Protocol of the Session on August 31, 2017

Ich habe Sie akustisch nicht verstanden.

(Horst Klee (CDU): Es gibt keine Debatte mit dem Präsidenten!)

Ich wiederhole: Wenn Sie meinen, es gebe etwas an meiner Verhandlungsführung zu kritisieren, dann wählen Sie bitte den dafür geeigneten Weg, aber nicht das Plenum. Wenn wir das länger erörtern müssen, dann unterbreche ich die Sitzung. – Bitte führen Sie Ihre Rede fort.

Herr Präsident, ich habe nicht Ihre Sitzungsleitung kritisiert. Ich habe lediglich erklärt, warum in diesem Hause gerade ein gerüttelt Maß an Empörung herrscht. Ich finde, dass wir hier auch darüber reden sollten.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Es herrscht Empörung, weil Sie reden!)

Nein, das gerüttelt Maß an Empörung liegt nicht daran, dass ich rede, sondern dass es Frau Müller-Klepper fertigbringt, im Anschluss an das, was uns Herr Weiß gesagt hat, ihre vorbereitete, standardisierte Rede zu halten,

(Ismail Tipi (CDU): Was Sie sagen, ist unkollegial! – Weitere Zurufe von der CDU)

und dass wir mit einem Antrag konfrontiert werden, der im Grunde genommen obsolet ist. Wenn Sie auch nur ein bisschen Political Correctness und Respekt vor diesem Haus an den Tag legten, würden Sie diesen Antrag zurückziehen und sich bei diesem Parlament dafür entschuldigen, dass wir die Landesregierung zu einem Tun auffordern sollen, was diese längst getan hat.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Die Einzige, die sich entschuldigen müsste, sind Sie! – Weitere Zurufe von der CDU)

Jetzt tun Sie so, also ob Sie an dieser Stelle einen Beteiligungsprozess auf den Weg bringen wollten. Den gibt es aber überhaupt nicht.

(Michael Boddenberg (CDU): Kümmern Sie sich um Blockupy! – Clemens Reif (CDU): Glauben Sie Ihre gespielte Empörung selbst? – Weitere Zurufe von der CDU)

Es gibt diesen Beteiligungsprozess offensichtlich überhaupt nicht. Ich finde das gerade bei diesem Thema unglaublich traurig.

(Zurufe von der CDU)

Sie hätten nämlich erreichen können, dass eine große Mehrheit in diesem Hause Ihrem Antrag zustimmt. Wir hätten es getan. Ich bin sicher, auch die SPD-Fraktion hätte es getan, wenn es denn ein ernsthafter Antrag gewesen wäre, die Regierung aufzufordern, etwas Bestimmtes zu tun.

Sie hat es aber längst getan; deshalb brauchen wir die Regierung nicht mehr dazu aufzufordern. Verkaspern lassen müssen wir uns hier von niemandem.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Im Grunde genommen ist das, was Biosphärenreservate machen, eine großartige Sache. Es geht um solidarische gesellschaftliche Veränderungen, es geht um nachhaltiges Wirtschaften und um nachhaltige Lebensweisen. Einem solchen Vorhaben würde sich DIE LINKE natürlich nie entgegenstellen; denn das ist der Duktus unserer Politik. Genau deshalb würden wir einen solchen Antrag im Normalfall immer mittragen. Da es aber gar nicht mehr um das Beantragen einer Machbarkeitsstudie geht, ist das eine andere Situation.

Fraglich ist, wie ernst Sie es meinen, wie ernst es die Regierung tatsächlich meint, hier etwas im Sinne von Nachhaltigkeit zu verändern. Im möglichen Biosphärenreservat läge beispielsweise das Staatsweingut. Das Staatsweingut könnte eine Vorreiterrolle spielen. Wenn Sie sowieso schon entschieden haben, dass Sie das machen wollen, dann würde mich schon interessieren, wann auf dem Staatsweingut die Umstellung auf ökologisches Wirtschaften beginnt und warum dieser Umstellungsprozess nicht schon längst begonnen hat. Warum werden dort keine zertifizierten ökologischen Weine erzeugt? Da hätte das Staatsweingut nämlich eine echte Vorreiterrolle – sozusagen eine doppelte Vorreiterrolle; denn es hätte eine auf andere Unternehmungen und auf die Weinbauern in der Region ausstrahlende Wirkung, sich an der Umstellung zu beteiligen und so zu produzieren, wie es – im tieferen Sinne – einem Biosphärenreservat entspräche.

