Protocol of the Session on August 31, 2017

Denn die Wahrheit ist, dass Planung und Steuerung in weiten Bereichen der Jugendhilfe in einem irgendwie geordneten und den Begriffen Planung und Steuerung entsprechenden Sinne im Lande Hessen nicht stattfinden. Weil das so ist, findet auch keine angemessene finanzielle Beteiligung des Landes an den Kosten statt. Man kann das Argument auch umdrehen: Weil man sich aus gutem Grund zu einer angemessenen finanziellen Beteiligung des Landes an den Kosten der Jugendhilfe nicht durchringen kann – ich rede hier natürlich in allererster Linie über die Kosten der Kinderbetreuung, nicht über den Teil der Hilfen nach § 27 ff. –, will man auch nicht planen und steuern. Weil man das nicht will, will man auch nicht so ganz genau wissen, was sich eigentlich im Lande abspielt. Oder man will so tun können, als würde man es nicht so genau wissen.

Ich will das anhand von drei Komplexen etwas detaillierter ausführen. Das ist erstens die Frage, wie man mit der Entwicklung des Angebots von Kinderbetreuungsplätzen umgeht. Das betrifft also die Frage der Quantität, zu der die Regierung gestern und auch sonst immer wieder in der Vergangenheit wortreich erklärt hat, dass dies eine ihrer großen Prioritäten sei. Zweitens will ich – wenig überraschend – etwas zur Frage der Gebühren sagen. Ich will drittens – wahrscheinlich auch wenig überraschend – etwas zur Frage der Beteiligung des Landes an den Kosten der Veranstaltung Kinderbetreuung sagen.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Um auf die Frage der Quantität zu sprechen zu kommen: Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden – das haben wir neulich auch in der Ausschusssitzung erläutert –, dass nach dem neuen Verfahren der Rahmenbetriebserlaubnisse keine trennscharfe Bestandsaufnahme nach U-3- und Ü-3-Plätzen mehr möglich ist. Das ist richtig.

Richtig ist aber auch, dass man Annahmen darüber haben kann, wie sich die Zahlen entwickeln. Das ist nach wie vor richtig. Mit Verlaub: Diese Annahmen muss man auch haben, Herr Minister, wenn man so etwas Ähnliches wie eine Landesbedarfsplanung machen wollte, aus der sich dann eine Planung der einzusetzenden finanziellen Mittel ergeben müsste. Das machen Sie natürlich nicht, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Sie seit Jahr und Tag gar keine eigenen Landesmittel einsetzen, sondern sich damit zufrie

dengeben und die Kommunen auch damit zufrieden sein lassen, dass Sie die bereitgestellten Bundesmittel weiterreichen. Damit muss es dann sein Bewenden haben. Wenn man also von 2017 bis 2020 nur 86 Millionen € zur Verfügung hat und wenn das auch alles ist, was das Land ausgeben will, dann muss man auf dieser Geschäftsgrundlage natürlich auch keine Landesbedarfsplanung mehr machen; denn dann gibt man das Geld so lange aus, wie es noch vorhanden ist, und wenn keines mehr da ist, ist es fertig.

Wir kommen auf den alten Punkt zurück: Bedarf ist das, was der Finanzminister – in diesem Fall der Sozialminister – zu zahlen bereit ist. Das ist aber, mit Verlaub, keine zukunftsgerichtete Politik. Ich will sagen, sie steht auch in einem gewissen Widerspruch zu den Tönen, die wir immer wieder von Ihnen hören, von Ihnen übrigens weniger als aus diesen Abteilungen – –

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Von Ihnen schon einmal gar nicht. Gott sei Dank haben Sie sich dazu nicht geäußert, Herr Reif. Das ist auch besser so.

(Zurufe von der CDU – René Rock (FDP): Wo er recht hat, hat er recht!)

Man muss nicht zu allem etwas sagen, wovon man nichts versteht. Selbst ich halte mich manchmal daran.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Da gibt es nichts zu lachen, Kollege Blechschmidt.

(Manfred Pentz (CDU): Ich glaube, die Redezeit ist gleich vorbei!)

