität haben, in unserem Immobilienbestand darauf reagieren zu können. Das ist also ein weiterer Punkt, den ich ganz wichtig finde.