Protocol of the Session on August 31, 2017

Zwischen Schülern in Bremen und Sachsen liegt in der 9. Klasse konstant ein Leistungsunterschied von eineinhalb Schuljahren.

Das ist das Problem der mangelnden Einheitlichkeit in Deutschland, meine Damen und Herren. Die SPD-regierten Länder hinken den unionsregierten überall hinterher.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Am Schluss Ihres Papiers steht: „Gemeinsam zeigen Martin Schulz …“ – und dann kommt die ganze Kette der Ministerpräsidenten – „wie es gehen kann.“ Dazu kann man nur sagen: Nein. Wenn man in die SPD-regierten Länder schaut und auf deren Bildungspolitik, dann sieht man, wie es besser nicht gehen sollte. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Keine weiteren Wortmeldungen. Dann ist der Punkt 62 beendet.

Ich habe Ihnen mitzuteilen: Eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der SPD betreffend nukleare Abrüstung in Deutschland, Drucks. 19/5211. – Die Dringlichkeit wird allseits bejaht. Das wird dann Tagesordnungspunkt 73. Wenn Sie nicht widersprechen, kann das mit Tagesordnungspunkt 51 aufgerufen werden. – Das machen wir so.

Dann begrüße ich auf der Besuchertribüne Kommunalpolitiker aus Bayern, aus Stätzling in der Nähe von Augsburg. Herzlich willkommen. Sie informieren sich hier im Hessischen Landtag. Schön, dass Sie da sind.

(Allgemeiner Beifall)

Bleiben Sie noch ein bisschen, bei uns ist es immer schön.

Jetzt geht es weiter in der Debatte. Ich rufe Tagesordnungspunkt 63 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Gute Arbeit am Frankfurter Flughafen: Hessische Landesregierung muss bei Vergaben Tarif- bindung sichern – Solidarität mit den Beschäftigten bei den Bodenverkehrsdiensten) – Drucks. 19/5193 –

Frau Kollegin Janine Wissler beginnt. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir uns für gute Arbeit am Frankfurter Flughafen einsetzen. Ich freue mich, dass Beschäftigte von Acciona, darunter auch der Betriebsrat, heute auf der Besuchertribüne sind, und begrüße sie ganz herzlich im Hessischen Landtag.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Sie wollen doch Tausende Arbeitsplätze abschaffen! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Firma Acciona erbringt bisher Bodenverkehrsdienste am Frankfurter Flughafen. Sie erledigt also für die Fluggesellschaften die Gepäckabfertigung, die Enteisung, Betankung usw.

Die Beschäftigten bei den Bodenverkehrsdiensten bei Acciona, Fraport und bei der Fraport-Tochter FraGround leisten harte Arbeit im Nacht- und Schichtdienst. Ohne sie

ginge nichts am Flughafen, und dafür verdienen sie Anerkennung und vor allem eine gute Bezahlung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die 1.300 Beschäftigten bei Acciona fürchten aber derzeit um ihre Arbeitsplätze und um ihre Tariflöhne; denn das hessische Wirtschaftsministerium hat im Juli die Konzession für die Abfertigung am Flughafen nach einer Ausschreibung der Firma WISAG zugesprochen, die nicht tarifgebunden ist.

Ich halte es für ein Unding, dass Fraport – als ein Unternehmen, das sich mehrheitlich im öffentlichen Besitz befindet – die Tarifbindung nicht zu einem verpflichtenden Ausschreibungskriterium macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch schlimmer finde ich, dass ein Verkehrsminister zulässt, dass ein nicht tarifgebundenes Unternehmen hier zum Zuge kommt. Das ist ein Unding, das kann überhaupt nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

WISAG hat zwar zugesagt, die Löhne nicht abzusenken, aber das ist keine Garantie für die Zukunft und auch kein Tarifvertrag.

Wie rau der Umgang mit den Beschäftigten in der Branche ist, zeigt sich in Berlin, wo die WISAG schon tätig ist. In Berlin hat die WISAG 2008 die damalige Globe Ground gekauft, die bis dahin die Bodenverkehrsdienste in Tegel und Schönefeld erbracht hat. Seitdem hat die WISAG dort ein kaum übersehbares Geflecht von immer neuen Tochtergesellschaften und Subunternehmen aufgebaut. Ehemalige Globe-Ground-Mitarbeiter wurden dazu gedrängt, die Gesellschaft zu wechseln, natürlich zu schlechteren Bedingungen. Dass dies früher oder später auch den Kollegen von Acciona droht, steht zu befürchten. Das betrifft natürlich nicht nur die WISAG, sondern diese Dumpingkonkurrenz hat System bei den Bodenverkehrsdiensten. Das ist das Problem, über das wir heute reden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier findet ein Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten statt. Und diese Zustände sind nicht vom Himmel gefallen, sie sind politisch gewollt. Die Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste und die Vorgabe, dass es mindestens zwei Anbieter für die Bodenverkehrsdienste an jedem Flughafen in der EU geben muss, sollten angeblich für mehr Effizienz sorgen – das Versprechen einer jeden Liberalisierung und Privatisierung. In Wahrheit aber geht es nicht um verbesserte Abläufe und höhere Qualität, ganz im Gegenteil: Es ist ein Preiskampf, der nicht zu einer Verbesserung führt, sondern zu teils chaotischen Zuständen, wie etwa bei der Gepäckabfertigung in Berlin-Tegel.

Es ist auch klar, dass in einem so personalintensiven Bereich – geschätzt 70 % Personalkosten – der Wettbewerb auf Kosten der Mitarbeiter geführt wird, und es ist gut, dass sich die Beschäftigten von Acciona genau dagegen wehren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Arbeitsplätze am Frankfurter Flughafen werden insgesamt immer prekärer. Bei den Bodenverkehrsdiensten gibt es einen Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten, ein gu

ter Teil der Beschäftigten sind mittlerweile Leiharbeiter. Ich habe am Samstag bei der Kundgebung am Flughafen mit Kollegen gesprochen, die jahrelang als Leiharbeiter gearbeitet haben. Das lässt sich doch nicht mit den oft genannten Auftragsspitzen begründen – das ist Lohndumping, nichts anderes.

Die Gewerkschaft ver.di spricht von einem „zunehmend erbarmungslosen Absenkungswettbewerb um die niedrigsten Lohnkosten, die geringsten Qualifikationskosten und den knappsten Personaleinsatz“. Durch die Ansiedlung von Ryanair am Frankfurter Flughafen haben die Fraport AG und die Landesregierung diesen Billigwahn zusätzlich noch verstärkt. Ryanair wird der rote Teppich ausgerollt und bekam als Extrawurst eine beschleunigte Abfertigung zugesagt. Wer aber stemmt die beschleunigte Abfertigung? Das sind doch die Kolleginnen und Kollegen, auf deren Rücken das geht und die am Ende noch härter arbeiten müssen als bisher.

(Manfred Pentz (CDU): Aber nicht DIE LINKE, die ganz sicher nicht, Frau Wissler!)

Der Druck auf die Arbeitsbedingungen wird durch diese Billigkonkurrenz also noch weiter zunehmen.

Zukunftsängste durch immer wieder neue Ausschreibungen, weniger Vollzeitstellen, schlechte Löhne – das darf nicht so weitergehen. Wir erwarten, dass sich ein Verkehrsminister vor die Beschäftigten stellt und nicht Entscheidungen gegen sie trifft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Wo leben Sie eigentlich? In Venezuela, in der DDR oder in Frankfurt?)

Flughäfen sind Teil der öffentlichen Infrastruktur. Eigentlich müssten diese Beschäftigten, die ja auch in einem sicherheitsrelevanten Bereich arbeiten, meiner Meinung nach Teil des öffentlichen Dienstes sein.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Das Mindeste aber ist, dass sie tariflich entlohnt werden und unbefristete Verträge haben. Natürlich brauchen wir auch einen Branchentarifvertrag, wie ihn ver.di seit Jahren fordert.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Der Frankfurter Flughafen ist einer der größten Flughäfen dieses Kontinents, und die Fraport verdient gut damit. Beim Flughafenausbau wird immer gerne vom „Jobwunder“ Flughafen gesprochen, Fakt aber ist, dass die Arbeitsbedingungen schlechter werden. Wenn jemand die gleiche Arbeit für weniger Geld macht, dann ist das kein Wunder, sondern eine Sauerei. Deswegen stehen wir an der Seite der Beschäftigten bei den Bodenverkehrsdiensten, die sich gegen Lohndumping wehren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Ei, ei, ei!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. „Sauerei“ ist auch nicht so richtig parlamentarisch, aber machen wir mal weiter. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Wolfgang Decker, SPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Schon einmal hat sich der Landtag ausführlich mit den Bodenverkehrsdiensten am Frankfurter Flughafen befasst. Damals haben wir uns auf Initiative der SPD-Fraktion in einer fraktionsübergreifenden Resolution erfolgreich gegen eine weitere Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste gewehrt.

Seit damals müsste eigentlich jeder hier im Hause wissen – damit meine ich auch die Regierungsbank –, dass dies ein hochsensibles Gelände ist. Hochsensibel zum einen, weil es sich um sicherheitsrelevante und von harter Knochenarbeit geprägte Bereiche handelt, zum anderen, weil hier regelmäßig der Konkurrenzkampf der Anbieter und damit der Kampf um faire Arbeitsbedingungen und Löhne tobt.

Nun ist es wieder einmal so weit. Damit hier im Hause gleich Klarheit herrscht: Auch diesmal stehen wir mit der SPD-Fraktion an der Seite der betroffenen Kolleginnen und Kollegen von Acciona.

(Beifall bei der SPD uns bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Ich möchte die Kollegen des Betriebsrates oben auf der Empore auch im Namen der SPD-Fraktion herzlich begrüßen.

Es sind inzwischen schon viele Monate, in denen sich die 1.300 Beschäftigten von Acciona mit ihren Familien Sorgen und Gedanken machen müssen, wie es mit ihren Arbeitsplätzen weitergeht. Auch wenn der neue Lizenznehmer die Übernahme der Belegschaft versprochen hat, bleibt für sie die bange Frage, zu welchen Arbeitsbedingungen und zu welchen Löhnen das denn geschehen wird.

Der Acciona-Betriebsrat hat gemeinsam mit der Gewerkschaft vor 17 Jahren faire und durch Tarifvertrag geregelte Bedingungen ausgehandelt. Das war gut so. Man kann die Befürchtung der Belegschaft schon verstehen, dass mit der Vergabeentscheidung des Wirtschaftsministeriums der hart erkämpfte Tarifvertrag den Bach runterzugehen droht; denn der neue Unterlizenznehmer ist nicht tarifgebunden, und das bedeutet, dass den Beschäftigten nach einem Jahr neue – und vor allem schlechtere – Bedingungen drohen können. Das kann in diesem Hause doch wirklich niemand wollen, meine Damen und Herren.