Wenn man immer wieder, wie zuletzt der Kollege Wagner, der jetzt vorsichtshalber abwesend ist, sagt, dass man der Quantität größte Priorität einräumt, dass man das Platzangebot U 3 sichert, dass man das Platzangebot U 3 ausbaut, dass man den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz garantiert, dann müsste dem eine eigenständige Planungs- und Finanzierungsanstrengung zugrunde liegen. Andernfalls könnte man sagen: Wir erwarten, dass der Bund für die Erfüllung dieser Aufgabe geradesteht, und alles andere interessiert uns nicht. – Das wäre wenigstens ehrlich. Das ist leider Gottes aber auch hier nicht der Fall. Ehrlichkeit gehört bei diesem Punkt, muss ich bedauerlicherweise sagen, nicht zu den hervorstechenden Merkmalen der Debatte, soweit sie von Ihnen geführt worden ist.

Meine Damen und Herren, ich will zum Punkt Gebühren kommen. Wir hatten gestern Abend eine bemerkenswerte Sondersitzung des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses. Dabei ist deutlich geworden, dass nicht nur die Punkte unklar waren, die wir bisher für unklar gehalten hatten, sondern es ist auch eine ganze Reihe von Punkten unklar, von denen ich bisher gedacht hatte, dass sie klar wären.

Das gilt z. B. für die Frage, für wen bzw. für welche Plätze und für welche Kinder eigentlich die Pauschale von 136 € gezahlt wird. Das gilt z. B. für die Frage, ob die 136 € auch dann gezahlt werden, wenn nur Halbtagsplätze in Anspruch genommen werden. All dies ist gestern Abend wieder unklar gestellt worden. Es sei denn, Sie sagen jetzt etwas anderes. Es ist aber sehr deutlich geworden, was für eine Sturzgeburt dieser Vorschlag vier Wochen vor der Bundestagswahl doch tatsächlich war, weil offensichtlich niemand uns genau erklären kann, was die Details dieses Vorschlags sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir mit so etwas hierhergekommen wären, noch dazu wenige Wochen vor einer Wahl, wenn wir auf all die Fragen, die gestern Abend gestellt worden sind und auf die es keine befriedigende Antwort gab, auch keine befriedigende Antwort gehabt hätten, dann wären Hohn und Spott über uns ausgegossen worden. Sie müssen damit leben, dass das für diesen Vorschlag zunächst einmal auch der Fall ist. Ich warte darauf, was Sie dann als Gesetzentwurf vorlegen werden. Ich warte darauf, ob das dann diese Frage beantworten wird. Nach dem, was ich seit gestern Abend weiß, und nach dem, mit Verlaub, was ich in der Antwort auf die Große Anfrage gelesen habe, gibt es da nicht so furchtbar viel Hoffnung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, Sie sagen immer wieder, es sei nicht Ihre Aufgabe, sich einen Überblick über die Gebühren zu verschaffen, und Sie sähen keinen Regelungsbedarf. Sie haben schon mehrfach und auch in der Antwort auf die Große Anfrage gesagt, dass Sie dabei im Grunde gar keinen Regelungsbedarf gesehen haben. Das haben Sie letztens unter anderem in großer Deutlichkeit gesagt bei der zweiten Lesung unseres Gesetzentwurfs. Da haben Sie gesagt: Ich habe kein Verständnis dafür, warum das gut verdienende Ehepaar, das Sorge dafür trägt, dass Einkommensteuer bezahlt wird, nicht auch einen Beitrag für die Kinderbetreuung aufzubringen hat. Dafür habe ich kein Verständnis.

Das war der eine Punkt. Nun zum anderen Punkt. Sie haben immer gesagt: Das geht mich auch gar nichts an. Ich will es nicht, und es geht mich auch gar nichts an. – Das zieht sich durch Ihre gesamte Antwort, und das ist bis dato die Position der hessischen CDU und auch der Koalition gewesen.

Zu der angeblichen Priorität auf die Quantität habe ich etwas gesagt. Gestern habe ich etwas zur Frage der Qualität gesagt. Ich sage: Mittlerweile haben Sie eine Kehrtwendung um 180 Grad vollzogen. Nicht nur, dass Sie das jetzt richtig finden, was Sie vorher für falsch gehalten haben, sondern Sie machen es mittlerweile auch zu Ihrer Angelegenheit. Ich kann nur sagen: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist noch kein richtiger Schuh daraus geworden.

Jetzt habe ich doch viel zu lange gebraucht für diese zwei Punkte. Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit zu einer zweiten Runde. – Zunächst einmal herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Manfred Pentz (CDU): Bloß nicht!)

