Protocol of the Session on November 21, 2017

Das fällt ein bisschen zurück in die alten Zeiten des „Schwarzen Sheriffs“ von einem Innenminister Volker Bouffier. Aber zu Schwarz-Grün passt das mit Sicherheit nicht und schon gar nicht zu den GRÜNEN.

(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Doch, doch!)

Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wovor Sie Angst haben. Wir werden die Konsequenz daraus ziehen, dass Sie die Minderheitenrechte nicht regeln. Denn offensichtlich ist eine Regelung in der Hessischen Verfassung doch mehr als nötig, wenn Sie es nicht schaffen, das in einfach-gesetzlichen Regelungen umzusetzen.

(Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Mich überrascht sehr – das sage ich schon in Richtung der GRÜNEN –, dass Sie sich nahezu vollständig an dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz orientieren. Die Regelung zur Onlinedurchsuchung in § 8 ist wirklich der Gipfel. Das finde ich wirklich, und das sage ich auch in Richtung der CDU, weil es auch das kaum in anderen Bundesländern gibt.

Wir reden hier vom Verfassungsschutz. Das heißt, wir reden von einem Grundrechtseingriff, der in einem Verfassungsschutzgesetz geregelt wird. Noch einmal zur verfassungsrechtlichen Einordnung: Der Verfassungsschutz beobachtet Bedrohungslagen. Ein solch schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme erfordert das Vorliegen einer konkreten Gefahr – und dann sind wir schon bei der Polizei. Dort sind diese Eingriffsrechte deutlich besser und angemessen geregelt, und dort sollen sie auch gelten, aber doch bitte nicht im präventiven Bereich beim Verfassungsschutz. Das ist völlig unangemessen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich sage es am Schluss noch einmal zur Einordnung auch in Richtung der GRÜNEN: Sie haben auf Ihrer Landesmitgliederversammlung etwas anderes dazu gesagt bekommen – wie ich und wir finden, völlig zu Recht.

Sie denken an die Redezeit.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Es ist das schärfste Eingriffsrecht in Bürgerrechte in der gesamten Bundesrepublik, ebenso wie in Bayern. Etwas Weitergehendes gibt es nicht – und das in dem ersten Bundesland, in dem der Datenschutz in einem freiheitlichen Bürgerrechtsstaat geregelt wurde, der es einmal war. Aber offensichtlich muss man diese Landesregierung ablösen, damit wir wieder an alte Zeiten anknüpfen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ein Feuerwerk, das hier von der Kollegin Faeser abgefeuert wurde.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank – Aber, ich glaube, Sie sollten sich vielleicht einmal mit der Faktenlage dieses Gesetzentwurfs beschäftigen, dann kommen Sie durchaus zu anderen Erkenntnissen.

(Günter Rudolph (SPD): Da oben sitzen Zeitzeugen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass sich ausgerechnet die Partei der Freiheit darüber beschwert, dass man sich als Koalitionsfraktionen viel Zeit mit der inhaltlichen Debatte über ein solches Gesetz nimmt,

(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt! – René Rock (FDP): Irgendwann muss man sagen, es reicht!)

weil es um tiefe Grundrechtseingriffe geht, über die man hier spricht – da verstehe ich eine FDP nicht, dass sie sich ausgerechnet darüber beschwert, dass man sich inhaltlich sehr intensiv mit einem solchen Thema beschäftigt.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Mit dem Vorwurf können wir leben!)

Wir haben im Hessischen Landtag – ich glaube, das gibt es in keinem anderen Bundesland – eine Expertenkommission eingerichtet, die sich mit den Erkenntnissen aus den schrecklichen Morden des NSU beschäftigt hat. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat 47 Handlungsempfehlungen gegeben, bei denen er gesagt hat: Diese Handlungsempfehlungen sollen die Regierungen, die Sicherheitsbehörden und die Verfassungsschutzbehörden umsetzen. Sie sollen schauen, welche Handlungsempfehlungen davon umgesetzt worden sind.

Auf 250 Seiten hat die Expertenkommission diese Handlungsempfehlungen und die Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen in Hessen untersucht und hat uns dabei sehr gute Noten gegeben. Viele Dinge sind auf dem Weg, viele Dinge sind implementiert worden. Ich spreche hier nur einmal von der Ausbildung, einem gemeinsamen Ausbildungszentrum mit dem Bund. Es geht um die Frage, wie die Justiz, wie die Polizei, wie die Ermittlungsbehörden mit solchen Fällen umgehen, und anderes.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Es ist sehr intensiv daran gearbeitet worden. Es gibt in keinem Bundesland eine derartige Evaluierung der Umsetzung der Handlungsempfehlungen des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. Das gibt es nirgendwo sonst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Alles Nebelkerzen!)

Wir hatten damit zu tun, dass wir auf der einen Seite die Handlungsempfehlungen hatten. Wir hatten einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben die Expertenkommission gebeten, auch über diesen Gesetzentwurf zu schauen. Wir hatten in der Zwischenzeit – das gab es vorher nicht – ein Gesetz des Bundes vorgelegt bekommen. Das gab es zu der Zeit nicht, als wir gemeinsam das Verfassungsschutzgesetz vorgelegt haben. Wir hatten eine Ent

scheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Themenkomplex und insbesondere auch die Umsetzung des BKAGesetzes.

Frau Kollegin Faeser, da wundert mich wirklich, dass Sie ausgerechnet die Themen Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ ansprechen; denn das hat Ihr Bundesjustizminister vorgelegt, und das Bundesverfassungsgericht hat das erst einmal kassiert. Sie sollten hier vielleicht kleinere Brötchen backen, wenn Sie sich an dieser Regierungskoalition abarbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Nancy Faeser (SPD): Bei der Polizei, aber nicht beim Verfassungsschutz!)