Ich kann mich ausnahmsweise einigen Kritikpunkten der FDP-Fraktion anschließen. Wir haben nämlich in Hessen schon ein Biosphärenreservat, wo viele Dinge nicht ordentlich gemacht werden. Das, was in der Rhön gemacht wird, ist fürchterliches Stückwerk. Dort sollte man erst einmal seine Hausaufgaben gut und ordentlich machen. Wir haben schon vor Jahren gesagt, dass eine Notwendigkeit besteht, dort endlich einmal das zu machen, was in einer Kernzone notwendig ist, nämlich nicht auf Munition dort herumzutrampeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann auch nicht nur darum gehen, einer Region ein besser zu vermarktendes touristisches Etikett aufzudrücken. Natürlich soll die Region auch touristisch profitieren; das ist es aber nicht allein. Man muss vielmehr über viele Aspekte nachdenken, z. B. über einen ökologischen Umbau, über mehr öffentlichen Personennahverkehr und über eine Entlastung der Region von Güterverkehr, indem man diesen anders leitet, damit die Menschen und die Region nicht unendlich darunter leiden.

Alle diese Fragen wären zu beantworten und werden in der Zukunft hoffentlich angegangen. Aber bitte erwarten Sie von uns zu diesem Scheinantrag – es ist nicht einmal ein Schaufensterantrag – keine Zustimmung. Das haben Sie leider vergeigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Schott. – Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Hinz. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann die Aufregung wieder ein bisschen herunterfahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich begrüße es und freue mich zunächst einmal darüber, dass die Stadt Wiesbaden und der Rheingau-Taunus-Kreis Beschlüsse gefasst haben, die es ermöglicht haben, dass wir vom Ministerium aus Gespräche über die Möglichkeit der Einrichtung einer Biosphärenregion führen konnten.

Diese Gespräche haben bereits stattgefunden. Aus den Gesprächen ging das hervor, was in dem Antrag der Koalitionsfraktionen steht, dass es nämlich dringend geboten ist, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Das, was bislang stattfindet, ist lediglich ein Interessenbekundungsverfahren. Es ist keine Auftragsvergabe erfolgt, und es ist vor allen Dingen überhaupt noch nicht über den Auftrag entschieden. Von daher kann man die Aufregung wieder ein bisschen zurückfahren und sich hier über das eigentliche Thema unterhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Idee für die Entwicklung einer Biosphärenregion muss natürlich in der Region selbst verankert sein; denn es geht ja um deren eigene nachhaltige Entwicklung. Wir alle wissen, dass es sich um eine dynamische Wachstumsregion handelt. Mit einer Machbarkeitsstudie kann geprüft werden, wie dieses Wachstum nachhaltig und zukunftsfest gestaltet werden kann. Wir wollen ja eine Orientierung auf eine klimafreundliche, naturverträgliche, aber durchaus auch der Wirtschaft zugeneigte Wachstumsregion vornehmen.

Auch die Kommunen im Main-Taunus-Kreis, rund um Wiesbaden, wären ein Gewinn für diese Biosphärenregion. Es wäre wirklich gut, wenn sich diese Kommunen entschließen würden, mitzumachen. Ich hoffe sehr, dass wir sie in dem Prozess, der jetzt begonnen hat, überzeugen können und ein positives Votum auch aus dem Main-Taunus-Kreis bekommen. Ich werde am Ende meiner Rede noch einmal darauf zurückkommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das in Rede stehende Gebiet ist ein bedeutender Wirtschaftsstandort und nimmt am deutlichen Wachstum der Bevölkerung, an Arbeitsplätzen und an Wohnungen in der Region teil. Dieses Wachstum gilt es im Hinblick auf das wertvolle Naturkapital der Region zu gestalten. Hierzu gehören die Langfristziele der Klimaanpassung – dieses Ziel ist inzwischen in die UNESCO-Kriterien aufgenommen worden –, der Flächenschonung, einer guten Luftqualität, eines nachhaltigen Wasserverbrauchs und einer modernen Verkehrsplanung.

Hier gibt es bekanntlich noch einiges zwischen der Stadt und dem Umland zu tun. Hier ist z. B. das Stichwort „CityBahn-Verlängerung in den Main-Taunus-Kreis“ zu erwähnen; denn die wachsenden Verkehrsströme sollen ja umweltverträglich bewältigt werden.

Es sind aber natürlich auch die klassischen Aufgaben einer Biosphärenregion zu erfüllen: Wie können Landwirtschaft und Weinbau noch mehr an Aspekten der nachhaltigen und

umweltgerechten Bewirtschaftung ausgerichtet werden? Den regional agierenden Unternehmen der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, des Weinbaus und der Gastronomie können in einer Biosphärenregion damit ganz neue Vermarktungsmöglichkeiten eröffnet werden, vor allen Dingen wenn die regionale Herkunft der Produkte und so weit wie möglich auch ihre ökologische Wertigkeit stärker ins Bewusstsein gerückt werden, so, wie das in der Rhön der Fall ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lenders, im Naturschutz haben wir z. B. mit der Ausweisung der Kernflächen im Staatswald im Rheingau-Taunus-Kreis eine erste gute Grundlage gelegt. Der Wispertaunus, der ein weitgehend unzerschnittener Raum ist, ist außergewöhnlich und einmalig. Hier sind auch seltene Arten wie die Bechsteinfledermaus und die Wildkatze zu Hause. Es gibt schon entsprechende Untersuchungen, Würdigungen und Zertifikate.

Auf diesen Grundlagen können sich mit der Anerkennung als Biosphärenregion vor allen Dingen auch Chancen für den Tourismus bieten. Auch das würde wiederum zur Wertschöpfung in der Region beitragen.

Natürlich hat jede Gemeinde in dieser Region ihre Besonderheit. Diese wird durch die Zugehörigkeit zu einer Biosphärenregion in keiner Weise geschmälert oder verloren gehen. Im Gegenteil, es geht darum – insbesondere im Tourismus –, gemeinsam zu gewinnen und aus dem regionalen Kontext neue Bedeutung und Bekanntheit zu erlangen.

Es gibt auch etwas ganz Besonderes in dieser möglichen Biosphärenregion: Ein UNESCO-Biosphärengebiet, das eine große Stadt mit über einer Viertelmillion Einwohnerinnen und Einwohner einbezieht, besäße damit ein besonderes Merkmal, das die UNESCO überzeugen kann, eine weitere Biosphärenregion in Deutschland auszuweisen. Die Abg. Ursula Hammann hat darauf hingewiesen, dass es erst wenige Regionen gibt, die ähnliche Merkmale aufweisen.

Wie geht es jetzt konkret weiter? Ich komme auf die Frage am Anfang zurück, wie wir die Akteure vor Ort einbinden und im Main-Taunus-Kreis Überzeugungsarbeit leisten wollen. Das Umweltministerium wird die Machbarkeitsstudie in einem transparenten Prozess auf der Grundlage des Kriterienkatalogs der UNESCO in Auftrag geben, auch in Absprache mit den Akteuren vor Ort, die in der Diskussion schon die Grundlage gelegt haben. Wir legen einen besonders großen Wert auf einen breit angelegten Beteiligungsprozess während der gesamten Diskussion und während der gesamten Entwicklung hin zu einer Biosphärenregion.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er soll alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppierungen in der Region einbeziehen: Vertreterinnen und Vertreter der Landkreise, der Kommunen, der Politik, der Kultur, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der politischen Parteien im Landtag, aber auch von Interessenverbänden und zivilgesellschaftlichen Gruppen.

Wir stehen wirklich ganz am Anfang eines Prozesses. Zwei kommunale Gebietskörperschaften haben erklärt: Ja, wir wollen den Prozess mitgestalten. – Die dritte kommunale Gebietskörperschaft wollen wir noch überzeugen. Dann

gibt es den Auftrag, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, und danach wird der Prozess gestaltet, an dem alle teilhaben; denn die Biosphärenregion kann nur erfolgreich sein, wenn alle mitziehen und am Ende alle überzeugt sind. Ich hoffe, dass sich am Ende auch wirklich alle beteiligen und dass sich die Aufregung nach meiner Rede wieder ein bisschen gelegt hat. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Der Antrag wird, wie vereinbart, zur weiteren Beratung an den Umweltausschuss überwiesen.

Wir treten jetzt in die vereinbarte Mittagspause ein. Wir setzen die Sitzung um 14:30 Uhr fort.

(Unterbrechung von 13:14 bis 14:32 Uhr)