Das Wort hat Frau Kollegin Wiesmann von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, ich finde, das war ein krampfhafter Versuch, möglichst Verantwortung beim Land abzuladen oder dem Land anzuhängen, die das Land gar nicht hat.

Wir stehen dazu: Kinderbetreuung ist zuallererst kommunale Aufgabe im Rahmen der kommunalen Selbstverwal

tung. Das ist wichtig. Vor Ort ist die Fähigkeit gegeben, Bedarfe zu erkennen. Wir tun freiwillig viel auf Landesebene und auch auf Bundesebene, um das zu befördern. Wir verwechseln das aber nicht damit, dass das Land die Steuerung und Planung sowie die Verwirklichung zu übernehmen hätte.

Ich möchte mich trotzdem bei Ihnen für diese Große Anfrage bedanken; denn das Thema Kinderbetreuung verdient immer rege Aufmerksamkeit, zumal in einem Land mit Familiensinn, wie es Hessen ja ist.

Ich will mich auch gleich bei der Regierung für die ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage im Rahmen dessen, was möglich war, bedanken.

Wenn ich eine Überschrift über die Ergebnisse finden müsste, dann wäre es folgende: Sehr vieles in der hessischen Kinderbetreuung ist gut, und wo es noch nicht gut genug ist, wird es mit großem Engagement und Vorausschau von denen, die die Verantwortung tragen, verbessert – und wir helfen ihnen dabei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens. Das Platzangebot ist mit enormen Anstrengungen der zuständigen Kommunen, aber auch mit massiver Hilfe – wie eben schon angedeutet – von Bund und Land hervorragend vorangekommen. Die Rechtsansprüche der Ü-3und U-3-Kinder werden landesweit erfüllt. Das hätte manch einer gar nicht gedacht. Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind heute doppelt so viele Kinder in der U-3-Betreuung, und die Ü-3-Betreuungsquote bewegt sich um die 95 %.

Das Land hat die Investitionen im U-3-Bereich in den letzten Jahren mit insgesamt 300 Millionen € unterstützt. Da waren auch Bundesmittel dabei, die wir weitergeleitet haben. Das ist zutreffend. Dazu wurden die Ausbildungsplätze für Erzieherinnen und Erzieher seit 2009/2010 annähernd verdoppelt, während die Hochschulen die entsprechenden Studiengänge mit unserem Wohlwollen ausgebaut haben.

Dabei ist der Bedarf in den Gebietskörperschaften durchaus unterschiedlich, wie die Ergebnisse zeigen. Das überrascht uns nicht. Gerade das ist ja ein gutes Beispiel dafür, dass die kommunale Zuständigkeit richtig und angemessen ist, auch wenn auf der linken Seite dieses Hauses immer für mehr Einmischung und mehr Steuerung des Landes plädiert wird.

Bestätigt wird ferner, dass es weiteren Ausbaubedarf gibt. Der Zuzug nach Hessen von überallher und die Zunahme der Geburtenrate bringen uns mehr Kinder, also auch mehr Kinder in die Kinderbetreuung – in allen Altersstufen. Das ist eine gute Nachricht, zumal wir vorbereitet sind und auch der Bund mit einer Investitionsförderung in Höhe von 86 Millionen € nochmals einen signifikanten Beitrag bereitstellt, der sinnvollerweise auch im Ü-3-Bereich eingesetzt werden kann.

Zweitens. Genauso wichtig ist die Qualität. Auch hier gibt es dank des KiföG – wer hätte es gedacht – eine sehr gute Entwicklung. Dies ergibt sich auch aus den Ergebnissen der Antwort auf die Große Anfrage. Wir haben nämlich tatsächlich einen guten Mindeststandard eingeführt, der landesweit gilt, und wir haben die Qualitätsorientierung mithilfe der BEP-Pauschale gestärkt, die sehr gut angenommen wird.

Darüber hinaus haben wir weitere Ressourcen für besondere Anforderungen, z. B. die Betreuung von sprachlich oder sozial benachteiligten Kindern – Sie wissen das alles –, über die Schwerpunktpauschale bereitgestellt.

Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt überdies – das fand ich wirklich interessant –, dass die Gruppengrößen im sensiblen U-3-Bereich deutlich unter der gesetzlich vorgegebenen Maximalgröße liegen. Wenn man sich klarmacht, was diese Durchschnittswerte bedeuten, dann sieht man: Werte zwischen 9,3 und etwas darüber, knapp über zehn, sind wirklich gute Werte. – Wenn man sich die Gesamtbetrachtung der Betreuung von Kindern zwischen 0 und 6 Jahren in Anlage 8 ansieht, kann man errechnen, dass die massive Personalaufstockung in den letzten Jahren in Verbindung mit dem Aufwuchs der Plätze rechnerisch zu einem Betreuungsschlüssel von 1 : 5,6 geführt hat. Das ist ein wirklich guter Wert, wenn man bedenkt, dass die Vorgabe im U-3-Bereich, die oft unterschritten wird, bei 1 : 5 liegt.

Drittens. Auffällig und beruhigend ist außerdem das hohe Qualifikationsniveau des Personals, wobei die gemeinnützigen und privaten Träger besser abschneiden als die öffentlichen. Auch die Altersstruktur erscheint ausgeglichen, sodass auf absehbare Zeit kein Loch durch eine Ruhestandswelle – oder Ähnliches – zu befürchten ist.

Noch eine gute Nachricht: Der Anteil der Männer in der Erzieherausbildung ist in den vergangenen zehn Jahren erheblich gestiegen: von 12 % in den Jahren 2005/2006 auf 18 % in den Jahren 2015/2016. Es könnten noch mehr Männer sein, aber das ist unzweifelhaft ein Fortschritt für die Betreuungs- und Bildungsqualität, da die Geschlechtervielfalt der kindlichen Bezugspersonen bekanntlich ein wichtiger Faktor ist.

(Beifall bei der CDU)

Viertens. Besondere Erfordernisse erhalten in der hessischen Kinderbetreuung eine besondere Aufmerksamkeit. Ich will es an drei Beispielen kurz zeigen.

In der Tagespflege, einem aus unserer Sicht unverzichtbaren, weil besonders familiennahen und flexiblen Bestandteil des Betreuungsangebots, haben sich die nun auch im KiföG verankerten Qualifikationsstandards in vielen Kreisen durchgesetzt. Teilweise werden sie übertroffen. Das kann man in der Antwort nachlesen.

Die hessischen Kindertageseinrichtungen nehmen die Aufgabe der Inklusion flächendeckend an und sehr ernst. Auch das spricht aus den Zahlen. In über 90 % der Gemeinden werden Kinder mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen betreut. Es greifen die erheblichen Gruppengrößenreduzierungen – im Gegenzug zu den nochmals deutlich angehobenen Pauschalen des Landes. Es gibt viele Angaben in der Antwort auf die Große Anfrage, dass nicht bekannt sei, dass Kinder in einer solchen Situation – außer in ganz wenigen Einzelfällen – nicht betreut würden oder nicht hätten aufgenommen werden können.

Drittes Beispiel: die Flüchtlingskinder. Die Landesförderung behandelt Flüchtlingskinder zu Recht wie alle anderen Kinder im Land. Sie erhalten dieselben Bildungschancen in Kinderbetreuung und Schule. Wie alle anderen profitieren sie von der besonderen Förderung durch die Schwerpunktpauschale, die ich schon erwähnt habe. Zugleich weist die Antwort auf die Große Anfrage eine ganze Reihe eindrucksvoller Maßnahmen der Landesregierung

aus und teilt mit, welche Fachkräfte und Fachberatungen, Träger und Einrichtungen sie bei der besonders sensiblen Fürsorge für Flüchtlingskinder und ihre Familien unterstützen.

Fünftens. All das spricht für eine gute Kinderbetreuung in Hessen. Die Landesregierung trägt aber zudem Sorge für notwendige Weiterentwicklungen, mit denen auf Herausforderungen reagiert wird. Ich nenne hier nur die Anpassung der BEP-Fortbildungen an inklusive Pädagogik und die Behandlung von Kindern mit Fluchthintergrund.

Als Nächstes wird der Bildungs- und Erziehungsplan selbst aktualisiert. Die Kooperation von Tagespflegeeinrichtungen wird in einem schon andauernden, aber noch fortdauernden Projekt vorangebracht.

Zur Sprachförderung. Die Maßnahmen haben einen einheitlichen Rahmen erhalten, innerhalb dessen verschiedene Bestandteile ineinandergreifen und aufeinander aufbauen.