Das haben wir versucht zusammenzubekommen. Wir haben versucht, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der diesen Ansprüchen, auch was die Transparenz und die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden angeht, gerecht wird. Ich glaube, wir haben unter dem Strich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der an vielen Punkten eine Verbesserung dessen ist, was wir bisher als Gesetz in Hessen haben, und der viele Punkte aufgreift,

(Günter Rudolph (SPD): Welche denn?)

die der Deutsche Bundestag seinerzeit in seinen Handlungsempfehlungen festgelegt hat. Wir orientieren uns, wie gesagt, an diesen Handlungsempfehlungen.

Die Mentalität dieses Verfassungsschutzes ist eine andere geworden. Kollege Greilich hat es zwar kritisiert, aber wenn Sie sich z. B. die Präambel des Gesetzes anschauen, sehen Sie, dass diese Mentalität des Verfassungsschutzes, nichts herauszugeben, möglichst im Verdeckten zu arbeiten, sich verändert hat. Wenn Sie sich das ansehen, dann sehen Sie, es hat eine andere Philosophie. In der Präambel steht: „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, „Dienstleister der Demokratie“, „die analytischen Kompetenzen“ vorzuhalten, „öffentlichen Diskurs“ zu führen. Das sind doch Dinge, die es vorher nicht gegeben hat, insbesondere die analytische Kompetenz. Wir haben doch bei der Aufarbeitung durch den NSU-Untersuchungsausschuss beklagt, dass viele Dinge vorgelegen haben, aber dass sie nicht zusammengeführt worden sind. Das wollen wir stärken. Das ist eine der Philosophien dieses Gesetzes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben gesagt, wir wollen die Zusammenarbeit mit dem Bund verbessern, wir wollen für die nachrichtendienstlichen Mittel hohe Hürden einsetzen: Richtervorbehalt, doppelten Richtervorbehalt, Genehmigung durch die G10Kommission. Wir haben bei den verdeckten Mitarbeitern Dinge gemacht und gesagt, dass sie nicht von Geld und Sachaufwendungen abhängig sein dürfen. Wir haben die parlamentarische Kontrolle deutlich verbessert. Das will ich hier ausdrücklich sagen.

(Günter Rudolph (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE): Wo denn?)

Wir haben in der Opposition immer gemeinsam gefordert, dass wir so ein Gesetz bekommen wie im Bund.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Wo denn? – Günter Rudolph (SPD): Glatt gelogen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben es bei Sicherheitsgesetzen wie dem Verfassungsschutzgesetz mit schwierigen Grundrechtseingriffen zu tun, über die es durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt. Am Wochenende haben wir auf unserem Parteitag in Hanau in einer, wie ich finde, guten und fundierten Debatte – es gab unterschiedliche Bewertungen – am Ende mit einer knappen Mehrheit – –

(Lachen bei der SPD und der LINKEN)

Ja, unterschiedliche Bewertungen. – Wir haben dort diskutiert. Es gab unterschiedliche Bewertungen. Am Ende gab es eine knappe Mehrheit dafür, dass man in der Frage der Onlinedurchsuchung und der Quellen-TKÜ das so nicht akzeptiert, und man hat uns mitgegeben, dass wir das genauer in den Blick nehmen. Das tun wir, meine Damen und Herren, und Sie brauchen uns über unsere Parteitage nicht aufzuklären. Das tun wir schon selbst. Da waren wir nämlich anwesend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben uns bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs sehr intensiv mit der Frage der Onlinedurchsuchung und der Quellen-TKÜ beschäftigt. Wir haben diese Eingriffe mit hohen Hürden versehen, weil es schwerwiegende Grundrechtseingriffe sind. Wir haben einen doppelten Richtervorbehalt bei der Onlinedurchsuchung vorgesehen, erst bei der Genehmigung, dann bei der Verwertung. Wir haben bei der TKÜ die G10-Kommission, die zustimmen muss. Wir haben strenge Protokollierungsvorschriften festgeschrieben, um nachher die rechtsstaatliche Überprüfung zu ermöglichen.

Mit den hohen Hürden sind wir deutlich über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinausgegangen. Gleichwohl gibt es Bürgerinnen und Bürger, die derartigen Maßnahmen ablehnend gegenüberstehen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Im Kern ging es bei der Diskussion auf unserem Parteitag nicht grundsätzlich um die Ablehnung von Maßnahmen der Sicherheitsbehörden. Es ging um die Verwendung der eingesetzten Software und die Sicherheit dieser Software. Also: Können die Trojaner genau das, wofür sie eingesetzt werden sollen, oder gehen die Maßnahmen über den Einsatzzweck hinaus? Können die Trojaner weiterverbreitet werden,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wie wollen Sie das denn verhindern?)

und können dann durch das Ausnutzen der Sicherheitslücken auch Computer von unbeteiligten Menschen infiziert werden?

Als Negativbeispiel wird immer wieder der WannaCry-Virus genannt, der 230.000 Computer in 150 Ländern infiziert hat und ganze Firmen lahmgelegt hat. Diese Lücke im System war damals dem US-Auslandsgeheimdienst bekannt. Er nutzte sie mehrere Jahre für seine Zwecke, ohne Microsoft über diese Sicherheitslücke zu informieren.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident. – Es ist also eine Debatte, die nicht zu Unrecht geführt wird. Das Thema wird auch uns in der Anhörung des Hessischen Landtags sehr beschäftigen. Wir werden im Rahmen der Anhörung Sachverständige und Experten zu den in Rede stehenden Sachverhalten sehr intensiv anhören. Wir werden das auswerten, und dann werden wir in den fachlichen Dialog mit unseren Freundinnen und Freunden treten. So sieht es aus, und da braucht man gar nicht aufgeregt zu sein. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU)